
Foto und Copyright: Abas Ahmed Salih
Frau Dr. Doubek, gibt es Neuigkeiten im Fall Abas Ahmed Salih?
Leider ist noch nicht wirklich etwas geschehen, aber dafür ist einiges passiert: Nach unserem letzten Gespräch habe ich mich mit meinem Onkel, Klaus von Dohnanyi, seinerzeit Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg, über das weitere Vorgehen beraten. Er hat mir Mut gemacht, auf unseren Rechtsstaat zu vertrauen und mich an die zuständigen Stellen zu wenden:
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Ich habe sowohl an die Präsidentin des Bundesamtes für Migration, Jutta Cordt, als auch an den Bundesinnenminister Thomas de Maizière geschrieben, übrigens ohne den Namen von Dohnanyi zu erwähnen. Ich habe lediglich in Stichpunkten den Sachverhalt geschildert:
• Jan. 2016: Anhörung mit einem von Anfang an feindseligen Dolmetscher, den die Anhörerin sogar gerügt hat
• März 2016: Termin zur Sprachanalyse, der nach stundenlangem Warten ausfiel, weil es im Amt Probleme gab
• am nämlichen Tag die feste Zusage für einen neuen Termin
• stattdessen Anfang 2017 ein Bescheid, dass Abas das Land verlassen soll
• ein Bescheid, der auf einer angeblichen 2. Anhörung basiert, die jedoch nie stattgefunden hat
Dann habe ich die Herrschaften um Klärung gebeten.
Haben sie eine Antwort erhalten?
Erfreulicher Weise sogar zwei. Aus dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge kam wenige Tage später eine sehr freundliche Mail, man werde der Sache nachgehen und sich melden. Die Antwort aus dem Bundesinnenministerium dauerte etwas länger, war dann aber ebenfalls sehr freundlich. Dort bat man mich um nähere Informationen und das Aktenzeichen, das ich nach Rücksprache mit Abas' Anwalt, Dr. Galli, weiter gegeben habe.
Gibt es weitere Reaktionen?
Aus dem Innenministerium habe ich noch nichts gehört - vielleicht waren und sind dort alle Kräfte mit dem G20 Treffen und den scheußlichen Vorfällen in Hamburg beschäftigt. Ich aber dieser Tage nachhaken. Mit dem Herrn vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge pflege ich einen leider eher unerfreulichen Mail-Kontakt.
Inwiefern?
Auf meine Aussage hin, dass es nur eine Anhörung am 21. Januar 2016 gegeben hat und Abas am 7. April 2017 überhaupt keinen Termin hatte, schrieb er mir:
„Wie Sie zutreffend mitteilten, hat lediglich eine Anhörung von Herrn Salih stattgefunden, nämlich am 21.01.2016. Aufgrund des Ergebnisses dieser Anhörung vom 21.01.2016 wurde die Entscheidung getroffen. Bei dem im Bescheid vom 13.05.2017 versehentlich zusätzlich aufgeführten Anhörungsdatum 07.04.2017 handelt es sich um ein Versehen."
Abgesehen davon dass ich die Begriffe versehentlich und Versehen im Zusammenhang mit einem so wichtigen Vorgang unstatthaft finde, stimmt das Ganze von vorne bis hinten nicht. Wie kann man denn „versehentlich" eine Anhörung erfinden, die es nicht gab und damit den Versuch einer Abschiebung begründen?
Und wie kann man den Fehler vertuschen zu wollen, indem man schreibt, die Entscheidung sei aufgrund der ersten Anhörung gefallen? Das ist nachweislich falsch, dafür gibt es einen eindeutigen Beleg: Abas Ahmed Salih hat einige Wochen nach der Anhörung vom 21.01.2016 eine Aufforderung erhalten, beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge für eine Textanalyse vorstellig zu werden.

Copyright: Abas Ahmed Salih
Also kann die Entscheidung gar nicht aufgrund der ersten Anhörung stattgefunden haben. Wenn das so wäre, hätte es wohl kaum den Termin am 14.03 gegeben.
Sind ihnen die Namen der Verantwortlichen bekannt?
Ja, natürlich. Es gibt ein Protokoll der Anhörung aus München. Später hat jemand die Akte von Abas vorschnell und ohne Sprachanalyse von dort zur Außenstelle Diez nach Rheinland Pfalz geschickt und zur Entscheidung freigegeben. Dort hat jemand „versehentlich" einen Termin erfunden, den es nie gab, den Bescheid unterschrieben und versendet. Ganz zu schweigen von den Mails, die alle Absender haben... Wir haben kein Interesse daran, Einzelpersonen anzuschwärzen. Wir möchten, dass Abas Ahmed Salih als freier Mann ein freies Leben in einem freien Land, und zwar in Deutschland, führen kann.
Weshalb hat denn die Sprachanalyse nicht stattgefunden?
Wie zu seiner Anhörung, habe ich Abas auch zu diesem Termin begleitet. Leider mussten wir das Amt unverrichteter Dinge verlassen. Offensichtlich gab es im oberen Stock ernsthafte Probleme. Wir sahen einen Mannschaftswagen mit Polizisten vorfahren, die bewaffnet an uns vorbei die Treppe hinauf liefen. Parallel wurden alle Wartenden aufgefordert, das Gebäude zu verlassen. Ich habe vorher noch eine schriftliche Bestätigung gefordert, dass Abas anwesend war, damit er keine Schwierigkeiten in der Schule bekam. Außerdem holte ich mir mündlich die Zusage, dass der ausgefallene Termin zeitnah wiederholt werden würde. Darauf warten wir allerdings bis heute.
Stattdessen schrieb mir der Herr vom BAMF in Nürnberg:
„... danke für Ihre Antwort. Ich habe mich diesbezüglich bei der Außenstelle München erkundigt. Von dort wurde mir mitgeteilt, dass auf die Erstellung einer Sprach und-Textanalyse verzichtet wurde, da diese als wenig erfolgversprechend erschien. Der bei der Anhörung anwesende Dolmetscher hielt die Frage der Staatsangehörigkeit aus der Anhörung heraus für hinreichend geklärt."
Schlimm genug, dass dieser unqualifizierte Dolmetscher bereits während der Anhörung gerügt wurde. Die Anhörerin hat ihn wörtlich und von mir protokolliert aufgefordert: „Sie müssen mir schon vollständig übersetzen, was er sagt!" -
Wir wissen inzwischen, dass dieser Dolmetscher, der sich angeblich auch noch anmaßte, die Frage der Staatsangehörigkeit von Abas zu beurteilen, kein Wort Tigrinisch mit ihm gesprochen hat.
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In welcher Sprache hat er das Gespräch denn geführt?
Er hat nur Amharisch gesprochen. Dazu muss man wissen, dass Abas' Familie in Eritrea Tigrinisch gesprochen hat. Er war zwei Jahre alt, als er beide Eltern verlor und mit seiner achtjährigen Schwester nach Äthiopien gebracht wurde. Dort hat er im Laufe der Jahre natürlich die Landessprache Amharisch gelernt. Seine Schwester hat allerdings immer Trigrinisch mit ihm gesprochen.
Leider musste sie die „Pflegefamilie", in der die beiden lebten, unter dubiosen Umständen verlassen. Abas hat fünf Jahre versucht, sie wieder zu finden. Bedauerlicherweise vergeblich. Fakt ist jedoch, dass der Dolmetscher gar nicht versucht hat, Abas' tigrinische Sprachkenntnisse zu ermitteln.
Das ist kein Einzelfall! Ich habe dergleichen nicht für möglich gehalten, bevor ich es selbst erlebt habe. Diese Geschichten von „Wenn der Feind übersetzt" bis „Die Macht der Dolmetscher" ... ich konnte mir nicht vorstellen, dass es solche Menschen gibt. Aber es gibt sie - und zwar nicht nur auf dem BAMF - auch vor Gericht übersetzen sie zum Schaden der Geflüchteten und offenbar ganz besonders, wenn es sich um Geflüchtete mit Eritreischen Wurzeln handelt.
Gerade habe ich mit den engagierten Damen des Portals www.wirmachendas.jetzt einen Aufruf initiiert. Hier können Helfer, Betreuer und Betroffene in allen Sprachen Geschichten von unkorrekten Übersetzungen und deren Folgen berichten.
Was werden Sie jetzt tun?
Als nächstes werde ich beim Innenministerium nachfragen, zu welchen Ergebnissen deren Recherche geführt hat. Abas hat nämlich einen unterschriebenen Vertrag für eine Lehrstelle als Koch in dem renommierten und ausgezeichneten „Restaurant zum Luitpold". Die möchte er gerne antreten, aber solange dieser unsägliche Bescheid nicht revidiert ist, ist es leider nicht so einfach die Ausbildungserlaubnis zu bekommen. Das Ehepaar Keßler, die Eigentümer des Luitpold, haben ihm sogar ein Empfehlungsschreiben geschrieben. Sie möchten sehr gerne, dass Abas bald anfangen darf. Er ist fleißig. Er will arbeiten, und er ist beliebt im Team.

Copyright: Carmen Heilmann-Hagen
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Alle, die ihn kennen, schätzen ihn sehr. Sein Fußballverein, der FC Seestall, hat sogar eine Unterschriftensammlung für ihn organisiert. Die Mitglieder haben seitenweise unterschrieben, beeindruckend:

Copyright: Abas Ahmed Salih
Wie wird es jetzt weiter gehen?
Das hängt wesentlich von der weiteren Entwicklung auf offizieller Seite zusammen. Wir werden immer entsprechend reagieren. Die Zahl unserer Unterstützer wächst. Es gibt viele Optionen, und wir werden ganz sicher nicht aufgeben.
Konkret ist es im Moment so, dass Abas wöchentlich einen Termin mit seiner Betreuerin, Carmen Heilmann-Hagen, und mir hat. Wie sie habe auch ich einen psychologisch ausgebildeten Hintergrund. Wir arbeiten mit Abas sehr intensiv daran, verschüttete oder überlagerte Erinnerungen an die Vergangenheit frei zu legen.
Abas ist sehr mutig. Er stellt sich unseren Fragen und damit einer ganzen Reihe von Ereignissen, die er vielleicht lieber vergessen würde. Es sind viele kleine Mosaik-Steinchen, die da zutage kommen und allmählich zu einem ganzheitlichen Bild werden. Das Bild eines starken, tapferen jungen Mannes aus Eritrea, der Ruhe und Frieden für seine geschundene Seele sucht. Wir tun, was in unserer Macht steht, ihn dabei zu unterstützen. Und wenn wir wirklich in einem Rechtsstaat leben, auf den man sich verlassen kann, wird dieser Rechtsstaat Abas Ahmed Salih das Leben ermöglichen, für das er so viel auf sich genommen hat und das er verdient.
Zur Person:
Dr. Katja Doubek ist die Tochter des Dirigenten Christoph von Dohnányi. Ihr Großvater war der Widerstandskämpfer Hans von Dohnanyí (hier wie bei Klaus ohne Akzent geschrieben). Der lutherischer Theologe und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer war der Bruder ihrer Großmutter. Bereits während ihres Studiums der Germanistik, Geschichte und Philosophie arbeitete sie als freie Autorin für die FAZ und nach dem Abschluss als Redakteurin beim ZDF. Sie absolvierte ein Psychologiestudium und veröffentlicht seit Anfang der 90er Jahre Sachbücher und Belletristik u.a. bei Bertelsmann, Piper und Rowohlt. Sie lebt in München und Italien.
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