Drei Jahre ist die feindliche Übernahme nun her, vor zwei Jahren begann die daraus resultierende Präsidentschaft. Nun stellen sich führende Politiker der Republikaner eine existentielle Frage: Wie sieht die Zukunft der Partei aus, wenn Donald Trump weg ist?
Im Mai 2016 setzte sich Trump gegen seine republikanischen Mitbewerber im Vorwahlkampf durch, am 20. Januar 2017 wurde er als 45. Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt.
Seine Präsidentschaft zieht Konsequenzen für die USA und die Welt nach sich, die Jahre überdauern könnten. Am dramatischsten aber sind die Veränderungen für die 165 Jahre alte Partei der Republikaner.
Ob Trumps letzter Tag im Amt nun in einem Monat nach einem plötzlichen Rücktritt oder in sechs Jahren nach einer zweiten Amtszeit ist – sein chaotischer, von Fakten befreiter Personenkult hat bisher keinen offensichtlichen Erben.
Zugleich aber könnten seine täglichen Lügen und seine wiederholten Beleidigungen die Partei für die kommenden Wahlen geprägt und vergiftet haben.
Trump jedenfalls stellt die Republikaner vor große Probleme.
Republikaner über Trump: “Er hat unsere Partei entführt”
“Wir befinden uns in einer demographischen Todesspirale”, sagt der republikanische Berater John Weaver, ein Top-Assistent der ehemaligen Gouverneurs von Ohio, John Kasich.
Angenommen wir wären Coca-Cola, Delta oder ein anderes Produkt auf dem Markt, können wir uns dann freuen, wenn unsere Kunden, alt, weiß und engstirnig wären?”
Obwohl Trump bis zum Wahlkampf 2016 wenig mit der Republikanischen Partei zu tun hatte, schlug er ein Dutzend parteiinterner Rivalen.
Er schaffte das mit einer Mischung aus rassistischen Aussagen, die auf eine Kerngruppe der republikanischen Basis abzielten, und seiner Angeberei, er würde mit seinem Know-How aus der Wirtschaftswelt längst vernichtete Industriejobs zurückbringen.
“Er entführte unsere Partei, und Leute folgten ihm”, sagt Weaver, der vorher für den verstorbenen Senator John McCain gearbeitet hatte. “Wir müssen versuchen, das zum Wohle des Landes zu reparieren.”
Das aber ist leichter gesagt, als getan. Zwar können die meisten Exekutivmaßnahmen Trumps vom nächsten Präsidenten genauso einfach rückgängig gemacht werden. Ebenso können einseitig verhängte Zölle einseitig aufgehoben werden. Und ausländische Verbündete, die Trump verunsichert, könnten von seinem Nachfolger beruhigt werden.
Veränderungen in der Partei könnten sich aber als hartnäckiger erweisen.
Wie Trump die Republikaner verändert hat
Trump suchte sich die Vorsitzende der Partei, Ronna Romney McDaniel, selbst aus. Sie ist ihm loyal ergeben.
Als ihr Onkel Mitt Romney kürzlich den US-Präsidenten in einem Gastbeitrag für die “Washington Post” heftig kritisierte, verteidigte McDaniel Trump und nannte den Beitrag “enttäuschend”.
Führende Mitglieder, die sich Trump zunächst widersetzt hatten, haben ihre Ansichten über den US-Präsidenten relativiert – oder sich nicht zur Wiederwahl aufstellen lassen.
Die Führung des Republican National Committee (RNC), das nationale Organisationsgremium der Republikaner, unterstützt nun regelmäßig Trumps Unwahrheiten und seine Hetze gegen Immigranten.
Trumps Erfolge haben eine ganze Gruppe von Nachahmern hervorgebracht, die bei ihrem Wahlkampf ebenfalls gegen Minderheiten hetzen und unverschämt lügen.
Shawn Steel, ein prominentes RNC-Mitglied aus Kalifornien, sagt, dass Trumps Stil im Präsidentschaftswahlkampf richtig gewesen sei. “Er ist anders. Er hat etwas getan, was unsere moderaten, netten Republikaner nicht tun konnten. Er gewann”, betont Steel.
Von Codewörtern zur ungenierten Hetze
Trump war sicherlich nicht der erste republikanische Kandidat, der rassistische und fremdenfeindliche Vorurteile bediente, um ins Weiße Haus zu kommen.
Dieser Preis gebührt Richard Nixon. Er nahm 1968 vor allem weiße Wähler im Süden der USA ins Visier, die wegen des Stimmrechts für Schwarze und des Bürgerrechtsgesetzes von Präsident Lyndon Johnson wütend auf die Demokraten waren.
Nixon nutzte Codewörter. Er sprach von “Recht und Ordnung” und einer “Strategie für den Süden”. Damit gelang es ihm, Stimmen in einer Region zu gewinnen, in der die Menschen meist demokratische Präsidentschaftskandidaten gewählt hatten.
Nixons Sieg war der Beginn eines Prozesses, der den Süden in eine republikanische Hochburg verwandelte und die traditionellen Positionen der Republikaner für immer veränderte. Hatten die Demokraten in der ersten Hälfte des Jahrhunderts noch die Trennung von Weißen und Schwarzen unterstützt und sich die Republikaner für Rechte von früheren Sklaven eingesetzt, wechselten Demokraten im Süden mit Nixon ins republikanische Lager. Aus den Demokraten im Rest des Landes wurde eine weit liberalere Partei.
Republikanische Kandidaten nach Nixon setzten diesen Kurs fort. Die Wähler im Süden, meist weiß, meist auf dem Land wohnend, waren ein wichtiger Teil ihres Wahlkampfes.
Was Trumps Ansatz von dem seiner Vorgänger unterschied, war seine Bereitschaft, die Codewörter fallen zu lassen und stattdessen ungeniert zu hetzen.
Als Trump seine Kandidatur verkündete, nannte er Mexikaner, die über die Grenze in die USA kommen, Vergewaltiger und Drogenschmuggler. Und er behauptete, er würde eine “große, große Mauer” bauen und Mexiko dafür zahlen lassen.
Anschließend beleidigte er einen Bundesrichter mit mexikanischen Wurzeln, griff die muslimischen Eltern eines Armeeoffiziers an, der im Kampfeinsatz gestorben war, und versprach, Muslime daran zu hindern, überhaupt ins Land zu kommen.
“Der Trumpismus zielt fast ausschließlich auf diese Leute ab – auf offenkundig rassistische Drecksäcke,” sagt Rick Wilson, ein republikanischer politischer Berater und unverblümter Trump-Kritiker.
Er glaubt, dass Republikaner, die sich über Rassismus mobilisieren ließen, ungefähr 12 Prozent der Basis in den Vorwahlen bilden würden. “Sie sind eine kleine Fraktion, aber eine laute Fraktion. Der Rest der Partei macht mit. Sie hängen jetzt mit drin.”
Bei der allerersten TV-Debatte im Vorwahlkampf im August 2015 beleidigte Trump seine Rivalen auf der Bühne. RNC-Mitglieder und Gäste im Publikum buhten ihn damals noch laut aus.
Aber die Wähler in der Provinz fraßen Trump aus der Hand. Sogar beim “Red State”-Treffen der christlichen Konservativen in Atlanta war Trump der beliebteste Kandidat.
“Sie sind einfach nur froh, dass jemand endlich sagt, was er will”, sagte damals Erick Erickson, der Moderator der Konferenz. “Donald Trump ist zumindest bereit, die Stiche zu setzen, die sie (die anderen, Anm.) nicht setzen wollen.”
“Das klingt jetzt wie ein Witz”
Als Mitt Romney bei der Wahl 2012 gegen Präsident Barack Obama – ein Duell, das viele Republikaner zuversichtlich stimmte – verlor, mühte sich die Partei, zu verstehen, was falsch gelaufen war.
Viele Republikaner forderten, die Partei solle Wählerdaten besser nutzen oder früher Wahlkämpfer in die entscheidenden Bundesstaaten entsenden. Die beliebteste Empfehlung aber war, dass die Partei besser bei nicht-weißen Wählern, besonders bei Latinos, abschneiden müsste.
“Wenn wir möchten, dass Wähler ethnischer Minderheiten Republikaner unterstützen, müssen wir sie ansprechen und uns aufrichtig zeigen”, hieß es in einem Bericht der Partei. “Wenn Lateinamerikaner denken, dass wir sie nicht hier im Land haben wollen, werden sie ihre Ohren vor unserer Politik verschließen.”
Al Cardenas, ein ehemaliger Vorsitzender der Republikaner in Florida, lacht über diese Empfehlung. “Klingt jetzt wie ein Witz”, sagt er.
Die Ironie des “Autopsie”-Berichts der Republikaner zur Niederlage 2012 blieb auch anderen prominenten Figuren der Partei nicht verborgen.
“Sicherlich ist Donald Trump in die entgegengesetzte Richtung marschiert, die wir empfohlen haben”, sagt Ari Fleischer, ein ehemaliger Top-Berater von Präsident George W. Bush und einer der Autoren des Berichts. “Die Dinge, für die er sich einsetzt, sind absolut schädlich für die Partei… Für jeden guten Punkt, den Trump macht, macht er so viele abfällige, böse Bemerkungen. Er verliert Menschen, wenn er sie eigentlich für uns gewinnen sollte.”
Fleischers Einschätzung für die Präsidentschaftswahlen 2016 teilten viele Republikaner – dass Trump gegen Clinton verlieren würde und der Partei eine lange Zeit des Wiederaufbaus bevorstehe.
Als aber Trump völlig überraschend die Wahl gewann, verstummte die Kritik aus den eigenen Reihen – insbesondere, als er traditionelle Ziele der Partei für seine Präsidentschaft aufstellte, wie Steuerkürzungen, Bürokratieabbau und die Berufung von konservativen Richtern.
Ist Trump gut oder schlecht für die Republikaner?
“Donald, bring uns mehr Richter. Viel mehr Richter”, sagt etwa der Republikaner und Trump-Fan Steel.
Er ist überzeugt, dass die Republikanische Partei die Zukunft gut überstehen wird. “Es wird wahrscheinlich noch 150 Jahre so weitergehen.”
Für “Never Trumpers” wie Cardenas und Weaver hingegen wird die Partei, die sich zu einem Sammelbecken für Trump-Fans gewandelt hat, nicht überleben – zumindest nicht auf längere Sicht.
“Ich denke nicht, dass es für das Überleben der Partei ausreicht, indem sie auf mehr Richter am Obersten Gerichtshof hofft”, sagt Cardenas und fügt hinzu, dass es spätestens bei einer zweiten Amtsperiode von Trump unmöglich werde, die Werte der Partei – wie Freihandel, einer schlanken Regierung und multilateraler Außenpolitik – durchzusetzen.
“Es wird davon abhängen, wie Trumps Ära endet”, betont er. “Wenn die nächsten Jahre schwierig für ihn werden, die Wirtschaft sich abbremst, die Mueller-Untersuchung (zur Russland-Affäre, Anm.) vernichtend wird, seine Nominierung in Frage gestellt wird – dann könnte die Partei ihn loswerden.”
Trump-Kritiker bei den Republikanern hoffen auf einen ernsthaften Gegenkandidaten aus den eigenen Reihen für 2020. Nur drei Präsidenten scheiterten mit ihrer Wiederwahl in den vergangenen drei Dekaden: Gerald Ford, Jimmy Carter und George H.W. Bush. Die Nominierung aller drei wurde innerhalb der Partei heftig angezweifelt.
Wer gegen Trump antreten könnte
Bislang ist Kasich der aussichtsreichste Kandidat dafür, einen eigenen Wahlkampf zu starten. Er besuchte im November New Hampshire und lieferte eine vernichtende Kritik zu Trumps ersten beiden Jahren im Amt. Auch dem früheren Senator Jeff Flake, Senator Ben Sasse und Mitt Romney wird zugetraut, Trump herauszufordern. Ebenso Larry Hogan, dem Gouverneur von Maryland.
Trump sammelt seit seiner Amtseinführung Geld für seine Wiederwahl und wird nicht nur gefüllte Wahlkampfkassen mitbringen, sondern auch den Amtsbonus mitbringen. Ihm steht die Air Force One für Wahlkampfauftritte zur Verfügung, wo er kostenlos Werbung für sich machen kann.
Der Mueller-Bericht könnte zu einem Amtsenthebungsverfahren oder sogar zu einem plötzlichen Rücktritt führen. Aber: Darauf dürften sich potentielle Herausforderer nicht verlassen, betont Cardenas.
Er hofft, dass zumindest ein Kandidat den Kampf gegen Trump auch ohne solche Entwicklungen aufnehmen wird. “Es geht darum, die echte republikanische Erzählung zu liefern. Zum Wohle unserer Partei”, sagt er. “Ob er die Nominierung gewinnt oder nicht – es geht darum, die Werte der Partei zu erhalten und eine Basis für die Zukunft zu schaffen.”
Es gibt sogar die Hoffnung bei den Republikanern, dass Trump seine Wiederwahl verliert, sollte er sich gegen den parteiinternen Herausforderer stellen.
Cardenas aber gibt zu Bedenken: “Um Trump loszuwerden, muss die Partei spürbare politische Schmerzen erleiden – und die hat sie bislang nicht durchmachen müssen.”
Die Zwischenwahlen, bei denen die Republikaner 40 Sitze im Repräsentantenhaus und damit die Kontrolle darüber verloren, waren ein respektabler Anfang dieser “Schmerzen”, sagt Norman Ornstein. Ornstein ist Wissenschaftler des konservativen Thinktanks American Enterprise Institut. Doch das reiche noch nicht, um langfristige Veränderungen herbeizuführen, betont er.
“Es wird drei Wahl-Niederlagen in Serie brauchen”, sagt er – und meint, dass die Demokraten das Weiße Haus und den Senat 2020 zurückerobern und beide Kongress-Kammern 2022 verteidigen müssten, bevor sich die Republikaner zu Reformen bereit erklären würden.
“Es muss die Erkenntnis geben, dass die Gefahr besteht, im Aschenbecher der Geschichte zu landen”, sagt Ornstein. “Ich glaube nicht, dass die Partei in ihrer jetzigen Form überleben kann. Nur dann, wenn sie von einer Problemlösungs-Partei ersetzt wird – und nicht von einer Trump-Partei.”
Für Weaver ist die größte Gefahr, dass lediglich eine Trump-Partei übrig bleibt – eine Generation von Beamten auf allen staatlichen Ebenen, die Trump nachahmen.
“Wie kann man all diesen Rassismus und die Frauenfeindlichkeit, die Homophobie, die er im Land entfesselt hat, aufhalten?”, fragt Weaver. “Die Partei wird dafür einen hohen Preis zahlen, und das sollte sie auch.”
Dieser Artikel erschien zuerst bei der HuffPost US und wurde von Leonhard Landes und Jürgen Klöckner ins Deutsche übersetzt.