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Augsburg: Einsamkeit wird zum Problem – eine Frau will jetzt helfen

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  • Die Augsburger Künstlerin Juliane Stiegele hat gemeinsam mit der Organisation “Utopia Toolbox” ein Projekt gegen Einsamkeit gegründet. 
  • Stiegele kam die Idee, rote Punkte in Augsburg zu verteilen – die kann nun jeder, der Interesse an neuen Bekanntschaften hat, an seine Tür kleben.

Einsamkeit ist in unserer Gesellschaft wie ein Schwelbrand, findet die Künstlerin Juliane Stiegele. Ein Phänomen, das sich langsam und unbeachtet immer weiter ausbreitet. Bei ihrem aktuellsten Projekt ist der Künstlerin aufgefallen, welche Ausmaße das Problem bereits angenommen hat.

Für das internationale Kunstprojekt “Utopia Toolbox” hat Stiegele Bürger befragt, wie sie sich die Zukunft vorstellen und was sie gerne verändern würden.

Die Aussage eines alten Mannes habe sie zum Nachdenken gebracht. 

“Er sagte, er lebe in einer Wohnbatterie, in der die Menschen Zelle an Zelle wohnen, ohne miteinander zu sprechen”, erzählt Stiegele der HuffPost. “Und dass es sein größter Wunsch wäre, dass es eine Gemeinschaft gäbe.”

Die Sätze des Mannes ließen Stiegele nicht los.

Sie begann, zu recherchieren, las, dass in England ein eigenes Ministerium für Einsamkeit gegründet wurde. Dass neun Millionen Briten sich einsam fühlen. Dass es in Deutschland überraschenderweise viele junge Frauen zwischen 14 und 20 gibt, die sagen, einsam zu sein. Zahlen zeigen, wie groß das Problem in unserer Gesellschaft ist. 

Psychiater: “Einsamkeit ist die Todesursache Nummer eins”

► Laut einem Untersuchungsbericht aus Großbritannien ist Einsamkeit genauso gesundheitsschädigend wie täglich 15 Zigaretten zu rauchen.

► Der Hirnforscher Manfred Spitzer geht sogar so weit zu sagen, Einsamkeit sei “die Todesursache Nummer eins in den westlichen Ländern”.

► Eine amerikanische Studie aus dem Jahr 2017 zeigt, dass bei einsamen Menschen das Risiko, an Altersdemenz zu erkranken, um das doppelte steigt.

► Die Professorin für Psychologie Julianne Holt-Lunstad fand in zwei großen Meta-Analysen heraus, dass Einsamkeit ein größeres Gesundheitsrisiko für die amerikanische Bevölkerung darstellt als Fettleibigkeit.

Juliane Stiegele will es in Deutschland nicht so weit kommen lassen. Sie beschloss: Wir müssen etwas tun. So kann es nicht weitergehen. 

Gemeinsam mit “Utopia Toolbox” gründete sie ein Projekt: “Opendot”. 

 

Die Idee von “Opendot”: Bewohner können einen roten Punkt an ihre Tür kleben und damit zeigen, dass sie bereit für Gespräche sind. Im Idealfall klingeln Nachbarn oder völlig Fremde an der Tür und es entwickeln sich Freundschaften. 

In den vergangenen Wochen wurden schon 7000 Punkte in Augsburger Briefkästen gesteckt und an öffentlichen Plätzen verteilt. 

Unter den Einsamen sind viele junge Studenten

Bisher habe das Projekt zwar schon viel Aufmerksamkeit bekommen, viele Menschen würden es aber den Einschätzungen von “Utopia Toolbox” zufolge noch nicht nutzen. Stiegele vermutet, dass die Scham groß ist. 

“Wer will schon zugeben und zeigen, dass er einsam ist”. 

Das Team  entdeckte den Punkt bislang nur an einer einzigen Tür. Es war die Tür von Karin Eisenmann-Martin. 

Die 70-Jährige sagte dem ZDF-Morgenmagazin: “Jemand, der vorbeigeht, weiß, dass er bei mir läuten kann, wenn er das Bedürfnis hat.” 

“Sie wird jetzt regelrecht von Journalisten belagert”, sagt Stiegele. Aber, und das ist das Gute, nicht nur Journalisten sind auf die alte Dame aufmerksam geworden. 

“Sie hat uns erzählt, dass sie nun ganz viel Besuch bekommt”, sagt Stiegele. “Besonders gerührt hat sie, dass darunter viele Studenten waren. Sie haben erzählt, wie schwer es ist, Kontakt in der Stadt zu bekommen.”

Auch das sei ein großer Irrtum: Zu denken, dass nur alte Menschen von Einsamkeit betroffen sind. 

Ein roter Punkt für Europa 

Das Beispiel von Eisenmann-Martin zeigt, dass Stiegeles Idee funktionieren kann. Die Künstlerin hofft, dass sich der rote Punkt über ganz Europa verbreitet.

Bisher habe immerhin schon Helsinki Interesse gezeigt, außerdem Köln, Karlsruhe und Unna. Das Team bemüht sich, das Projekt so bekannt wie möglich zu machen. Sogar ein Kinospot wurde ausgestrahlt. Auch an das Bundesfamilienministerium wollen sie sich mit ihrem Konzept wenden. 

“Am besten wäre es, wenn die Stadt einen offiziellen Brief mit dem Punkt an jeden Haushalt verschicken würde”, sagt Stiegele. “Sonst besteht die Gefahr, dass die Bürger den roten Punkt für Werbung halten und einfach wegwerfen.”

Auch nach Kommunikatoren suchen sie noch. Einen haben sie bereits gefunden: Einen Studentenseelsorger, der das Projekt in einem Augsburger Studentenwohnheim vorstellen wird. Zu ihm kommen jeden Tag einsame Studenten, erzählt Stiegele. 

Sie vermutet: Die zunehmende Einsamkeit der Menschen hängt mit dem Konkurrenzdenken der neoliberalistischen Gesellschaften zusammen. 

“Wir leben in einer Angstgesellschaft”

Auch Stiegele selbst hat das Gefühl, dass die Menschen kaum noch miteinander sprechen, stattdessen oft alleine zuhause sitzen, fernsehen oder sich mit sich selbst beschäftigen. Sie hofft, das mit dem Team-Projekt nun endlich zu ändern.

Gewundert hat sich Stiegele beim Vorstellen ihres Projekts vor allem über eines: Ein Kommentar, der immer wieder komme, sobald sie von dem Projekt erzähle, sei: “Seid ihr wahnsinnig? Das ist ja der Freibrief für jeden Einbrecher, alte Omas zu überfallen.” 

“Daran sieht man, in was für einer Angstgesellschaft wir leben”, sagt Stiegele. “In einer Gesellschaft, die etwas aus Angst lieber nicht macht, als auch mal etwas zu wagen.”

Dieser Beitrag erschien zuerst am 10.09.2018


Daniel Küblböck, tragischer Anti-Held: Warum uns sein Verschwinden so berührt

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Vielleicht ist es sein Anderssein. Und das, was die Medienmaschinerie daraus gemacht hat. 

Vielleicht ist es diese fast kindliche Naivität. 

Vielleicht ist es Mitleid, mit einem, der nie so ganz herausgefunden hat, wo sein Platz in dieser Gesellschaft ist. 

Daniel Küblböck, ein ehemaliger “DSDS”-Sänger, der seit Jahren nicht mehr besonders präsent in der Öffentlichkeit war, ist verschwunden. Und es gibt kaum jemanden, den seine Geschichte kalt lässt. 

Seit Daniel Küblböck von Deck der “Aidaluna” gesprungen sein soll, überschlagen sich die Berichte und die Spekulationen über seinen mutmaßlichen Selbstmord.

Aber was hatte dieser Mann, das uns so sehr berührt? 

Als Küblböck 2002 an der ersten Staffel von “DSDS” teilnahm, war er gerade einmal 17 Jahre alt, ein Teenager aus Niederbayern. 

Er kam mit Gitarre, Brille, schulterlangen Haaren und rot kariertem Hemd zum Casting – und traf mit seiner quietschigen Stimme kaum einen Ton. Doch Dieter Bohlen merkte schnell: Hier hatte er jemanden vor sich, der anders war.

Jemanden, den man vermarkten kann. Einen “schrägen Vogel”, wie er Küblböck nannte.

Er sollte recht behalten. Die Zuschauer liebten Küblböck.

Küblböck passte nicht ins Fernsehgeschäft

Der 17-Jährige, der offen bisexuell war, schaffte es bis ins Halbfinale. Eigentlich konnte er zu diesem Zeitpunkt noch immer nicht singen. Aber das störte niemanden. Die Töne, die er nicht traf, machte er mit ungelenken Sprüngen über die Bühne, extravaganten Outfits und seiner Art wett. Einer Art, die eigentlich so gar nicht ins harte Fernsehgeschäft passte.

Küblböck war nicht berechnend oder affektiert. Er schien naiv, geradezu kindlich, nett und lustig. 

Er galt als Clown, wurde von den Medien als “Paradiesvogel” bezeichnet. Zugleich war er empfindlich, war im Fernsehen immer wieder den Tränen nahe. Küblböck war ein klassischer Anti-Held. Es waren seine Schwächen, die ihn liebenswert machten. 

Als seine beste Freundin der damaligen Show, Gracia Baur, ausschied, bekam er vor laufenden Kameras einen minutenlangen Heulkrampf. Einen Heulkrampf, der daraufhin von den Medien ausgeschlachtet wurde. 

Schnell wurde klar: Der 17-jährige Küblböck hatte keine Ahnung, in welches Monster er hier hineingeraten war. In die Medienmaschinerie, die Teenager mit Starpotenzial, wie Küblböck es damals war, erst mit der Hoffnung auf den ganz großen Traum anlockt, dann zerfleischt und irgendwann wieder ausspuckt. 

“Damals war ich die Unschuld vom Lande. Ich bin mit 17 Jahren, von heute auf morgen, in das härteste Business der Welt geworfen worden”, sagte Küblböck Jahre später in einem RTL-Interview. 

Er sagte es lächelnd, wie immer, aber man ahnte: Es war schwer. 

“Kermit der Frosch” war mit einem Mal überall 

“Niemand hilft den jungen Kurzzeit-Celebrities damit umzugehen, die Sender und Redaktionen machen sie zu Helden, Witzfiguren oder quotensteigernden Hassobjekten - letztlich aber zu Opfern”, kritisierte der Comedian Oliver Kalkofe das Fernsehgeschäft angesichts des Verschwindens von Küblböck. 

“Kaum einer, der unbeschadet aus der Superstar-Topmodel-SonstwasSuch-Mühle herauskommt.”

Für Küblböck war “DSDS” zunächst ein Karriere-Sprungbrett. Durch die Show hatte der Sänger, den Bohlen wegen seines schiefen Gesangs als “Kermit, den Frosch” bezeichnete, hunderttausende Fans.

Bohlen produzierte ein Cover von “You drive me crazy” für ihn. Es landete auf Nummer eins der Charts. “Kermit der Frosch” ging auf Welttournee. 

Auf einmal war er überall. “Ich bin wie ein Bullterrier. Wenn ich mich einmal an etwas festgebissen habe, lasse ich es nicht mehr los”, sagte Küblböck später über diese Zeit und seinen Wunsch, immer und immer erfolgreicher zu werden. 

“Du bist nichts und du wirst nie etwas werden”

Auch seine Vergangenheit und seine Erziehung wird zu seinem Ehrgeiz beigetragen haben. Seine Mutter sagte ihm einst: “Du bist nichts und du wirst nie etwas werden”, wie er 2015 im Interview mit der “Bunten” erzählte. 

Von seinen schwierigen Familienverhältnissen berichtete Küblböck auch in seiner Biografie “Ich lebe meine Töne”, die er kurz nach seiner “DSDS”-Teilnahme 2003 mit einer Journalistin geschrieben hatte. Seine Fans liebten ihn wegen seiner schwierigen Vergangenheit nur noch mehr. Küblböck hatte viele Fehler und viele Probleme – wie die meisten seiner Fans vermutlich auch. 

Bei seiner Teilnahme beim Dschungelcamp 2004 waren es erneut seine Emotionen, die die Zuschauer mitrissen. Doch dieses Mal verehrten sie ihn nicht. Sie ließen ihn leiden. Überraschend ist das nicht. Menschen wie Küblböck werden oft geradezu fanatisch verehrt, aber sie werden auch ebenso schnell zu Mobbing-Opfern, wenn sie ihre Emotionen nicht unter Kontrolle haben. 

Erbarmungslos schickten die Zuschauer Küblböck in einen gläsernen Sarg voller Kakerlaken oder in einen Wassertank mit riesigen Spinnen. Im Gegensatz zu den anderen Kandidaten hatte sich Küblböck für das Showgeschäft noch immer keine Maske zugelegt. Er schrie, kreischte und weinte. Und RTL verzeichnete Bestquoten. 

Vom Paradiesvogel zum ernsthaften Unternehmer und zurück

Nach der Fernsehshow ebbte das Interesse an Küblböck ab. Der Sänger, der noch immer nicht so richtig zu wissen schien, wer er eigentlich war, legte seine extravagante Kleidung ab. Er begann, ernsthaft zu singen, klang auf einmal gar nicht mehr so schräg und sah auch nicht mehr so schräg aus. In der Öffentlichkeit zeigte er sich mit Kurzhaarschnitt und gewöhnlicher Kleidung. Fast schien es, als versuche er, sich anzupassen. 

Küblböck gründete eine Firma: “Positive Energie” und investierte in Solaranlagen. Zunächst sei er erfolgreich gewesen, doch nach einigen Jahren wurde die Firma aus dem Handelsregister gelöscht. 

2011 fand Küblböck dann etwas, was er sein ganzes Leben nicht gehabt hatte: eine Mutter. Der damals 26-Jährige ließ sich von der Immobilien-Millionärin Kerstin Elisabeth Kaiser adoptieren. Seitdem trägt er offiziell den Doppelnamen Kaiser-Küblböck. “Sie hatte mein Herz berührt, ich ihres. Wir sind seelenverwandt”, sagte er 2013 der “Bunten”. 

Als Kind soll seine leibliche Mutter ihn gewürgt und ihm gesagt haben: “Du bist nicht mein Kind! Du sollst nicht mein Kind sein!” 

Auf der Suche nach sich selbst 

Doch trotz Adoptivmutter – Küblböck wusste noch immer nicht, wo er hingehörte. Dieses Mal versuchte er es als Schauspieler. Am Europäischen Theaterinstitut in Berlin soll er gemobbt worden sein, wie ein Facebook-Post, der von ihm selbst stammen soll, nahelegt. Wenn die Mobbing-Vorwürfe stimmen, dann wurde Küblböck nicht einmal an einer Schauspielschule, von der man annehmen könnte, sie sei bunt und offen, akzeptiert. 

Zuletzt schien es, als wolle er sich wieder neu erfinden. Mit Beginn seiner Kreuzfahrt eröffnete er einen neuen Instagram-Account, zeigte sich geschminkt und in Frauenkleidern. Der neue Account, auf dem er auch ein Foto mit sich und seinem besten Freund, seinen Hund und seine Vorbilder postete, wirkt im Nachhinein wie ein Abschiedsbrief.

Der Account trägt den Namen der Theaterfigur, die Küblböck in dem Stück “Unschuld” Berichten zufolge spielen sollte: Rosa. In dem Stück geht es unter anderem um eine Frau namens Rosa, die ins Wasser geht, um dort den Tod zu finden. Sie fühlte sich als Außenseiterin der Gesellschaft. Kurz bevor er an Bord ging, soll Küblböck in einer SMS an seinen Theater-Chef verkündet haben, eine Frau werden zu wollen. 

Am neunten September dann verschwand Küblböck.

Er gilt als verschollen. Es kann sein, dass Daniel Küblböck nie gefunden wird. Alles, was jetzt bleibt, ist Hoffnung. Dass dieser Mensch, der anders, und ja, auch ein wenig seltsam war, überlebt hat, durch ein Wunder. Und noch eine andere Hoffnung bleibt: Dass Daniel Küblböck sich nicht sein Leben genommen hat aus Angst, nicht in diese Gesellschaft zu passen.  

Der Comedian Oliver Kalkofe schrieb über ihn: 

“Wo wären wir ohne genau diese seltsamen und verrückten Figuren, die uns zumindest Emotionen schenken statt immer gleicher Langeweile?”

Hinweis der Redaktion: Wenn du das Gefühl hast, dein Leben macht keinen Sinn mehr, wende dich bitte an die Telefonseelsorge. Sie ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr erreichbar. Die Telefonnummern sind 0800 111 0 111 und 0800 111 0 222.

Beim Jugendinformationszentrum München findest du zudem persönliche und telefonische Beratung für Kinder und Jugendliche. Telefonnummer: 089 550 521 50 (Sprechzeiten: Montag bis Freitag von 13 – 18 Uhr). 

Dieser Beitrag erschien zuerst am 13.09.2018

Trumps Labyrinth: Wie der US-Präsident sich immer wieder selbst sabotiert

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Gefangener seiner selbst: US-Präsident Donald Trump. 

Donald Trump hat sich in einem politischen Labyrinth verirrt, aus dem es kein Entkommen gibt – einem Labyrinth, das er selbst geschaffen hat.

Der US-Präsident steht in der Innen- wie Außenpolitik vor einigen der wichtigsten Herausforderungen seiner Amtszeit. Und vor Problemen, die er nicht zu lösen vermag.  

Denn Trump will bestimmen, nicht führen. Egal, ob es um Migrationspolitik, Militäreinsätze, den US-Haushalt oder die Russland-Affäre geht, zu politischen Kompromissen ist er nicht bereit. 

Es ist eine Verweigerungshaltung, mit der der US-Präsident sich und sein gesamtes Land gefährdet. 

1. Trump steuert die USA auf den nächsten Shutdown zu

“Wenn es keine Mauer gibt, dann wird das nichts”, sagte Trump am Donnerstag vor Reportern im Oval Office.

“Wenn das Verhandlungskomitee am 15. Februar vor mich tritt, und sie haben keine Mauer, dann werde ich meine Zeit nichtmal damit verschwenden, den Vorschlag zu lesen, weil das Zeitverschwendung wäre.”

Der US-Präsident ist also nicht bereit, von seiner Haltung im Haushaltsstreit abzurücken. Trump will über fünf Milliarden US-Dollar für seinen Mauerbau im Budget festschreiben lassen – die demokratische Mehrheit im für den Haushalt zuständigen Repräsentantenhaus weigert sich. 

Also lässt es Trump darauf ankommen, dass wieder Teile der Regierung lahm gelegt werden, wichtige Versorgungsleistungen für die Bevölkerung ausbleiben und Beamte vielleicht wieder über einen Monat ohne Gehalt dastehen. 

► Und das, obwohl ihm die Bevölkerung schon am letzten Shutdown mehrheitlich die Schuld gab

2. Trump ist und bleibt unbeliebt

Solche Schuldzuweisungen ist Trump gewohnt.

Die Mehrheit der US-Amerikaner war von Anfang an unzufrieden mit seiner Arbeit. Laut Angaben der Statistikseite “FiveThirtyEight” kam der Präsident im Mittel aller Umfragen zu seiner Beliebtheit nie über die 50-Prozent-Marke hinaus

Der den Januar andauernde Shutdown hat Trumps Unbeliebtheit noch vergrößert. Umfragen des Instituts Morning Consult zeigen, dass Trumps Beliebtheit kurz vor dessen Ende auf bloße 40 Prozent sank. 

Bei diesem Wert verharrt Trump auch in aktuellen Umfragen. Dem US-Präsident mag das egal sein – er gestaltet seine Politik nach den Wünschen seiner fanatisch zu ihm haltenden Basis

Doch diese stellt eine Minderheit in den USA dar. Will Trump 2020 als Präsident wiedergewählt werden, muss er mehr Leute von sich überzeugen, als nur die Hardliner im Land, die sich unbedingt eine Grenzmauer zu Mexiko wünschen. 

3. Trumps Außenpolitik ist inkohärent

Ein Weg dazu wären außenpolitische Erfolge.

Trump hat nach Verhandlungen mit den Taliban den Abzug von US-Truppen aus Afghanistan in Aussicht gestellt – eine Maßnahme, die Zuspruch sowohl beim konservativen Sender Fox News als auch der liberalen “New York Times” findet. 

Und auch die US-Bevölkerung ist nach fast 20 Jahren Kampf gegen den Terror kriegsmüde: Eine Mehrheit unterstützt den Abzug aus Afghanistan

► Trump hat hier also eine richtige Entscheidung getroffen.

Allerdings torpediert er den eigenen Erfolg, indem er an anderer Stelle neue militärische Maßnahmen beschließt. In einem Interview mit der “NYT” kündigte Trump an, Soldaten in den Irak schicken zu wollen, um den Iran zu überwachen – und schloss nicht aus, dass er einen Militäreinsatz gegen den sozialistischen Diktator Nicolás Maduro in Venezuela befehlen könnte. 

► Beendet Trump einen Krieg, nur um andere zu beginnen, wird ihm das politisch nicht helfen. 

4. Die Russland-Affäre findet kein Ende 

“Die Hexenjagd muss aufhören”, twitterte Trump in den vergangenen Tagen wieder einmal. Im Interview mit dem Sender CBS wiederholte er die Forderung: “Man muss die Russland-Ermittlungen loswerden.” 

Die Welt hat sich daran gewöhnt, dass ein US-Präsident so offen gegen die Justiz wettert. Dass er Ermittlungen über die Manipulation der US-Wahl denunziert, in denen es bereits 34 Anklagen gab – viele davon gegen Vertraute Trumps

Normal ist Trumps Verhalten also nicht. Aber verständlich: Der US-Präsident hat vor Sonderermittler Robert Mueller viel zu befürchten. Stellt sich heraus, dass Trump Absprachen mit dem Kreml getroffen hat, um die Wahl zu gewinnen, könnte das zu einem Amtsenthebungsverfahren führen. 

Doch selbst wenn es dazu nicht kommt, wird Trump die Russland-Affäre nicht unbeschadet überstehen. Längst haben Muellers Ermittlungen zu weiteren Untersuchungen geführt – solchen, die auch Trumps Finanzen betreffen

Mueller trifft Trump also da, wo es diesem am meisten weh tut. 

5. Nancy Pelosi

Am Dienstagabend (Ortszeit) wird Trump im Capitol seine Rede zur Lage der Nation halten. Hinter ihm wird dabei die Frau sitzen, an der Trump in den kommenden Monaten scheitern wird: Nancy Pelosi, die Fraktionsvorsitzende der demokratischen Mehrheit im Repräsentantenhaus. 

Es war Pelosi, die sich Trump im Shutdown-Streit verweigert hat und die ihm Geld für seine Mauer verwehrte. Es ist Pelosi, die angekündigt hat, dies wieder zu tun. Die sich jedem Trump-Vorhaben im Kongress in den Weg stellen wird. 

► An der Demokratin und ihrer Partei vorbei kann Trump nicht mehr regieren.

Er reagiert darauf wie gewohnt: mit beleidigter Wut. In einem vor dem Superbowl ausgestrahlten Interview mit dem TV-Sender CBS ereiferte sich Trump, wegen Pelosis Verweigerungshaltung in der Grenzpolitik würden Menschen in den USA sterben. 

Wilde Attacken, die die Demokratin nicht treffen werden. Sie weiß um ihre Macht gegenüber dem US-Präsidenten. Und Trump auch. 

Mehr zum Thema: Trump im Kreuzverhör: So wollen die Demokraten den US-Präsidenten in die Knie zwingen

Der Ursprung aller Probleme: Donald Trump

Ob im Shutdown-Streit, im Vorlauf zur Präsidentschaftswahl 2020, in der Außenpolitik oder der Russland-Affäre: Trumps größtes Hindernis auf dem Weg zum Erfolg ist stets das gleiche – Trump selbst.

Weil der US-Präsident impulsiv ist, begeht er politische Fehler. Weil er starrköpfig ist, korrigiert er sie nicht

► Hinzu kommt, dass Trump sein Amt nicht ernst nimmt. 

Das zeigt der Terminplan des US-Präsidenten seit den Zwischenwahlen im November, der an die Nachrichtenseite “Axios” geleakt wurde. 60 Prozent seiner Arbeitszeit verbringt Trump demnach mit der sogenannten “executive time” – ein Euphemismus, den sich sein Stab für Zeiten ausgedacht hat, in denen der Präsident frei macht. 

Einen großen Teil seiner Zeit ignoriert Trump also seine Pflichten, versucht gar nicht erst, die Probleme des Landes – und die eigenen – zu lösen. Kein Wunder, dass der US-Präsident nicht aus seinem politischen Labyrinth entkommt. 

(vw)

Michael Schumacher: Medien verbreiten vermeintliche Familienfotos - Sohn Mick äußert sich

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  • Auch fünf Jahre nach dem folgenschweren Ski-Unfall von Michael Schumacher ist das mediale Interesse groß.
  • Jetzt äußert sich Mick Schumacher zu angeblichen Familienfotos mit seinem Vater.
  • Im Video oben: Familie gibt emotionales Statement anlässlich Michaels 50. Geburtstag.

Seit Michael Schumachers Ski-Unfall im Jahr 2013 in den französischen Alpen hält sich die Familie des ehemaligen Rennfahrers über dessen Zustand bedeckt. Trotzdem ist das mediale Interesse an der Familie Schumacher weiterhin sehr hoch.

Michaels 19-jähriger Sohn Mick Schumacher hat sich jetzt zu Familienfotos geäußert, die angeblich ihn und seine Schwester Gina-Maria mit ihrem Vater zeigen und in sozialen Medien weit verbreitet sind.

“Immer wieder werden diese Fotos veröffentlicht”

Auf Twitter schreibt er dazu:

“Immer wieder werden diese Fotos veröffentlicht, weil sie angeblich mich als Kind mit meinem Vater zeigen. Zur Klarstellung: Diese Bilder hier zeigen NICHT mich, und sie zeigen auch nicht Gina. Ich kann nur an alle Medien appellieren, diese Fotos aus ihren Archiven zu entfernen.”

Es ist nicht klar, wer die Kinder auf den Fotos sind – es könnten junge Fans sein, die mit der F1-Legende posieren.

Familie gibt seltenes Statement zu Michaels 50. Geburtstag

Anlässlich des 50. Geburtstag von Michael gab es ein seltenes Statement der Familie. Einen Tag vor seinem Geburtstag schrieb die Familie in einem Facebook-Post an die Fans: “Wir freuen uns darüber und möchten uns von ganzem Herzen bedanken, dass ihr Michaels 50. Geburtstag morgen gemeinsam mit ihm und mit uns feiert.”

Neuigkeiten zu dem Gesundheitszustand von Michael Schumacher gab es nicht. Auf Facebook schrieb die Familie lediglich dazu:

“Ihr könnt euch sicher sein, dass er in besten Händen ist und wir alles Menschenmögliche tun, um ihm zu helfen. Bitte habt Verständnis, wenn wir uns nach Michaels Wünschen richten und ein so sensibles Thema wie Gesundheit, so wie früher auch immer, in der Privatsphäre belassen.”

(nr)

Das sind die drastischen Folgen, die der Brexit jetzt schon für Großbritannien hat

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Der ehemalige Außenminister Boris Johnson  belebte im Februar 2016 in seiner wöchentlichen Kolumne in der Tageszeitung “Telegraph” einen Begriff wieder, der erstmals während des schottischen Unabhängigkeitsreferendums zwei Jahre zuvor genutzt worden war: “Project Fear” – zu Deutsch “Projekt Furcht”.

Der Tory-Abgeordnete warf den Remain-Befürwortern damals vor, die Öffentlichkeit in den Glauben zu versetzen, dass “ein Brexit einfach zu beängstigend ist”. Diese Warnungen, sagte er, seien “so wild übertrieben, dass sie Unsinn sind”.

Brexit wird dich ärmer machen? PROJEKT FURCHT! Die Hauspreise werden fallen? PROJEKT FURCHT! Tausende Arbeitsplätze werden verloren gehen? PROJEKT FURCHT!

Im April vergangenen Jahres erklärte der vielleicht größte Verfechter des Brexit, der Tory-Politiker Jacob Rees-Mogg, dass das “Project Fear” tot, begraben und vergessen sei.

Am Sonntag aber teilte der Autobauer Nissan den Mitarbeitern in seinem Werk in Sunderland mit, dass die Pläne für den Bau seines neuen X-Trail SUVs im dortigen Werk stornieren werde. Als ein Grund für die Entscheidung nannte Nissan den Brexit.

Am Montag war der Gesundheitsminister gezwungen zu sagen, dass die Regierung im Fall eines harten Brexit den Import von Medikamenten denen von Lebensmitteln vorziehen werde. Und das kam nur 24 Stunden nachdem er angekündigt hatte, dass die Regierung in Betracht zieht, das Kriegsrecht auszusprechen, um jede Unordnung niederzuschlagen.

55 Tage sind es noch bis zum Brexit – und ein No-Deal-Szenario ist wahrscheinlicher als je zuvor. Die Warnungen, die von den Brexit-Befürwortern als “Projekt Furcht” bezeichnet wurden, sind nicht mehr nur Warnungen; sie sind tatsächlich teilweise schon eingetreten.

Hier sind einige der Brexit-Folgen, die keine bloßen Warnungen mehr sind – sondern jetzt schon Realität.

“Die Hauspreise werden fallen”

Im Mai 2016 warnte der damalige  Premier George Osborne davor, die EU zu verlassen, weil das zu einem Rückgang der Immobilienpreise um 18 Prozent führen könnte. Fast zwei Jahre triumphierte der Brexit-Befürworter Nigel Farage, weil die Preise damals noch weiter anstiegen.

Aber Farage hat sich ein wenig zu früh gefreut. Noch fallen die Immobilienpreise zwar nicht. Aber am vergangenen Donnerstag veröffentlichte Zahlen deuten darauf hin, dass potenzielle Käufer und Verkäufer “auf ihren Händen sitzen”, während sie abwarten, was mit dem Brexit passiert.

Im Januar wiesen die Immobilienwerte im Vergleich mit dem Januar vor einem Jahr ein Wachstum von nahezu Null auf.

Zwei Jahre zuvor, im Januar 2017, lag das jährliche Wachstum der Hauspreise bei bis zu 4,3 Prozent.

“Du wirst nicht in den Urlaub fahren können”

Im Mai 2016 kritisierte die Zeitung “Daily Mail” David Cameron, nachdem er gewarnt hatte, dass der Brexit die Urlaubskosten in die Höhe treiben würde.

Cameron hatte damals gesagt: “Wenn wir gehen würden und das Pfund fallen würde, was die meisten Experten erwarten und worauf auch die Prognosen des Finanzministeriums hindeuten, würde das die Kosten für einen Urlaub für eine vierköpfige Familie in Europa um 230 Pfund erhöhen.”

Das Pfund ist tatsächlich nach dem Referendum gefallen und muss sich noch erholen. Vor dem Brexit-Referendum bekam man für einen Pfund rund 1,30 Euro, aktuell sind es um die 1,15 Euro.

So sind Ferien im Euroraum schon jetzt teurer, was Cameron Recht gibt.

Es gibt noch weitere Faktoren, die sich auf die Urlaubsplanung der Briten auswirken können. Wie die britische Ausgabe der HuffPost berichtete, wollen mehrere führende Reiseversicherer keinen Schutz bei Störungen durch einen harten Brexit gewährleisten.

“Uns wird die Medizin ausgehen”

Noch Anfang dieses Monats war sich Rees-Mogg sicher, dass alle Befürchtungen, dass dem Vereinigten Königreich die Medikamente ausgehen könnten, unbegründet seien.

Er sagte: “Wir haben die Kontrolle, wie die Dinge in dieses Land kommen.... Das ist nicht besonders kompliziert.”

Aber nur wenige Tage später erklärten Apotheker, dass die Unsicherheit über den Brexit bereits Auswirkungen auf ihr Geschäft habe, da Probleme mit der Versorgung den Preis für wichtige Medikamente in die Höhe treibe.

Die mangelnde politische Klarheit darüber, ob das Vereinigte Königreich die EU in sechs Wochen mit oder ohne Austrittsvereinbarung verlässt, hat viele kleinere Apotheker  verunsichert. Gegenüber HuffPost UK sagte ein Apotheker: “Es ist eine der schlimmsten Zeiten in der Branche, die ich je erlebt habe.”

Der Apotheker Ash Kumar, der in Maidenhead nördlich von London arbeitet, sagte, dass er bereits jetzt darum kämpfen müsse, bestimmte Medikamente zu bekommen. Er hat bereits begonnen, Schlüsselmedikamente auf Lager zu nehmen, falls es in den kommenden Monaten zu Lieferengpässen kommt.

Er sagt: “Der Brexit trifft uns jetzt schon. Die meisten unserer Lieferanten kommen aus der EU und die Verfügbarkeit ist bei steigenden Preisen bereits knapp.”

Und weiter: “Am Ende des Tages müssen wir sicherstellen, dass die Menschen das bekommen, was sie brauchen. In einigen Fällen zahlen wir drei- bis viermal mehr für Rezepte, als uns vom NHS (die Gesundheitsbehörde, Anm. d. Red.) erstattet wird.”

Noch beunruhigender ist die Meldung der Zeitung “The Guardian” vom Donnerstag, dass Notfall-Traumapakete, wie sie bei Terroranschlägen verwendet werden, vom Pharmariesen Johnson & Johnson notgelagert werden.

“Die Banken werden London verlassen”

Anthony Browne vom britischen Bankenverband British Bankers’ Association warnte schon im Oktober 2016 vor einem möglichen Exodus der Banken aus London: “Ihre Hände zittern über dem Umzugsknopf.”

Die Banken sind größtenteils noch im Vereinigten Königreich, aber am Donnerstag wurde bekannt gegeben, dass Barclays grünes Licht für die Übertragung von Vermögenswerten im Wert von 190 Milliarden Euro (160 Milliarden Pfund) nach Irland erhalten hat.

Der Bankenriese erhielt am Mittwoch vom High Court die Genehmigung für den Umzug, an dem 5.000 Kunden beteiligt sind. Der Schritt steht im Zusammenhang mit der Notfallplanung der Bank für den Brexit.

“Wie wir 2017 angekündigt haben, wird Barclays unsere bestehende lizenzierte, in der EU ansässige Bankentochter nutzen, um unsere Kunden innerhalb der EU auch nach dem 29. März 2019 unabhängig vom Ergebnis des Brexit zu bedienen”, gab die Bank bekannt.

“Unsere Vorbereitungen sind weit fortgeschritten und wir gehen davon aus, dass wir am 29. März 2019 voll einsatzbereit sind.” An diesem Tag, so ist es bisher geplant, soll Großbritannien die EU verlassen.

Der Schritt zielt darauf ab, die Folgen eines harten Brexit zu bewältigen, bei dem britische Banken “Passporting”-Rechte verlieren würden, die es ihnen ermöglichen, im EU-Binnenmarkt, dem größten Handelsblock der Welt, zu arbeiten.

“Tausende von Arbeitsplätzen werden verloren gehen”

Der Gouverneur der Bank of England, Mark Carney, wurde schnell zum Erzfeind der Brexit-Befürworter, als er eine Reihe von Warnungen über die möglichen Folgen des Brexit aussprach: Darunter ein fallendes Pfund und schwere Arbeitsplatzverluste.

Rees-Mogg nannte ihn sogar den “Hohenpriester des Project Fear”.

Noch ist es allerdings zu früh, um erste Folgen auf dem Arbeitsmarkt zu sehen. Allerdings lässt sich anhand des Automobilsektors schon absehen, was drohen könnte – auch wenn Unternehmen wie Rolls-Royce schon versprochen haben, die Produktion wegen des Brexit nicht ins Ausland zu verlagern.

Die Automobilindustrie ist ein wichtiger Teil der britischen Wirtschaft. Mehr als eine Million Arbeitsplätze hängen an ihr. Ein Zeichen dafür, dass sich die Stimmung bei den Autobauern eintrübt ist, dass sich die Investitionen der Automobilunternehmen im Jahr 2018 auf 588 Millionen Pfund halbiert haben.

Der Verband Society of Motor Manufacturers and Traders (SMMT) ließ wissen, dass die Investitionen wegen der ungewissen Aussichten angesichts der ungewissen Aussichten des Brexit “blockiert” seien.

Etwas mehr als 1,5 Millionen Autos produzierten die britischen Werke vergangenes Jahr, ein Rückgang von 9,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr und der niedrigste Wert seit sechs Jahren.

Honda und Jaguar Land Rover haben bereits angekündigt, dass sie die Produktion im April unterbrechen werden. Honda kündigte zudem an, 4.500 Arbeitsplätze abzubauen.

Und nicht nur in der Autoindustrie kriselt es: Der Luft- und Raumfahrtriese Airbus warnte kürzlich, dass Tausende von Arbeitsplätzen in Großbritannien  wegfallen könnten und im Falle eines Brexits ohne Handelsvertrag der Bau von Flügeln aus dem Land verlagert würde.

Wo der Brexit sich außerdem bemerkbar macht: Eiscreme...

Unilever kündigte diese Woche an, dass es Magnum und Ben & Jerry’s Eiscreme einlagert, falls die Lieferketten im Falle eines harten Brexit unterbrochen werden.

Im Gespräch mit der BBC sagte Alan Jope, der neue Chef von Unilever: “Wir haben auf beiden Seiten des Kanals ein Lager aufgebaut. Wir haben genug Waren eingelagert, um die Nachfrage einige Wochen befriedigen zu können.”

Ein Obst- und Gemüselieferant, der die größten britischen Fertiggerichtehersteller beliefert, warnte, dass ein No-Deal Brexit für die Lebensmittelindustrie eine Katastrophe bedeuten könnte, da verderbliche Lebensmittel an der Grenze durch Zollkontrollen aufgehalten werden.

Kaz Mahjouri, Geschäftsführer von Start Fresh in Nottingham, das Obst und Gemüse verarbeitet, sagte gegenüber HuffPost UK, dass die Briten gezwungen sein könnten, nur das zu essen, was das Land produzieren kann: Wurzelgemüse könnte das einzige frische Produkt sein, das in Supermärkten erhältlich ist.

... und Süßigkeiten

Die deutschen Süßwarenhändler befürchten, dass der Export von Produkten nach Großbritannien nach dem 29. März so langsam fließen wird wie Sirup, da neue, unklare Zollvorschriften zu Lieferengpässen und Preissteigerungen führen können. Deutsche Gummibärchen und Schokolade sind in Großbritannien beliebte Süßigkeiten.

Dieser Text erschien zuerst bei der britischen Ausgabe der HuffPost und wurde von Benjamin Reuter übersetzt. 

(jkl)

Milena Glimbovski im FOCUS Future Podcast: "So schaffst du es, müllfrei zu leben"

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Milena Glimbovski

Milena Glimbovski hat in Berlin-Kreuzberg einen der ersten Unverpackt-Läden Deutschlands eröffnet. Warum Peter Lustig sie dazu inspiriert hat und verpackungsfrei Einkaufen nicht nur einfach, sondern auch preiswerter ist, erzählt sie im FOCUS Future Podcast.

Der Klimawandel berührt längst nicht mehr nur Hardcore-Umweltaktivisten: Die Bundesregierung debattiert über ein klimafreundliches Tempolimit auf deutschen Autobahnen, tausende Schüler schwänzen freitags die Schule, um für Klimaschutz zu demonstrieren. Dabei ließe sich das Problems bereits im eigenen Haushalt anpacken: Schließlich produziert jeder Deutsche im Schnitt 220 Kilo Verpackungsmüll – pro Jahr.

Daran lässt sich so schnell nichts ändern? Milena Glimbovski sieht das anders. Die 28-jährige Berlinerin gilt nicht nur als Vorreiterin der deutschen Zero-Waste-Bewegung, deren Anhänger möglichst keinen Müll produzieren. Sie hat auch einen der ersten verpackungsfreien Supermärkte Deutschlands in Berlin-Kreuzberg eröffnet: “Original Unverpackt”.

Die Idee kam ihr, als sie mit acht Jahren vorm Fernseher saß

Warum ausgerechnet Peter Lustig sie dazu inspiriert hat, erzählt die Business-Frau im FOCUS Future Podcast. Außerdem zeigt sie FOCUS-Redakteurin Elisabeth Krafft, wie unkompliziert und günstig das Einkaufen im Unverpackt-Laden funktioniert.

Die aktuelle Episode gibt es ab sofort bei iTunes, Spotify, Deezer, Soundcloudund auf allen gängigen Podcast-Plattformen. Kostenlos, jederzeit abrufbar und an keine festgelegte Sendezeit gebunden.

Exklusive Einblicke in die Produktion und spannende Infos zu unseren Visionären finden Sie außerdem bei Instagram und Facebook.  

Warum Staatsanwälte gegen Donald Trump Amtseinführungskomitee ermitteln

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Auf der schiefen Bahn gestartet? Die Staatsanwaltschaft New York ermittelt gegen das Amtseinführungskomitee von US-Präsident Donald Trump. 

“Dieses amerikanische Gemetzel hört auf, genau hier, genau jetzt.” 

Mit diesem prägenden Satz beginnt am 20. Januar 2017, was für die einen eine Sensation, für die anderen eine Katastrophe ist: Die Amtszeit von US-Präsident Donald Trump

Trump hält seine Rede vor einer bedeutend kleineren Menge als sein Vorgänger Barack Obama. Dennoch ist die Amtseinführung ein bombastisches Event vor dem Capitol in Washington, gefolgt von einem Gala-Abendessen und einer Party. Kostenpunkt: 107 Millionen US-Dollar – eine Rekordsumme

Eine, die Ermittler auf den Plan ruft. 

Ermittler, die am Dienstag sämtliche Dokumente über die Finanzen von Trumps Amtseinführung verlangten. 

Welcher Verdacht gegen Trumps Amtseinführungskomitee besteht: 

Das Geld für Trumps Amtseinführung wurde durch ein von Trumps Team eigens gegründetes Komitee gesammelt und ausgegeben. Schon am Tag der Vereidigung Trumps als Präsident stand es unter Kritik: Die Party des Präsidenten fand im Trump International Hotel statt, nicht etwa im Weißen Haus – ein klarer Interessenkonflikt

Mitte Dezember 2018 berichtete das “Wall Street Journal” schließlich, dass die New Yorker Staatsanwaltschaft Untersuchungen gegen das Komitee anstelle. Laut den Ermittlern bestünden zwei Verdachtsmomente: 

1. Das Komitee könnte Spendengelder veruntreut haben.

2. Das Komitee könnte Spendengelder – auch aus dem Ausland – angenommen haben, um den jeweiligen Spendern direkten Zugang zum US-Präsidenten zu gewähren. 

Es geht in der Ermittlung gegen Trumps Amteinführungskomitee also um mögliche Korruption. 

Was die neuen Gerichtsdokumente über den Fall verraten: 

Die Staatsanwaltschaft New York hat laut übereinstimmenden Medienberichten in den USA eine gerichtliche Vorladung – ein sogenanntes Subpeona – gegen Trumps Amtseinführungskomitee erwirkt. Die Anwälte verlangen ... 

► ... alle Dokumente, die im Zusammenhang mit Spenden oder Spendern stehen.

► ... alle Dokumente, die Informationen über Anwesende bei Events des Komitees enthalten.

► ... alle Dokumente, die Informationen über die juristische Grundlagen für Spenden an das Komitee enthalten. 

► ... alle Dokumente, die Aufschluss darüber geben, ob es Spenden aus dem Ausland erhalten hat. 

Eine Sprecherin des Komitees bestätigte der Nachrichtenagentur Associated Press, dass ihre Organisation den Forderungen der Staatsanwaltschaft nachkommen werde. 

Die Liste der untersuchten Verbrechen, mit denen die Staatsanwälte ihr Subpeona begründen, ist lang: Postbetrug, Leistungsbetrug, Falschaussagen, Geldwäsche, Verstoß gegen Spendengesetze, Verschwörung gegen die Vereinigten Staaten, Wahlbetrug. 

Wie viele dieser Verdachtsfälle sich erhärten, bleibt abzuwarten. Nach dem aktuellen Stand der Ermittlungen ist davon auszugehen, dass sich die Ermittlungen auf die mögliche Veruntreuung von Spenden und mögliche illegale Quellen derselbigen konzentrieren. 

Welche Personen nun im Fokus der Ermittler stehen: 

Der einzige Name, der laut “New York Times” und CNN im Subpeona der Staatsanwälte vorkommt, ist Imaad Zuberi. Der Besitzer der Investmentfirma Avenue Ventures LLC hatte über diese 900.000 US-Dollar für Trumps Amtseinführung gespendet. 

Eine weitere im Gerichtsdokument erwähnte Firma ist laut der “NYT” das Tech-Unternehmen Stripe. Unter deren Investoren befinde sich auch Josh Kushner – der Bruder von Donald Trumps Schwiegersohn Jared Kushner. 

Der vielleicht brisanteste Name im Zusammenhang mit dem Fall wird im Subpeona jedoch nicht erwähnt: Richard Gates. Gates war Berater in Trumps Wahlkampfteam, gemeinsam mit Ex-Wahlkampfmanager Paul Manfort wurde er wegen Bankbetrug angeklagt – und ging anders als Manafort einen Deal mit Sonderermittler Robert Mueller ein. 

► Gates war zudem der Vize-Vorsitzende des Amtseinführungskomitees.

Laut dem “Wall Street Journal” fragte er in den Wochen vor dem Event viele Dienstleister, ob diese Geld direkt von Spendern oder aus Quellen außerhalb des Komitees akzeptieren würden. 

Sollte Gates Mueller als Teil seines Deals von diesen Praktiken berichtet haben, könnte das der Auslöser der jetzigen Ermittlungen sein. 

Was die Ermittlungen für Donald Trump bedeuten:

Sollten die Staatsanwaltschaft New York Verbrechen des Komitees aufdecken, so müsste eine Verbindung von Trump zu diesen Verbrechen bestehen, um den US-Präsidenten zu belasten. Das bedeutet etwa, dass Trump illegale Spenden oder die illegale Verwendung von Spenden in Auftrag gegeben haben müsste. 

► Es gibt bisher jedoch kein Anzeichen dafür, dass Donald Trump direkt von den Ermittlungen gegen sein Amtseinführungskomitee betroffen ist.

(vw)

Das ist die mit anstrengendste Sexstellung – könnt ihr sie meistern?

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  • Wem die normale 69er-Sexstellung zu simpel ist, kann diesen recht anstrengenden Twist ausprobieren.
  • Diese Stellung ist nichts für untrainierte Menschen und sollte vorsichtig ausgeführt werden.

Wer meint, guter Sex sollte funktionieren wie ein gutes Workout, hat da vielleicht etwas nicht verstanden – wer allerdings ein wenig außerhalb des Bettes neue Liebeskünste ausprobieren will, sollte sich folgende Sexstellung anschauen. 

Eins vorab – diese Position ist nichts für ungelernte Bettakrobaten: Die Rede ist von der 69er-Stellung, allerdings im Stehen (im Liegen kann’s ja jeder und das wäre wieder langweilig). Nicht zu Unrecht wurde “69 im Stehen” in einer Online-Umfrage von Amerikanern und Europäern zur kompliziertesten Sexstellung gekürt. 

Mehr zum Thema: Wer hat das bessere Sexleben? Singles und Paare antworten

Das Prinzip ist klar: Beide Partner befriedigen sich gegenseitig und gleichzeitig oral – soweit, so gut. Der Trick ist, die Stellung nun von der Horizontalen in die Vertikale zu verlagern.

Am besten klappt das, wenn der kräftigere, stehende Partner sich zunächst aufs Bett legt, mit den Füßen auf dem Boden. Der Partner, der am Ende wie ein umgedrehter Koala an Ersterem hängen soll, legt sich in typischer 69er-Manier auf den anderen Partner drauf. 

Wer die 69er-Stellung im Stehen meistern will, muss kräftig sein

Nun heißt es für den unten liegenden Partner: Rumpfmuskulatur anspannen, denn er muss sich nun langsam aufsetzen und aufstehen, dabei den oben liegenden Partner fest mit den Armen umschlingen. Dieser wiederum hält sich fest, indem er die Beine vorsichtig um den Nacken des Stehenden schlingt und mit den Armen den Rücken umfasst. 

Klingt kompliziert? Jep, ist es auch. Deswegen dreht ihr euch am besten mit dem Rücken des hängenden Partners zum Bett, damit dieser weich landet, falls doch etwas schief geht oder ihr genug von eurem stehenden Sex-Abenteuer habt. 

Übrigens: Löst die Position langsam und vorsichtig auf, damit dem Partner, der kopfüber hing, nicht schwindlig wird. Bleibt generell auch nicht zu lange in der Stellung. Ihr könnt auch ein Safety-Word vereinbaren, das ihr sagt, wenn ihr nicht mehr könnt und schnell abbrechen müsst. 

Wem das alles zu wild und zu gefährlich ist, kann natürlich auch bei der guten, alten 69 im Liegen bleiben. Sex kann ja auch mal einfach so Spaß machen. 

(chr)


"Hart aber fair": Fleischhauer verharmlost Verkehrstote – Schüler kontert ihn aus

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  • Bei “Hart aber fair” diskutierten die Gäste über die Frage: “Lügt sich Deutschland grün?”

  • Zum Schluss der Sendung sorgte “Spiegel”-Autor Fleischhauer für Empörung.

Es kam, wie es kommen musste: Am Ende von “Hart aber fair” ging es doch wieder nur ums Tempolimit.

Die Debatte über 130 als Geschwindingskeitsgrenze auf Deutschlands Schnellstraßen hatte die Autorepublik wochenlang im Griff – und sorgte auch in der ARD-Talkshow wieder für Streit.

Das Thema der “Hart aber fair”-Folge: “Gefühltes Öko-Vorbild, gelebter Klimasünder: Lügt sich Deutschland grün?”

Darüber diskutierten unter anderem Schauspieler und Umweltaktivist Hannes Jaenicke, Schüler Jakob Blasel und “Spiegel”-Journalist Jan Fleischhauer

“Hart aber fair”: Tempolimit sorgt – wieder – für Streit

Die drei gerieten in der Diskussion um das Limit 130 heftig aneinander.

Fleischhauer empörte sich die Begrenzung – und mit seinen Argumenten auch die anderen Gäste.

“Ich bin gegen das Tempolimit”, sagte er am Ende von “Hart aber fair”.

“Nicht, weil ich das wahnsinnig vernünftig finde. Im Gegenteil. Es ist irrational. Und ich finde es fabelhaft, wenn wenigstens ein Volk seine irrationale Ecke noch hat.”

Er verwies auf die Amerikaner, die “rennen alle schwerbewaffnet rum”. Das habe vor 150 Jahren vielleicht noch Sinn gemacht. Trotzdem “verteidigen die ihre Waffen. Und wir verteidigen unser Tempolimit.”

“Hart aber fair”-Moderator Frank Plasberg warf ein: “Es gibt eine Gemeinsamkeit. Beides ist für viele Menschen tödlich.”

“Ja, aber es sind so viele Dinge tödlich”, sagte Fleischhauer völlig unironisch.

“Hart aber fair”: Umweltaktivist Jaenicke reagiert entsetzt

Er habe eine Studie gelesen, die vor den Folgen von Feinstaub gewarnt habe – mit der Überschaft “Konsum heißt Risiko”. Fleischhauer: “Ja, Leben heißt Risiko!”

Schauspieler Jaenicke (l) zu Gast bei

Die 200 Verkehrstoten pro Jahr seien zwar “ganz schlimm”, aber “jetzt auch nicht die Riesenzahl, oder?”

Jaenicke drehte sich vor Entsetzen weg. “Das wird ja immer besser hier”, sagte er unter Raunen im Publikum.

Plasberg warf ein: “Das dürfte jetzt für viele Menschen zynisch klingen. Vor allem für junge Menschen. Was haben Sie gerade gedacht, Herr Blasel?”

“Hart aber fair”: Schüler kontert Fleischhauer

Der 18-jährige Abiturient organisiert die “Fridays for Future”-Schülerdemonstrationen. Er reagierte erst ratlos auf Fleischhauer, sagte dann:

“Sie reden ja jetzt erstmal nur über direkten Verkehrstote. Aber ich rede auch über Klimatote jetzt schon und in der Zukunft. Und ein Tempolimit ist das einfachste, was man da angehen kann. Es tut keinem weh und 130 ist immer noch ganz schön schnell.”

Dafür gab es viel Applaus. Ohnehin war der 18-jährige Schüler der vernünftigste an diesem Abend. 

(vw)

Merkels Rundumschlag: Kanzlerin kritisiert auf Asienreise China – und Trump

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Bundeskanzlerin Angela Merkel. 

► Kanzlerin Angela Merkel hat im Zuge ihres Japanbesuches China aufgefordert, mit seinem wachsenden globalen Anspruch auch mehr Verantwortung in der Welt zu übernehmen.

► China werde “mehr hineinwachsen müssen in die Verantwortung für eine friedliche Weltordnung”, sagte Merkel am Dienstag bei einer Diskussion mit Studenten der japanischen Elite-Universität Keio in Tokio.

► Zuvor hatte sich Merkel hinter Japans Bemühungen um eine Denuklearisierung der Nordkoreas gestellt – und dabei indirekt US-Präsident Donald Trumps Nordkorea-Kurs kritisiert.

Welche Kritik Merkel an Trump übte: 

Bei den Verhandlungen mit Nordkorea müsse es “zu einer wirklichen, nachhaltigen Abrüstung kommen”, bei der die Anliegen Japans berücksichtigt würden, sagte Merkel.

Die Schritte zur Denuklearisierung müssten eindeutig nachvollziehbar sein. “Sie sind es leider bis jetzt noch nicht”, so Merkel. Der Prozess sei zwar hoffnungsvoll, “aber es müssen jetzt Taten folgen”.

Das hat Merkel noch über China gesagt: 

In der Debatte um den chinesischen Telekom-Riesen Huawei sagte Merkel, man müsse mit China darüber sprechen, “dass eben nicht die Firma einfach die Daten an den Staat abgibt”.

Es müssten zudem Wege mit China gefunden werden, dass mit geistigem Eigentum “sorgsam und fair” umgegangen werde. “Je dominanter und je besser China wirtschaftlich entwickelt wird, umso mehr wird man an China in diesen Bereichen Anforderungen stellen.”

Es gelte auch von europäischer Seite, “China deutlich zu machen, dass wir in den Beziehungen eine Reziprozität brauchen”. Man wolle “auf Augenhöhe” mit China arbeiten, sagte die Bundeskanzlerin am zweiten und letzten Tag ihres Japan-Besuches.

(jg)

Energiewende: Die Zeit der Kohle endet – kein Problem, sagt diese Stadt

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Manchmal geschehen große Ereignisse ganz leise. Es ist ein bedeckter Sommertag Mitte August, als Reviersteiger Jörg Himbert und seine Mannschaft auf den Korb steigen. Mit acht Metern pro Sekunde rast er den Nordschacht hinab. Zu diesem Zeitpunkt ist er der tiefste aktive Schacht im deutschen Steinkohlenbergbau.

Und dann, in 1.335 Metern Teufe, Streb 9/10 Norden, Flöz 53, löst der Hobel zum letzten Mal das schwarze Gold aus dem Boden. Es ist staubig, es ist laut. Bis die Maschinen verstummen und das Förderband die letzten Brocken Ibbenbürener Anthrazitkohle davonträgt.

Die von-Oeynhausen-Schachtanlage in Ibbenbüren ist der Hauptstandort des inzwischen stillgelegten Bergwerks.

Keine große Feier, keine Pressevertreter begleiten diesen historischen Augenblick. Als Zeichen des Respekts für die Mannschaft habe man sich entschieden, die letzte Förderschicht ohne viel Aufhebens zu begehen, heißt es in der erst Tage später veröffentlichten Pressemitteilung der RAG.

Da keine Medienvertreter die letzte Förderschicht des Bergwerks begleiten konnten, beziehen sich die Schilderungen zu Beginn dieses Textes auf die Informationen in der genannten Pressemitteilung sowie auf Angaben von RAG-Vertretern. Die Pressemitteilung wurde nicht im Internet veröffentlicht, sondern am 24. August 2018 per E-Mail an Pressevertreter versandt.

Vielsagend steht darin:

Im Angesicht der Stilllegung bewältigten die Bergleute diese Herausforderung unter schwierigen Bedingungen. Der Zusammenhalt ist hoch.aus der Pressemitteilung der RAG

Fünf Monate später, Januar 2019. Der deutsche Steinkohlenbergbau ist inzwischen offiziell beendet. Ibbenbüren im nördlichen Münsterland gehörte neben Prosper-Haniel in Bottrop zu den letzten beiden aktiven Zechen in Deutschland. Jetzt liegt das Bergwerk RAG Anthrazit scheinbar verlassen da. Schon heute wirkt es wie ein Stück Industriegeschichte.

Mehr zum Thema: Warum wir (fast) keine Angst vor dem Kohleausstieg haben müssen

Dass unter Tage die Räumung der Grube stattfindet, ist für den Passanten an der langen, schnurgeraden Straße vor dem Werksgelände unsichtbar. Über Tage stehen die Fördertürme und Bandanlagen still. Nur selten sind vereinzelte Arbeiter zu sehen. Kurz huschen sie über das Gelände, um dann wieder in den alten Gebäuden und Anlagen zu verschwinden.

Hier waren im Jahr 1958 mehr als 8.000 Mitarbeiter beschäftigt, ehe es mit dem deutschen Steinkohlenbergbau bergab ging. 

Die Förderung von Steinkohle ist international schon seit Langem nicht mehr wettbewerbsfähig und wurde daher seit den 1950er-Jahren staatlich subventioniert.

Im Februar 2007 haben sich der Bund, das Land Nordrhein-Westfalen und das Saarland sowie die RAG AG und die Gewerkschaft IG BCE darauf verständigt, die subventionierte Förderung der Steinkohle in Deutschland zum Ende des Jahres 2018 sozialverträglich zu beenden. Eine sogenannte Revisionsklausel strich der Bundestag im Jahr 2011.

Damit war der Ausstieg endgültig besiegelt. Die letzten beiden Bergwerke schlossen im Jahr 2018 in Ibbenbüren und Bottrop, andere wurden bereits in den Jahren zuvor stillgelegt. Das Bergwerk Saar hatte seinen Betrieb im Jahr 2012 eingestellt. Einige Bergleute wechselten daraufhin auch nach Ibbenbüren.

Im Januar 2019 arbeiteten in Ibbenbüren noch 458 Menschen über und unter Tage.

Ein neuer Stadtteil entsteht

Der Pütt, wie die Menschen hier sagen, liegt auf einem Höhenzug im Norden des Stadtgebiets. Die Türme und Schornsteine des Bergwerks und des benachbarten Kraftwerks sind weithin sichtbar. Sie sind die Wahrzeichen der Stadt. Während der Nordschacht, wo die Bergleute eingefahren sind, eher unauffällig in der Nachbargemeinde Mettingen liegt, ist der Oeynhausen-Schacht der Hauptstandort des Bergwerks. Doch kaum einen Ibbenbürener, der hier nichts verloren hat, verschlägt es hierher.

In Zukunft wird sich das ändern. Denn bereits in wenigen Jahren wird hier nichts mehr so sein, wie es einmal war.

Während die Kohlekommission im fernen Berlin bis zuletzt um Lösungen für die Zeit nach der Kohle gerungen hat, ist der Wandel in Ibbenbüren schon im vollen Gange.

Was will die Kohlekommission?

Die “Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung” wurde im Juni 2018 von der Bundesregierung eingesetzt und hat Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Gewerkschaften, Bürgerinitiativen und Umweltverbänden.

Am 26. Januar 2019 verständigten sich die Mitglieder darauf, bis spätestens Ende 2038 ganz aus der Kohle auszusteigen. Dabei sollen private Haushalte und Wirtschaft von steigenden Strompreisen entlastet werden. Vom Kohleausstieg betroffene Bundesländer erhalten Hilfen in Höhe von insgesamt 40 Milliarden Euro.

Drei Kilometer vom Bergwerk entfernt, im Technischen Rathaus, befindet sich das Büro von Uwe Manteuffel. Vor wenigen Wochen haben er und seine Kollegen den Masterplan für die Zeit nach dem Bergbau fertiggestellt.

Der Masterplan ist das Gesamtkonzept für die Entwicklung der beiden Schachtanlagen von Oeynhausen in Ibbenbüren und Am Nordschacht in Mettingen. Der Masterplan ist ein rechtlich nicht verbindliches Planungsinstrument.

Es geht mehr um einen konzeptionellen Korridor, auf dem die weiteren planerischen Verfahren und die spätere bauliche Umsetzung aufbauen können. Der Masterplan ist der letzte Planungsschritt der Schnittstelle Kohlekonversion. Zuvor hatte sie im Jahr 2016 eine 132 Seiten lange Potenzialanalyse erstellt.

Als Leiter der sogenannten Schnittstelle Kohlekonversion managt Uwe Manteuffel den Strukturwandel in der Region. Und das bereits seit acht Jahren.

Als Verwaltungsmensch agiert er eher im Hintergrund. Trotzdem kennt jeder Zeitungsleser in der Stadt seinen Namen und weiß, wofür der sperrige Ausdruck “Schnittstelle Kohlekonversion” steht.

Die frühzeitig ins Leben gerufene Institution vermittelt zwischen allen Beteiligten in der Region, also zwischen Politik, Verwaltung, Wirtschaft, RAG und nicht zuletzt den Bürgern, die von Anfang an mitgestalten konnten. Im Rathaus hat man früh verstanden: Dieser Wandel kann nur gelingen, wenn er gemeinschaftlich gedacht wird.

Uwe Manteuffel ist Geschäftsführer der Schnittstelle Kohlekonversion.

Der Wandel der Kohleregion Ibbenbüren ist von langer Hand geplant, seit dem Jahr 2011, als der Ausstieg aus der Steinkohle endgültig beschlossene Sache war. “In dem Moment war klar, dass wir den Schalter umlegen müssen”, sagt Uwe Manteuffel.

Seitdem sei es nicht mehr darum gegangen, für den Erhalt des Bergbaus weiterzukämpfen, sondern darum, alles zu tun, um den Wandel zu gestalten. Noch mitten im laufenden Zechenbetrieb saßen Stadt und RAG schon an einem Tisch, um eine Zukunftsvision zu entwerfen.

Uwe Manteuffel erzählt, er sei gelegentlich mit Kollegen aus den Braunkohlerevieren in der Lausitz im Gespräch. “Die haben den Beschluss nicht.” Der Kohleausstieg kommt, aber planbar ist er für die Regionen ohne festen Termin bisher nur schwer. Für die Gestaltung des Strukturwandels sei das nicht förderlich, sagt Uwe Manteuffel.

Die Bundesregierung arbeitet daran. Die von ihr eingesetzte Kohlekommission hat in der Nacht zum 26. Januar ein Ausstiegsszenario erarbeitet. Jetzt steht fest: Spätestens im Jahr 2038 soll in Deutschland Schluss sein mit der Kohle.

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– Hintergründe, Zusammenhänge, Lösungsorientiert –

 

Nun ist die Politik am Zug. Sie muss die Empfehlungen der Kommission schließlich umsetzen. Noch hängen Zehntausende Arbeitsplätze direkt oder indirekt an den Braunkohlerevieren in NRW, Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Können diese Regionen von den Erfahrungen in Ibbenbüren profitieren?

Eine unbekannte Stadt im Aufwind

Die 54.000-Einwohner-Stadt im Tecklenburger Land steht eher selten im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Ein Grund dafür könnte die geografische Lage sein. Ibbenbüren, rund 20 Autominuten vom niedersächsischen Osnabrück entfernt, ist nicht das Ruhrgebiet. Kaum jemand, der nicht von hier kommt, bringt die Stadt mit dem Bergbau in Verbindung.

Doch es könnte noch einen zweiten Grund für die Unaufmerksamkeit geben, die die Stadt erfährt. Denn die letzten Jahre des Steinkohlenbergbaus sind hier weitgehend geräuschlos verlaufen. Keinem Bergmann droht die Arbeitslosigkeit. Die Mitarbeiterzahl wurde langfristig und sozialverträglich abgebaut. Viele Bergleute wurden mit 50 Jahren frühverrentet.

Das Land NRW und der Bund haben viel Geld in die Hand genommen, um soziale Härten zu vermeiden. Niemand soll ins Bergfreie fallen, lautete die Zielsetzung im Fachjargon.

Das ist schon eine ganz ungewöhnliche Entwicklung, die wir hier haben.Marc Schrameyer, Bürgermeister

Verbliebene, jüngere Mitarbeiter finden in der Regel problemlos neue Jobs. Der Wirtschaft in der Region geht es blendend. “Wir haben den Verlust an Arbeitsplätzen im Bergbau in den letzten Jahren mehrfach allein in Ibbenbüren kompensiert”, sagt Bürgermeister Marc Schrameyer.

Tatsächlich haben Ibbenbüren und der Kreis Steinfurt eine der niedrigsten Arbeitslosenquoten in ganz NRW. Während die Quote in der Metropolregion Ruhr bei durchschnittlich 8,7 Prozent liegt, könnte die Arbeitslosigkeit in Ibbenbüren schon bald bei unter drei Prozent liegen. Das erwartet jedenfalls Bürgermeister Marc Schrameyer. Ihm kommen die frei werdenden Gewerbeflächen auf dem Bergwerksgelände gerade recht, sagt er.

Ein Blick auf das gesamte Areal: Vorne liegen die Verwaltungsgebäude der RAG, nördlich der Straße das Werksgelände, dahinter die Kohlehalden. Rechts ist das benachbarte Kraftwerk zu sehen. 

Das Areal ist so groß wie 70 Fußballfelder. Es wird nicht zu einer tristen Industriebrache verkommen. In den nächsten Jahren, sobald der Rückzug aus dem Bergwerk abgeschlossen ist, entsteht hier ein Gewerbepark mit einem Gründer- und Innovationszentrum.

Die Bergbautradition bleibt sichtbar, denkmalwürdige Gebäude bleiben stehen. Bergbaumuseum und der traditionsreiche Knappenverein finden hier einen Platz.

Der Knappenverein Tecklenburger Land wurde im Jahr 2000 gegründet. Seitdem haben sich aktive und ehemalige Bergleute einmal im Monat zum Knappenstammtisch getroffen und darüber hinaus Feste und Gottesdiente ausgerichtet. Trotz der Stilllegung der Zeche wird der Verein weiter bestehen und in Zukunft auf dem neu gestalteten Areal residieren.

Kultur, Bildung, Freizeitgestaltung, Natur, Gewerbe – alles ist dann an einem Ort, der für die meisten Ibbenbürener irgendwie vertraut und doch Neuland ist. Auf dem Gelände selbst waren die wenigsten von ihnen schon einmal. Von außen versperren Mauern den freien Blick. Den Pütt kennen die meisten vor allem aus den Erzählungen der Väter, Onkel und Großeltern sowie als Landmarke, wenn sie aus dem Fenster schauen.

Immer mehr Menschen ziehen nach Ibbenbüren

Der Bergbau geht, zurück bleibt eine Region im Aufwind. Ibbenbüren hat in den vergangenen 30 Jahren nach Aussagen des Bürgermeisters 10.000 Einwohner hinzugewonnen. Mit der Bevölkerungszahl stieg auch die Zahl der Beschäftigten.

Wer in die Stadt kam, hatte Arbeit. Ibbenbüren ist keine Großstadt und keine Universitätsstadt. Aber es ist eine Stadt mit 2.250 Gewerbebetrieben, mit mittelständischen Familienunternehmen und sogar einigen Weltmarktführern.

Mehrere Unternehmen in Ibbenbüren und im Umland sind in ihrer Branche deutschlandweit, europaweit oder sogar weltweit führend. Dazu zählt etwa Crespel & Deiters, ein Spezialist für weizenbasierte Produkte wie Stärke und Wellpappenkleber. Die BA Unternehmensgruppe ist Marktführer in der Impfstoffversorgung in Deutschland. In Mettingen, einer Nachbarkommune Ibbenbürens, hat der Backwarenhersteller Coppenrath & Wiese seinen Sitz. Das Ibbenbürener Chemieunternehmen AkzoNobel ist europäischer Marktführer unter anderem für Industriesalz, Chlor und Kalilauge.

Die Nachfrage nach Fachkräften sei riesig, sagt Bürgermeister Marc Schrameyer. “Das ist schon eine ganz ungewöhnliche Entwicklung, die wir hier haben.” Der Strukturwandel in der Region ist eigentlich schon abgeschlossen, bevor die Zeche überhaupt stillgelegt wurde. Das Timing stimmt bis zum finalen Beschluss im Rathaus.

Eine Woche, bevor in Bottrop das letzte in Deutschland geförderte Stück Steinkohle an den Bundespräsidenten übergeben wurde, verabschiedete der Stadtrat Ibbenbüren den “Masterplan von Oeynhausen”.

Kritische Stimmen begleiten den Wandel

Trotzdem wird das Ende des Bergbaus auch von einigen kritischen Stimmen begleitet. “Der Bergbau geht – der Schaden bleibt”, prangte kürzlich an prominenten Plakatwänden im Stadtgebiet. Die “Bürgerinitiative Bergbaubetroffener” machte damit auf die Bergschäden aufmerksam und setzte sich für angemessene Schadenersatzansprüche ein.

Mit Bergschäden sind die Schäden an Gebäuden, Grundstücken oder Straßen gemeint, die auf bergbauliche Aktivitäten zurückzuführen sind. Die RAG haftet dafür – und das sogar noch lange nach der Schließung des Bergwerks.

Auch der Weiterbetrieb des Kraftwerks wird kritisch gesehen. Wenn die eigenen Kohlevorräte aufgebraucht sind, wird die RWE das Kraftwerk mit importierter Kohle weiterbetreiben. Sie gelangt nach weiten Wegen aus Polen, Australien und anderen Weltregionen über die niederländischen Häfen in Amsterdam, Antwerpen und Rotterdam nach Ibbenbüren.

Mehr zum Thema: Unterwegs im feuchten Traum der Ökos

Von dort wird sie über den Mittellandkanal und schließlich – zum Zorn einiger Anwohner – auf Zügen über die steile Trasse der RAG-Zechenbahn hergebracht. Das ist immer noch günstiger als die Nutzung der hochwertigen Anthrazitkohle aus dem heimischen Boden.

Der Steinkohleausstieg ist also kein echter Ausstieg. Zwar sinkt der Anteil der Braun- und Steinkohle an der Stromerzeugung. Im vergangenen Jahr machte Braunkohle 24 Prozent am deutschen Strommix aus.

Der Anteil der Steinkohle lag bei 14 Prozent. Der Anteil der erneuerbaren Energien stieg auf 40 Prozent. Doch die Kohleverstromung in Ibbenbüren wird weitergehen. Wie lange noch, das weiß bisher niemand so genau. Die Planungen für die Zukunft des Zechengeländes wurden dadurch erschwert. Denn es ist unklar, welche Teile des Kraftwerk-Areals wann zur Verfügung stehen werden.

Der Eingangsbereich des Bergwerks wird auch in Zukunft der Zugang zum neuen Gewerbepark sein. Die denkmalwürdigen und ortsbildprägenden Gebäude bleiben erhalten.

Das Erfolgsgeheimnis von Ibbenbüren

Doch trotz allem ist das Konfliktpotential in Ibbenbüren insgesamt überschaubar. Die momentan vorherrschende Gemütslage ist eine Mischung aus Wehmut, Dankbarkeit und Aufbruchstimmung. Natürlich lässt sich eine positive Entwicklung wie die in der Kohleregion Ibbenbüren nicht 1:1 auf andere Regionen übertragen.

In Ibbenbüren gab es schon immer eine starke mittelständische Wirtschaft. Außerdem ist die Stadt geografisch und infrastrukturell bestens angebunden: an die Autobahnen A1 und A30, an die Bahnstrecke Amsterdam–Berlin, an den Dortmund-Ems-Kanal und den Mittellandkanal, an den 20 Kilometer entfernten Flughafen Münster Osnabrück.

Das ist in den ostdeutschen Braunkohlerevieren anders. In Sachen Infrastruktur und Innovationskraft schneiden sie deutlich schlechter ab, wie Studien zeigen. Deshalb ist der Strukturwandel in diesen Regionen eine besonders große Herausforderung.

Trotzdem kann Ibbenbüren als Vorbild dienen. Frühzeitige Planung, die Bündelung aller Interessen und Akteure an einer Stelle, Wirtschaftsförderung mit klugen Standortentscheidungen und nicht zuletzt eine optimistische Grundhaltung – all das ist übertragbar auf andere Regionen.

Als wichtigsten Erfolgsfaktor nennt Uwe Manteuffel die Einrichtung der von ihm geleiteten Schnittstelle Kohlekonversion. “Das hat so bisher kein anderer Standort auf die Reihe gekriegt”, sagt er, ohne dabei überheblich zu klingen. Übrigens geht die Schnittstelle auch in einem anderen Bereich neue Wege: Im Team gibt es mehr Frauen als Männer. Das kommt in der kommunalen Verwaltung selten vor.

Die Bürger reden mit

Besonders wird es auch darauf ankommen, die Bevölkerung einzubeziehen. In Ibbenbüren ist das geglückt. Das sieht auch der NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann von der CDU so. Er ist in einem Nachbarort von Ibbenbüren zu Hause und hat die Verhandlungen über die Zechenschließungen lange politisch begleitet.

“Bemerkenswert ist, dass die Region in einem umfangreichen Beteiligungsverfahren die Menschen mitgenommen hat. Das begrüße ich sehr, denn ihnen wurde die Gelegenheit gegeben, ihre Heimat aktiv mitzugestalten”, sagt er.

Karl-Josef Laumann ist sicher, dass die Region den wirtschaftlichen Verlust durch das Ende des Bergbaus kompensieren wird. Und dass andere Regionen von Ibbenbüren lernen können, indem sie auf Vielfalt und regional verwurzelte Unternehmen setzen.

Erfolgreiche Regionen wie das Münsterland haben in der Vergangenheit auf einen vielfältigen Branchenmix gesetzt und insbesondere für eigentümergeführte Mittelstandsunternehmen attraktive Rahmenbedingungen geboten. Ich bin sehr froh, dass die Kommunen sich dabei in der Vergangenheit nicht nur auf Unternehmen in den Bereichen Dienstleistung und Handel konzentriert haben. Es wurden immer auch Flächen für Industrieunternehmen zur Verfügung gestellt.Karl-Josef Laumann, NRW-Arbeitsminister

Er räumt aber ein, dass es dafür auch die richtigen Rahmenbedingungen braucht. “Einige Braunkohlereviere haben hier sicherlich bessere Startvoraussetzungen als andere”, sagt Karl-Josef Laumann

Mehr zum Thema: Warum mehr als zwei Drittel aller Öl-, Gas- und Kohle-Reserven wertlos sind

Nun beginnt der emotionale Kulturwandel

Die Kohleregion Ibbenbüren hat den Strukturwandel bis hierhin gut gemeistert. Nun steht der Region aber noch ein weiterer Wandel bevor. Der emotionale, soziale Kulturwandel in der jahrhundertelang vom Bergbau geprägten Region lässt sich nicht einfach mit einer Schnittstelle planen. Es gibt kaum eine Familie in Ibbenbüren ohne Beziehung zum Pütt. Der Bergbau gehört zum sozialen Erbe der Region.

Das wurde vielleicht am deutlichsten sichtbar, als kurz vor der Schließung, im November 2018, 2.500 Menschen zu einer großen Abschiedsveranstaltung auf das Zechengelände kamen. Als es dunkel wurde, wanderten Lichtspiele über die zum Teil fast 100 Jahre alten Gebäude. Und irgendwann standen alle beisammen und sangen das Steigerlied.

Der Nordschacht in Mettingen wurde für die Personen- und Materialförderung genutzt. Hier fand im August 2018 die letzte Schicht statt.

Da konnte man spüren: Es verschwindet nicht nur eine prägende Industrie, ein großer Arbeitgeber und das Selbstverständnis einer Region, die tief mit dem Bergbau verbunden ist. Es verschwindet auch etwas, das viele Menschen in der heutigen Gesellschaft vermissen und das die Bergleute immer besonders ausgezeichnet hat: Zusammenhalt.

Den brauchten auch die Mitglieder der Kohlekommission. Sie haben bis zuletzt um einen Ausstiegsplan gerungen, der von einer breiten Mehrheit der Gesellschaft getragen wird und zugleich die Einhaltung des deutschen Klimaziels ernst nimmt. Ob das gelungen ist, werden die weiteren Diskussionen in den kommenden Tagen und Wochen zeigen.

Vor allem aber hängt es davon ab, mit welcher Entschlossenheit die verantwortlichen Politiker nun handeln. Ein Blick nach Ibbenbüren könnte ihnen Mut machen. 

Du willst noch mehr über Vorreiter in Sachen Energiewende lesen? Wir waren schon mal im Kreis Steinfurt unterwegs und haben recherchiert, wie Steinfurt zum Vorreiter beim Thema Nachhaltigkeit geworden ist und wie das auch in anderen Regionen gelingen kann.

Dieser Artikel ist zuerst bei Perspective Daily erschienen.

(ujo)

Ryanair-Flugzeug darf nicht starten – für Passagiere beginnt dann der Horror

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  • Ein Schneesturm in Prag verhinderte am Sonntag den Start einer Ryanair-Maschine.
  • Rund 200 Passagiere sind für über sechs Stunden im Flieger gefangen – ohne Essen und Trinken.
  • Im Video oben seht ihr Szenen aus der Kabine.

Für rund 200 Ryanair-Passagiere ist ein Flug am Sonntag von Prag nach Madrid zur Belastungsprobe geworden. Ein Schneesturm hinderte die Maschine daran, abzuheben. Über sechs Stunden mussten die Passagiere ohne Wasser und Essen im Flieger ausharren, um dann letztendlich zu erfahren, dass der Flug gestrichen wird.

Ein Passagier schrieb auf Twitter, dass gleich mehrere Passagiere im vollgepackten Flugzeug mit Angstzuständen zu kämpfen hatten. Ebenso war die Situation für Eltern, die mit ihren Kindern reisten, der blanke Horror.

Passagier: “Sie haben uns im Flugzeug sitzen lassen”

Wie die britische Zeitung “Sun” berichtet, durften die Passagiere erst nach sechs Stunden das Flugzeug verlassen.

Mehr zum Thema:Dieses Foto soll aufzeigen, wie Ryanair mit seinen Mitarbeitern umgeht

Ein Passagier sagte auf Twitter:

“Sie haben uns bei minus zehn Grad Celsius im Flugzeug sitzen und dann mit durchnässten Schuhen im Schnee warten lassen.” 

Andere schilderten, dass sie sich von der Fluggesellschaft wie “entführt” fühlten, weil sie das Flugzeug nicht verlassen durften.

Mehr zum Thema:Britin fliegt mit Ryanair – als sie in das Flugzeug steigt, traut sie ihren Augen nicht

Auch Ryanair hat am Sonntag Abend eine Erklärung über Twitter abgegeben. Dort heißt es:

“Schnee am Prager Flughafen und langsame Entgleisungsdienste haben zu Verzögerungen geführt. Einer unserer Flüge wurde storniert. Allen Kunden wurden Hotelunterkünfte zur Verfügung gestellt und der Flug wird morgen durchgeführt. Wir entschuldigen uns bei den betroffenen Passagieren und arbeiten hart daran, alle Flüge wie gewohnt durchzuführen.”

Mit ungefähr 26 Stunden Verspätung landete die Ryanair-Maschine am Montag in Madrid.

Mehr zum Thema: Als ein britisches Ehepaar seinen Ryanair-Sitzplatz sieht, ist es angewidert

(chr)

Früher RTL-Moderator, heute Verschwörungstheoretiker? Ein Tag mit Hans Meiser

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“Mein Name ist Hans Meiser und das ist Watergate.TV – die Jagd nach der Wahrheit.”

Hans Meiser trägt Krawatte, Hemd und Sakko und blickt ernst in die Kamera. Hinter ihm sind Hochhäuser und eine Weltkugel auf dem Greenscreen zu sehen. Es könnte das TV-Studio einer ernstzunehmenden Nachrichtensendung sein. Würden im Anschluss nicht Beiträge kommen wie “11 Gründe für Deutschlands baldigen Untergang” oder “Weißkittelmafia verhindert Krebsheilung”.

“Watergate.TV-Redakteur Hans Meiser” steht in Meisers Bauchbinde. Das klingt nach einer Satire-Figur, die Jan Böhmermann unter der Dusche eingefallen ist.

Aber der “Watergate.TV”-Redakteur Hans Meiser ist keine Satire, er ist echt. Der einst gefeierte Fernsehmoderator hat sein Talent und seine Bekanntheit an eine Verschwörungsseite im Netz verschenkt. Nebenbei bewirbt Meiser aktuell dubiose Börsenbriefe im Internet und ein “Supervitamin ab 50”.

Es ist derselbe Mann, der seit 55 Jahren als Journalist arbeitet, seit 34 Jahren im Fernsehen auftritt und als Legende gilt, als erster großer deutscher Nachmittags-Talker. Der Interviews mit Prinz Charles und zahlreichen Prominenten und Politikern geführt hat, darunter das letzte TV-Interview mit Willy Brandt vor seinem Tod. Der als Vorgänger von Peter Klöppel “RTL aktuell” moderiert hat. Und dessen Nachmittagstalkshow “Hans Meiser” als Mutter aller deutschen Talksendungen gilt.

Über diesen Mann heißt es seit gut einem Jahr in den Medien, er sei ein Verschwörungstheoretiker, vielleicht auch ein Rechtspopulist.

Ist er das tatsächlich? 

Oder ist er einfach nur ein ehemaliger, ziemlich prominenter TV-Mann, der den Moment verpasst hat, aufzuhören? Der sich selbst und das Bild der Öffentlichkeit von ihm zerstört, ohne es zu merken, einfach weil er nicht aufhören kann, zu arbeiten? Weil er nicht aufhören kann, im Rampenlicht zu stehen – und sei es noch so zwielichtig?

Meiser und ich treffen uns in Scharbeutz an der Ostsee. Dort, etwa eine Stunde von Hamburg entfernt, hat der 71-Jährige gerade ein Haus gebaut – für sich und seine dritte Ehefrau Angelika.

Unser erster Stopp: Ein Promi-Lokal 

Meiser sieht erschöpft aus, so, als hätte er die Nacht kaum geschlafen. Er geht in langsamen kleinen Schritten. Dabei schnauft er, als würde ihn jede Bewegung große Anstrengung kosten. Die schmalen kurvigen Straßen der 11.000-Einwohner-Gemeinde fahren wir mit dem Auto entlang.

Meiser ist freundlich und spricht fast ununterbrochen mit seiner ruhigen Hörbuch-Stimme. Nichts in seinem Verhalten würde mich vermuten lassen, dass ich es hier mit einem möglicherweise irren Verschwörungstheoretiker zu tun habe.

“Meine Frau wollte, dass ich heute einen Anzug anziehe”, erzählt er und lacht. “So ein Quatsch, habe ich gesagt.”

Die rote Hose und das schlichte blaue Shirt mit Polokragen passen tatsächlich besser nach Scharbeutz.

Unser erster von drei Stopps in den Cafés und Restaurants der Kleinstadt ist das “Café Wichtig”. Hier sollen sich regelmäßig Promis treffen. Schon auf dem Weg dorthin grüßen uns Freunde und Bekannte von Meiser.

“Wie läufts denn so?”, fragt Meiser den Kellner. “Ich würde gerne mal eine Leiche spielen.” Der Kellner lacht. Er kommt mir bekannt vor. Und tatsächlich: Es ist der ehemalige “Verbotene Liebe”-Schauspieler Kay Böger. Im “Café Wichtig” muss sich der Seifenoper-Star etwas dazu verdienen. Nichts Außergewöhnliches für einen Schauspieler. Meiser scheint es vorzuziehen, sein Gehalt mit dubioser Werbung aufzubessern.

Er sieht aus dem Fenster des Cafés. Eine dieser kitschigen Holzbahnen mit Touristen fährt vorbei, dann Fahrradfahrer mit Hunden an der Leine.

Meiser folgt ihnen mit den müden Augen. “Fahrradfahren mit Hund ist nicht gut”, sagt er. “Die Hunde laufen dadurch weiter, auch wenn sie nicht mehr können. Irgendwann fallen sie tot um.”

Er schweigt kurz.

Seine eigene Hündin wollte Meiser einfach “Töle” oder “Hund” nennen, erzählt er. Nur seiner Tochter zuliebe habe er sie dann “Laika” genannt.

“Namen bedeuten mir nichts”, sagt er. Seine Talkshow “Hans Meiser”, die achteinhalb Jahre erfolgreich bei RTL lief, sei damals nur nach ihm benannt worden, weil ihnen nichts Besseres eingefallen sei. Tatsächlich scheint Meiser sich nicht viel auf seinen vergangenen Erfolg einzubilden. 

“Ich konnte mich nie anhören oder ansehen” 

“Ich hatte schon immer ein eher begrenztes Selbstbewusstsein”, sagt er. “Ich konnte mich auch nie im Radio anhören oder im Fernsehen anschauen. Da sind mir nur alle meine Makel aufgefallen.”

Meiser setzt sich jetzt etwas aufrechter hin, gestikuliert und erzählt eine Anekdote nach der anderen. Es ist fast, als würde er aufwachen, aus einem Alltag, der ihn ermüdet und langweilt.

Als er 15 war, habe ein Lehrer zu seiner Mutter gesagt: “Wenn Ihr Sohn mal sterben sollte, müsste man seine Klappe extra totschlagen.”

Meiser ist ohne Vater aufgewachsen. Als er sechs war, wurde der Pilot zum Militär eingezogen. “Ich werde nie vergessen, wie er mir über den Kopf gestreichelt und gesagt hat: ‘Bis zum nächsten Mal, mein Sohn.’ Ein nächstes Mal gab es nicht.”

Erst nach dem Tod seines Vaters erfuhr Meiser, dass er in der DDR eine neue Familie gegründet hatte. Auf einmal hatte er noch eine Halbschwester und einen Halbbruder.

Schon mit 18 stürzte Meiser sich in den Journalismus, begann 1984 bei RTL. Dort erfand er seine eigene Talkshow: “Hans Meiser”. Sie hatte an manchen Tagen 40 Prozent Marktanteil. So viel schafft heute nur noch das Dschungelcamp. Bis zu 4,8 Millionen Menschen sahen sich die Show zu ihrer besten Zeit an. Schließlich sei sie wegen angeblich schlechter Quoten abgesetzt worden, sagt Meiser. 

“Bevor ich Verschwörungstheoretiker bin, ist der Papst Mohammed persönlich.”

2010 verlängerte RTL seinen Vertrag nicht. “Ich habe nie ein Danke bekommen. Das ist einfach kein Benehmen”, sagt Meiser heute.

Was er auch zugibt: Er sei nicht ganz einfach gewesen. “Ich kann sehr wütend werden, wenn ich will.”

Zum Beispiel dann, wenn der Begriff “Verschwörung” fällt.

“Bevor ich Verschwörungstheoretiker bin, ist der Papst Mohammed persönlich”, sagt Meiser mit erhobener Stimme. Den Satz wird er an diesem Tag dreimal wiederholen.

Über seine Zeit bei “Watergate.TV” will Meiser, der ansonsten über alles gerne spricht, eigentlich nicht reden. Immer wieder lenkt er vom Thema ab, kommentiert lieber die Menschen, die am Fenster vorbeilaufen. “Uh, der hat ein Sixpack”, sagt er über einen sonnengebräunten Schönling, der in Badehose vorbei schlendert. “Ich habe eher ein Onepack.”

“Zurück zu Watergate.TV…”

Meiser wedelt verärgert mit den Händen in der Luft herum.

“Ich wusste gar nicht so recht, was die da machen, bei Watergate.TV.”

“Aber Sie haben doch die Beiträge selbst anmoderiert.”

“Aber das heißt ja nicht, dass ich die Beiträge auch gesehen habe.”

Jan Böhmermann schmiss ihn raus

Er will sich nicht einmal darin erinnern können, ab wann und wie lange er genau für die Seite gearbeitet hat. Seine Ausreden klingen wenig plausibel. Er sei auf einer Kreuzfahrt gewesen und habe kein Internet gehabt. Deshalb habe er lange gar nicht sehen können, was “Watergate.TV” auf der Seite veröffentliche, behauptet er. 

Wenig später wird er mir im Auto erzählen, dass er nichts tue, von dem er “nicht vollkommen überzeugt” sei. Was Meiser sagt, passt nicht zusammen.

Das sah offensichtlich auch TV-Satiriker Jan Böhmermann so. In dessen ZDF-Sendung “Neo Magazin Royale” hatte Meiser 2015 bis 2017 eine Rolle als ‘der kleine Mann’. Er spielte einen Rechtspopulisten, der “gegen die da oben” wettert.

Bei dem Namen “Böhmermann” verzieht Meiser das Gesicht. “Böhmermann ist ein selbsternannter Moralapostel”, sagt er. “Und den türkischen Präsidenten als Ziegenficker zu bezeichen, finde ich eine Unverschämtheit, widerlich und dumm.” 

Geschickt versucht Meiser von seinem eigenen Fehlverhalten abzulenken. Denn als die Redaktion von Meisers Einsatz bei “Watergate-TV” erfuhr, schmiss Böhmermann ihn raus – mit einem ironisch formulierten Facebook-Post, ohne ihn privat zu informieren.

Das ärgert ihn noch immer. “Ich hatte nie einen Vertrag mit Böhmermann”, sagt er. “Eigentlich nicht einmal mündlich.”

Sein Rauswurf sei falsch kommuniziert und falsch in den Medien behandelt worden. “Auf einmal haben mich alle dargestellt, als sei ich ein Verschwörungstheoretiker oder gar ein Rechtspopulist”, klagt Meiser.

“Schon wieder hier?”, begrüßt die Bedienung Meiser im nächsten Restaurant, der “Fischkiste”. Es ist eines seiner Lieblings-Fischrestaurants in Niendorf, das eine kurze Autofahrt von Scharbeutz entfernt liegt. Draußen sitzen wir überdacht mit Blick auf den Hafen.

Neben uns nimmt eine Gruppe weißhaariger Frauen Platz. Sie mustern uns neugierig. Es kommt noch häufig vor, dass er auf der Straße erkannt und um ein Foto gebeten werde, zuletzt am Morgen beim Bäcker.

Umso verblüffender finde ich es, dass er es für nötig zu halten scheint, sein Gesicht für dubiose Sendungen und Projekte hinzuhalten. Beispielsweise für einen Börsenbrief, den er in einem Video damit anpreist, dass “der finale Crash” kurz bevorstehe. Wieder redet Meiser sich heraus.

“Mit Zahlen hatte ich es noch nie. Von Mathe habe ich keine Ahnung. Ich kann nicht rechnen. Ich kann froh sein, dass meine Frau sich meine Konto-Auszüge ansieht.”

Vorsichtig trennt er seinen Fisch von den Gräten.

“Aber Sie wussten doch, was Sie sagen.”

“Nein, ich habe die Hälfte davon gar nicht verstanden”, behauptet Meiser.

Auf die Frage, warum er es dann gemacht habe, sagt er: “Es war nur ein Job, nur Werbung, wie auch Jürgen Klopp Werbung macht.”

Hat er es also doch nur wegen des Geldes gemacht? Auch eine andere Geschichte, die er erzählt, legt das nahe.

Meiser: “Ich wurde von einem Fantasten betrogen” 

Meiser sagt, er sei betrogen worden. Von einem “Fantasten”. Er erzählt von einem Unternehmer, der im Jahr 2000 eine Raucher-Airline gründen wollte. Ohne Erfolg. Sein nächstes Großprojekt sei 2014 ein neuer TV-Sender gewesen. Auch der scheiterte. Meiser sollte Mitgründer des Senders werden.

“Durch den Typen habe ich 15.000 Euro verloren”, sagt Meiser heute.

Auf diesen Wert kommt Meiser, indem er sich selbst einen Stundenlohn von 50 Euro gibt und die Zeit hochrechnet, die er mit dem Unternehmer verbracht hat. Gemeinsam hätten sie sich immer wieder mögliche Fernsehstudios angesehen – “mit Kupferteppichen, gesichert gegen Abhörungen”.

Der Unternehmer habe ihm gesagt, sein neuer Fernsehsender sei “ein Geschenk an das Volk”. Da hätte er eigentlich schon misstrauisch werden müssen, gibt Meiser zu.  

Aber er sei schon immer zu gutgläubig gewesen. Das sei seine größte Schwäche. Eine nicht ganz typische Eigenschaft für jemanden, der fast sein ganzes Leben als Journalist gearbeitet hat, denke ich.

Vorbei sei die Zusammenarbeit mit dem Unternehmer erst gewesen, als der Angela Merkel als “ein Stück Scheiße” bezeichnet habe. Das fand Meiser unmöglich.

Auch hier habe ich wieder das Gefühl, dass Meiser verzweifelt jemanden sucht, der von seinem eigenen Scheitern ablenkt. Er stellt sich selbst als Opfer dar, der auf einen Verschwörungstheoretiker hereingefallen ist.

Nicht leben können, ohne zu arbeiten 

Meine Vermutung aber verstärkt sich: Meiser gehört zu den Menschen, die nicht leben können, ohne zu arbeiten. Die vielleicht auch etwas suchen, damit sie sich gebraucht und nützlich fühlen.

“Wie mein Tagesablauf aussieht? Na ja, wie ein ganz normaler Büroalltag eben”, sagt Meiser. “Ich wache auf, um halb fünf, dann sehe ich mir die Nachrichtenlage an, schreibe Mails, nehme Anrufe entgegen.”

Meiser spricht, als sei er noch immer Journalist, als müsste er um halb fünf eine Frühschicht im Büro antreten. Dabei hat er seit dem Rausschmiss bei Böhmermann keinen festen Job mehr. Aber er produziere immer noch Videos, gerade für eine befreundete Musikerin, und gebe Rhetorik-Seminare, sagt er.

Nachdem jeder von uns eine große Portion Fisch gegessen hat, fahren wir in die Hamptons. Die Hamptons sind ein weiteres Lieblingslokal von Meiser. Die Gäste können sich auch in einen Strandkorb oder in ein riesiges Bett am Meer legen, um sich von dort bedienen zu lassen.

“Den Kuchen müssen Sie sich an der Theke anschauen”, sagt die Kellnerin.

“Nee, dazu hab ich keine Lust. Komm, sach”, sagt Meiser zu ihr.

Vielleicht, überlege ich, ist es bei Meiser auch einfach Bequemlichkeit und Gleichgültigkeit, warum er bestimmte Jobs annimmt und sich mit anderen Dingen gar nicht auseinandersetzt. Er ist einerseits arbeitswütig, scheint andererseits frustriert und medienmüde zu sein.

Immer wieder beklagt er sich an diesem Tag über einen angeblichen Niveau- und Professionalitätsverlust der Medien, vor allem im Internet und Fernsehen.

Von seinem Traumtod hat Meiser eine genaue Vorstellung 

Gar nicht mehr als Journalist zu arbeiten, kann sich der 71-Jährige aber nicht vorstellen. “Journalismus ist der schönste Job der Welt”, sagt Meiser. “Ich brenne immer noch dafür.”

Es klingt betrübt, als wünschte er, es könnte anders sein. Dass er sich seinem Beruf entziehen könnte. Aber er kann nicht, denn es war immer sein Leben und ist es auch jetzt noch.

Wahrscheinlich ist es das, was ihn zu fragwürdigen Entscheidungen treibt. Die Angst davor, am Ende nichts zu tun. Bevor der Tod ihn ohnehin zu Nichts werden lässt.

“Wir kommen aus dem Nichts und werden Nichts”, sagt Meiser. “Und eigentlich sind wir ja auch Nichts.”

Er sagt es trocken und bestimmt. So, als habe er sich damit abgefunden.

Wie sein perfekter Tod aussehen würde, ist für Meiser klar: “Ich würde hinter dem Mikro, mitten beim Sprechen, einfach tot umfallen. Das wäre traumhaft.”

10 Deutschtürken sagen: "Ich bin Özil"

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Es waren Worte, die um die Welt gingen.

“Rassismus und Respektlosigkeit in Deutschland” beklagte der Fußballer Mesut Özil am zurückliegenden Sonntag – und kündigte seinen Austritt aus der Nationalmannschaft an.

Seine Worte lösten nicht nur ein Beben in Politik und Spitzensport aus. Sie ließen auch andere Deutschtürken nicht unberührt – wie jene, die wir in der Goethestraße in München treffen. “Türkenviertel” wird dieser Stadtteil auch genannt. 

 

Dort haben wir zehn Deutschtürken zu ihrer Meinung zu den Vorwürfen von Özil gefragt. (Die Deutschtürkinnen, die wir zum Fall Özil angesprochen haben, wollten oder konnten sich nicht dazu äußern.)

 

Ist Özil nur ein kleines Beispiel für das, was im Großen in Deutschland falsch läuft?Bewundern wir Deutschen Ausländer, wenn sie ins Muster des guten Deutschen passen und geben sie zum Abschuss frei, wenn sie es nicht mehr tun? 

Das sind ihre Antworten:

Alper, 40, Restaurantbesitzer und Taxi-Unternehmer: “Ich fühle mich immer noch nicht integriert” 

AMELIE GRAEN

“Dass Özil aus der Nationalmannschaft ausgetreten ist, war die beste Entscheidung, die er je getroffen hat. Er hat nicht die Anerkennung bekommen, die er verdient hätte. Alle meine deutschen Freunde sind gegen ihn. Die meinen ernsthaft, dass wir die Fußball-WM zu zehnt ohne Özil gewonnen hätten, was natürlich völliger Quatsch ist.

Wir reden so viel über Integration. Ich bin hier geboren und aufgewachsen und erfolgreich in meinem Job und fühle mich trotzdem nicht integriert. Mein Nachname ist türkisch, deshalb finde ich keine Wohnung in München-Haidhausen. Ich habe zwar eine schöne Wohnung, aber nicht da, wo ich sie gerne hätte, weil die Münchner dort offensichtlich keine Türken haben wollen.

Auch in meinem eigenen Restaurant merke ich die andere Mentalität der Deutschen. Sie sind immer so vorsichtig, ich habe das Gefühl, gar nicht an sie ran zu kommen. Immer muss ich mich erst beweisen, besonders unterhaltsam, besonders nett sein, alles mitmachen. Dabei bin ich doch einer von ihnen. Ich bin in München geboren, ich bin Münchner.” 

Gökhan, 42, Anlagenmechaniker: “Bei Fehlern werden wir wie Dreck behandelt”

AMELIE GRAEN

“Ich finde es richtig, dass Özil aus der Nationalmannschaft ausgetreten ist.

Wir Türken haben das Gefühl, dass wir hier zwar als Arbeiter gern gesehen sind, aber sobald etwas schief läuft, werden wir abgestempelt und wie Dreck behandelt, haben den Wert eines Tiers. Dann ist vom primitiven Barbarenvolk die Rede. Machen wir dann etwas gut, ist wieder alles gut – bis zum nächsten Fehler. 

Wir Türken sind keineswegs Deutschlandfeindlich oder Europafeindlich, aber wir wollen auch als Türken in Deutschland anerkannt werden, nicht nur als Deutsche. Aber die Wahrheit ist: Jeder, der sich in Deutschland als Moslem zu erkennen gibt, wird ausgegrenzt. 

Was Erdogan betrifft: Ich mag ihn nicht und ich bin nicht froh, dass wir ihn gewählt haben. Aber es kann nicht sein, dass alle Türken deshalb fertig gemacht und gemobbt werden. Wir haben das Gefühl es geht nur noch um Erdogan und nicht mehr um uns. 

Immer sollen wir sagen, dass wir Türken uns zu Deutschland gehörig fühlen. Aber ich frage mich viel mehr: Wo stehen wir denn bei euch? Warum sagt ihr nie wir gehören zu euch?” 

Ali, 74, Rentner, ehemals Kernkraftschweißer: “Die Deutschen haben Vorurteile”

AMELIE GRAEN

“Ich finde, dass Özil einen großen Fehler gemacht hat, als er das Foto mit Erdogan gemacht hat. Damit hat er sich zum Teil selbst seine Karriere verbaut. Auch kann ich nicht sagen, dass ich in meinen 47 Jahren in Deutschland je Rassismus von anderen Bürgern erlebt habe. Hans gegen Hassan – das habe ich nie erlebt. Meine Tochter hat in Deutschland studiert und ist jetzt eine europaweite Führungskraft in einem großen deutschen Unternehmen. Sie ist sehr erfolgreich. 

Wenn ich an ihren Erfolg denke, finde ich es manchmal schade, dass Ausländern der Erfolg in Deutschland erschwert wird. Ich würde nie sagen, dass die Deutschen rassistisch sind, aber es gibt Vorurteile. Ich wurde zum Beispiel schon mehrmals von Polizisten dafür verdächtigt, Rauschgift zu verkaufen. Ich hatte noch nie in meinem Leben etwas mit Rauschgift zu tun, ich weiß nicht mal genau, wie Rauschgift aussieht. 

Wenn die Polizei nach Illegalem sucht, kommen sie sofort ins Türkenviertel. An solchen Dingen merke ich die Vorurteile schon. Özil tut mir deshalb auch ein bisschen Leid.” 

Siyami, 49, Frührentner: “Deutsche sind undankbar”

AMELIE GRAEN

“Immer wird nur auf Özil rumgehackt. Er muss für alles büßen. Was ist mit den anderen Spielern in der Nationalmannschaft, die schlecht waren? Warum sagt da keiner was? Ich wäre an Özils Stelle auch ausgetreten. Ich bin seit 40 Jahren in Deutschland und habe trotzdem noch eine andere Mentalität als die Deutschen. Die Deutschen sind undankbar.Wenn Sie jemand 40 Jahre lang tragen würde und alles für sie tun würde und nur einen einzigen Tag von diesen 40 Jahren nicht, dann sagen sie: Was für ein schlechter Mensch!“

Serkan, 40, Hotelfachmann : “Es ist schwer, hier erfolgreich zu werden”

AMELIE GRAEN

“Klar hätte ich alles genauso gemacht wie Özil. Ich fühle mich nicht respektiert und nicht akzeptiert in Deutschland und ich denke, Özil geht es genauso. Egal in welcher Branche du bist, ob du Fußballer bist oder Hotelfachmann, immer wirst du behandelt wie der ausländische Gastarbeiter. 

Und wenn du dann wirklich mal erfolgreich bist, nichts auf all die Vorurteile gegeben hast, dann holen sie dich wieder ein. Es ist für Türken definitiv schwerer in Deutschland, erfolgreich zu werden und zu bleiben, als für Deutsche.” 

Nihat, 48, Geschäftsführer eines türkischen Supermarkts: ”Özil hat alles richtig gemacht”

AMELIE GRAEN

″Özil hat alles richtig gemacht. Die deutschen Medien haben ihn fertig gemacht. Wegen gar nichts, finde ich. Özil ist Türke. Wenn ein Türke den türkischen Präsidenten trifft, dann macht er ein Foto. Das hätte ich auch gemacht. Es ist immerhin der Präsident. 

Ich lebe seit 37 Jahren in Deutschland und fühle mich hier wohl, aber in meinem Herzen bin ich Türke und bleibe Türke. Allen Türken geht es so. Und alle Türken stehen hinter Özil. Wie er behandelt wurde, ist ungerecht. Er hat so viel für Deutschland gegeben. Nur, um dann mitten beim Spiel ausgepfiffen zu werden? Das ist Mobbing.” 

Ozkan, 64, Rentner, ehemals Volkswirt: “Ich habe keine Anerkennung bekommen”

AMELIE GRAEN

“Ich halte zu hundert Prozent zu Özil. Er ist Türke und Blut bleibt Blut. Özil hat das gut gemacht, dass er aus der Nationalmannschaft ausgetreten ist. Ich hätte alles genauso gemacht wie er. Ich bin Rentner, habe fast mein ganzes Leben hier verbracht und fühle mich in der Türkei trotzdem wohler als hier. Deshalb bin ich als Rentner wieder zurück in die Türkei gezogen.

In Deutschland habe ich hart gearbeitet, ich kam mir vor wie ein Roboter. Und für was? Ich habe sogar hier studiert, VWL, und trotzdem hat mir das nicht die hundertprozentige Anerkennung der Deutschen gebracht.”

Murat, 56, Kioskverkäufer: “Deutsche Medien wollen uns etwas vorschreiben” 

AMELIE GRAEN

“Natürlich verstehe ich Özil. Er ist Türke, er hat Temperament, wie alle Türken, und er hatte es satt, sich unterdrücken zu lassen. Dass er unterdrückt wurde, war meiner Meinung nach offensichtlich. Die deutschen Medien können einem Türken nicht vorschreiben, wie er sich zu verhalten hat. Ich bin nicht gegen die Deutschen, schließlich lebe ich seit 30 Jahren hier. Aber ich bin gegen Unterdrückung und ich denke, dass Özil das genauso sieht. Er hat sich bevormundet gefühlt und wollte sich das nicht gefallen lassen.” 

Mustafa, 46, Lagerarbeiter: “Gegen die polnischen Spieler sagt keiner was”

AMELIE GRAEN

“Ich will Özil nicht in Schutz nehmen, aber die politische Berichterstattung über ihn hat stark übertrieben. Wegen eines einzigen Fotos kann man einen Menschen nicht derart fertig machen. Immerhin ist Erdogan der türkische Präsident und kein Terrorist. 

Ich denke, dass Özil Druck von ganz oben bekommen hat und gar nicht anders konnte, als aus der Mannschaft auszutreten. Was ich nie verstanden habe: Gegen die polnischen Spieler sagt niemand etwas, nur gegen die Deutschtürken. Das ist ungerecht. Ich habe noch nie jemanden sagen hören: ‘Klose, dieser Pole...’” 

Sefa, 42, Frührentner: “Türken sind immer noch nicht in Deutschland anerkannt”

AMELIE GRAEN

“Angenommen ein deutscher Fußballspieler in der türkischen Nationalmannschaft würde sich mit Angela Merkel fotografieren lassen: Niemand von uns Türken würde etwas dagegen sagen. Ob man ihn mag, ist eine andere Frage. Aber er ist der Präsident, das verdient Respekt.

Außerdem sollte Sport Sport bleiben und Politik Politik. Wenn Özil sich mit Erdogan fotografieren lassen will, soll er es machen. Ich finde es nicht korrekt, ihn deshalb fertig zu machen. Eigentlich bin ich ganz zufrieden in Deutschland. Aber mich stört, dass wir Türken immer noch nicht zu hundert Prozent in Deutschland anerkannt werden. Özil ist ein Beispiel dafür.” 

Die wichtigsten Fakten zur Debatte: 

► Fußballer Mesut Özil hat seinen Austritt aus der deutschen Nationalmannschaft erklärt.

► In der Stellungnahme heißt es: “Schweren Herzens und nach langer Überlegungszeit habe ich mich aufgrund der jüngsten Ereignisse entschieden, nicht länger auf internationalem Level für Deutschland zu spielen, während ich all diese Gefühle von Rassismus und Respektlosigkeit habe.”

► Özil attackiert auch DFB-Präsident Reinhard Grindel scharf: “Ich werde nicht länger als Sündenbock dienen für seine Inkompetenz und seine Unfähigkeit, seinen Job ordentlich zu erledigen.” Grindel habe ihn nach den Fotos mit dem türkischen Präsidenten aus dem Team werfen wollen, behauptet Özil.

► Auslöser des Wirbels um Özil waren Bilder mit dem türkischen Präsident Recep Tayyip Erdogan bei einer Veranstaltung im Mai in London. Özil hatte sich wochenlang nicht dazu geäußert. 

 

 Dieser Beitrag erschien zuerst am 23.07.2018

"Bachelorette": Liebe Männer, ihr wisst gar nicht, was euch gerade bei RTL entgeht

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“GESUCHT: Echte Männer mit derber Sprache, Hang zu billigen Komplimenten, rückständigem Frauenbild und gesunder Selbstverliebtheit, Minimum elf Tätowierungen, Bizeps > Hirn für Show mit geiler Tusse. Männer, die wie Affen brüllen können, werden bevorzugt behandelt.”

So in etwa muss das Casting-Gesuch für die neue RTL-“Bachelorette”-Staffel ausgesehen haben. Ja genau, der Sendung, in der 20 Männer offiziell um das Herz einer Frau buhlen und inoffiziell RTL-Nackt-Promi werden wollen. 

 

Liebe Männer, wenn ihr euch diese Show noch nie angesehen habt, dann tut es jetzt! Das ist ernst gemeint. Oder lest einfach weiter und boykottiert sie dann für immer.

► Denn was RTL mit Männern macht, wie ihr dort dargestellt werdet, das ist erbärmlich. Und das solltet ihr sehen. Schließlich müsst ihr wissen, woher das ein oder andere Vorurteil kommt.

 

Gut möglich, dass der Sender den Männern vor Drehbeginn ein zweiwöchiges Trainingslager im “Affenpark Apenheul” verpasst hat. Zur Vorbereitung auf die anschließende Fortbildung im “Archäopark” (“Steinzeit hautnah erleben”.)

Anders lässt sich das Verhalten der zwanzig Männer in der Show jedenfalls nicht erklären. Dagegen erscheint die vergangene “Bachelor”-Staffel geradezu wie eine Dokumentation über den Alltag von Hochbegabten. 

Ein Beispiel: Ein Kandidat steigt aus dem Auto, sieht zum ersten Mal die Bachelorette, reißt die Arme in die Luft und brüllt: “Uuuuuuuuaaaaaaaaaaaah!”

Wer das bei einem Tinder-Date macht, wird hoffentlich kurze Zeit später in einer Zwangsjacke abtransportiert. Die Skript-Autoren sollten zumindest mal darüber nachdenken, nicht in JEDER Folge den “Planet der Affen” nachzustellen. 

Sprüche wie von Kay Ones Quotecards 

Die vermeintlichen Romantiker unter den Kandidaten sind allerdings auch nicht besser. 

“Glaubst du an Liebe auf den ersten Blick oder soll ich noch mal aus dem Auto steigen?”, fragt einer und findet sich dabei nicht mal selber lustig. Den Spruch hat er wahrscheinlich von Kay Ones Quotecards auf Facebook geklaut.  

Die 32-jährige Bachelorette beschreiben die von RTL zu Primaten gemachten Männer mit charmanten Worten wie “brutal”, “schön blond, oha” oder “alte Dame”. Wie gesagt, sie ist 32. 

In diesem Alter gelten Frauen offensichtlich schon als alt. Und Kinder sollten sie doch auch haben – folgt man dem rückständigen Frauenbild, das RTL entwirft. “Meine biologische Uhr tickt. Deswegen heißt es für mich: Loslegen”, sagt Bachelorette Nadine leicht spöttisch zu einem der Männer. Es war als Witz gemeint. Er nickt verständnisvoll.

Ihr Frauenbild haben die Kandidaten ja schon in ihren Internet-Steckbriefen zum Besten gegeben. 

Über Male Model Maxim Sachraj heißt es dort zum Beispiel, bei seiner Traumfrau sei ihm “ein wohlgeformter Popo” wichtig. Neben anderen Äußerlichkeiten wie “hübschen Augen und ein schönes Lächeln”. Eine verständliche oder angemessene Kommunikation ist den meisten Kandidaten offensichtlich eher weniger wichtig.

Ein Glück: Kluge Affen können über Gestiken kommunizieren 

In der Sendung geben sie Sätze von sich wie “Die steht aber gut im Strumpf”(Was zur...?) “Die hat tiefe Augen” (Na ja, immer noch besser als tiefliegend) und “Sie trinkt Bier? Hut ab! Respekt!”

Als würden Frauen grundsätzlich nur Holunder-Sekt trinken. Ach nee: “Die meisten Frauen trinken so Prosecco-Scheiß”, wie der Kandidat sagt. Fast vergessen. 

Gut, dass kluge Affen gelernt haben, sich über Gestiken zu verständigen, wie sich die RTL-Autoren gedacht haben dürften. 

“Wie ich sie optisch finde?”, fragt ein Kandidat, formt seine Hand zu einer Faust, küsst sie und macht ein schnipsendes Geräusch. Man kann sich vorstellen, wie ein RTL-Regisseur gerade daneben sitzt und dem Kandidaten etwas vorschnipst.

Ein anderer Teilnehmer haut sich zum Ausdruck seiner Begeisterung einfach mit beiden Händen auf die Wangen und gibt Laute von sich, die wie “Huddababudda” klingen. 

Einfach lächeln und nicken, denkt sich die Bachelorette offensichtlich. Und kann sich den ein oder anderen Spruch dann doch nicht verkneifen. 

“Deinen Spruch fand ich etwas flach.” Oder: “Meinen Witz hat er jetzt glaube ich nicht so verstanden”, klagt sie. 

Dass die arme Nadine unter den zwanzig...echten Männern einen Traummann finden wird, ist also eher fraglich. Ob RTL bewusst ein ganz bestimmtes Männerbild in der Sendung transportieren möchten, dazu hat sich der Sender bisher leider nicht geäußert.

Fraglich ist, warum RTL der Berliner Master-Studentin nicht einen einzigen Normalo gönnt. Einen Mann, der keine Pseudo-Karrierre als Club-Animateur, DJ, Model, Personal-Trainer oder Stripper vorweisen kann und kein rückständiges Frauenbild aus einem vergangenen Jahrhundert transportiert. 

Die Sendung hat aber auch etwas Gutes: Im Anschluss dürfte jeder halbwegs normale Mann mit gewöhnlichen Manieren wie ein Geschenk Gottes wirken. Noch ein Grund mehr für alle Männer, einmal diese Sendung anzuschauen und sie dann für immer zu boykottieren: 

Die selbstverliebten TV-Primaten könnten gut für euer Selbstbewusstsein sein. Uuuuaaaaaaaah. 

Dieser Betrag erschien zuerst am 19.07.2018 


Ulmer Professor will unsterblich werden – so will er es anstellen

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Klaus Sames streichelt über einen winzigen Totenschädel. “Den Vogel hab ich gefunden.” Er deutet auf ein anderes Knochenstück. “Die Gans hab ich gebraten.” Jetzt nimmt er ein dickes Knochenstück in seine Hände. “Das war mal ein Hund oder Wolf.”

Die Augen des 79-jährigen Professors glänzen. Mit den schulterlangen weißen Haaren und der Glatze sieht er ein bisschen aus wie ein entfernter Cousin von Albert Einstein.

In seinen Regalen reihen sich Totenschädel und Knochen aneinander. In einem Bilderrahmen hängen Insektenbeinchen, in einem anderen aufgespießte Schmetterlinge. Auf einem Regal thront ein ausgestopfter Vogel.

Das Arbeitszimmer des Ulmer Professors spiegelt sein größtes Interesse und gleichzeitig seine größte Angst wider: den Tod. Auch, wenn er abstreitet, dass ihm der Tod Angst einjagt. 

“Ich glaube nicht an den Tod“, sagt Sames. Das Wort “Tod“ spricht er spöttisch aus, wie den Namen eines Menschen, den er verachtet. Für Sames ist der Tod nicht das Ende des Lebens, sondern ein Fehlkonstrukt, “ein Pfusch der Natur“.

Seit mehr als 40 Jahren beschäftigt er sich deshalb mit der Frage, wie die Menschheit diesen “Pfusch” umgehen könnte. “Wenn wir nicht mehr sterben müssen, dann wird die Welt von einem Zwang befreit“, sagt er.

Zumindest für sich selbst hat Sames eine Lösung gefunden: Er will sich einfrieren lassen. 200 Jahre, mindestens – mit der Technik der Kryonik. Alle anderen Menschen sollten dasselbe tun, sagt er. 

Tiefgekühlt im Tank für ein ewiges Leben 

Kryonik bezeichnet den Vorgang, wenn Organismen zur Konservierung eingefroren werden. Kryoniker glauben daran, dass der eingefrorene Körper nach dem Tod aufgetaut und wiederbelebt werden kann. Der amerikanische Psychologieprofessor James Bedford war der Erste, der sich mit dieser Technik einfrieren ließ. 1967 war das. Seitdem liegt er tiefgekühlt in einem Tank im “Chronic Institute” in den USA. 

Das größte Unternehmen für Kryonik ist die “Alcor Life Extension Foundation” in Arizona. Mittlerweile lagern dort 158 menschliche Körper, darunter eine chinesische Science-Fiction-Autorin, ein Mädchen aus Thailand und die Baseball-Legende Ted Williams. Auch der deutsche Milliardär und PayPal-Gründer Peter Thiel will sich einfrieren lassen und investiert in die Kryonik-Forschung in den USA. 

In Deutschland ist Kryonik verboten. Neben den USA gibt es auch in Russland ein Unternehmen, “Kriorius”, das Tote in Tiefkühlbehältern aufbewahrt. Wie viele Menschen weltweit schon Geld für den Sarg auf Zeit gezahlt haben, ist unklar. Schätzungen zufolge sind es etwa 3.500. 

3.500 Menschen, die nicht wahrhaben wollen, dass das Leben ein Ende hat und nach einem Weg suchen, damit umzugehen. Sie stehen für die Verzweiflung, die wohl die meisten von uns angesichts des Todes fühlen und versuchen mit allen Mitteln, der Endgültigkeit des Todes zu entgehen. 

60 Kilogramm Eis für den Leichnam – “gibt es an der Tanke”

Auch Sames hat schon alle Vorkehrungen getroffen. Die Uhr an seinem Handgelenk ist keine gewöhnliche Uhr. Es ist ein kleines Überwachungssystem, das zu jeder Zeit seinen Herzschlag misst. Sobald dieser von der Norm abweicht, meldet die Uhr seinen Herzrhythmus, ortet ihn und schickt die Daten an einen Server. Ein Informatiker hat ihm das System programmiert.

Der Server ruft automatisch einen Bestatter in seinem Heimatort, dem bayerischen Senden, an. Der weiß Bescheid, sein Telefon ist 24 Stunden besetzt. Im Notfall fährt er sofort los und besorgt 60 Kilogramm Eis für Sames’ Leiche.

“Das Eis bekommt er an der Tankstelle oder beim Party-Service“, sagt Sames. 

Wie bei Dornröschen, nur eben kopfüber im Stickstoff-Tank

Der Leichnam muss sofort gekühlt werden, damit alles nach Plan verläuft. Der Bestatter wird in Sames’ Körper verschiedene Mittel spritzen, um die Zellen zu schützen. Ein Kardiotechniker soll Sames anschließend das Brustbein aufsägen und Frostschutzmittel in seinen Körper pumpen. 

Der Körper wird auf minus 78 Grad herunter gekühlt. In diesem Moment verwandelt sich die Leiche in eine Art Eisklotz, sie wird, in der Fachsprache, vitrifiziert.

Wenn alles nach Plan läuft, wird der Körper dann nach Detroit, in die USA geflogen. Dort befindet sich das Cryonics Institute. Sames hat dem Institut schon vor 22 Jahren 21.000 Euro dafür gezahlt hat, dass sie ihn eingefroren bei -196 Grad lagern werden. “Ich stelle mir das wie einen angenehmen, traumlosen Schlaf vor“, sagt Sames.

Ähnlich wie in dem Märchen von Dornröschen will er sich nach einem hundertjährigen Schlaf durch ein Wunder wiederbeleben lassen. Nur, dass Sames nicht auf einem Prinzessinnen-Bett in einem Turm schläft, sondern kopfüber in einem Stickstoff-Tank hängt. “Das Gehirn muss am meisten gekühlt werden, das funktioniert kopfüber am besten“, erklärt er.

“Wir können ewig leben. Unsere Zellen sind darauf angelegt, sich wieder und wieder zu erneuern.”

Angst, dass bei dem Plan etwas nicht funktionieren könnte, hat der Professor nicht. ”Ärzte fragen sich doch auch nicht, ob etwas schief gehen könnte, wenn sie einen Patienten wiederbeleben“, argumentiert er. “Sie tun es einfach. Ohne es in Frage zu stellen.”

Der Professor ist überzeugt: “Wir können ewig leben. Unsere Zellen sind darauf angelegt. Sie erneuern sich wieder und wieder, von ganz alleine. Das ist von der Natur so vorgesehen.”

Wissenschaftler sind sich hingegen uneins. Eckhard Nagel, der ärztliche Direktor des Essener Universitätsklinikums, sagte “Zeit Online”, Kryonik sei “reine Science Fiction” und eine Industrie, die aus der Angst vor dem Tod Kapital schlage. Kryoniker selbst sehen die Wahrscheinlichkeit, erfolgreich reanimiert zu werden, bei einem bis fünf Prozent. 

Vorteile eines zeitlich begrenzten Lebens sieht Sames nicht. Menschen, die so denken, sind für ihn “Lebensversager”.

Er könne höchstens verstehen, wenn jemand ein schweres Leben hinter sich bringen wolle. Für ihn aber sei das nichts. Er will ewig leben, am liebsten in einem jüngeren Körper.

“Vielleicht gibt es in 200 Jahren noch viel mehr schöne Frauen als jetzt auf der Welt“, sagt er und grinst. “Frauen, die mit mir als Omas eingefroren werden.“

Sames findet, dass alle Menschen über das Einfrieren nachdenken sollten. Eine Mutter, die ihr an Krebs gestorbenes Kind nicht einfrieren lässt, macht sich in seinen Augen sogar schuldig. Er ist davon überzeugt, dass es möglicherweise schon in einigen Jahren ein Medikament gegen Krebs geben und ein totes Kind wiederbelebt werden könnte.

Der Professor hofft auf Zeitmaschinen

Was ihn am meisten schmerzt, ist, dass er seine Tochter nicht wiedersehen kann, wenn er in etwa 200 Jahren – daran glaubt er fest – auftauen und leben wird. Denn seine Familie will sich nicht einfrieren lassen.

“Aber in 200 Jahren werden wir vielleicht auch schon Zeitmaschinen entwickelt haben, sodass es für mich doch noch eine Möglichkeit geben wird, meine Tochter wiederzusehen“, sagt er hoffnungsvoll.

Er sieht so traurig in diesem Moment aus, dass ihm anzumerken ist: Dieser Mann will vielleicht ewig leben – vor allem aber will er niemals sterben. Der Gedanke, einfach nicht mehr da zu sein, ist ihm unbegreiflich und unvorstellbar. Wie es wahrscheinlich jedem Menschen geht, der versucht, sich das vorzustellen.

“Aber das tun ja die meisten Menschen nicht, das sind Todesverdränger“, sagt Sames wütend.

Der Gedanke, dass vielleicht er selbst der größte Todesverdränger von allen ist, scheint ihm noch nicht gekommen zu sein. Anstatt den Tod als Teil des Lebens zu akzeptieren, denkt er lieber darüber nach, wie sein Leben in 200 Jahren aussehen könnte.

In seiner Vorstellung werden wir Menschen dann vielleicht schon andere Sterne besiedeln, um eine Überbevölkerung zu vermeiden. Sogar eine Bevölkerungspolitik stellt sich Sames vor. Jedes Ehepaar sollte dann seiner Meinung nach nur noch zwei Kinder bekommen dürfen.

“Nie wieder zu sein, das kann ich nicht akzeptieren.”

Den Vorwurf, er sei egoistisch, würde sein ewiges Leben über das von ungeborenen Menschen stellen, wischt er mit einer wegwerfenden Handbewegung fort.

“Was sind denn ungeborene Menschen? Zellhaufen!“ Er klingt gereizt. “Jede Eizelle und jedes Spermium ist ein ungeborener Mensch. Jede meiner Zellen ist ein verhinderter Mensch.“

Er lacht, aber es klingt nicht glücklich. “Das Leben ist im Grunde grausam.“

Und vielleicht ist es das, wodurch der Professor wieder ein bisschen weniger kalt und egoistisch erscheint. Er glaubt fest daran, dass er etwas Gutes tut, dass nicht nur ihm, sondern der ganzen Welt helfen könnte.

“Nie wieder da zu sein, das kann ich nicht akzeptieren.“ Niemand von uns sollte das, findet der Professor. Fast ist es zynisch, dass sich der 79-Jährige die letzten Jahre seines Lebens mit nichts anderem als dem Tod beschäftigt. 

Dass Sames nach seinem Tod jemals wieder auftauen und leben wird, ist derzeit unwahrscheinlich. Doch seine Hoffnung lässt er sich von keinem Kritiker nehmen. 

Die Hoffnung darauf, dass er irgendwann wieder zum Leben erweckt wird und er der Welt beweisen kann: Der Tod ist nicht das Ende, es ist nur “ein Pfusch der Natur”.

Dieser Beitrag erschien zuerst am 19.07.2018

Anabel Schunke ist eine der wichtigsten Figuren der neurechten Szene: Wir waren mit ihr feiern

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“Diesen Leuten überlasse ich ganz sicher nicht mein Land!”, sagt Anabel Schunke in die Kamera.

Die Hände mit den langen, dunkel lackierten Fingernägeln fuchteln in der Luft herum, die knallrot geschminkten Lippen verziehen sich wütend. Selbst die hellblonden Haare schwingen hin und her, als wären sie kampfbereit.  

 

“Diesen inkompetenten Vollidioten von der SPD, von Chebli über Heiko Maas über Martin Schulz und diesen ganzen Widerlingen, denen überlasse ich sicher nicht mein Land. Genauso wenig wie Angela Merkel. 

Kurzes hysterisches Lachen. 

 

“Und ich überlasse mein Land – und das ist das Allerwichtigste für mich – ganz sicher nicht irgendwelchen islamischen Migranten, die die Freiheit eines liberalen Rechtsstaates nicht zu schätzen wissen. Gegen all diese Gefahren kämpfe ich bis zum Letzten.”

► Anabel Schunke ist 29 Jahre alt und gehört derzeit zu den wichtigsten Influencern der neurechten Szene in Deutschland. Auf Facebook hat sie mehr als 56.000 Abonnenten.

► Hinzu kommen mehr als 6.000 Abonnenten auf Youtube, 15.600 Follower auf Twitter und die Leser ihrer Artikel, die sie hauptsächlich für die einflussreichen rechtskonservativen Online-Magazine “Tichy’s Einblick” und “Die Achse des Guten” schreibt. Auch für die HuffPost hat sie noch bis November 2016 Texte als Bloggerin verfasst.

► Ihre Youtube-Videos, und damit auch die Zitate oben, hören und sehen teilweise mehr als hunderttausend Menschen. In rechten Kreisen ist Schunke ein Star. Kein Wunder – denn sie entspricht so gar nicht dem Klischee des deutschen Wutbürgers. 

“Ich bin wie ein Autounfall”, sagt sie zu mir. Also etwas, das es eigentlich nicht geben sollte, wo aber alle automatisch hinsehen. “Ich bin eine junge Frau, die einigermaßen brauchbar aussieht, aber die Themen eines alten weißen Mannes besetzt.”

Aber was treibt eine junge Frau dazu, vor zehntausenden Zuschauern Politiker zu beschimpfen und gegen Flüchtlinge zu hetzen? Vor allem, wenn sie bis vor zwei Jahren eher links tickte und die Bürger im sächsischen Freital anklagte – weil sie Flüchtlinge “schäbig” behandelten. 2014 kandidierte Schunke sogar für die Linke in Goslar.

Warum wechselt ein Mensch so plötzlich die politischen Seiten? Und: Wie viel davon ist echt, wie viel nur eine Show?

All diese Fragen will ich beantworten, als ich an einem Samstagabend bei Freunden von Anabel Schunke auf dem Sofa sitze. In wenigen Stunden werden wir in der niedersächsischen Kleinstadt Goslar feiern gehen.

Es war nicht meine Idee. Ich hatte vorgeschlagen, sie bei einem ihrer Hobbys zu begleiten, sie hat feiern gehen vorgeschlagen.

Jetzt komme ich da nicht mehr raus.

Wir feiern wie Freundinnen 

“Saufeeeen, morgens, mittags, abends, ich will saufeeen”, dröhnt es wenig später aus den Lautsprechern der “Nachtschicht”, einem Club in Goslar. Anabel und ich tanzen nebeneinander. Sie trägt eine Cappie auf ihren blonden Haaren, Hose und Sneakers und lacht. Sie könnte ebenso gut eine Freundin von mir sein.  

Ein etwa 45-jähriger Mann tanzt so ungelenk an einer Stange im schummrigen Disco-Licht, dass ich befürchte, er könnte jede Sekunde auf uns fallen. Wenigstens zieht er sich dabei nicht aus.

Jeder, der Ingo heißt, bekommt heute Abend freien Eintritt in der Nachtschicht. Anscheinend heißen viele Männer in Goslar Ingo, denn der Club ist sehr gut besucht. In einem der Räume sehen die Fenster wie bunte Bleiglas-Kirchenfenster aus, von der Decke baumeln Disco-Kugeln.

“Ich gehe an die Bar, ei, was seh ich da, der Tresen voller Frauen und alle im BH, saufeeen…”

Anabel verzieht das Gesicht. “Das ist eigentlich gar nicht meine Musik hier”, beteuert sie. Am liebsten höre sie Black Music. Sie sei auch noch nie in ihrem Leben betrunken gewesen. Sie hasse es, die Kontrolle zu verlieren.

Das merke ich auch an diesem Abend. Keine Sekunde würde sie sich gehen lassen, beim Tanzen mal nicht lächeln, gar gähnen oder etwas Ungeschicktes tun. Alles ist genau geplant, nichts dem Zufall überlassen.

Immer wieder drückt sie ihren Freunden auf der Tanzfläche ihr Smartphone in die Hand. Sie sollen Videos von ihr beim Tanzen drehen. Ist die Handy-Kamera auf sie gerichtet, tanzt Anabel mit besonders viel Elan einen ihrer Freunde an, strahlt, lacht, wirft die Haare zurück. Erst wenige Minuten vor Abfahrt hat sie die noch einmal nachgelockt.

Es ist wie eine kleine Show-Einlage. Anschließend reißt sie das Smartphone wieder an sich, postet das Video und überprüft im Minutentakt, wer von ihren Followern es sich bereits angesehen hat.

“Selbstvermarktung finde ich blöd”, hat Anabel mir noch vor Abfahrt gesagt. Da sitzen wir gerade in der Küche ihrer Freunde und warten, dass die Tiefkühlpizza fertig wird.

Bei ihren Live-Videos sei ja auch immer viel improvisiert, sagt sie und es klingt wie eine Entschuldigung. So als wüsste sie ganz genau, dass sie oft maßlos übertreibt und fast so, als sei ihr das nun ein kleines bisschen peinlich – dass sie zum Kampf aufruft, zum Beispiel.

Ein Zitat erkennt Anabel Schunke nicht als ihr eigenes 

Ich muss zugeben: Im Gespräch mit mir ist sie angenehmer, als ich gedacht hätte. Sie ist freundlicher als die zynische, hasserfüllte Anabel Schunke, die ihre Facebook-Seite betreibt und netter als die rechtspopulistische Youtube-Anabel.

Ich habe das Gefühl, dass sie beim Pizzaessen in der Wohnung ihrer Freunde gerade lieber über etwas anderes mit mir sprechen würde. Vielleicht über den Nagellack oder den Lippenstift, den wir beide tragen. Hauptsache nicht über so unangenehme hetzerische Dinge, die sie irgendwann mal geschrieben oder gesagt hat.

An manche Sätze kann sie sich nicht einmal erinnern. Als ich ihr ein flüchtlingsfreundliches Zitat aus ihrem Text “Liebe Menschen in Freital” vorlese, erkennt sie es nicht als ihr eigenes. Seltsam finde ich, bei einem Text, auf den sie schon viele Journalisten angesprochen haben.

Sie lasse sich nicht einordnen, sagt sie ein bisschen stolz. Schon als Kind habe sie mit Barbies und Autos gespielt. Heute trägt sie eine Cappie auf den sorgfältig gestylten Haaren. Inszenierung liegt ihr offensichtlich. Auch der Abend kommt mir inszeniert vor, selbst ihre Freunde.

Ihr Freundeskreis an diesem Abend ist fast zu perfekt durchmischt, um an einen Zufall zu glauben: Neben dem netten hetereosexuellen Pärchen, bei dem wir zuhause sind, ist unter anderem auch ein schwules Pärchen, ein tätowierter Burger-Brater und ein junger Mann mit Migrationshintergrund zu Besuch.  

Anabel betont, dass sie ihr ganzes Leben Freunde mit Migrationshintergrund gehabt habe. Sie habe auch muslimische Freunde, die ihre Kritik am Islam – etwa wenn Frauen in der Öffentlichkeit Kopftücher tragen – verstehen und sogar teilen würden.

Tatsächlich gibt es viele Muslima, nicht nur in Deutschland, die beispielsweise das Tragen eines Kopftuches als Unterdrückung betrachten.

“Ich bin nicht der Sachsen-Ronny, der keinen Kontakt zu Ausländern hat”, erklärt sie lachend. 

Ich glaube ihr. Als ich den jungen Mann mit Migrationshintergrund in einem unbeobachteten Moment frage, woher er Anabel kennt, zuckt er mit den Schultern. “Ich kenne sie erst seit heute”, sagt er. Es stellt sich heraus, dass einer von Anabels Freunden ihm gesagt habe, er solle doch auch kommen.

Anabels “Freund” weiß gar nicht, was sie macht 

Ich frage ihn, ob er weiß, was Anabel so im Internet von sich gibt. “Ich weiß nur, dass sie etwas mit Berichten macht”, erwidert er und ich denke: Ist vielleicht auch besser so.  

Vor allem, als er mir erzählt, dass seine Mutter mit 21 Jahren aus Sri Lanka eingewandert sei.

Anabel betont mir gegenüber, für wie schwierig sie die Integration von Ausländern in Deutschland halte. Dabei bezieht sie sich vor allem auf Flüchtlinge aus islamischen Ländern, beruft sich aber auch auf einen Psychiater, der gesagt habe, dass die Sozialisation mit 12, spätestens mit 20 abgeschlossen sei.

Die Mutter ihres Freundes kam zwar nicht aus einem islamischen Land, hatte aber ebenfalls eine völlig andere Kultur. Und: Sie sprach kein Wort Deutsch, als sie mit 21 Jahren nach Deutschland kam. Den Spross ihrer dennoch gelungenen Integration hat Anabel gerade ohne es zu wissen neben sich auf dem Sofa sitzen.

Auf meinem Smartphone scrolle ich mich kurz durch ihre Facebook-Seite. Anabel war mal wieder fleißig am Posten. Alle Schreckensmeldungen des Tages, in die ein Migrant verwickelt war, finden sich wie immer zuverlässig auf ihrer Seite.

► “Ich bin keine, die erzieht. Ich bin niemand, der anderen permanent Links schickt und sagt: Guck dir das mal an, wie schlimm”, behauptet sie in einem Youtube-Video. “Da habe ich gar kein Bedürfnis. Ich dränge das niemandem auf. “

Doch genau das tut sie auf ihrer Facebookseite. Jeden Tag. Fast stündlich. Horrormeldungen, nur hier und da unterbrochen von einem Model-Foto. Es soll ja niemand vergessen, wer da schreibt.  

“Wenn ich mich nur über deine Facebookseite informieren würde, würde ich vielleicht wirklich Angst bekommen”, erzähle ich ihr.

“Ich habe vor ganz anderen Sachen Angst”, erwidert sie und lacht mit bitterem Unterton. 

Seitdem eine Gruppe Männer, hauptsächlich Araber und Schwarzafrikaner, deutsche Frauen mitten auf der Domplatte in Köln begrapschten und teilweise vergewaltigten, habe sie Angst. Und nicht nur sie: Auch Statistiken belegen, dass Frauen sich seit dieser Nacht unsicherer in Deutschland fühlen.

Doch die Frage ist, wie Menschen mit dieser Angst umgehen. Versuchen sie, diese zu verstehen und, auch dadurch, zu bekämpfen – oder instrumentalisieren sie die Angst für ihre Zwecke.

Köln, Silvester, das war Ende 2015, also genau zu der Zeit, als Schunkes Posts und Texte immer rechter wurden.

Sie selbst will von einem plötzlichen Rechtsruck nichts wissen. Sie sei jahrelang Mitglied der Jungen Union gewesen, schon 2010 habe sie mit vielen Thesen von Thilo Sarrazin sympathisiert, sagt sie. Vor allem aber “nach Köln 15” sei sie “Realist” geworden.

Mit dem Pfefferspray auf der Flucht vor Araber-Clans 

Sofort nach den Vorfällen auf der Domplatte machte sie ihren Waffenschein. Sie habe außerdem immer ein Pfefferspray bei sich, das aussehe wie ein Lippenstift, erzählt sie mir. Dadurch würde es bei Taschenkontrollen niemandem auffallen. Sie rüstet sich wortwörtlich für einen Krieg.

In Braunschweig oder Wolfenbüttel sei sie mittlerweile auf der Flucht, sagt sie. Vor Araber-Clans.

“Eine Freundin und ich wollten auf ein Konzert in Wolfenbüttel. Ich habe sie am Bahnhof abgeholt. Direkt kam eine Gruppe Schwarzafrikaner auf sie zu, die sie angemacht haben”, erzählt Anabel.

In der gleichen Zeit habe sie selbst im Auto gesessen und sei von ungefähr fünf Männern, “die arabisch aussahen”, umringt worden.

“Die haben in die Scheibe rein geguckt. Ich war richtig froh, dass mein Auto abgeschlossen war. Meine Freundin kämpfte sich durch, riss die Tür auf, wir sind dann abgebraust”, beendet sie die Geschichte, die sie für einen Beweis für die Grausamkeit von Arabern und Schwarzafrikanern im Allgemeinen zu halten scheint. Sie tut fast so, als sei jeder von ihnen eine Gefahr.

Dass das nicht so ist, betonen Experten und Polizisten seit Jahren. Erst im Februar kam eine ausführliche Untersuchung der Flüchtlingskriminalität in Niedersachsen zu dem Ergebnis, dass Flüchtlingskriminalität vor allem andere Flüchtlinge trifft. 

Langsam frage ich mich, ob es Anabel vielleicht doch ernst ist mit ihren Aussagen und sie ganz einfach an einer verzerrten Wahrnehmung leidet. Aber wie viel davon Show, und wie viel davon echt ist, versuche ich immer noch herauszufinden.

Im Playstation-Spiel ist sie das böse Cowgirl

Sie liebe Crime-Serien, erzählt sie ihren Freunden, als wir vor dem Feiern bei ihr auf dem Sofa Playstation spielen – ein Wissensquiz, in dem die fiktive Anabel ein böse schauendes Cowgirl ist.

Es kommt mir fast so vor, als würde Anabel zu mir sehen, ob ich auch zuhöre, als sie detailreich von ihren Lieblings-Serien erzählt. Offensichtlich gefällt sie sich gerade in der Rolle des kaltblütigen Cowgirls mit Waffenschein, das sich in der Freizeit gerne Crime-Storys ansieht und Ego-Shooter auf der Konsole zockt.

Es ist ein Bild, das sie ganz offensichtlich besetzen will: das hübsche, etwas kaltblütige Model mit der Waffe in der Hand, das den dummen Menschen da draußen mal erklärt, wie die Welt wirklich läuft. 

Das Ehrlichste am ganzen Konzept Anabel Schunke ist vielleicht ihr Facebook-Banner.

Ein unbewusstes Eingeständnis

“I’m not like most girls. Most girls”, steht da. Der Spruch bezieht sich auf junge Frauen, die so gerne sagen, sie seien anders als die anderen – und indem sie das sagen, doch genauso wie alle anderen auch sind.

 Ein unbewusstes Eingeständnis also? 

Denn als ich mit Anabel Schunke Playstation spiele, Pizza esse und feiern gehe, stelle ich vor allem eines fest: Hinter den wilden Parolen auf Youtube und dem zynischen Model auf Facebook, das Horrormeldungen verbreitet, ist sie vor allem eines: eine ziemlich normale junge Frau.

Eine junge Frau, die nicht gewöhnlich, sondern so gerne etwas Besonderes sein möchte. Und die sich Aufmerksamkeit von anderen Menschen wünscht. Wie, seien wir ehrlich, fast jeder Mensch.

“Diesen Leuten überlasse ich ganz sicher nicht mein Land!”

Ich sehe mir erneut Anabel Schunkes Video an. Jeder Satz, jedes Wort aus ihrem Mund klingt falsch. Ob sie wirklich dahinter steht – egal. Ob sie dafür gehasst wird – egal.

Wenig später wird sie wohl selbst vergessen haben, was sie in dem Video gesagt hat. Aber sie wird sich vermutlich die Aufrufe ansehen.

Und sich freuen.

Dieser Beitrag erschien zuerst am 03.04.2018

Eine Karriere-Beraterin sagt Frauen, wann sie Kinder bekommen sollen - die Antwort macht fassungslos

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  • In der “Süddeutschen Zeitung” erklärt eine Autorin, wann die richtige Zeit sei, Kinder zu bekommen
  • Dabei beruft sie sich auf eine Karriere-Beraterin
  • Diese wirkt aber leider eher so, als lebe sie im Geiste noch in den Fünfziger Jahren

Die “Süddeutsche Zeitung” will in einem Artikel herausfinden, wann Frauen am besten Kinder bekommen, ohne damit ihrer Karriere zu schaden. Dazu hat eine “SZ”-Autorin eine Karriere-Beraterin befragt. Die Tipps beider Frauen klingen aber leider eher so, als seien sie gerade aus den Fünfziger Jahren in die Zukunft gereist.

Die Bloggerin “Juramama” hat sich den Artikel auf Facebook vorgenommen und empört sich vor allem über die Autorin der “Süddeutschen Zeitung”.

Denn diese schreibt wörtlich: “Dass Frauen im Bewerbungsgespräch auf die Frage nach der Familienplanung lügen dürfen, schafft auf Seiten der Arbeitgeber kein Vertrauen. Eine kinderlose Frau um die 30 einzustellen, ist aus ihrer Sicht ein Glücksspiel.”

Verwunderlich dabei ist, dass die Autorin selbst eine junge Frau ist. “Liebe Karriereberaterinnen und Journalistinnen. Ihr seid Frauen. Stellt anderen Frauen doch nicht die Beine, über die ihr selbst nicht stolpern wollt”, schreibt die Bloggerin Juramama zurecht.

Zu sagen, es sei ein “Glücksspiel”, eine Frau um die 30 einzustellen, ist außerdem nicht nur frauenfeindlich, sondern auch reichlich übertrieben. Nicht alle Frauen wollen ein Kind, viele von ihnen haben mit 30 vielleicht auch schon längst eines. Streng genommen geht es den Arbeitgeber aber ohnehin nur wenig an.

Rechtlich ist es Unternehmen gar nicht erlaubt, nach einem Kinderwunsch zu fragen. Frauen müssen auf diese Frage nicht antworten.

Beraterin: “Hochschwangere Frauen sollten sich nicht bewerben”

Doch anstatt den Frauen das zu sagen, rät die Karriere-Beraterin nur: “Ist ein Kind nicht gerade unterwegs oder zumindest unmittelbar gewünscht, sollten sich Frauen auch nicht so verhalten, als ob.”

Anstatt sich frühzeitig auf eine Situation mit Baby einzustellen, sollte “der Fokus weiter die Karriere sein”. Frauen sollten sich immer weiter bewerben, aber nicht mehr, wenn sich “der Fötus im Ultraschall räkelt”, schreibt die Autorin. Die Bloggerin “Juramama” sieht das anders.

“Selbstverständlich können und sollten sich Frauen bewerben bis sich ‘der Fötus im Ultraschall räkelt’”, schreibt sie. “Einerseits weiß niemand wie eine Schwangerschaft weitergeht und ob sie hält. Anderseits weiß jede Mutter, dass Pläne sich schnell ändern können und man plötzlich doch sehr viel früher weiterarbeiten möchte und kann, als man vorher dachte.”

Frauen mit einem “Räkel-Fötus” im Bauch sollten deshalb ihrer Meinung nach auf keinen Fall arbeitslos bleiben oder auf einen Karriereschritt verzichten, nur weil sie schwanger sind.

“Die hat doch einen Mann” sollte kein Argument sein

“Schwangere arbeiten ganz normal. Sie haben sogar ein Gehirn mehr! Wie ungemein praktisch! Mütter brauchen nach der Geburt meist auch einen Arbeitsplatz. Wir wollen nie mehr bei ‘die hat doch einen Mann’ ankommen - und auch die Zustimmung unseres Ehegatten brauchen wir für eine Berufstätigkeit nicht”, schreibt die Bloggerin.

Und damit hat sie vollkommen recht.

Den Höhepunkt des Textes aber bildet zweifellos das Fazit der Autorin. Demnach sei ein “strategisch guter Zeitpunkt für die Geburt des ersten Kindes” nicht das Alter der Mutter, sondern dann, “wenn der Vater etwa 40 Jahre alt ist - gemeinsame ökonomische Präferenzen vorausgesetzt.”

Wir Frauen sollen die Geburt eines Kindes also nicht nur mit Fokus auf die eigene Karriere planen, sondern vor allem mit Fokus auf die Karriere unseres Mannes. Bevor er 40 Jahre alt ist, können wir leider keine Kinder bekommen - sorry.

Um es mit den Worten der Bloggerin “Juramama” zu sagen: “Solange Frauen andere Frauen so systemhörig beraten und Journalistinnen noch immer unkritisch solche Wertungen der geltenden Rechtslage in die Tastatur hauen, müssen wir uns auch an die eigene Nase fassen, Mädels”, schreibt sie.

“Worte haben Macht.”

Dieser Beitrag erschien zuerst am 23.10.2017

Deutschlands erster schwuler Imam: "Die Reaktion meiner Mitgläubigen war überraschend"

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Christian Awhan Hermann ist der erste offen schwule Imam Deutschlands, Seelsorger und ehemals “German Mr. Leather”.

Mit 19 Jahren trat er aus der evangelischen Kirche aus, vor einem Jahr konvertierte der heute 47-Jährige zum Islam.

Ein Gespräch über Homosexualität, Religion und die AfD.

HuffPost: Wie soll ich Sie eigentlich ansprechen? Herr Imam oder Mr. Leather?

Christian Awhan Hermann: Wir können uns gerne duzen. Mein Vorname ist Christian. Als zweiten Namen habe ich den Namen Awhan angenommen. Dass ich den Titel “German Mr. Leather“ hatte, ist schon 18 Jahre her.

Wie wird man German Mr. Leather?

Indem man an einer schwulen Lederwahl teilnimmt und die Jury in Lederklamotten überzeugt.

Und wie wird man vom German Mr. Leather zu einem Imam?

Eigentlich ist der Islam zu mir gekommen. Ich bin als LGBT-Aktivist in die Ibn Rushd-Goethe Moschee gegangen, eine Moschee, in die auch Homosexuelle gehen dürfen. Dort habe ich gemerkt, wie schön, wie offen diese Religion sein kann. Mir war klar: Ich werde Muslim.

Konvertiert bin ich erst im vergangenen Jahr. Ich habe eine Ausbildung zum Imam am Institut CALEM in Frankreich gemacht. 

Jetzt bist du der erste offen schwule Imam Deutschlands.

Ja, aber ich will nicht die große Sensation sein. Natürlich bin ich das irgendwie, aber ich fühle mich nicht so und überhaupt nicht politisch.

Wenn ich Leuten etwas mitgeben will, ist das nicht politisch. Ich hab eher Bock über Gott zu sprechen und darüber, wie Menschen miteinander umgehen. Früher war ich Protestant.

Wieso bist du es jetzt nicht mehr?

Mit 19 hatte ich mein Coming-Out als schwuler Mann. Da ist eine Religion, in der genau das als sündhaft gilt, natürlich nicht besonders verlockend.

Außerdem ist mir bewusst geworden, dass ich überhaupt keinen Zugang zu meiner Gemeinde habe und dass es gar keine Jugendangebote für mich gibt. Boah nee, hab ich gedacht. Ich fühl mich nicht abgeholt. 

In vielen islamischen Ländern werden Homosexuelle gehasst und verfolgt. Die meisten interpretieren den Koran so, dass Homosexualität eine Sünde ist. Macht dir das keine Angst?

Ich finde das natürlich bedrohlich. In meiner Arbeit als Seelsorger kommen viele Klienten aus Ägypten zu mir. Ich bekomme am eigenen Leib mit, wie sie bedroht werden.

Homosexuelle werden dort verfolgt, gefoltert, manchmal auch getötet. Es ist angeblich ein Verstoß gegen die guten Sitten. Ich höre solche Geschichten jeden Tag. Und sie machen mich jeden Tag betroffen. Das ist aber auch meine Motivation, etwas zu verändern.

Was magst du so sehr am Islam?

Der Islam ist, wenn man ihn richtig deutet, eine sehr friedliche Religion. Die Schlüsselbegriffe des Korans sind Barmherzigkeit, Liebe und Gerechtigkeit. Die spirituelle Weiterentwicklung des Einzelnen und der Gemeinschaft stehen im Mittelpunkt des Korans. 

Viele Muslime sagen, dass die Homosexualität ihrer Religion widerspricht.

Da wird Religion missbraucht, um Minderheiten zu verfolgen. Die Verfolgung von Minderheiten, egal ob es Schwule sind oder etwa Atheisten, ist nach der Deutung des Korans aber nicht in Ordnung.

Du hättest wahrscheinlich gerne einen moderneren Islam.

Ich hätte gerne einen inklusiven Islam, der alle Menschen miteinander verbindet. Und an dem alle Menschen gleichberechtigt teilhaben können. Auch Frauen und speziell natürlich auch LGBT-Menschen.

Wie reagieren die Menschen, wenn sie hören, dass du ein schwuler Imam
bist?

Interessanterweise reagieren die meisten gar nicht feindselig. Ich scheine da irgendeinen Punkt zu treffen bei den Menschen. Natürlich gibt es auch Leute, die sagen, das sei nicht in Ordnung. Viele sagen mir: ‘Du bekommst bestimmt viele Morddrohungen’, aber ich habe keine einzige bekommen.

Ich glaube, dass es mir gelingt, die Menschen zu berühren. Und wer Menschen berührt, den schätzen sie. Auch als ich konvertiert bin, gab es innerhalb meines Freundeskreises keine Probleme. Denn nur weil ich jetzt eine andere Religion habe, bin ich nicht anders geworden. Ich bin immer derselbe geblieben.

Wie schaffst du es, dass es dir egal ist, was andere von dir denken? Oder
wirkt das nur so?

Mir ist nicht egal, was andere von mir denken. Ich bin hochsensibel. Das heißt unter anderem, dass ich viel Zeit zum Nachdenken brauche, dafür aber auch den Vorteil auf eine gewisse höhere Empathie habe.

Ich kann mich gut in Menschen hineinversetzen, mache mir viele Gedanken über andere, aber eben auch über mich selbst.

Du sollst auch als Dragqueen arbeiten.

Na ja, ich sehe dann eigentlich eher aus wie eine katholische Nonne. Ich bin eine Schwester der Perpetuellen Indulgenz. Das ist eine Art der unreligiösen Seelsorge für LGBT-Leute. Wir laufen in bunter Kleidung durch Clubs und verteilen Kondome, machen aber auch viel Streetwork.

Mir macht das Spaß, ich spreche einfach gerne mit den unterschiedlichsten Menschen und merke, dass es ihnen hilft und auch ich mich dadurch weiterentwickle.

Würdest du dich gerne mal mit jemandem von der AfD unterhalten?

Klar, ich habe sogar schon mal mit einem AfD-Politiker gesprochen. Ein Mitglied des Bundestags aus Nürnberg ist zu Besuch in die Moschee gekommen. Der war so ein bisschen, wie soll ich sagen...gruselig.

Warum gruselig?

Seine Positionen waren eingeübt, er war genauso, wie man es sich
dachte. Ich wusste immer, was er als nächstes sagen würde. Leider hat sein Besuch meine Ansichten über die AfD eher bestätigt, als widerlegt.

Trotzdem würde ich immer wieder mit AfD-Politikern sprechen. Ob die Gespräche bei der AfD etwas bewirken würden, ist eine andere Frage.

Auch mit Pierre Vogel, dem umstrittenen Islam-Prediger würde ich gerne reden. Das hätte sicher einen hohen Unterhaltungswert, weil wir beide charmante Spaßbolzen sind.

Geht es dir als schwuler Imam manchmal auch einfach nur um Provokation?

Nein, ich denke mir immer: Entweder kann ich jetzt jemanden provozieren oder ich kann die Provokation einfach weglassen und mit dem Menschen sprechen. Dadurch respektieren mich auch andere Muslime, die nicht homosexuell sind. Sie unterhalten sich mit mir und denken: ‘Na gut, er liebt vielleicht Männer, aber abgesehen davon ist er eigentlich ein ganz normaler Muslim, genau wie wir.’

Auch wenn ein Muslim meine Homosexualität nicht versteht, sage ich immer: Das ist ok, das ist deine Meinung . Ich habe eine andere Meinung. Aber wir können trotzdem Glaubensgeschwister sein.

Dein Leben scheint immer für eine Überraschung gut zu sein. Oder wirkt
das nur so und du planst in Wahrheit alles akribisch?

Ich glaube, dass Planung das halbe Leben ist. Mein Tag würde ohne einen Plan nicht funktionieren. Das Spannende aber ist, dass es immer wieder Situationen gibt, die ich eben nicht planen kann und die sich einfach so ergeben, anscheinend zufällig. Aber ich bin der Meinung, dass vieles nur zufällig erscheint.

Du glaubst also an einen höheren Plan?

Ja. Ich weiß, es klingt abgefahren und esoterisch, aber ich glaube, dass es für mich einen Plan gibt.

Wenn dieser Plan aufgehen sollte... Was wäre dein größter Traum?

Mein allergrößter Traum wäre es, als offen schwuler Imam nach Mekk auf Pilgerfahrt gehen zu können. Das ist aktuell völlig unmöglich.

Ob es nächstes oder übernächstes Jahr in der Zukunft möglich ist, wer weiß. Wenn es für mich möglich wäre, hieße es, dass es auch für andere offen LGBT- lebende Menschen möglich wäre. Und das wäre wunderschön.

Ein weiterer Traum geht derzeit in kleinen Schritten in Erfüllung: Eine Gemeinde aus hauptsächlich LGBT-Muslimen formiert sich gerade in Berlin.

Und einen anderen Wunsch habe ich auch noch. Ich bin jetzt schon sehr lange Single. Ich hätte gerne eine Beziehung, die in eine Ehe mündet. Mit einer islamischen Hochzeit. Das wäre toll.

Royals: Schwangere Meghan ist engagierter als Kate – ist sie der bessere Royal?

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  • Herzogin Meghan hat im Januar trotz ihrer Schwangerschaft mehr als doppelt so viele öffentliche Auftritte absolviert als Kate.
  • Für manche Briten zeigt Kate zu wenig Engagement oder ist Meghan einfach der bessere Royal? 
  • Im Video oben: Royal-Expertin packt aus – Kate sah Meghan als Konkurrenz – und fühlte sich bedroht.

Wenn es um die königlichen Pflichten geht, kennt Herzogin Meghan keine Pausen.

Laut der britischen Tageszeitung “Express” ist die hochschwangere Herzogin von Sussex im Januar mehr royalen Verpflichtungen nachgegangen als ihre Schwägerin Kate. Tatsächlich war Meghan sogar mehr als doppelt so oft in königlicher Mission unterwegs als die Herzogin von Cambridge.

Während Prinz Harrys Frau elf Termine im Januar wahrnahm, waren es bei Kate nur vier.

Ist Herzogin Meghan der bessere Royal? 

Kate und Meghan werden oft miteinander verglichen und auch in den sozialen Medien merken Nutzer das immer wieder an.

So scheinen einige Twitter-Nutzer offensichtlich darüber enttäuscht zu sein, dass Kate nach acht Jahren als Royal nicht viel erreicht hat – im Vergleich zu ihrer Schwägerin Meghan, die gerade erst vor acht Monaten Teil der königlichen Familie wurde.

Eine merkte an:

“Ich habe schon lange gesagt, dass Kate nicht das Niveau hat, das ich bei ihr nach acht Jahren in der königlichen Familie erwarten würde. (...)”

 

Eine andere ist sich sicher: Sie wird Kate immer als “Duchess do little” (dt.: Herzogin, die wenig macht) bezeichnen.

Royal-Zoff zwischen Meghan und Kate?

Schon seit Monaten wird darüber spekuliert, ob sich die Herzoginnen Meghan und Kate nicht gut verstehen. Anfang des Jahres hat sich Carole Malone, Royal-Expertin und Journalistin, in der Dokumentation “Kate V Meghan: Princesses at war” zu den angeblichen Streitigkeiten zu Wort gemeldet.

Sie ist sich sicher, dass es zwischen den beiden Royals Streitigkeiten gibt. Sie sagte, dass Kate ihre Schwägerin von Beginn an als eine Bedrohung wahrgenommen habe. Der Grund: Kate wurde bewusst, dass sie ihren Platz im Scheinwerferlicht bald verlieren wird. Die britische Zeitung “Express” zitiert Malone:

“Ich denke, dass sich Kate definitiv durch Meghans Anwesenheit und ihre Auftritte bei königlichen Events bedroht fühlte. Stell dir vor: Du bist das junge, wunderschöne Mädchen, das in den letzten zwei, drei, vier Jahren ständig fotografiert wurde. Dann bist du einfach verärgert, wenn plötzlich ein wunderschöner amerikanischer Hollywood-Star auftaucht.”

(nmi)

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