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Ich will nicht von Männern belästigt werden – dafür greifen mich nun Frauen an

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Vergangene Woche schrieb ich einen Text, der für mich fast schon therapeutisch war. Ich konnte endlich all die Männer in die Pfanne hauen, die im Jahr 2018 immer noch ungefragt Penis-Bilder verschicken. 

Die Grundbotschaft des Textes war eigentlich simpel: Verschickt einfach nicht ungefragt Bilder eurer Penisse.

Dass sich meine Wunschvorstellung von durchweg positiven und einsichtigen Reaktionen nicht erfüllen würde, war mir bewusst. Auch dass einige gekränkte und aggressive Männer sich melden würden, war keine Überraschung für mich. Schließlich müssen sich viele nun eine neues, weniger illegales Hobby suchen, für dessen Ausübung sie womöglich noch den Keller ihrer Mutter verlassen müssen. 

Negative Kommentare von Frauen

Was mich aber tatsächlich schockierte: einige der Kommentare, die von Frauen geschrieben wurden. 

Eine Dame äußerte sich und meinte, man solle diese Bilder doch als Kompliment sehen. Männer würden sowieso jegliche Zurechnungsfähigkeit verlieren, sobald das Blut in ihre Geschlechtsteile wandert. Gute Nachrichten also für alle Männer: Wer mit einem Ständer eine Bank ausraubt, hat laut dieser Nutzerin nichts zu befürchten. 

Eine weitere Frau attackierte die Mütter der Übeltäter, die offensichtlich Schuld am Fehlverhalten ihrer Söhne hätten. 

Doch von allen Kommentaren blieb mir einer ganz besonders in Erinnerung: 

Mein Artikel begann mit diesen Worten: 

Auf der Erde gibt es zwei Arten von Männern: 

► Die, die als ein funktionierender Teil dieser Gesellschaft Respekt, Empathie und Selbstreflektion an den Tag legen.

► Und dann gibt es Männer, die Dick Pics schicken.

Eine Frau knüpfte an meine Wortwahl an und erklärte: 

Ich will nicht von Männern belästigt werden – dafür greifen mich nun Frauen

Anstatt also die Frauen zu unterstützen, die sich gegen unangebrachtes Verhalten wehren wollen, stellte sie Feministinnen (und somit Frauen, die sich für ihre eigenen Rechte einsetzen) als das eigentliche Problem dar. 

Damit war allerdings noch nicht Schluss: Als sie ein nobler Herr dann darauf aufmerksam machte, dass sie Feministinnen mindestens das Wahlrecht zu verdanken hätte, erwiderte sie nur: 

Ich will nicht von Männern belästigt werden – dafür greifen mich nun Frauen

Frau vs. Frau, woher kommt es?

Es ist schwer nachvollziehbar: Frauen, die sich für die Rechte von Frauen aussprechen, werden von anderen Frauen angefeindet.

Ich habe in meinem ursprünglichen Artikel weder die rollenden Köpfe von 120 wehrfähigen Männern verlangt, noch den gewaltvollen Sturz eines vermeintlichen Patriarchats. Ich wollte tatsächlich einfach nur keine fremden Penisse mehr sehen. 

Doch das ging einigen Damen offenbar schon zu weit. Meine Bestreben, mich für Frauen stark zu machen, stoßen auch nicht zum ersten Mal auf weiblichen Gegenwind. Woher kommt es, dass manche Frauen sich ausgerechnet gegen die Frauen stellen, die sich eigentlich für sie einsetzen wollen?

Starke Frauen sind nicht gerne gesehen

Ein Grund für dieses Verhalten ist sicherlich, dass “starke” Frauen von der Gesellschaft immer noch abgestraft werden, sowohl von Männern, als auch anderen Frauen. Einen Beweis dafür lieferte eine Studie aus den USA, in der Menschen gefragt wurden, welche Charaktereigenschaften sie bei Frauen und Männern als positiv oder negativ einschätzen. Wesenszüge wie “eigenständig”, “unverblümt” und “mächtig/einflussreich” werden bei Männern überwiegend positiv bewertet. Bei Frauen werden diese Merkmale allerdings als negativ eingestuft. 

Eine weitere Studie zeigte, dass Männer, die beim Äußern ihrer Meinung einen gewissen Grad an Aggression und Durchsetzungsfähigkeit an den Tag legen, als einflussreichempfunden werden und ihnen mehr Macht zugesprochen wird. Frauen hingegen erwartet das genaue Gegenteil. 

Ständiger Konkurrenzkampf

Und oft sind es eben die Damen der Schöpfung, die die Stärke von anderen Frauen als störend empfinden. Schuld daran ist mitunter sicher der Konkurrenzkampf, der uns nicht nur seit Geburt an eingeprügelt wurde, sondern sogar evolutionär bedingt ist. 

Da Frauen in früheren Zeiten nicht nur reproduktionsbedingt auf den Samen der Männer angewiesen waren, sondern auch auf deren Schutz, gab es schon immer Streit um das stärkste, potenteste Männchen. Und genetisch scheinen wir diesen Konkurrenzkampf auch immer noch in uns zu tragen. Oder, wie es Emily Gordon in der “New York Times” beschreibt: “Wenn wir unseren Wert von denen abhängig machen, die uns schwängern können, werden wir uns gegeneinander wenden.”

Doch wir tragen es nicht nur biologisch in uns, es wird uns auch von klein auf so beigebracht. Einen großen Einfluss nehmen hier Serien und Filme. Wie eine Studie der Uni Rostock ergab, sind zwei Drittel der Protagonisten im deutschen Fernsehen männlich. Frauen sind sogar so selten im Mittelpunkt, dass es dafür inzwischen einen Ausdruck gibt: Das Schlumpfinen-Phänomen. An die Geschlechterverteilung in einem Schlumpf-Dorf angelehnt, kommt es auch im Fernsehen immer wieder vor, dass auf eine Hand voll männlicher Hauptdarsteller eine Frau kommt (siehe “Avengers”, “Big Bang Theory” oder “Star Wars”).

Und um was geht es vordergründig, wenn viele Frauen auf einmal im Rampenlicht stehen? Richtig. Zickenkrieg. Konkurrenzkampf à la “Germany’s Next Topmodel” oder “Der Bachelor”. 

Für die leichte Frauenfeindlichkeit, die manche Frauen mit sich herumtragen, können sie also partiell gar nichts. 

Bewusste Abgrenzung

Es gibt aber auch die Art Frauen, die sich bewusst dafür entscheiden, weibliche Geschlechtsgenossinnen anzugreifen und sich von der Frauenwelt abzugrenzen. 

Hände hoch, wenn ihr diese Sätze schon einmal von einer Frau gehört habt: 

“Ich habe ja hauptsächlich männliche Freunde. Mit vielen Frauen abzuhängen ist einfach immer viel zu dramatisch.” 

oder:

“Ich bin nicht wie andere Frauen!” 

Diese Frauen verbinden mit Weiblichkeit hauptsächlich Negatives. Doch sie sind da ganz anders. Sie sind lässig, “eine von den Jungs”, trinken Bier und Feminismus brauchen sie sowieso nicht. 

Am Arbeitsplatz sind es meist diese Frauen, die stolz darauf sind, eine Ausnahme zu seinund es in einer männerdominierten Welt ohne Hilfe so weit gebracht zu haben. Sie definieren sich über ihre Sonderstellung. Und andere Frauen empfinden sie dementsprechend als störend. 

Sie prangern bei anderen Frauen an, dass sie ständig lästern, Zickenkriege anzetteln würden oder zu emotional wären. Doch ist der Fingerzeig auf andere und der Konkurrenzkampf, den diese Frauen konstant heraufbeschwören, denn wirklich so viel besser, als die “weiblichen” Eigenschaften, die ihnen doch scheinbar ein Dorn im Auge sind? 

Wir müssen endlich zusammenhalten

All die Verhaltensweisen und Vorurteile, die hier angeführt wurden, kann man natürlich nicht von heute auf morgen verlernen und vergessen. Aber es ist unfassbar wichtig, dass Frauen anfangen, mehr Selbstreflexion an den Tag zu legen, wenn sie dieses toxische Benehmen an sich selber bemerken. 

► Denn: Wir müssen endlich zusammenhalten.

Diese Welt ist alles andere als frei von Diskrimierung. Natürlich sind wir in Deutschland schon weiter als in anderen Ländern. Aber auch hier gibt es noch viel, woran gearbeitet werden muss, und dafür sollten Frauen Seite an Seite kämpfen. Hier nur einige wenige Beispiele: 

Frauen verdienen immer noch weniger als Männer. Sie bezahlen aber gleichzeitig mehr für Produkte, die sich kaum von ihren männlichen Pendants unterscheiden. Tampons werden in Deutschland immer noch als Luxus-Artikel gehandelt, die mit 19 Prozent besteuert werden.

Frauen sehen sich immer noch tagtäglich sexueller Gewalt und Belästigung ausgesetzt.Sie müssen darauf achten, wie sie gekleidet sind, wann sie vor die Tür gehen und mit wem sie sich unterhalten. Kommt es trotzdem zu einem Missbrauchsfall, fragen sich viele zuerst, was die Frau falsch gemacht haben könnte, um eine solche Situation überhaupt zu provozieren. 

Gemeinsam gegen Diskriminierung

Manche Berufe, wie zum Beispiel Taxifahren, können sie nicht ausüben, da sie Angriffe fürchten müssen. Manche Berufe dürfen sie nicht ausüben, weil sie erst gar nicht in Betracht gezogen werden, wie Geschäftsführerposten.

Frauen werden immer noch für sexuelle Freizügigkeit und Selbstbewusstsein an den Pranger gestellt. Für Männer gelten diese Moralvorstellungen natürlich nicht. Und auch Verhütung ist seit jeher Frauensache. Die Entwicklung einer Pille für den Mann ist sogar eingestellt worden, da die Studienteilnehmer über Nebenwirkungen klagten. Willkommen in unserer Welt. 

Die Diskriminierungsliste ist lang. Sie soll jetzt aber definitiv nicht dazu auffordern, alle Männer zu teeren und zu federn und unsere BHs vor dem Bundestag in Brand zu setzen.Sie soll auch nicht Anlass dazu sein, bei jeder kleinen Unannehmlichkeit der Diskriminierung gegen Frauen die Schuld zu geben oder komplett in Selbstmitleid zu versinken. 

Aber sie soll zumindest als Motivation gesehen werden, warum Frauen unbedingt aufhören müssen, sich gegenseitig anzufeinden. Wir sitzen alle im selben Boot und wünschen uns Besserung in vielen Lebensbereichen.

Wie sollen wir unsere Botschaften also sprichwörtlich an den Mann bringen, wenn wir in unseren eigenen Lagern noch Krieg führen? 


An alle Männer, die mir Penis-Fotos schicken

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Penis-Bilder – international auch bekannt als “Dick Pics” – haben seit dem Aufkommen sozialer Netzwerke traurige Berühmtheit erlangt. 

Für alle, die noch nie mit dem Phänomen konfrontiert wurden, hier eine kleine Aufklärung.

Auf der Erde gibt es zwei Arten von Männern: 

► Die, die als ein funktionierender Teil dieser Gesellschaft Respekt, Empathie und Selbstreflektion an den Tag legen.

► Und dann gibt es Männer, die Dick Pics schicken.

Diese Männer halten es tatsächlich für angebracht, Frauen ein Foto oder ein Video ihrer Genitalien zuzusenden. Meist geschieht diese fragwürdige Kontaktaufnahme über soziale Netzwerke wie Facebook, Instagram oder Snapchat. Ohne, dass die Frau dies verlangt hätte. Teilweise sogar ohne die Frau zu kennen, geschweige denn schon einmal mit ihr in Kontakt getreten zu sein. 

Penis-Bilder als einziger Beitrag zur Gesellschaft

Es klingt wie ein schlechter Witz. Millionen von Jahren an Evolution und das Endprodukt sind eine Horde testosterongesteuerter Flachschädel, deren einziger Beitrag zum Vorankommen der Menschheit Bilder ihres Gemächts sind. 

Doch leider ist es kein Scherz. Auch ich erinnere mich noch an mein erstes unerwünschtes Dick Pic. Ich öffnete eine Snapchat-Nachricht eines mir unbekannten Absenders.

Was ich dann sehen musste, verdirbt mir teilweise heute noch meinen Appetit und hat meine Libido nachhaltig geschädigt: Ein Video, in dem ein Mann seinen unfassbar unbeeindruckenden Penis streichelt.

Ich bin keine Expertin, aber weder die Größe, noch die Farbe seines Gemächts machten auf mich einen vertretbaren Eindruck. Sein Penis sah ein wenig aus wie ein Türknopf im Haus der Addams Family. 

Oh, war das zu viel Information? Wollt ihr euch das nicht vorstellen müssen? Tja, überlegt mal, wie zur Hölle es war, ein Video davon zu sehen.

In meiner jugendlichen Naivität und auch, weil ich damals noch Hoffnung in die Menschheit hatte, dachte ich, es würde bei dieser einen unangenehmen Erfahrung bleiben.

Doch ich habe inzwischen weit mehr Penisse geschickt bekommen, als ich im richtigen Leben gesehen habe und wahrscheinlich sehen werde. 

Deinen Penis zu verschicken ist nicht okay

Ich werde den folgenden Satz in diesem Artikel genau einmal sagen. Ich werde zwar einen wunderschönen Sonnenuntergang einfügen, über den sich genau dieser Satz malerisch legt, aber schreiben werde ich ihn nur einmal:

Wenn eine Frau deinen Penis sehen will, wird sie dir das sagen. 

Ansonsten: Egal wie groß, klein, haarig, schwarz, weiß, blau, beschnitten oder nicht dein Penis ist, ihn ungefragt zu verschicken, ist nicht okay. 

“Aber was ist, wenn..” – Nein.

“Aber sie hat doch auch..” – Nein. 

“Aber so, wie sie sich präsentiert...” - Hallo? Hört ihr zu?! NEIN!!

Wenn eine Frau nicht danach fragt, hat dein bestes Stück in ihrem Posteingang nichts verloren. 

Jede zweite Frau bekommt Penis-Fotos geschickt

Das britische Meinungsforschungsinstitut YouGov wollte dem Phänomen auf den Grund gehen und kam zu folgendem Ergebnis: 53 Prozent aller Frauen zwischen 18 und 34 Jahren haben mindestens einmal ein Penis-Foto geschickt bekommen. 

Als junge Männer anschließend befragt wurden, ob sie ihren Penis schon einmal verschickt haben, ergab sich folgendes Bild: 27 Prozent gaben zu, einer Frau ein solches Bild geschickt zu haben. 50 Prozent verneinten und 20 Prozent wollten lieber keine Aussage dazu machen.

Ich lehne mich jetzt einfach mal ganz weit aus dem Fenster und behaupte, dass Menschen, die sich zu ihrer Dick-Pic-Vergangenheit lieber nicht äußern, keine unbeschriebenen Blätter sind. 

Übrigens kreuzten drei Prozent der Männer auch “Ich weiß es nicht” an. Ich bin mir nicht sicher, was es bei diesem Sachverhalt nicht zu wissen gibt, allerdings will ich diesen drei Prozent lieber nicht im Dunkeln begegnen. 

Wieso kommt es zu Dick Pics?!

Die Frage bleibt jedoch: Wenn jede soziale Konvention und der gesunde Menschenverstand eigentlich dagegen sprechen, warum kommt es denn nun überhaupt zu unerwünschten Dick Pics?

Gerne würde ich an dieser Stelle diesen offensichtlich fehlgeleiteten Individuen bösartige Intentionen unterstellen: Machtfantasien und ein Bedürfnis, Frauen zu degradieren. Doch wie verschiedene Psychologen inzwischen herausgefunden haben, ist der eigentliche Grund viel, viel dümmer. 

Der Hauptgrund, warum Männer diese Fotos und Videos verschicken, ist, dass sie denken, Frauen würden sich über den Anblick freuen.

 Wie zum Beispiel der Psychologe Justin Lehmiller in seinem Blog beschreibt, sind manche Männer schlicht und einfach unfassbar inkompetent, wenn es darum geht, einzuschätzen, ob eine Frau mit ihnen schlafen will.

Es ist evolutionär bedingt, dass Männer in jeder Situation die Bereitschaft zum Sex ihres weiblichen Gegenübers maßlos überschätzen, um keine Fortpflanzungsmöglichkeit zu verpassen. Ein Lachen oder eine unschuldige Berührung reichen aus, damit sich der Mann sicher ist: SIE WILL MEINEN PENIS SEHEN, EINDEUTIG. 

Ja, es ist strafbar

Falls ihr geistigen Luftverschmutzer jetzt denkt, ihr könntet weiter in dieser Traumwelt leben, in der Frauen beim Anblick eures schlecht ausgeleuchteten Penis-Fotos anfangen zu sabbern, muss ich euch enttäuschen. 

Den Penis eines fremden Mannes zu sehen, löst in den meisten Frauen einfach Unbehagen, Ekel und wahrscheinlich Mitleid für den Sender aus. Es ist  respektlos, abstoßend und in meinen Augen vergleichbar mit Blitzern und Exhibitionisten im echten Leben. 

Und auch Mutter Natur und der Evolution die Schuld für euer ekelhaftes Fehlverhalten zu geben, wird euch nicht weit bringen. 

Nicht jede Frau hat nach dem Erhalt eines solchen Bildes sofort lebenslang Therapiebedarf. Aber es handelt sich schlicht und ergreifend um sexuelle Belästigung. Und die ist strafbar. 

§ 184 StGb: Wer pornographische Schriften […] an einen anderen gelangen läßt, ohne von diesem hierzu aufgefordert zu sein, […] wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

Wie Alexandra Braun, Fachanwältin für Strafrecht in Hamburg aber gegenüber “ze.tt” erklärte, fallen die Strafen im Normalfall nicht besonders hoch aus. Und wenn ich mich in meinem Freundeskreis so umhöre, würde sich auch nie jemand die Mühe machen, wegen eines Penis-Bilds vor Gericht zu ziehen. 

Was kann man also gegen Penis-Bilder tun? 

Ich werde nun beschreiben, welche Lösung ich für dieses Problem gefunden habe. Was noch lange nicht bedeutet, dass ich es allen Frauen empfehle, die sich diesem Problem ausgesetzt sehen. Denn es erfordert Mut und ist alles andere als deeskalierend.

Ich habe angefangen, nach Möglichkeit persönliche Details der Absender herauszusuchen, und ihre Arbeitgeber oder Familienmitglieder zu kontaktieren. Ja, richtig gelesen: Ich finde ihre Mütter und Arbeitgeber und verpetze sie. 

Ich habe außerdem das Privileg, auf Instagram eine kleine Plattform zu haben, die ich mir in solchen Momenten auch einfach zu Nutzen mache. Wenn ich ein Penis-Bild erhalte, poste ich es verpixelt, jedoch mit Namen des Absenders, in meine Story. Ja, das ist Selbstjustiz. Ja, das ist öffentliches Anprangern. Aber es hilft. 

Denn wenn man diese Männer einzeln mit ihrem Verhalten konfrontiert, verstehen sie nicht, warum es ein Problem ist. Sie erklären, dass man sich doch nicht so aufregen solle. Oder dass sie dachten, man stehe auf so etwas.

Wenn dann aber einige mehr Augen auf sie gerichtet sind und das Thema beim nächsten Meeting oder dem Familienessen aufkommen könnte, sind sie plötzlich einsichtig. Weil Oma zu erklären, warum man seinen Schwanz im Internet verteilt wie Konfetti, scheint den Kick dann doch nicht wert zu sein.

Die Scheiße muss aufhören 

Ich werde mir eine groß ausgeholte, philosophisch wertvolle Zusammenfassung jetzt einfach mal sparen. Lasst die Scheiße einfach bleiben.

Hättet ihr vor 50 Jahren ein Foto von eurem Penis entwickeln lassen und es eurer Angebeteten in den Briefkasten geworfen? Ich denke nicht. 

In der Zeit, in der ihr versucht, den richtigen Winkel für euer mäßig-attraktives Geschlechtsorgan zu finden, könntet ihr einen Kuchen backen, eure Mutter anrufen, euch ehrenamtlich engagieren oder ein Gegenmittel für eine Krankheit entwickeln.

Aber nein. Ihr armseligen Vollidioten sitzt lieber daheim herum und belästigt Frauen, die euch nicht einmal mit nuklearsicheren Handschuhen anfassen würden. 

Und ja, ich weiß, ihr seht euer bestes Stück an und seht ein Kunstwerk, das eigentlich die Besucherzahlen im Louvre in die Höhe treiben sollte. Doch lasst es euch von einer Frau sagen, deren Posteingang einer Herrensauna gleicht: Niemand, absolut niemand, will das sehen. 

Die dunkle Seite des Internets: Was wir vom Darknet lernen können

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Waffen, Drogen, Kinderpornos: Ein CDU-Politiker will das Darknet verbieten. Doch ist es wirklich nur ein Marktplatz für Kriminelle – oder unser letzter digitaler Freiraum? 

von Dirk Walbrühl

Wer das Darknet nutzt, führt in der Regel nichts Gutes im Schilde. Diese einfache Erkenntnis sollte sich auch in unserer Rechtsordnung widerspiegeln.Günter Krings, CDU-Staatssekretär im Bundesinnenministerium

Mit diesen zwei Sätzen war Günter Krings der Applaus auf dem 22. Polizeikongress in Berlin sicher. Denn der CDU-Staatssekretär will nichts weniger als den sogenannten Tor-Browser verbieten, die elektronische Eintrittskarte ins ominöse Darknet.

Dort hat David S. die Pistole gekauft, mit der er 2016 in München Amok lief. Und auch Andreas V. verabredete sich wahrscheinlich übers Darknet zu den Missbrauchs-Taten in Lügde. Auch die Passwörter der Prominenten und Politiker, die ein hessischer Schüler Anfang 2019 öffentlich machte, stammen wohl aus dem Darknet.

“Darknet” – schon der Name klingt düster und böse, nach illegalen Aktivitäten und Hackern mit Kapuzenpullis. Aber handelt es sich dabei wirklich um die “dunkle Seite des Internets” und ein Paradies von Kriminellen für Kriminelle, das verboten gehört?

So einfach ist es nicht.

Das Darknet ist etwas Anderes. Und wenn wir es besser verstehen, können wir sogar etwas von ihm lernen – und zwar etwas, was manchen Politikern gar nicht in den Kram passt.

Was das Darknet wirklich ist

Wer ins Darknet möchte, der kann Chrome, Firefox und den Internet Explorer gleich vergessen. Denn mit dem “normalen” Internet, das wir tagtäglich nutzen, hat das Darknet nur wenig zu tun.

Um es besser zu verstehen, müssen wir uns zunächst von der Vorstellung verabschieden, dass es “das eine, normale” Internet gibt. So sieht es wirklich aus:

► Das VisibleNet – auch ClearNet genannt – ist das, was wohl die meisten meinen, wenn sie “Internet” sagen. Es umfasst alle normalen Internetseiten wie etwa Wikipedia oder Perspective Daily. Sie sind von jedem Browser aufrufbar und werden von Suchmaschinen wie Google gefunden und indexiert.

► Das DeepWeb meint alle Datenströme und Seiten, die nicht von Suchmaschinen gefunden werden können, weil sie etwa hinter Passwörtern verborgen sind. Was in WhatsApp geschrieben wird gehört dazu, ebenso Online-Banking-Seiten und alle Filme, die auf Netflix laufen. Es sind nicht frei einsehbare Daten, die über das Internet ausgetauscht werden. Einige Teile des DeepWebs bilden einen Bereich, der ganz abgesperrt ist für jeden, der nicht eine spezielle Software nutzt: das Darknet…

► Das Darknet ist ein Anonymisierungs-Netzwerk. Auf dem Weg zu einer Website nutzen Daten einen zufälligen und verschlüsselten Umweg über mehrere Server, um größtmögliche Anonymität herzustellen. Dazu brauchen Nutzer einen speziellen Browser; der bekannteste ist Tor (The Onion Router).

Über das Darknet lassen sich ganz normale Websites wie Wikipedia.org anonym ansteuern. Aber im Tor-Netzwerk gibt es auch verborgene Websites, die nur Menschen zugänglich sind, die ihre genaue Adresse kennen – quasi wie ein geheimer Treffpunkt, den nur Eingeweihte kennen. Sie haben kryptische Namen wie Wikilink77h7lrbi.onion und garantieren ihren Nutzern maximale Sicherheit und Anonymität. Klar, dass diese verborgenen Treffpunkte besonders für Nutzer attraktiv sind, die ihre Daten wirklich geheim halten wollen.

Was nämlich viele nicht wissen: Behörden können private Daten von Websites und Onlinediensten anfragen – etwa Adressen, Nachrichten, Fotos, Kaufdokumente oder Chat-Protokolle. Und die Unternehmen spielen normalerweise auch mit, wenn die Anfrage einer Ermittlung dient. Bei Google etwa wurden im 1. Halbjahr 2018 die Daten von rund 127.000 Nutzern angefragt, die zum Großteil herausgegeben wurden.

Mehr zum Thema:Hass im Internet ist kinderleicht

Ob Unternehmen dafür einen richterlichen Beschluss sehen wollen oder so einfach Daten herausgeben, sobald die Anfrage von offizieller Stelle kommt, ist je nach Unternehmen unterschiedlich. Nur einer hat dabei normalerweise kein Mitspracherecht – der Nutzer selbst.

Bei Kriminellen könnte man sagen: Nun gut, die haben es ja auch verdient. Tatsächlich nutzen viele Kriminelle genau deshalb die schwer überwachbaren Pfade des Darknets, um so Ermittlungen zu erschweren und ihre Spuren zu verwischen. Und genau hier kommt CDU-Staatssekretär Günter Krings wieder ins Spiel: Denn wer sollte schon das Darknet nutzen wollen, wenn er nicht etwas Böses im Schilde führt…?

Wie gefährlich ist das Surfen im Darknet?

Das Surfen mit dem Tor-Browser ist rechtlich erlaubt. Sogar das “zufällige” Anschauen von verborgenen Websites ist nicht strafbar. Doch hinter Links verbergen sich hier häufiger als im normalen Netz Schadsoftware oder betrügerische Absichten.

Wen das Darknet schützt

Der Tor-Browser wurde nicht etwa von Verbrechern programmiert, sondern mit seriösen Absichten. Die ersten Zeilen des Anonymisierungs-Netzwerks schrieb der Informatiker Matej Pfajfar im Jahr 2002, damals noch Student an der Universität von Cambridge. Die Idee dahinter: Nutzern weltweit einen unzensierten und anonymen Zugang zum Internet zu ermöglichen – vor allem in autokratischen Ländern. Ganz im Sinne der UN-Menschenrechtscharta.  

Jeder Mensch hat das Recht auf freie Meinungsäußerung; dieses Recht umfasst die Freiheit, Meinungen unangefochten anzuhängen und Informationen und Ideen mit allen Verständigungsmitteln ohne Rücksicht auf Grenzen zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.UN-Menschenrechtscharta, Artikel 19

Kein Wunder, dass die Entwicklung von Tor in den USA und Europa erst mal positiv aufgenommen wurde. So förderten zahlreiche NGOs das Projekt, etwa die Electronic Frontier Foundation (EFF), dazu das Naval Research Laboratory des US-Militärs, das für Menschenrechtsfragen zuständige Büro des US-Außenministeriums – und sogar das deutsche Auswärtige Amt.

Das klingt nicht gerade nach üblen Hackern und Kriminellen. Deren illegale Websites machen tatsächlich nur einen Bruchteil des gesamten Datenverkehrs im Tor-Netzwerk aus. 95 Prozent des täglichen Datenverkehrs der rund zwei Millionen Nutzer führt auf ganz normale Websites. Dazu haben zahlreiche Unternehmen mittlerweile Tor-spezifische Portale eingeführt: etwa Facebook oder die “New York Times”.

Mehr zum Thema:Sie kämpfen dafür, dass du weiterhin hochladen darfst, was du willst

Tatsächlich finanziert sich das Tor-Projekt bis heute zu 60 Prozent aus Zuwendungen der US-Regierung und zu 40 Prozent aus privaten Spenden. Auch wenn diese einseitige Finanzierung Fragen aufwirft: Die Software ist da und für alle nutzbar – und wird sogar von einem der namhaftesten Kritiker der US-Regierung empfohlen: Edward Snowden.

Ich glaube, Tor ist die wichtigste die Privatsphäre stärkende Technologie, die heutzutage genutzt wird. Ich selbst nutze Tor die ganze Zeit.US-Whistleblower Edward Snowden im Interview mit The Intercept

Natürlich weiß auch Snowden, dass ein Teil der verborgenen Tor-Websites illegale Inhalte bereitstellt. Doch gerade für Whistleblower und politisch Verfolgte ist die Anonymisierung überlebenswichtig. Snowden selbst versendete seine NSA-Enthüllungen über ein Tor-Netzwerk an anonyme Postfächer von Journalisten. Auch die Revolutionsbewegung in Ägypten nutzte das Tor-Netzwerk, um frei kommunizieren zu können.

Trotzdem ist auch die Annahme falsch, dass das Tor-Netzwerk die Identität absolut schützt. Denn hinter jedem noch so flüchtigen, noch so verschlüsselten Angebot stehen Personen, die Fehler machen können. Und die sorgen dafür, dass Ermittlungen auch im Darknet funktionieren. So gelangen FBI und Interpol immer wieder Festnahmen von Kinderporno-Ringen. Auch der Nutzer “Luckyspax”, der die Münchener Amokwaffe im Darknet verkaufte, wurde mittlerweile im Darknet enttarnt und vor Gericht angeklagt.

Ist das Darknet ein rechtsfreier Raum?

Nein, so etwas wie rechtsfreie Räume gibt es nicht. Bei Verbrechen, die mithilfe des Darknets begangen werden, greifen bestehende Gesetze – etwa das Drogenstrafrecht oder das Strafgesetzbuch zu Datenhehlerei.

Nein, das Darknet ist sicher kein idyllischer Ort. Aber es ist besser als sein Ruf: Es dient weit mehr als nur illegalen Aktivitäten. In ihm finden erfolgreiche Ermittlungen gegen Kriminelle statt. Und seine Anonymität schützt Whistleblower und Dissidenten.

Warum wollen manche Politiker es dann trotzdem verbieten?

Die Antwort ist so einfach wie besorgniserregend: Es geht um Privatsphäre und Freiheit. 

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Das Darknet ist ein anonymes Internet – wollen wir das?

Zurück zu CDU-Staatssekretär Günter Krings: Sein Eingangssatz “Wer das Darknet nutzt, führt in der Regel nichts Gutes im Schilde” stellt alle Nutzer des Tor-Netzwerks unter Generalverdacht.

Zugespitzt verbirgt sich dahinter die altbekannte Formel: Wer nichts zu verbergen hat, der braucht auch nichts zu befürchten. Und wer nichts zu befürchten hat, der braucht auch keine Anonymität, ob im Netz oder auf der Straße.

Mehr zum Thema: Diese Menschen existieren nicht

Unter dem Deckmantel dieser Formel und mit Verweis auf den “Kampf gegen den Terror” wird seit Jahren in Deutschland der Ausbau der Überwachung des Bürgers vorangetrieben: Vorratsdatenspeicherung, Fluggastdatengesetz und Videoüberwachungsverbesserungsgesetz sind dabei nur drei der letzten Zungenbrecher. Wer dem Bürger generell misstraut, der wird auch ein Netzwerk zur anonymen Kommunikation einzig als ein Hindernis für die Strafverfolgung werten. Aus dieser Perspektive liegt ein Verbot natürlich nahe.

Aus einer anderen Perspektive heraus muss aber auch klar sein: 

Wenn jeder Kriminelle etwas zu verbergen hat, heißt das nicht, dass jeder, der etwas zu verbergen hat, ein Krimineller ist.Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), ehemalige Bundesministerin der Justiz

Jeder Bürger hat ein Recht darauf, Geheimnisse zu haben. Und diese haben nicht zwangsläufig etwas mit Kriminalität zu tun. Das Tor-Netzwerk ist eben auch ein Mittel, unser Recht auf legale Privatsphäre durchzusetzen – in einer Zeit, in der diese von Regierungen und Unternehmen mit moderner Technik immer mehr durchleuchtet wird.

Wie könnte ein Darknet-Verbot aussehen?

Eine Variante wäre, Verschlüsselungs-Software generell zu verbieten – mit allen nur schwer absehbaren Konsequenzen für Whistleblower, Journalisten und unsere Demokratie. Eine Alternative wäre ein Verbot, illegale Plattformen im Darknet zu betreiben – eine Idee der schwarz-gelben Landesregierung in Nordrhein-Westfalen, die aktuell in den Bundesrat eingebracht wird.

Wie weit das gehen kann, hat Edward Snowden durch seine Enthüllungen über die NSA eindrücklich belegt – doch andere Geheimdienste werden kaum weniger neugierig sein. Und jeder neue Datenskandal zeigt, wie unsicher gesammelte Datenberge bei großen Unternehmen sind. Da verwundert es kaum, dass manche Nutzer zu “digitaler Selbstverteidigung” greifen, auch wenn sie damit dieselben Kanäle nutzen wie Kriminelle.

Mehr zum Thema:Diese neue Betrugsmasche im Netz musst du kennen

Wer aber hat recht, Günter Krings oder Edward Snowden?

Diese beiden unterschiedlichen Perspektiven lassen sich nicht einfach auflösen. Das Darknet ist damit nur ein weiterer Schauplatz, an dem sich unsere Gesellschaft letztlich zwischen Freiheit und Sicherheit entscheiden muss. Nachdem du jetzt weißt, worüber wir wirklich reden: Wie entscheidest du dich? 

Im Rahmen dieses Artikels hat Perspective Daily sich dazu entschlossen, sich eine eigene Darknet-Adresse zu geben. Du findest sie unter: http://pdailyqfkbmkcncn.onion

Dieser Artikel ist zuerst bei Perspective Daily erschienen.

Zweites Referendum oder Brexit-Aus: Diese Alternativen stehen im Unterhaus zur Auswahl

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Theresa May im Unterhaus. 

An diesem Mittwoch übernimmt das britische Unterhaus die Kontrolle über den Brexit. Die Abgeordneten stimmen über Alternativen zu dem Austrittsvertrag ab, den Premierministerin Theresa May mit der EU ausgehandelt hatte – und der bereits zweimal im Unterhaus abgelehnt wurde. 

Nach einer erfolgreichen parlamentarischen Revolte unter der Führung des Tory-Granden Oliver Letwin halten die Abgeordneten eine Reihe von sogenannten richtungsweisenden Abstimmungen ab.

Verschiedene Brexit-Optionen werden zur Auswahl stehen. Der Mittwoch wird zeigen, welche Alternative eine Mehrheit im Unterhaus hat. 

Am Dienstagabend herrschte Betriebsamkeit bei den Hinterbänklern der Parteien. Sie beeilten sich, um ihre Anträge einzubringen und den Brexit in die gewünschte Richtung zu bringen. 

Die Regierung hat ihren Deal nicht als Option vorgeschlagen. Es ist auch noch nicht klar, ob die Tory-Abgeordneten frei abstimmen können oder ob Fraktionszwang herrscht. Laut Berichten drohten May Rücktritte von Ministern, sollte es keine freie Abstimmung geben. 

Unterhaus-Sprecher John Bercow wird am Mittwoch entscheiden, welche Optionen es zur Abstimmung schaffen.

Hier ein Überblick über die wichtigsten Alternativen. 

1. Der Malthouse-Kompromiss

Nach diesem Vorschlag soll die Abgeordneten den Deal von May unterstützen, der umstrittene Backstop für die irische Insel allerdings soll durch “alternative Regelungen” ersetzt werden.

So wollen die Tory-Hardliner, die hinter dem Kompromiss stehen, eine Grenze mit Schlagbäumen und Kontrollen zwischen EU-Mitglied Irland und dem britischen Nordirland ausschließen. 

In der Vorstellung der Hardliner würden die “alternative Regelungen” noch mit der EU ausgehandelt werden, dabei könnte es sich auch um technologische Lösungen handeln, die die Notwendigkeit von Warenkontrollen an der Grenze umgehen würden. 

Der Plan wird spöttisch auch als “Jagd auf Einhörner” bezeichnet, denn die EU hat “alternative Regelungen” und technologische Lösungen mehrfach und lautstark ausgeschlossen. 

Euroskeptiker werden den Plan wohl dennoch unterstützen. Eine Mehrheit wird diese Option aber nicht finden. 

2. Common Market 2.0 

“Common Markt 2.0”, auch als “Norwegen Plus” bezeichnet, zielt darauf ab, dass das Vereinigte Königreich nach dem Brexit eng an die EU gebunden bleibt. Enger, als das mit Mays Deal geschehen würde. 

Mit diesem Plan, den eine parteiübergreifende Gruppe von Labour- und Tory-Abgeordneten entworfen hat, würde Großbritannien Teil des Binnenmarktes der EU und wie Norwegen Teil der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) bleiben. Darüber hinaus wollen die Abgeordneten ein “umfassendes Zollabkommen” mit der EU eingehen. 

Der Antrag wird von einflussreichen Abgeordneten wie dem Labour-Politiker Stephen Kinnock und dem Tory Nick Boles unterstützt. Sie wollen auch eine Einschränkung der Einwanderung nach Großbritannien erreichen. So sollen nur Migranten aus der EU zugelassen werden, die “wirklich Arbeit suchen” und über “ausreichend Ressourcen” verfügen. 

Labour- und Tory-Abgeordneten könnten sich für diesen Plan zusammenschließen. Labour-Chef Jeremy Corbyn wägt noch ab, sich hinter den Vorschlag zu stellen. 

Die EFTA-Mitgliedschaft würde auch den Backstop überflüssig machen.

Klar aber ist auch: Dieser Plan würde eine lange Verzögerung des Austritts notwenig machen. Lange Verhandlungen mit der EU wären nötig. Die EU müsste einer weiteren Verlängerung der Austrittsfrist allerdings auch erst zustimmen, bevor es zurück an den Verhandlungstisch gehen kann. 

3. Common Market 1.0 

Ähnlich wie der Plan für den “Common Market 2.0” wollen die Abgeordneten hinter diesem Antrag den Beitritt zur EFTA und zum Europäischen Wirtschaftsraum. Sie schließen aber eine Zollunion mit der EU aus. 

Der Antrag stammt von dem ehemaligen Minister und Brexiteer George Eustice und wird von zahlreichen Tory-Abgeordneten unterstützt. Labour aber dürfte den Vorschlag ablehnen, die Partei ist für eine permanente Zollunion mit der EU. 

4. Labours Brexit-Plan

Labour will eine enge Wirtschaftsbeziehung mit der EU erreichen. 

Dazu gehört eine umfassende Zollunion und ein Mitspracherecht bei einem künftigen Handelsabkommen zwischen Großbritannien und der EU. Außerdem ist Labour für eine enge Abstimmung der Regeln des europäischen Binnenmarkts und den Standards in Großbritannien. 

Auch in der Sicherheitspolitik ist Labour für eine enge Zusammenarbeit mit der EU, einschließlich der Übernahme des Europäischen Haftbefehls (den Theresa May als Einmischung in Großbritannien ablehnt). 

5. Exit vom Brexit

Dieser Plan sieht vor, den EU-Austritt einseitig zurückzunehmen, sollte ein Brexit ohne Abkommen wahrscheinlich werden. Laut einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom vergangenen Jahr ist das möglich. 

Angesichts einer Online-Petition für eine Rücknahme des EU-Austritts, die mehr als fünf Millionen Menschen unterzeichnet haben, könnte sich der Unterhaus-Sprecher entscheiden, diesen Antrag auch tatsächlich zu berücksichtigen. 

Allerdings dürfte er bei Tories und Labour-Abgeordneten keine Mehrheit haben. 

6. Zollunion 

In einem Antrag des Labour-Abgeordneten Gareth Snell wird Theresa May aufgefordert, dass sie über eine neue Zollunion zwischen Großbritannien und der EU verhandeln soll. 

Die Chancen des Antrags stehen dank parteiübergreifender Unterstützung gut. 

Der Labour-Abgeordnete Hilary Benn hat ebenfalls einen Antrag eingereicht, der im Wesentlichen dasselbe erreichen will, aber einen anderen Prozess vorsieht.  

Benn fordert, dass eine Zollunion das Verhandlungsziel Großbritanniens für ein künftig noch zu schließendes Handelsabkommen mit der EU sein soll. 

Benns Antrag ist aus drei Gründen von Bedeutung.

Erstens fordert er eine UK-weite Zollunion, was die Notwendigkeit des Backstops aufheben würde. 

Zweitens fordert er, das Verhandlungsziel in die britische Gesetzgebung aufzunehmen und so den Abgeordneten eine Garantie zu geben, sollte Theresa May als Premierministerin zurücktreten. 

Und drittens hat Benn die Unterstützung von Oliver Letwin. Der einflussreiche Tory-Abgeordnete hatte den Prozess der richtungsweisenden Abstimmungen überhaupt erst eingeleitet. 

7. Zweites Referendum

Bei diesem Vorschlag werden die Abgeordneten aufgefordert, ihre Zustimmung zu Mays Deal zurückzuhalten, bis die Menschen in Großbritannien in einem Referendum darüber abstimmen konnten.  

Dies ist im Grunde genommen der Antrag für ein zweites Referendum.

Der Antrag des Labour-Politikers Peter Kyle wird von einem großen Teil der Labour-Abgeordneten, der SNP, einigen Tories und dem Ex-Labour-Politiker Chuka Umunna und dessen Independent Group unterstützt.

Mehr zum Thema: Hier erklärt Peter Kyle seinen Plan für ein zweites Referendum im HuffPost-Interview

8. No Deal

Der Hardliner-Ansatz: Der euroskeptische Tory-Abgeordnete John Baron stellt den Antrag, dass Großbritannien die EU einfach ohne Abkommen verlassen soll.

Das Unterhaus hat einen sogenannten No-Deal-Brexit aber bereits ausgeschlossen. 

Dieser Artikel erschien zuerst bei der HuffPost UK und wurde von Leonhard Landes übersetzt. 

Zweifache Mutter: "Ich konnte nicht aufhören zu trinken und Pillen zu schlucken"

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Ich war eine betrunkene Mutter.

Und mit betrunkener Mutter meine ich nicht die lustige Mutter, die anfängt, mit ihren Kindern zu tanzen, nachdem sie auf einer Grillparty ein oder zwei Margaritas getrunken hat.

Oder die Mutter, die vielleicht ein Uber bestellen muss, nachdem sie beim Essen am Samstagabend drei Gläser Wein getrunken hat und nun den Babysitter ablösen muss.

Ich spreche über eine Flaschen-versteckende, Pillen-schluckende, Augentropfen-benutzende, Flugzeugfläschchen-in-ihrer-Tasche-habende Art von Mutter.

Eine Mutter, die ihren Kindern zuliebe mit dem Trinken aufhören möchte, es aber nicht kann.

Eine Mutter, die sich auf einer Abwärtsspirale in Richtung Abhängigkeit befindet, die so bösartig ist, dass sie sie vollkommen einnimmt. Diese Art von betrunkener Mutter. 

Nachdem meine beiden Söhne kurz nacheinander in den Jahren 1998 und 1999 geboren waren, wusste ich sofort, dass etwas nicht stimmte. Als ich meinem Gynäkologen zaghaft von meinen Symptomen erzählte: Schlaflosigkeit, Ängste und Anfälle von unerklärlicher Traurigkeit, schlug er beiläufig vor, dass ich mir abends ein Glas Wein gönnen sollte. Außerdem gab er mir ein Rezept für das Schlafmittel Ambien.

Anstatt eine zweite Meinung einzuholen, begann ich meine Symptome zu behandeln, wie er es vorgeschlagen hatte. Ich war der Meinung, dass ich den Wein trank und die Pille schluckte, weil ich für meine Familie da sein wollte – nicht, weil ich ihr entkommen wollte.

Pillen und Fusel schienen eine fantastische Lösung für etwas zu sein, von dem ich heute weiß, dass es eine undiagnostizierte postpartale Depression war.

Durchhalten und weiterkämpfen 

Nachdem die Talkshow-Moderatorin Wendy Williams vor ein paar Wochen bekannt gab, dass sie wegen einer Abhängigkeit, die sie bisher geheim gehalten hatte, in Behandlung war und jetzt in einem “Sober House” lebt, überschlugen sich die Nachrichtenseiten mit Berichten über ihre Geschichte.

Alle großen Netzwerke zeigten Videoclips aus ihren letzten Shows; die Halloween-Folge von 2017, in der sie ohnmächtig wurde (die wirklich erschreckend ist); ihr Statement, in dem sie erklärte, dass sie unter Morbus Basedow leide, eine Krankheit, die die Funktion der Schilddrüse beeinträchtigt; und ihre letzte öffentliche Erklärung, dass sie eine Auszeit nehmen müsse, weil sie unter einer Schulter-Fraktur leide.

Es gab jedoch einen Clip, der wirklich meine Aufmerksamkeit erregte: Der, in dem sie sagte: “Ich habe in sechs Jahren keinen einzigen Drehtag versäumt. Ich habe mich nie krank gemeldet.”

In diesem Moment klickte es bei mir – und ich fühlte eine bisher unbekannte Verbindung zu Williams.

Ich kann das nachfühlen, Schwester, Du hast alles zusammengehalten, du hast dich auf heldenhafte Weise durchgekämpft. Ich weiß, wie sich das anfühlt. Aber du weißt ja, wie es heißt: “Pay me now or pay me later, but later is always worse.”

So fing es auch bei mir an: Durchkämpfen. Um mit dem Stress zurechtkommen, dass bei meinen beiden Kindern Lernunterschiede diagnostiziert worden waren, trank ich meine “verschriebenen” Gläser Wein, nachdem sie ins Bett gegangen waren.

Die Sucht schlich sich in mein Leben 

Opiate, die ich später verschrieben bekam, um meine Kopfschmerzen zu behandeln, erwiesen sich als äußerst hilfreich nach einem Tag voller Autofahrten, um meine Kinder zu Fecht-Unterricht, Nachhilfe und Basketball zu bringen und wieder abzuholen. Ich war immer Elternsprecherin – und gegen Ende meiner Trinkerei erledigte ich meine Aufgaben entweder leicht angeheitert oder verkatert vom Wein (oder Wodka) und dem Ambien der letzten Nacht.

Ich bin nicht stolz darauf. Aber die Abhängigkeit hat sich so unauffällig in mein Leben eingeschlichen, dass ich es nicht einmal kommen sah. Aus den zwei Vicodin, die ich brauchte, bevor ich die abendliche Spongebob-Handpuppen-Show aufführen konnte, wurden plötzlich drei und mehr als einmal passierte es mir, dass ich vor meinen Kindern einnickte.

Ohne meine “Medizin” aufzustehen, wurde schon bald unmöglich. Ich musste “geladen” sein, um irgendetwas zu schaffen, ansonsten kämpfte ich mich durch meinen Alltag und wartete darauf, dass mich endlich alle allein ließen, damit ich mich abschießen und den qualvollen Schmerz des Entzugs beenden konnte.

Mein Leben wirkte vollkommen normal

Trotzdem verpasste ich keinen einzigen Tag als Begleitperson bei Schulausflügen oder als Ausschussvorsitzende. Und niemanden überraschte es, als ich zur Präsidentin des Elternvereins gewählt wurde oder als man mir die Mitgliedschaft im Schul-Kuratorium anbot. Ob ich müde war oder mich schlecht fühlte, ich hatte ein Mittel für jedes Gebrechen und ich war stolz auf mich, weil ich immer überall erschien.

Erstaunlicherweise wirkte mein Leben auf fast alle meine Freunde und Bekannten vollkommen normal. Doch die Wahrheit war, dass mein Leben zu einem chaotischen Zirkusprogramm geworden war. Im Juli 2008 brach dann alles um mich herum zusammen, als mein Mann meine Tagebücher entdeckte, in denen ich leichtsinnigerweise alle Details meines außer Kontrolle geratenen Lebens aufgeschrieben hatte.

Eines Tages, kurz nachdem das passiert war, kam er nach Hause und erwischte mich dabei, wie ich heimlich alle Flaschen in unserer gut ausgestatteten Bar auffüllte. (Ich hatte sie alle unter der Woche geleert und wollte nicht, dass er sah, wie viel in den Flaschen fehlte.)

“Hol dir Hilfe, ansonsten”, sagte er zu mir.

Er musste nicht erst aussprechen, dass das “ansonsten” bedeutete, dass ich das Sorgerecht für unsere damals sieben und neun Jahre alten Söhne verlieren würde. Aber zu meinem Erstaunen war ich eigentlich irgendwie erleichtert, dass ich erwischt worden war. Ich war erschöpft davon, all meine Abhängigkeiten zu jonglieren. Das Spiel war aus, wie man so schön sagt.

Ich fühlte mich wie eine Versagerin 

Ich schämte mich so sehr, als Süchtige aufgeflogen zu sein, dass ich in eine Anlage namens The Meadows flüchtete – eine Einrichtung, in der es ein 30-Tage, 12-Schritte Konzept gibt, um mit der Sucht und dem Alkoholismus fertig zu werden. Ich traf dort ein oder zwei andere Mütter, aber alle dort waren weiß und niemand sonst hatte eine Geschichte, die meiner ähnlich war.

Als schwarze Frau hatte ich das Gefühl, eine extra Lage Scham bewältigen zu müssen. Mir wurde immer gesagt, dass man als farbige Frau doppelt so gut in allem sein müsse, um als gleichwertig gesehen zu werden – und jetzt hatte ich in den entscheidenden Punkten versagt – als Ehefrau und als Mutter.

Wendy Williams ist fester Bestandteil der schwarzen amerikanischen Kultur. Ich glaube, als sie mit ihrer Talkshow anfing, dachten viele, dass sie Oprah Winfrey Konkurrenz machen wollte.

Doch die eigensinnige Williams hat nie versucht, Oprah zu sein. Sie war bekannt aus ihrer Zeit als DJ und Radio Moderatorin bei dem New Yorker Sender Hot 97. Damals hatte sie sich ihre Reputation als starke Frau aufgebaut, die sich ihren eigenen Problemen in aller Öffentlichkeit stellte (ihr Ehemann, der sie betrog, als sie mit ihrem Sohn schwanger war und ihre frühere Kokain-Sucht).

Scheinbar war Williams nie zuvor mit einem Problem konfrontiert worden, dem sie sich nicht vor einem Publikum stellen konnte – bis jetzt.

Ich wünschte, ich hätte ein Vorbild gehabt

Als ich in die Behandlung ging, sah ich es, genau wie Williams, nicht als Stärke an, vorzutreten und zuzugeben, dass ich keine Macht über etwas hatte, das mich von meiner Familie trennte.

Ich sah es ganz klar als Schwäche an. Aber vielleicht hätte ich es anders empfunden, wenn es jemanden in der Öffentlichkeit gegeben hätte, insbesondere eine farbige Frau, die offen darüber gesprochen hätte, wie weit sie abgestürzt ist.

Jemanden wie Williams, die sich den Kameras gestellt hat (mit Tränen, die über ihr Gesicht strömten) und zugab, dass sie in einem Sober House in Queens lebte und seit Monaten nicht mehr bei ihrem Mann und ihrem Sohn geschlafen hatte.

Ich weiß, wie furchtbar es sein muss, das eigene Zuhause zu verlassen und sich in eine kontrollierte Umgebung zu begeben, um das eigene Leben und das seiner Familie zu retten. Und auch wenn einige der Prominenten, die sie über die Jahre hinweg durch den Dreck gezogen hat, jetzt glücklich sind, dass sie endlich mit ihren eigenen Mitteln geschlagen wird, bin ich stolz auf sie.

Nicht nur weil sie sich den Kameras gestellt und zugegeben hat, was los war, sondern eher, weil sie wirklich diese drastischen Schritte gegangen ist, sich in Behandlung begeben hat, einen Coach engagiert hat und jetzt ein nüchternes Leben lebt. All diese Schritte erfordern gewaltigen Mut.

Als ich vor zehneinhalb Jahren trocken wurde, gab es kein Vorbild im Fernsehen, in dessen Fußstapfen ich hätte treten können. Heute, vielleicht aufgrund von Williams’ Geschichte, wird vielleicht die ein oder andere betrunkene Mutter sich dazu entschließen, es nicht länger “durchzuziehen” und stattdessen auf sich achtgeben.

Dieser Artikel erschien ursprünglich bei der HuffPost USA und wurde von Gina Louisa Metzler aus dem Englischen übersetzt. 

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"Ich versuchte zwei Mal, mir das Leben zu nehmen – und habe überlebt"

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  • Stefan Lange versuchte, sich zwei Mal das Leben zu nehmen.
  • Seine Erfahrungen verarbeitete er später in einem Buch und einer YouTube-Serie.

Rund 10.000 Menschen nehmen sich jährlich in Deutschland ihr Leben. Aber trotz dieser Zahl scheint es oft so, als würde das Thema immer nur dann und nur für kurze Zeit interessieren, wenn es bekannte Persönlichkeiten betrifft. 

Nach den Toden von Linkin-Park Sänger Chester Bennington war es so, bei Star-DJ Avicii, Designerin Kate Spade oder kürzlich Starkoch Anthony Bourdain.

Stefan Lange ist heute 53 Jahre alt. Nach seinem Studium versuchte er zwei Mal, sich das Leben zu nehmen. Beide Versuche scheiterten.

Seine wichtigste Lektion: Es ist wichtig, über seine Erfahrungen offen zu reden. 

Denn es reden zu viele Experten. Es reden oft Hinterbliebene, das ist auch wichtig. Aber man kann dieses Thema nicht den Experten alleine überlassen.”

Nach einer unglücklichen Liebe holten Lange damals die Depressionen ein, die schon sein ganzes Leben über ein Teil von ihm waren. Als einzigen Ausweg sah er damals, sich das Leben zu nehmen. 

Suizid enttabuisieren und entstigmatisieren 

► Heute spricht der 53-Jährige offen über seine Krankheit, seine manische Depression und seine Suizidversuche. Eine ehemalige Studienfreundin war es, die ihn damals aus seinem Tief holte und von einer Therapie überzeugte.

Dort bat ihn sein Therapeut seine Geschichte aufzuschreiben. “Das war mein persönlicher Ausweg aus der Krise,” erzählt Lange heute.

“Das war von ihm natürlich ein Trick. Er wusste, depressive oder suizidale Menschen sind innerlich voller Energie, zerstörerische Energie. Und die musste irgendwie raus.”

Beim Herauslassen dieser Energie konnte sich Lange nicht nur, wie er selbst sagt, vieles von der Seele schreiben. Dabei entstand letztlich auch sein Buch “Suicide: Drei Monate und ein Tag”, das 2014 erschienen ist. Darin beschreibt er offen, ungeschönt und ehrlich die Geschichte seiner Krankheit – und bricht damit mit einem Tabu. 

Mehr zum Thema: Mein Vater hat sich umgebracht – so gehe ich mit Promi-Suiziden um 

Der Werther-Effekt und der Papageno-Effekt

Bis heute wird das Thema Suizid und Suizidprävention zaghaft bis gar nicht thematisiert. Ein Grund dafür ist der sogenannte Werther-Effekt.

Der Nachahmer-Effekt, dessen Name auf Goethe’s Briefroman “Die Leiden des jungen Werther” zurückgeht, ist in den 1970er Jahren wissenschaftlich belegt worden. Demnach hat die Berichterstattung über Suizide – insbesondere wenn diese besonders reißerisch ausfällt – Auswirkung auf die Zahl der Nachahmer, die sich anschließend ebenfalls das Leben nehmen. 

Allerdings sei es auch nicht richtig das Thema ganz zu verschweigen, sagt Suizidologe Thomas Niederkrotenthaler von der Medizinischen Universität Wien. Er beschäftigt sich in seiner Forschung mit der Frage, wie man Suizide verhindern kann und welche Maßnahmen besonders in der medialen Darstellung dazu beitragen können, die Zahlen zu senken. Er gilt als Namensgeber des “Papageno-Effekts” – dem Gegenstück des “Werther-Effekts”. 

Suizidprävention durch Suizid-Berichterstattung

Papageno ist die Figur des Vogelfängers aus Mozarts Zauberflöte. Er will sich aus Liebeskummer erhängen, wird aber davon abgehalten, weil ihm Alternativen zur Selbsttötung aufgezeigt werden.

Demnach könne laut Niederkrotenthaler eine Berichterstattung, die sich beispielsweise auf das Leben der verstorbenen Person und nicht auf deren Tod konzentriert oder die Hilfe und Alternativen anzeigt, Suizide sogar vorbeugen. 

► Diese Erfahrung konnte auch Stefan Lange mit seiner eigenen Geschichte machen, sagt er im Gespräch mit der HuffPost. Trotz seiner Therapie habe es Rückschläge gegeben, sagt der Autor. Als er vor drei Jahren erfuhr, dass seine ehemalige große Liebe verstorben sei, riss das alte Wunden erneut auf.

Dieses Mal suchte er sich aber Hilfe und beschloss, seine Geschichte in einer YouTube-Serie mit noch mehr Menschen zu teilen – und half so sich selbst und anderen.

Heute hilft Lange mit seiner Geschichte anderen

In der 60-teiligen Serie “Komm, lieber Tod” erzählt Lange offen seine Geschichte von seiner teils schweren Kindheit bis in die Gegenwart; inklusive aller Höhen und Tiefen.

“Ich merkte, wie wichtig es war, erneut mein Leben zu reflektieren, darüber zu berichten und mich damit selbst zu therapieren. Was mich aber noch mehr bewegte, waren die überwältigenden positiven Reaktionen auf meine Serie – von Betroffenen, Nicht-Betroffenen, Angehörigen, aber auch von Menschen, die mit dem Thema zuvor gar nichts anfangen konnten.”

► Mit seiner Geschichte konnte er Menschen auf das Thema Depression und Suizid aufmerksam machen, aber auch Betroffenen zeigen, dass sie mit ihren Leiden nicht allein sind – und es für sie einen Weg aus der Krise gibt. 

Auch andere Betroffene sollten offen über ihre Geschichte reden

Lange sagt:

“Ich selbst habe gelernt, wie wichtig es ist, darüber zu reden. Immer wieder zu reden und nichts hinter dem Berg halten. Zu versuchen Ansprechpartner zu finden, wenn es einem nicht gut geht.”

Denn bis heute trauen sich viele Betroffene nicht, über ihre Probleme zu sprechen. Man möchte sich keine Schwäche eingestehen, schämt sich für seine Gedanken. 

“Ich hoffe, dass ich da einen Beitrag leisten kann und auch viele Betroffene animieren kann, nach außen zu gehen”, sagt Lange. “Damit es auch ein Gegengewicht gibt, gegen das Expertentum. Denn die Entstigmatisierung geht nur mit Betroffenen. Das habe ich gelernt und da werde ich auf jeden Fall auch weitermachen.”

 

In den vom Presserat herausgegeben Richtlinien für die deutschen Medien heißt es:

Zu detaillierte Berichterstattung über Suizide kann problematisch sein. Das hat viele Gründe. Einer der wichtigsten ist der sogenannte ‘Werther-Effekt’, demgemäß Suizid-Berichterstattung zu mehr Suiziden führt.

Dem ‘Werther-’ wirkt der ‘Papageno-Effekt’ entgegen, der besagt, dass sorgfältige Suizid-Berichterstattung dabei hilft, Suizide zu verhindern. Dabei müssen Journalisten einige Prinzipien beachten, die auch in den Presse-Richtlinien des Nationalen Suizidpräventionsprogramms festgehalten sind.

Rechtlich müssen Journalisten bei der Berichterstattung über Suizide besonders darauf achten, das berechtigte öffentliche Informationsinteresse mit dem Schutz der Privatsphäre der Betroffenen in Einklang zu bringen. Der Presse-Kodex mahnt in diesem Zusammenhang zu Zurückhaltung vor allem im Hinblick auf Fotos und Details. In den USA gibt es ähnliche Richtlinien. Doch, auch wie in Deutschland, sind es lediglich Richtlinien. 

Hinweis der Redaktion: Wenn du das Gefühl hast, dein Leben macht keinen Sinn mehr, wende dich bitte an die Telefonseelsorge. Sie ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr erreichbar. Die Telefonnummern sind 0800 111 0 111 und 0800 111 0 222. 

Beim Jugendinformationszentrum München findest du zudem persönliche und telefonische Beratung für Kinder und Jugendliche. Telefonnummer: 089 550 521 50 (Sprechzeiten: Montag bis Freitag von 13 – 18 Uhr).

Chefärztin: Das ist die Gemeinsamkeit in der Persönlichkeit von Magersüchtigen

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  • Die Zahl der Menschen, die unter einer Essstörung leiden, nimmt in Deutschland immer weiter zu

  • Am häufigsten trifft dabei Magersucht auf – und führt oft sogar bis hin zum Tod

Magersucht ist die am weitesten verbreitete Essstörung in Deutschland. Die Anzahl der Betroffenen stieg in den vergangenen Jahren immer weiter an. 

Vergleicht man beispielsweise die Zahlen der Magersüchtigen aus dem Jahr 2006 mit denen im Jahr 2016, so erkennt man einen Anstieg von rund 14 Prozent bei den Frauen und fünf Prozent bei den Männern. Das analysierte unter anderem die Kaufmännische Krankenkasse Ende vergangenen Jahres.

Das sind Zahlen, die alarmieren. Dabei vermuten viele, dass die Dunkelziffer noch viel höher sei. Nach Angaben der Ärztekammer Niedersachsen verläuft eine Essstörung bei 16,8 Prozent der Betroffenen tödlich. Magersucht gilt als tödlichste psychische Krankheit. 

Daher stellt sich die Frage, was es ist, das immer mehr Menschen – insbesondere jugendliche Frauen – in die Anorexie treibt. Gibt es so etwas wie eine Gemeinsamkeit unter den Erkrankten? Ist es das Ziel, dem Schönheitsideal nachzueifern, das Models wie Kendall Jenner, Gigi Hadid und Co. vorleben?

Die meisten Essstörungen entstehen in der Pubertät

“Die Verursachung der Essstörung hat viele Gründe”, sagt Silke Naab, Chefärztin an der Schön Klinik Roseneck in Bayern.

Seit 21 Jahren ist sie in der Fachklinik für psychosomatische Erkrankungen als Therapeutin tätig und leitet dort als Chefärztin die Jugendabteilung. Die meisten Essstörungen entstünden in der Pubertät, sagt Naab. Sie bezeichnet dieses Alter als “vulnerable Phase”, da sich zu dieser Zeit sowohl körperlich als auch hormonell vieles verändert und so Unsicherheiten auftreten, die im Zusammenspiel mit dem Umfeld, der Psyche, aber auch Genetik der Personen bis hin zu einer Essstörung führen können.

Auch wenn eine Essstörung durch ein “ein Potpourri an Faktoren” ausgelöst werden könne, so gebe es durchaus Gemeinsamkeiten in der Persönlichkeit von Menschen mit Magersucht.

Magersüchtige sind meist Perfektionisten

“Magersüchtige sind in der Regel Personen, die sehr selbstkritisch und perfektionistisch gegenüber sich selbst sind. Diese Menschen sind innerlich unsicher und reagieren sehr genau auf ihr Umfeld, auch wenn dieses Umfeld das meist nicht bemerkt.”

Dabei könne der Einfluss der sozialen Medien oder des Schönheitsideals, das beispielsweise von Sendungen wie “Germany’s Next Topmodel” oder Modemagazinen propagiert wird, durchaus eine Rolle spielen. Dieser Einfluss allein würde allerdings noch keine Essstörung auslösen, sagt die Expertin. 

Es ist es wichtig, Essstörungen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Allerdings ist es oft schwierig für Freunde und Familie, die Krankheit zu erkennen.

Warnzeichen für mögliche Essstörungen

Silke Naab erklärt, wie wichtig es ist, Personen direkt auf das Thema anzusprechen, wenn man Sorge hat, dass ihr Essverhalten entgleitet. Auch wenn sich das Gegenüber vielleicht zuerst vor den Kopf gestoßen oder irritiert fühlt. “Dennoch ist alles besser, als zu schweigen und erste Anzeichen zu übergehen.”

Neben plötzlichem starken Gewichtsverlust können diese ersten Anzeichen darin bestehen, dass Personen, die sonst meist umkompliziert im Umgang waren, in ihrem Verhalten verändert auftreten. Oft sind Betroffene plötzlich ruhiger und zurückgezogener und verlieren mehr und mehr das Interesse am zusammensein.

Zeigen sich zudem Veränderungen im Essverhalten und vermeidet die Person zunehmend, in der Gemeinschaft Nahrung zu sich zu nehmen, sollte man seine Sorge offen ansprechen und dem Betroffenen Hilfe anbieten. 

Falls ihr oder Menschen aus eurem Umfeld an einer möglichen Essstörung leiden solltet, bietet beispielsweise die Seite der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung für Betroffene und Angehörige

Außerdem findet ihr auf der Seite des Bundes Fachverbandes für Essstörungen ein Adressverzeichnis für mögliche Kliniken und Krisendienste

Mir wurden K.O.-Tropfen ins Getränk gemischt, doch meine Freunde glaubten mir nicht

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Mit 16 Jahren habe ich damit angefangen, an den Wochenenden feiern zu gehen. Mir wurde stets gepredigt, dass ich unbedingt vorsichtig sein sollte.

Immer wieder riet mir meine Mutter damals, immer auf mein Getränk aufzupassen und es nie auch nur für eine Sekunde aus den Augen zu lassen. Man wisse ja nie, was die Menschen so anstellen würden. Für mich war das eigentlich immer eine Selbstverständlichkeit.

Aber die Jahre vergingen und vielleicht nimmt man die Gefahr mit der Zeit immer weniger ernst. Bei all den Partynächten sind weder ich noch meine Freunde noch irgendjemand sonst in meinem größeren Umfeld mit K.O.-Tropfenin Kontakt gekommen. “Mir passiert so etwas sicher nie,” dachten wir.

Doch als ich 20 Jahre alt war, ist es passiert.

Es war der letzte Abend des Sommersemesters 2015. Das wollten wir in einem Club in München anständig feiern.

Ich habe zusammen mit einer Freundin etwas Wein getrunken, bevor wir uns anschließend mit unseren anderen Freunden in der Stadt getroffen haben. Zu diesem Zeitpunkt war ich sicherlich etwas beschwipst, aber definitiv noch weit von einem Rausch entfernt.

Mir wurde heiß und ich bekam kaum noch Luft

Unsere Gruppe spaltete sich kurz nach der Ankunft im Club und so bin ich zusammen mit einer anderen Freundin an die Bar. Wir bestellten gemeinsam einen Kurzen und einen Gin Tonic.

Als wir mit dem Schnaps anstießen, stellte ich den Longdrink neben mir ab und ließ ihn dabei kurz aus den Augen. Rückblickend war diese kleine, unbedachte Geste der größte Fehler des Abends.

Den Gin Tonic konnte ich dann nicht einmal zu Ende trinken. Schnell merkte ich, dass etwas nicht stimmte.

Nach wenigen Schlucken wurde mir plötzlich unheimlich heiß und das Atmen fiel mir zunehmend schwerer. Ich bat meine Freundin, mich mit nach draußen zu begleiten, da ich kaum noch Luft bekam. Als ich sie fragte, ob sie es ebenfalls als extrem stickig und heiß im Club empfinden würde, sagte sie zu meiner Überraschung “nein”.

Auch als wir an der frischen Luft waren, wurde das beklemmende Gefühl in meiner Brust nicht besser. Plötzlich übermannte mich ein Gefühl, das sich in der ersten Sekunde wie ein Rausch anfühlte.

Es war, als würde mir jemand eine Brille aufsetzen, die alles vor mir verschwimmen lässt. Im selben Moment wurde mir übel, alles vor mir drehte sich um 90 Grad.

Die einzige logische Konsequenz war in diesem Moment für mich: Ich muss mich hinlegen, um meine Umgebung wieder in die richtige Perspektive zu bringen.

“Ob ich zuerst ohnmächtig wurde oder erst gebrochen habe, weiß ich nicht mehr.”

Auf einen Schlag wurde ich unendlich müde und wollte einfach nur noch schlafen. Es war ein schweres, fast wohliges Gefühl, trotz des Schwindels und der Übelkeit. 

Ich kann mich noch daran erinnern, dass ich auf einer Bierbank saß und obwohl mich meine Freundin davon abhalten wollten, legte ich mich lieber in die Kieselsteine vor mich. Von der Höhe der Bierbank wurde mir zu schwindelig. Je näher ich in diesem Moment dem Boden war, desto besser.

Ob ich dann zuerst ohnmächtig wurde oder erst gebrochen habe, weiß ich nicht mehr. Alle Erinnerungen nach dem Moment, in dem ich meine Augen das erste Mal geschlossen habe, sind wirre, stark verschwommene Schnipsel, die meine Freunde ein paar Tage danach mit mir rekonstruiert und geordnet haben.

Da lag ich also, wenige Meter vor dem Eingang des gut besuchten Clubs - halb in meinem eigenen Erbrochenen schlief ich auf Kieselsteinen, die sich immer tiefer in meine Haut bohrten. Ich war einfach viel zu müde, um mich dafür zu interessieren, wo ich da eigentlich gerade lag.

Bei vielem, was dann geschah, lässt sich für mich schwer unterscheiden, was zu meinen Erinnerungen und was zu Erzählungen meiner Freunde gehört.

Auch als ich für diesen Artikel noch einmal mit einigen von ihnen sprach, war ich überrascht, an wie viel ich mich immer erst dann zu erinnern scheine, wenn man mir davon erzählt. Es ist, als würde dann in meinem Unterbewusstsein eine Glocke läuten, die ich aber alleine nicht betätigen kann.

Ein junger, fremder Mann bestand immer wieder darauf mir zu helfen

Mein “kurzes Nickerchen” muss ungefähr eine Stunde lang gedauert haben, erzählten mir meine Freunde. Was sich für mich wie ein wohliger, freiwilliger Schlaf anfühlte, war in Wahrheit ein Ohnmachtszustand, aus dem ich immer wieder kurz wirr erwachte. Bis zu dem Punkt, an dem ich gar nicht mehr ansprechbar war.

In der Zeit hätten sich abwechselnd Passanten, die Türsteher des Clubs und Freunde und Bekannte um mich versammelt und beratschlagt, was mit mir zu tun sei und ob ich nicht einfach nur zu viel getrunken hätte.

Darunter sei auch ein junger Mann gewesen, der stets versicherte, mir unbedingt helfen zu wollen. Keiner meiner Freunde kannte ihn, aber scheinbar hatte er zuvor sein Glück bei einer meiner Freundinnen probiert.

Auch ein Glas Wasser und Übergeben verbesserten meinen Zustand nicht, weshalb schließlich ein Krankenwagen gerufen wurde. Kurz nach dem Anruf muss ich wieder aufgewacht sein.

Ab diesem Punkt habe ich wieder vereinzelte, schwammige Erinnerungen. Erinnerungen, die ich lieber verdrängen würde, da sie mich bis heute wütend machen.

In meiner ersten Erinnerung nach dem Aufwachen stand nun auch der andere Teil der Gruppe vor mir, mit denen wir ursprünglich in den Club gegangen sind. Sie hatten unbeirrt weiter gefeiert und getrunken. Nun schauten sie gut angeheitert auf das Häufchen Elend am Boden.

Keiner wollte mir glauben, dass ich nicht einfach nur betrunken war

Ich kann mich nicht mehr an ihre genauen Worte erinnern, aber sinngemäß wurde ich als das Mädchen hingestellt, dass einfach keinen Alkohol zu vertragen scheint.

Auch die Freundin, mit der ich zuvor Wein getrunken hatte und die mich seither nicht mehr gesehen hatte, bemerkte, dass ich wahrscheinlich einfach von Anfang an zu viel getrunken hatte.

Ich hörte all diese Wortfetzen und wollte mich wehren, aber weder mein Körper noch mein Mund waren zu irgendetwas fähig. 

Später - wie viel später kann ich nicht sagen - wurde ich aufgeweckt, jemand klatschte und leuchtete mir ins Gesicht. Scheinbar waren die Sanitäter gekommen, um nach mir zu sehen.

Sie schrien mich an, als hätte ich Probleme mit dem Gehör und erklärten später, dass sie mich nicht mitnehmen würden, da ich nun ja wach war.

Eine meiner Freundinnen hat ihnen dann empört erklärt, was vorgefallen war und dass ich eine Zeit lang nicht ansprechbar gewesen war.

Das war ich nun allerdings wieder, waren sich die Rettungskräfte sicher, dass ich nur zu viel getrunken hätte. So etwas würden sie ständig sehen.

Zwei meiner Freunde verständigten daraufhin meine Mutter und fuhren mit mir gemeinsam in der S-Bahn bis zu der Haltestelle, an der sie mich abholte. Der restliche Teil der Gruppe feierte zu diesem Zeitpunkt wohl schon lange wieder weiter.

Am nächsten Morgen wachte ich verwirrt in meinem Bett auf. Ich war schwach und fühlte mich, als hätte ich den schlimmsten Kater meines Lebens. Mir war immer noch so schlecht, dass ich sofort nach dem Aufwachen erbrochen habe.

Den ganzen Tag über konnte ich nichts zu mir nehmen, da ich selbst von Wasser oder beim Umdrehen im Bett extreme Übelkeit verspürte. Mir ging es selten in meinem Leben so schlecht wie an diesem Tag.

Ich fühle mich dumm und naiv, wenn man an meiner Geschichte zweifelt

Aber das Schlimmste ist für mich bis heute nicht das Erlebnis selbst oder die Folgen am Tag danach, sondern wie viele Menschen mir damals wie heute nicht glauben wollten, dass es tatsächlich K.O.-Tropfen waren, die mich so völlig die Kontrolle über meinen Körper verlieren ließen. Daher rede ich kaum und eher ungern über die Geschichte.

Immer wieder scherzen Freunde: “Gib doch zu, dass du zu viel getrunken hast.” Viele sind noch offener mit ihrer Skepsis und sagen: “Was du da beschreibst, ist ein ganz normaler Rausch und so einen Kater hatte ich auch schon oft. Jetzt hab dich doch nicht so.”

Oft schäme ich mich fast darüber zu reden, da mir selbst meine beste Freundin, die mich noch zu Beginn des Abends gesehen hatte, ziemlich deutlich klar machte, dass sie meiner Geschichte keinen großen Glauben schenkt.

Es kam zu dem Punkt, an dem ich selbst daran zweifelte, ob mir wirklich etwas in mein Getränk gemischt worden ist. Hatte ich mich doch einfach so schlecht selbst eingeschätzt?

Erst später las und hörte ich von Leuten, denen es genauso ging wie mir. So wie ich vermeiden auch sie es, oft darüber zu reden. Weil viele an ihrer Geschichte zweifeln.

Noch vor einigen Jahren wurden K.O.-Tropfen von Akademikern sogar noch als ‘urbaner Mythos’ abgestempelt, den Frauen verwenden, wenn sie sich nicht eingestehen wollen, dass sie zu viel getrunken hatten. Und scheinbar hält sich dieser Gedanke hartnäckig in den Köpfen der Menschen. 

Ich hatte Glück - aber das hat leider nicht jeder

Ich hatte Glück im Unglück. Zwei Freundinnen haben mich nach Hause gebracht und haben dabei Schlimmeres verhindern können. So viel Glück hat leider nicht jeder.

Es ist überraschend einfach und bei Substanzen wie dem Reinigungsmittel GBL zudem auch noch legal, an K.O.-Tropfen zu kommen. Die Stoffe der Droge werden allerdings so schnell im Körper abgebaut, dass sie nach 24 Stunden nicht mehr in Blut oder Urin nachweisbar sind. Das erschwert es vielen Frauen, zu beweisen, dass sie nicht “einfach nur zu viel getrunken hatten”.

Mir ist zum Glück nichts Schlimmeres passiert und trotzdem musste ich von Rettungsärzten und Freunden hören, dass ich selbst Schuld an meiner Situation sei.

Wie muss es also Frauen ergehen, die keinerlei Erinnerungen an ihren Abend haben und tags darauf in einem fremden Bett aufwachen? Zu gut kann ich mir vorstellen, dass ihnen dann vorgeworfen wird, einfach zu viel getrunken zu haben und sich deswegen nun nicht mehr an ihren One-Night-Stand erinnern zu können.

Dieser Gedanke macht mich unheimlich sauer, bestürzt und traurig.

Es ist nicht bekannt, wie viele Menschen unter Einfluss von K.O.-Tropfen zu Opfern von Missbrauch werden. Oft schämen sich Betroffene, sind sich unsicher und melden sich, wenn überhaupt, meist zu spät. Und dann kann man die Tropfen nicht mehr im Körper nachweisen.

“Ich möchte nicht ausschließen, dass die Dunkelziffer hoch ist”, sagte Sigrid Kienle, Sachgebietsleiterin synthetische Drogen beim Landeskriminalamt in München der “Augsburger Allgemeinen Zeitung”.

Ich hoffe, dass alle, die diese Geschichte lesen, für das Thema sensibilisiert werden. Und Freunden, die davon betroffen sind, glauben. Anstatt sie so zu belächeln, wie es meine Freunde mit mir getan haben. 

Weitere Informationen zu dem Thema findet ihr auf der Seite der Berliner Initiative “K.O. - Tropfen, nein Danke”. Außerdem hilft die Organisation Der Weiße Ring Betroffenen. Informationen und die Nummer des kostenfreien Hilfe-Telefons gibt es unter: www.weisser-ring.de

(best/ll)


Trauernde Mutter aus Bayern klagt an: Der Staat schützt kriminelle Polizisten

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  • Ein bayerischer Polizist hat den 33-Jährigen André Borchardt in Burghausen erschossen
  • Jetzt erhebt seine Mutter schwere Vorwürfe gegen die Polizei

André Borchardt wäre heute 37 Jahre alt. Hätte ihn nicht am 25. Juli 2014 ein bayerischer Polizist erschossen.

André soll mit Marihuana gedealt haben, Michael K. wollte ihn an jenem Sommerabend festnehmen. Der damals 33-jährige Deutschrusse rannte weg, missachtete die Rufe der Zivilfahnder, wenige Sekunden später traf ihn eine Kugel in den Hinterkopf. André Borchardt war sofort tot. 

Schütze Michael K. musste sich nie vor einem Gericht verantworten. Der Zivilfahnder aus dem bayerischen Burghausen im Landkreis Altötting musste niemals Andrés Mutter in einem Gerichtssaal gegenübertreten und ihr erklären, wieso er ihrem Sohn nicht einfach hinterhergerannt ist – anstatt eine Waffe zu ziehen. 

Für Mutter Lilia Borchardt ist die Entscheidung der Staatsanwalt ein Skandal.

Dreieinhalb Jahre lang tat sie alles, was in ihrer Macht stand, damit ihrem Sohn André endlich Gerechtigkeit widerfährt. “Ich weiß, André wird nicht mehr lebendig. Aber wenigstens Gerechtigkeit sollte es geben”, mahnt Borchardt in der HuffPost an. 

“Der Schütze gehört ins Gefängnis”

Sie nahm sich einen prominenten Münchner Anwalt, schrieb Menschenrechtsorganisationen an, startete gemeinsam mit Andrés Freundin eine Petition.

Sie forderte: Gegen Michael K. solle endlich Anklage erhoben werden.

Ihre Anstrengungen waren umsonst.

Im Februar 2016 – 19 Monate nach dem tödlichen Ereignis – entschied die Traunsteiner Staatsanwaltschaft, dass Michael K. nicht angeklagt wird. Der Schütze soll weder vorsätzlich noch fahrlässig den Tod von André verursacht haben.  

Der Münchner Star-Anwalt Steffen Ufer, der Borchardt vertrat, vermutete schon vor der Entscheidung, dass keine Anklage erhoben wird. “Dieses Verfahren diente nicht der Aufklärung, sondern lediglich der Rechtfertigung der polizeilichen Aktion”, sagte er dem lokalen Online-Portal “innsalzach24.de”. Den Einsatz bezeichnete er als “aberwitzig”. 

Mittlerweile hat die 65-Jährige resigniert, aus Trauer ist Wut geworden. Wut auf das deutsche Rechtssystem. “Es geht hier um Gerechtigkeit. Die Polizisten vor Ort haben sich nicht richtig verhalten”, klagt sie an. “Der Schütze gehört ins Gefängnis.” Doch dort wird er vermutlich nie hinkommen. Sie sagt: “In Deutschland werden kriminelle Polizisten geschützt.”

Anders kann sich Borchardt nicht erklären, wieso Michael K. nicht angeklagt wurde. “Die offenen Fragen, von denen es einige gibt, hätte man doch alle in einem Hauptverfahren klären können.”

Mehr zum Thema: An den Polizisten, der meinen Sohn wegen Cannabis erschossen hat

“Der Polizei ist das doch gleichgültig”

Mittlerweile ist auch die Frist für ein Klageerzwingungsverfahren abgelaufen. Es hätte dazu führen können, dass sich unabhängige Staatsanwälte aus München mit dem Fall beschäftigen, die Beweislage neu einordnen und dann entscheiden, ob die Traunsteiner Staatsanwälte die Lage korrekt eingeschätzt haben.

“Der Polizei und unseren Politikern ist das doch alles gleichgültig. Sie sind schon so in ihre Macht versunken, dass ihnen alles andere egal ist”, sagt Borchardt. Das schließt sie auch aus der Situation am Tatort. Direkt neben dem Schützen und ihrem Sohn spielten mehrere Kinder. Ein Querschläger hätte auch deren Leben auslöschen können. 

Anschließend befragte die Polizei die Kinder, das sogar mehrfach.

“Die Kinder haben danach auch gelitten. Ich habe erfahren, dass sie Albträume hatten. Das war den Verantwortlichen doch auch egal. Dreimal haben sie die Kinder vernommen, wollten sogar ein viertes Mal mit ihnen reden. Doch da haben die Eltern gesagt ‘Nein’.”

“Das hat mich kaputt gemacht”

“Ich konnte nicht mehr schlafen, das hat mich seelisch und körperlich kaputt gemacht. Die Polizei hat mein Leben zerstört”, sagt Borchardt. Sie weiß: Sie muss endlich Ruhe finden. 

Dennoch verfolgt sie ihr Ziel weiter. Sie möchte, dass Michael K. eines Tages zur Rechenschaft gezogen wird.

Wie ihr die Trauer nach dem Tod eines Partners überwindet und lernt, euch neu zu verlieben

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Der Verlust eines geliebten Menschen ist schlimm genug. Doch viele Angehörige plagen nach dem Tod ihres Partners zusätzlich Schuldgefühle. Auch Jahre später noch beschäftigen sie sich mit der Frage, ob sie sich einfach neu verlieben dürfen.

Auch der ehemalige Sky-Moderator Simon Thomas gesteht, dass er sich manchmal schuldig fühlt. Seine Frau Gemma, die Mutter seines Sohnes, verlor im Jahr 2017 den Kampf gegen die Leukämie.

Im November 2018, ein Jahr nach Gemmas Tod, gab er schließlich bekannt, dass er sich wieder verliebt habe. Die Frage, ob es “zu früh” war, eine neue Beziehung einzugehen, ließ ihn jedoch so schnell nicht los.

Erst vor Kurzem sprach er auf einer Veranstaltung über seine persönlichen Erfahrungen und über den Umgang mit dem Tod eines geliebten Menschen. Er erklärte, dass es immer drei Personen in seinem Leben geben werde:

“Gemma wird in meinem Leben immer präsent bleiben. Ich werde sie nie vergessen. Doch sowohl zum Wohle meines Sohnes, als auch zu meinem eigenen, wird es in dieser Beziehung eine dritte Person geben. Und ich weiß, dass Gemma sich für mich freuen würde.”

Nach dem Verlust deines Seelenverwandten wieder nach Liebe Ausschau zu halten, kann sehr verwirrende Gefühle hervorrufen.

So könntest du dich etwa schuldig fühlen, fast als würdest du die Person, die du verloren hast, verraten. Du könntest dir darüber Sorgen machen, was deine Freunde und deine Familie denken. Und dann stellt sich natürlich die Frage, wie lange du warten willst, um neue potentielle Partner kennenzulernen? Woher willst du überhaupt wissen, dass du schon bereit bist?

Der ehemalige Sky-Moderator Simon Thomas.

Trauer ist ein starkes und sehr komplexes Gefühl. Keine Erfahrung lässt sich mit der eines anderen Menschen vergleichen.

Shalini Bhalla-Lucas weiß das nur zu gut. Ihr Mann starb an Krebs, als sie gerade 40 war. Seit 19 Jahren waren die beiden ein Paar. Sie beschreibt es als ungeheures Glück, sich mit 21 Jahren in ihn verliebt zu haben. “Ich hatte das Gefühl, meinen Seelenverwandten gefunden zu haben, und ich weiß, wenn er noch am Leben wäre, wären wir noch immer zusammen.”

Nach seinem Tod dauerte es ganze 18 Monate, bis sie überhaupt erst auf die Idee kam, sich wieder ihrem eigenen Leben zu widmen. Anlass fand sie erst durch einen weiteren Todesfall in der Familie. Der Tod ihres Vaters markierte einen Wendepunkt:

“Sowohl mein Vater als auch Jeremy starben an Krebs. Beide taten wirklich alles, um ihre Krankheit zu besiegen. Vergebens, der Krebs siegte. Ich hatte das Gefühl, dass ich es ihnen einfach schuldig war, mein Leben wieder zu leben.”

Es war Zeit, wieder nach draußen zu gehen – dazu gehörte eben auch, neue Leute kennenzulernen. “Es war eine der schwierigsten Entscheidungen, die ich je getroffen habe, denn ich hatte das Gefühl, Jeremy zu verleumden”, sagt sie. “Ich fühlte mich einfach, als würde ich unsere Erinnerungen, unsere Geschichte, unser gemeinsames Leben verraten. Und ich stellte mir auch die Frage, wie er sich wohl fühlen würde.”

Schuldgefühle oder gar Gefühle von Verrat, das sind nach Ansicht von Trauerberaterin Dr. Chloe Paidoussis-Mitchell völlig normale Emotionen, die sie während der Behandlung ihrer Patienten sehr häufig beobachte.

Derartige Reaktionen seien ein wichtiger Schritt, um die verstorbene Person irgendwann loslassen zu können. Außenstehenden rät sie: “Dabei ist es wirklich wichtig, die Person nicht zu verurteilen und diese Gefühle als wichtigen Schritt im Trauerprozesses zu betrachten.”

Bedauerlicherweise können Gefühle der Schuld auch von anderen Menschen befeuert werden, wie der 52-jährige Daren Margetts berichtet. Margetts ist Mitglied von Widowed and Young (WAY). Die Organisation unterstützt rund 3000 junge Witwen und Witwer in ganz Großbritannien bei ihrer Trauerarbeit. 

Er selbst verlor seine Frau Mandy im Jahr 2015. Sie starb an den Folgen von Eierstockkrebs. Seine neue Partnerin lernte er elf Monate später über eine Online-Gruppe für Hinterbliebene kennen.

Margetts spricht von einer Art “Doppelmoral”, der Betroffene häufig begegnen würden: Wenn sie nach dem Tod eines geliebten Menschen eine neue Beziehung beginnen, wird ihnen vorgeworfen, sie handelten überstürzt. Doch wenn sie ein Jahr später noch immer trauern, heißt es, sie kämen nicht voran und könnten dem Verstorbenen dadurch “nicht gerecht werden”.

“Wir können es aus Sicht der anderen einfach nicht richtig machen”, betont Margetts.

Die Angst vor dem, was andere über einen denken könnten, wirke auf einige Betroffene geradezu lähmend. Margetts erzählt, dass ihm seine Frau das Versprechen abgenommen hatte, dass er sich nach ihrem Tod auf die Suche nach einer neuen Liebe machen würde.

Wenn der Tod jedoch plötzlich eintritt, so Margetts, fehle diese Form des Abschiednehmens. Besonders in solchen Fällen liefen Angehörige Gefahr, sich vor der Möglichkeit einer neuen Liebesbeziehung völlig zu verschließen. 

Urteile von Außenstehenden würden dies noch verschlimmern, merkt Margetts an. Betroffene würden sich dann häufig noch stärker zurückziehen. Manche würden gar völlig vereinsamen. Und es sei hinreichend bekannt, wie extrem negativ sich Einsamkeit auf unsere Psyche auswirke.

Daren Margetts und seine aktuelle Partnerin Mandy.

Kimberley Gray ist 48 Jahre alt – sie verlor ihren Mann Stuart nach 25 Jahren Ehe. Er starb im Jahr 2015 an Krebs. Das Paar war damals nach Cornwall gezogen – weg von ihren Freunden und ihrer Familie – um in den letzten Monaten genau das Leben zu führen, das sie sich immer gewünscht hatten. Sie wusste, dass sie nur noch wenig Zeit haben würden, und tatsächlich verschlechterte sich der Gesundheitszustand ihres Mannes schon sehr bald nach dem Umzug. Kurz darauf starb er.

Plötzlich war sie auf sich gestellt und fühlte sich sehr allein. “In der einen Minute liebst du jemanden, in der nächsten Minute ist der Mensch auf einmal komplett verschwunden”, sagt sie. “Aber die Liebe verschwindet nicht, sie ist immer noch da.”

Monatelang fühlte sich Gray wie versteinert. Es kostete sie selbst große Mühe, einen Fuß nach dem anderen zu setzen. Aber neun Monaten später erkannte sie schließlich, dass es Zeit war, etwas zu ändern. Es war Silvester und Gray fühlte sich vollkommen unglücklich. “Plötzlich bemerkte ich: Okay, nur du hast es in der Hand, dieses Leben kann nur von dir und niemand anderem wieder gelebt werden.

Damals erkannte sie, dass es ein immens wichtiger Schritt war, allmählich wieder neue Menschen an ihrem Leben teilnehmen zu lassen. “Es ging mir nie darum, Stuart zu ersetzen. Es ging nicht unbedingt darum einen neuen Mann um mich zu haben”, erklärt sie. “Ich dachte mir einfach, ich habe wieder ein wenig Spaß, belebe mein soziales Leben wieder. Und wenn sich daraus irgendetwas entwickeln sollte, warum nicht, das wäre doch toll.”

Auch Gray, die PR-Berater ist, machte sich Gedanken darüber, wie andere darauf reagieren könnten. “Du hast Angst, dass die Leute denken: War ihre Beziehung vielleicht gar nicht so besonders, wie wir immer gedacht haben? Wie kann sie Stuart wirklich geliebt haben, wenn sie ihn jetzt so schnell hinter sich lassen kann?”

Doch sie erkannte, wie wichtig die Begegnungen mit anderen Menschen für sie war, um weiterzuleben.

Rückblickend betrachtet habe sie wohl wirklich früher als andere begonnen, wieder neue Männer kennenzulernen. Doch weil sie in ihrer neuen Heimat Cornwall noch niemanden kannte, sei es ihr vor allem erstmal darum gegangen, wieder einen Bekanntenkreis um sich zu wissen.

Seit mittlerweile drei Jahren ist Gray mit ihrem neuen Partner zusammen. Nur langsam näherten sich die beiden an. Nach ihren Treffen habe es oft Tage gedauert, um diese zu verarbeiten. Letztlich glaube sie, dass ihre neue Beziehung von dieser langsamen Annäherung profitiert habe.

Shalini Bhalla-Lucas.

Die Sprechen vom richtigen Zeitpunkt ist allen Betroffenen gemein: Es ist wichtig, zu verstehen, dass einige ein paar Monate, andere jedoch acht Jahre brauchen können. Es gibt schlichtweg nicht den einen richtigen Zeitpunkt.

Außerdem: Auch wenn du dich bereit fühlst, wieder von einem anderen Menschen geliebt zu werden, heißt dass noch lange nicht, dass die Erinnerungen an den Verstorbenen aus deinem Gedächtnis verbannst.

“Für einen anderen Menschen Gefühle zu entwickeln, kann jederzeit passieren”, sagt Dr. Paidoussis-Mitchell fest. “Es gibt keine Phasen der Heilung, wenn es um Trauer geht, mal ist sie präsent und mal nicht. Es ist daher sinnlos, sich fixe Urteile darüber zu bilden.”

Was Dating betrifft, rät die Therapeutin Trauernden, die Sache schlicht langsam anzugehen – so wie Kimberley Gray. “Triff keine großen dramatischen Entscheidungen, es sei denn, du hast das Gefühl, deine Trauer dadurch ‘überwinden’ zu können”, rät Dr. Paidoussis-Mitchell.

Für Shalini, die Tanzlehrerin, Autorin und Achtsamkeitstrainerin ist, war es vor allem das Gespräch mit anderen Betroffenen, das sie letztlich dazu bewogen hat, wieder zu daten. Es ist ihr wichtig, zu betonen, dass es ihr nicht darum gehe, die Vergangenheit mit ihrem Ex-Mann zu vergessen. Vielmehr sei es ihr wichtig, den Blick nach vorne nicht völlig aus dem Auge zu verlieren.

Shalini hatte ihren Mann Jeremy kennengelernt, als sie 21 Jahre alt war. Die  komplizierte Welt des Datings war ihr daher, bis sie in ihren vierziger Jahren war, weitestgehend fremd. Zwei Jahre nach dem Tod ihres Mannes entdeckte Shalini das Online-Dating für sich – und fasste den Entschluss, dies tatsächlich mit einem Gewissen ernst zu verfolgen: “Ich habe nicht nach meinem Seelenverwandten gesucht, den hatte ich schon in Jeremy gefunden. Ich war auf der Suche nach Gesellschaft und Freude.”

Innerhalb von sieben Monaten sprach sie mit 50 Männern – mit immerhin 21 davon verabredete sie sich tatsächlich.

Zu ihrer eigenen Überraschung verliebte sie sich sogar. Zwar dauerte ihre Beziehung nur zwei Monate, aber sie machte dabei eine überraschende Erfahrung. Sie konnte ihrem Herzen tatsächlich Platz für einen anderen Mann finden. “Ich hatte erst nach der Trennung gemerkt, dass ich mich in ihn verliebt hatte”, sagt sie. “Nicht in einer Million Jahren hätte ich erwartet, mich je wieder so zu fühlen.”

Nur allzu leicht vergessen wir manchmal, wie viel Platz unsere Herzen für die Liebe bereitstellen. Das beste Beispiel laut Dr. Paidoussis-Mitchell: die Geburt von Kindern. Egal wie viele Kinder man hat, man liebt sie alle gleichermaßen.

Und das gelte auch für die romantische Liebe. “Du kannst immer noch die Liebe für die verstorbenen Person in dir tragen und zugleich einen neuen Menschen in dein Herz schließen”, erklärt sie. “Wenn du lernst, das zu akzeptieren, wirst du die Schuldgefühle überwinden können.”

Dabei könne es auch hilfreich sein, den neuen Partner an der Trauerarbeit teilhaben zu lassen, sich also gemeinsam hinzusetzen und über den geliebten Menschen zu sprechen.

Letztendlich tickt beim Thema Liebe jeder anders. Und auch mit der Trauer verhält es sich so. Shalini Bhalla-Lucas stellt fest, Trauer “ist zwar universell, dabei bleibt sie aber immer auch etwas sehr persönliches.”

Bhalla-Lucas hat ein Buch über ihre eigenen Erfahrungen geschrieben. Obwohl sie im Moment mit niemandem zusammen ist, gibt sie die Hoffnung nicht auf. Im Gegenteil: “Was ich aus meiner Erfahrung ziehe, ist, dass ich den Mut habe, den Wunsch habe, und am allerwichtigsten ein offenes Herz habe, um wieder zu lieben. Und ich denke, das ist wirklich wichtig.”

“Jeden einzelnen Tag trauere ich um Jeremy. Ich werde mich nie ganz von ihm verabschieden, aber ich werde auch nach vorne blicken und weiterleben.” 

Dieser Artikel ist zuerst auf HuffPost UK erschienen und wurde von Viktor Weiser aus dem Englischen übersetzt.

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Chaos in London: Brexit-Alternativen scheitern, May droht mit Rücktritt

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Totales Brexit-Chaos in London: Die britische Premierministerin Theresa May will im Falle einer Zustimmung für das Brexit-Abkommen ihr Amt vorzeitig abgeben.

Das sagte May am Mittwoch vor einer Gruppe von konservativen Abgeordneten in London. Kurz darauf lehnte das Parlament am Abend alle acht vorgelegten Alternativvorschläge für den mit Brüssel ausgehandelten Deal ab.

Wie geht es jetzt weiter? Die wichtigsten Fragen – auf den Punkt gebracht.

1. Welche Folgen Mays Rücktritts-Drohung hat:EU-Parlament stimmt für Abschaffung der Zeitumstellung im Jahr

May hatte am Mittwoch angekündigt, im Falle einer Zustimmung ihr Amt vorzeitig abzugeben. Sie hoffte damit, ausreichend viele Gegner in ihrer eigenen Partei zur Unterstützung ihres Deals zu bewegen.

Britische Medien sprachen von der “letzten Karte”, die May gespielt habe, vom “Endspiel” in ihrem Amt oder gar von einem “Totengeläut”.

Doch die Rechnung scheint nicht aufzugehen: Ihre Verbündeten von der nordirischen DUP gaben der Regierungschefin erneut einen Korb.

Sie kündigten an, gegen das Abkommen zu stimmen. May werden damit kaum Chancen eingeräumt, wenn sie den Deal – voraussichtlich am Freitag – dem Parlament erneut zur Abstimmung vorlegen sollte.

2. Welche Optionen es sonst noch gibt:EU-Parlament stimmt für Abschaffung der Zeitumstellung im Jahr

Doch auch für Alternativen scheint es im Parlament keine Mehrheit zu geben. Bei Abstimmungen über acht Brexit-Optionen lehnten die Abgeordneten am Mittwoch mehrere Varianten einer engeren Anbindung an die EU ebenso ab wie ein zweites Referendum oder einen Austritt ohne Abkommen.

Am besten schnitt noch die erneute Volksabstimmung mit 268 Ja-Stimmen ab. Für eine Zollunion mit der EU sprachen sich 264 Parlamentarier aus.

Den Brexit-Deal der Premierministerin hatten zuletzt gerade einmal 242 Abgeordnete unterstützt.

3. Wei die Abstimmung am Mittwoch ablief:EU-Parlament stimmt für Abschaffung der Zeitumstellung im Jahr

Für die Abstimmungen hatten Abgeordnete der Regierung zeitweise die Kontrolle über die Tagesordnung im Unterhaus aus der Hand genommen.

Mit den “indicative votes” wollte das Parlament ausloten, für welche Optionen es eine Mehrheit gibt – doch die zerstrittenen Abgeordneten kamen keinen Deut voran.

Sie haben sich auch den kommenden Montag für ihre Zwecke reserviert, dann soll es weitere Abstimmungen geben.

4. Was das Problem mit einer weiteren Abstimmung über Mays Brexit-Deal ist:EU-Parlament stimmt für Abschaffung der Zeitumstellung im Jahr

Parlamentspräsident John Bercow könnte May erneut einen Strich durch die Rechnung machen: Er stellte eine weitere Abstimmung über das Abkommen infrage.

Bercow erinnerte die Regierung daran, dass nur substanzielle Änderungen an dem Deal eine weitere Abstimmung rechtfertigen können.

Er hatte vergangene Woche für Aufsehen gesorgt, als er eine erneute Abstimmung über das Abkommen unter Berufung auf eine 415 Jahre alte Regel zunächst ausschloss. Kritiker werfen ihm Parteilichkeit zugunsten der EU-freundlichen Abgeordneten vor.

Brexit-Minister Stephen Barclay sagte, das Abstimmungsergebnis zu den Alternativvorschlägen im Parlament habe gezeigt, dass der mit der EU ausgehandelte Deal immer noch “die beste Option” sei.

5. Was passiert, wenn er drittes Mal scheitert:EU-Parlament stimmt für Abschaffung der Zeitumstellung im Jahr

Doch was bleibt, sollte der auch ein drittes Mal scheitern? Eine erneute Verlängerung der Austrittsfrist wäre wohl nur mit einer Neuwahl oder einem zweiten Referendum zu rechtfertigen.

Und Mays potenzielle Nachfolger scharren bereits mit den Hufen. Neben Vizepremier David Lidington und Umweltminister Michael Gove gehören dazu nach britischen Medienberichten auch der exzentrische Ex-Außenminister Boris Johnson, der frühere Brexit-Minister Dominic Raab, Außenminister Jeremy Hunt, der ehrgeizige Innenminister Sajid Javid, Gesundheitsminister Matt Hancock und Arbeitsministerin Amber Rudd. Selbst dem umstrittenen früheren Brexit-Minister David Davis werden Chancen eingeräumt.

6. Wie sich die EU verhält:EU-Parlament stimmt für Abschaffung der Zeitumstellung im Jahr

Ursprünglich sollte Großbritannien schon an diesem Freitag die EU verlassen. Brüssel bot London kürzlich eine Verschiebung des Brexits bis zum 22. Mai an.

Bedingung dafür ist aber, dass das Unterhaus dem Austrittsvertrag noch in dieser Woche zustimmt. Andernfalls gilt die Verlängerung nur bis zum 12. April. In dem Fall soll London der EU vor diesem Termin sagen, wie es weitergehen soll.

Sollte Großbritannien ohne Abkommen aus der Staatengemeinschaft ausscheiden, wird mit dramatischen Folgen für die Wirtschaft und viele andere Lebensbereiche gerechnet.

Diese Option fand zwar am Mittwoch nur geringe Zustimmung, doch sie bleibt die automatische Folge, sollte sich das Parlament nicht für etwas anderes entscheiden.

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(vw)

Bericht: Spahn warnt vor Brexit-Folgen für medizinische Versorgung

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►  Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) befürchtet nach einem Medienbericht im Fall eines ungeordneten Brexits Versorgungsprobleme bei wichtigen Medizinprodukten.

► Unter anderem geht es um sogenannte In-Vitro-Diagnostika, mit denen beispielsweise Blutspenden auf Krankheiten wie HIV getestet werden.

► “Ich befürchte, dass auch in Deutschland spätestens ab Mitte April 2019 die Versorgung der Patientinnen und Patienten mit Blutprodukten gefährdet sein kann”, warnte er in einem Brief an die EU-Kommission, der dem “Handelsblatt” vorliegt.

Warum die Nachricht wichtig ist:EU-Parlament stimmt für Abschaffung der Zeitumstellung im Jahr

Viele europäische Hersteller haben ihre Medizinprodukte in Großbritannien zugelassen.

Bei einem EU-Austritt des Landes ohne Abkommen würden von britischen Prüfinstituten ausgestellte Bescheinigungen in der EU ungültig.

Was Spahn noch sagte:EU-Parlament stimmt für Abschaffung der Zeitumstellung im Jahr

“Bei einem ungeregelten Brexit ist ohne die Verständigung auf praktikable Verfahrensweisen davon auszugehen, dass zehntausende Medizinprodukte ihre formelle Verkehrsfähigkeit in der EU-27 verlieren und damit auf dem europäischen Markt nicht mehr zur Verfügung stehen”, zitiert das Blatt weiter aus Spahns Brief.

Er regt demnach unter anderem an, eine Übergangszeit von zwölf Monaten zu schaffen, in der betroffene Hersteller ihre Produkte unter Auflagen weiter vertreiben dürften.

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"Wenn du so weitermachst, bist du bald tot": Wie ein brutaler Diktator seine Kritiker in Berlin jagt

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Es grenzt an ein Wunder, dass Asan Chadschijew noch lebt. Eigentlich war für ihn das gleiche Schicksal vorgesehen wie für viele seiner Verwandten: Er sollte sterben.

Männer kamen eines Nachts und schlugen seinen beiden Neffen die Schädel ein. Sie hatten sich im Wald versteckt, doch die schwarz gekleideten Schergen jagten sie, töteten sie und verscharrten ihre Leichen in der Erde.

kadyrow schergen

 Der hochgewachsene Chadschijew mit dem ergrauten Bart ist Tschetschene und wie seine toten Neffen hat er es gewagt, sich dem tschetschenischen Präsidenten und Putin-Freund Ramsam Kadyrow entgegen zu stellen. Ein fataler Fehler.

Er floh vor vier Jahren nach Berlin. Dort lebt er seitdem - in Sicherheit, dachte er. Fernab des Landes, das seit 25 Jahren unter der russischen Repression leidet. Doch dann hörte er angsteinflößende Geschichten. Andere Tschetschenen bekamen vor ihren Berliner Wohnungen unangenehmen Besuch. Wurden bedroht.

Männer bedrohten die Aktivistin Rubati Midsajewa auf offener Straße in Berlin

Chadschijew ahnt, wer dahinter steckt: Kadyrow. “Seine Leute machen uns Angst”, sagt er. Er erklärt, dass immer mehr darauf hindeutet, dass der tschetschenische Präsident, der für seine Brutalität bekannt ist, seine Widersacher nun auch in Berlin verfolgt.

Vor kurzem wurde die Aktivistin Rubati Midsajewa auf offener Straße in Berlin massiv bedroht: Sie kam aus ihrer Wohnung, als zwei Männer aus einer Hausecke auf sie zustümten, einer von links, einer von rechts. “Wenn du so weiter machst, wirst du nicht mehr lange leben”, sagten sie und verschwanden.

So erzählt es zumindest Ekkahard Maaß, dessen Literarischer Salon am Prenzlauer Berg in Berlin in den vergangenen Jahrzehnten zum Zufluchtsort für Tschetschenen geworden ist. Die Tschetschenen in Berlin sind sich sicher, dass die Männer von Kadyrow hinter dieser Aktion stecken.

maass

 Seit der heute 39-jährige Kadyrow 2008 in Tschetschenien zum Präsidenten gewählt wurde, geschieht dort de facto alles im Sinne des Kreml. Kein Wunder also, dass auch Regime-Gegner plötzlich verschwinden.

Putins Name taucht in diesen Fällen nie auf, doch jeder weiß, wie nah sich die beiden Präsidenten sind und wie sehr sich Putin für Kadyrows Wahl zum Präsidenten eingesetzt hat.

Zunächst starben Kadyrow-Kritiker nur in Tschetschenien selbst. Doch 2009 erschossen Unbekannte in Wien Kadyrows ehemaligen Leibwächter, Umar Israilov, auf offener Straße. Israilov hatte sich gegen den Präsidenten gewendet und war nach Österreich geflohen. Der Fall sorgte auch über die Grenzen Österreichs hinaus für Aufsehen.

Kadyrow schleust seine Leute offenbar als vermeintliche Flüchtlinge nach Berlin

In Deutschland sind bislang offiziell noch keine solchen Morde geschehen. Menschen, die vor Kadyrow geflohen sind, gibt es viele in Berlin. Maaß kennt viele von ihnen. Er hilft ihnen, Asyl zu beantragen und in Deutschland klarzukommen. Wenn sie Probleme haben, vermittelt er ihnen Anwälte.

Er ist sich sicher: Mindestens zwei von Kadyrows Vertrauten sind bereits nach Berlin gezogen. Bilder von ihnen zeigen sie vor dem Brandenburger Tor. Laut einem Bericht des “Deutschlandfunk” sind sie offiziell als Flüchtlinge gekommen, reisen aber regelmäßig nach Tschetschenien, treffen sich dort mit dem Präsidenten und lassen sich mit ihm fotografieren.

Ein weiterer Draht Kadyrows nach Deutschland ist nach den Worten von Maaß Timur Doguzaev. Er organisiert Boxwettkämpfe und leitet den Sportclub Akhmat Promotion. Kadyrow und er scheinen sich gut zu kennen, Doguzaevs Instagram-Profil ist voll mit Bildern von ihm und dem Präsidenten.

adyrow (links) und Doguzaev (rechts)

Einer, der um sein Leben fürchtet, ist Murschid.

“In Tschetschenien war ich ein angesehener Anwalt. Ich habe gut verdient, hatte viele Klienten”, erzählt er. Sein Zertifikat hat er mitgenommen, doch das hat in Deutschland keinen Wert.

Warum er fliehen musste? Hier wird Murschid schmallippig. Es habe einen Konflikt gegeben mit einem hochrangigen Kadyrow-Mann. “Politische Gründe”, sagt er.

murschid

 Eben diese “politischen Gründe” trieben auch die Aktivistin Midsajewa aus ihrem Land. Sie floh vor dem Tschetschenienkrieg 1996 nach Deutschland. Über ein Jahr war sie in russischer Gefangenschaft, wurde brutal gefoltert.

Die meisten Tschetschenen, die nach Deutschland kommen, haben das Grauen gesehen.

Maaß, bei dem auch Midsajewa Zuflucht suchte, weiß von all den Grausamkeiten, die man ihr angetan hat. “Im Krieg hat sie ein tschetschenisches Mädchen, das verwundet war, ins Krankenhaus gebracht und ihr zweijähriges Kind alleine in der Wohnung gelassen. Als sie zurückkam, war ihr Kind tot. Sie hatten es geköpft und an den Beinen an die Lampe gehängt.”

Im Gefängnis wurden ihr die Fingernägel ausgerissen und die Zähne ausgeschlagen.

Ganz oben auf der Liste der Kadyrow-Schergen steht auch der Schriftsteller Apti Bisultanow. Ekkehard Maaß hat seine Gedichte ins Deutsche übersetzt, die beiden sind gute Freunde.

Bisultanow ist der einzige noch lebende Dichter, der in der tschetschnischen Sprache schreibt und einer der wenigen Führer des Unabhängigkeitskampfes gegen Russland.

Offiziell kann keiner nachweisen, wer hinter den Drohungen steckt

Seit 1991, als sich die russische Republik Tschetschenien einseitig für unabhängig erklärte, setzt Russland alles daran, die abtrünnige Republik in ihren Vielvölkerstaat zurückzuholen.

“Wer genau hinter den Drohungen hier in Berlin steckt, weiß offiziell natürlich keiner so genau”, sagt Maaß.

Speziell im Fall des Schriftstellers Bisultanow bleiben aber nur wenig Zweifel. Ihm hat Kadyrow persönlich angedroht, ihn in einem metertiefen Loch in der Erde zu vergraben.

“Als ich ging, habe ich meinem Bruder gesagt: Wahrscheinlich komme ich nicht zurück”

Zurück in ihre Heimat wollen sie alle, doch das können sie nicht. Nicht so lange “diese Putin-Bande”, wie Chadschijew die Kadyrow-Leute im Gespräch mit dem “Deutschlandfunk” nannte, an der Macht ist.

Der breitschultrige Nasrudin mit der tiefen Stimme hat sich auf der Flucht ein bisschen Erde aus Tschetschenien mitgenommen. Manchmal legt er sich ein wenig davon auf die Zunge. “Die Heimaterde gibt mir Kraft”, sagt er.

nasrudin

Er hat große Sehnsucht nach seinem Land. Seit 16 Jahren ist Nasrudin nun schon in der Fremde. “Als ich ging”, sagt er langsam, “habe ich meinem Bruder gesagt: Wahrscheinlich komme ich nicht zurück.”

Deutschland, ein modernes Land? Was diese 10 Mütter erlebt haben, sollte uns alle nachdenklich machen

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“Wie kannst du deinen Kindern so etwas nur antun?”
“Es ist verantwortungslos, sie allein zu lassen.” 
“Du Rabenmutter.”

Deutschland ist ein modernes, fortschrittliches Land, könnte man denken. Doch für viele Menschen fühlt sich das nicht so an.

Frauen können in vielen Fällen das erreichen, was sie wollen - bis sie ein Kind bekommen. Ab da sehen sie sich einer Vielzahl von Fragen ausgesetzt:

Soll ich wieder arbeiten gehen? Und wenn ja, ab wann? Soll mein Kind schon mit einem Jahr in die Kita kommen? Erst später? Oder gar nicht?

Und vor allem: Was werden die anderen von mir denken? Bin ich eine schlechte Mutter?

Veraltetes Bild, wie eine Mutter sich zu verhalten hat

Sogar die “New York Times” stellte kürzlich fest, dass Deutschland ein merkwürdiges Verhältnis zu arbeitenden Müttern habe. Das zeige sich schon in der Sprache: Ausdrücke wie “Rabenmutter” gebe es in anderen Ländern nicht.

Wie rückständig Deutschland ist, zeigen auch die Erfahrungen, über die zehn Mütter in der HuffPost berichten.

Einige wollten früher als andere in den Job zurückkehren. Andere beschlossen, diesen Schritt aus finanziellen Gründen zu gehen. Wieder andere mussten sich dafür kritisieren lassen, dass sie überhaupt arbeiten. Und einige entsprechen aus anderen Gründen nicht dem Klischee der perfekten Mutter.

Allen gemeinsam ist: Was diese Mütter erlebten, löst Kopfschütteln aus. Das sind ihre Geschichten.

Susanne Sippl (34), Leiterin eines Sanitätshauses, ein Kind

susanne sippl

Susanne Sippl hat sich für den extremen Weg entschieden: Sie ist bereits acht Wochen nach der Geburt ihres Kindes in ihren Job zurückgekehrt. Der Grund: Mit dem Sanitätshaus leitet sie ein mittelgroßes Unternehmen, während ihrer Abwesenheit eine zweite Führungskraft einzustellen, war nicht möglich.

“Und den Betrieb zu lange herrenlos zu lassen, wäre fatal gewesen”, sagt sie.

Seitdem muss sie sich jeden Tag feindselige Kommentare anhören. “Ich hätte nie gedacht, dass Mütter untereinander so grausam sein können”, sagt die Unternehmerin.

“Am meisten verletzen mich Bemerkungen wie ‘Naja, dann brauchst du ja gar keine Kinder kriegen’. Das kränkt mich sehr.”

Als Mutter habe man immer ein schlechtes Gewissen, egal für welchen Weg man sich entscheide. “Und solche Sätze treffen genau den wunden Punkt - bei jeder Mutter.”

Sandra Dibbern (44), Flugbegleiterin, ein Kind

sandra dibbern

Die Flugbegleiterin Sandra Dibbern bekam ihre Tochter mit 31 Jahren. Nach zwei Jahren kehrte sie in den Job zurück - in Teilzeit. Aus finanziellen Gründen, aber auch, weil sie ihren Job mochte.

“Doch plötzlich musste ich mir viele seltsame Kommentare anhören”, erinnert sie sich. “Wie kannst du nur diesen Job machen?”, sagten ihre Bekannten zu ihr. “Du musst doch bei deinem Kind sein? Wenn etwas passiert, sitzt du gerade im Flugzeug und kannst nicht zu deiner Tochter.”

Dass es auch noch den Vater gab und seine Familie sogar in der Nähe wohnte, habe niemanden interessiert, sagt sie. “Ich war der Buhmann.”

Inzwischen ist Sandra Dibbern alleinerziehend und die Vorwürfe sind nicht weniger geworden. “Viele Bekannte schütteln den Kopf, weil ich mich als Mutter von meinem Mann getrennt habe. Sätze wie ‘Du musst doch die Familie zusammen halten’ höre ich oft.”

Ihre Antwort darauf: “Nein, das muss ich nicht.”

“Ich will nicht nur Hausfrau und Mutter sein, sondern auch eine erfolgreiche Frau”, sagt sie. Das aber sei in unserer Gesellschaft immer noch verpönt, findet die 44-Jährige. “Eigentlich leben wir wie in der Steinzeit – der Mann geht jagen und die Frau hütet die Familie. Das muss sich ändern. Wir Frauen müssen uns einfach stärker machen. Denn emanzipiert sind wir noch lange nicht.”

(Sandra Dibbern hat ihre Geschichte auch in einem ausführlichen Blog für uns aufgeschrieben. Ihr findet ihn hier.)

Stephanie Leienbach (37), Geschäftsführerin “Müttermagazin”, ein Kind

stephanie leienbach

Ähnlich die Geschichte von Stephanie Leienbach. Die 37-Jährige muss sich vorwurfsvolle Blicke gefallen lassen, seit sie ihr Kind mit eineinhalb Jahren in die Kita gegeben hat. “Bei jedem Kaffeeklatsch wurde ich mitleidig gefragt, ob ich denn ‘wieder so viel gearbeitet’ hätte und wie ‘das Kind das denn verkrafte’”, sagt sie.

Irgendwann sei sie das leid gewesen und habe diese Unterhaltungen gemieden. “Ich hab immer gearbeitet, seit ich 19 Jahre alt war und mir fehlte einfach der Austausch mit den Kollegen.”

Ihre Tochter ist heute viereinhalb Jahre alt. Geschadet habe ihr die Berufstätigkeit ihrer Mutter nicht, ist Stephanie Leienbach sicher. “Sie hat sich hervorragend entwickelt, hat keine Bindungsprobleme, geht gerne in die Kita.”

Und auch sie selbst ist zufrieden. “Ich bin ausgeglichen und genieße die Zeit als Mutter genauso wie die Zeit als selbstständige Geschäftsfrau. Eine Rabenmutter bin ich in den Augen der anderen dennoch.”

Katie Ritson (37), wissenschaftliche Mitarbeiterin an der LMU München, drei Kinder

katie ritson

Als Katie Ritson für zwei Monate beruflich nach Norwegen ging und die Kinder (damals drei und sechs Jahre alt) bei ihrem Mann ließ, fingen die Vorwürfe an.

“Was mich fast mehr nervt als die Anschuldigung, dass ich meine Kinder nicht genug liebe, mich nicht genug für sie aufopfere, ist die gleichzeitige Entwertung der Erziehungsarbeit meines Mannes”, sagt sie. “Ich lasse meine Kinder nicht allein, sondern bei einem anderen gleichwertigen Elternteil, der sie ebenfalls bedingungslos liebt und sich um sie kümmert.”

Die Unimitarbeiterin findet: Kinderfragen werden immer noch viel zu stark in Bezug auf ihre Mütter diskutiert und nicht in Bezug auf ihre Eltern.

(Katie Ritson hat auch einige Beiträge zum Thema Bildung für uns geschrieben. Ihr findet sie hier.)

Marsha Kömpel (36), PR-Beraterin und Social-Media-Managerin, zwei Kinder

marsha kömpel

Wenn Marsha Kömpel ihre Söhne von der Kita abholte, bekam sie Sprüche zu hören wie “Ach der Kleine, das muss doch nicht sein”. Ihre Kinder sind heute drei und sieben Jahre alt, beide hat sie mit 15 Monaten in Betreuung gegeben.

“Für mich wäre das Mamaleben zu einseitig und langweilig”, sagt sie. “Ich brauche auch ‘echte’ Menschen um mich herum. Menschen, mit denen ich über andere Sachen als über Kinder sprechen kann.”

Die 36-Jährige beobachtet in ihrem Umfeld einen Trend: “Viele Frauen kündigen ihre Jobs und wollen wieder Vollzeitmutter sein.”

Der Grund? Sie glaubt, dass manche Mütter der Mehrfachbelastung nicht gewachsen sind. “Haushalt und Co. bleiben meistens an uns hängen. Das kann dann schon ziemlich anstrengend werden.”

Sie will trotzdem weiter arbeiten. “Mein Mann ist ja auch noch da. Außerdem sehen meine Jungs dann, dass zum Elternsein zwei Menschen gehören - Mutter und Vater.”

Lydia Zoubek (49), Bloggerin und ehemalige Fachkraft für Telefonmarketing, zwei Kinder

lydia zoubek

Lydia Zoubeks Fall ist ein bisschen spezieller als bei den meisten anderen Müttern. “Ich bin blind. Und ich bin Mutter. Für viele Menschen passt das nicht zusammen. Und nicht nur das: Ich bin blind, ich bin Mutter und ich arbeite.”

Spätestens jetzt seien die meisten Menschen fassungslos, sagt sie. “Wie kann die nur?”, empörten sie sich. “Als blinde Frau Kinder in die Welt setzen und sie dann auch noch allein lassen?”

Doch für Lydia Zoubek kam nie in Frage, ihren Job im Telefonmarketing aufzugeben. “Ich bin sehr früh wieder arbeiten gegangen. Als meine Tochter ein Jahr alt war, wurde sie von einer Tagesmutter betreut.”

Oft habe sie Kommentare zu hören bekommen wie “Du hast doch nicht Kinder in die Welt gesetzt, damit du sie gleich wieder irgendwo abstellst”, erzählt sie.

“Ich habe das Gefühl, dass die arbeitende Frau, die arbeitende Mutter immer noch nicht in der Gesellschaft angekommen ist. Juristisch gesehen sind wir emanzipiert, aber in den Köpfen der Menschen ist das noch nicht verankert.”

(Ihre Erlebnisse hat Lydia Zoubek uns auch in einem ausführlicheren Blogbeitrag beschrieben. Hier gelangt ihr dorthin.)

Yvonne Lesner (31), Bloggerin bei “Mamas Daily”, ein Kind

yvonne lesner

Yvonne Lesner bekommt Gegenwind vor allem von anderen Müttern - aus der Krabbelgruppe zum Beispiel.

“Sie finden es seltsam, dass ich arbeite, obwohl mein Kind nicht in die Krippe geht. Sie fragen sich, wie das kindgerecht funktionieren kann.” Dabei passt seine Großmutter auf den Kleinen auf, wenn seine Mutter arbeitet.

“Ich bekomme ständig blöde Kommentare zu hören nach dem Motto: Wenn mein Sohn schon nicht in die Krippe geht, solle ich mich doch bitte auch 100 Prozent um ihn kümmern.”

Yvonne Lesner findet, dass die Deutschen sehr hinterwäldlerisch denken. “Insgeheim vertritt man immer noch die Meinung: Mutter bleibt zu Hause, sorgt für das Kind und steht hinter dem Herd. Unsere Gesellschaft muss gegenüber Müttern, die früh oder viel arbeiten, viel offener sein.”

Christine Finke (51), Autorin, drei Kinder

christine finke

Credit: Anna Gladkova

Christine Finke ist für viele ein Feindbild, die ein klassisches Familienbild propagieren. Sie ist alleinerziehende Mutter von drei Kindern, berufstätig und noch dazu politisch aktiv.

Sie glaubt, dass man als Mutter sowieso nur alles falsch machen kann. “Erst bekommst du zum falschen Zeitpunkt Kinder, dann gehst du zum falschen Zeitpunkt wieder arbeiten, und dein Erziehungsstil wird wahlweise mit Rabenmutter oder Helikoptermama kritisiert.”

Da sei es nur konsequent, dass Alleinerziehende erst recht nichts richtig machen können. “Die haben ja schon durch die bloße Trennung versagt: Wenn sie verlassen wurden, konnten sie den Mann nicht halten, wenn sie ihn selbst verließen, war das eine leichtfertige, egoistische Entscheidung, und egal, wieviel Mühe sie sich geben, an ihnen und den Kindern klebt immer noch ein Makel.”

Tanja Bräutigam (44), Sporttherapeutin und Autorin von “5 Wochen Rabenmutter”, zwei Kinder

tanja bräutigam

Bei Tanja Bräutigam sieht das Ganze völlig anders aus. Auch sie entspricht nicht dem Bild der perfekten Mutter - doch aus einem ganz anderen Grund. Als ihre beiden Kinder klein waren, hatte sie einen Burnout.

Vorher war sie finanziell unabhängig gewesen, hatte für die Kinder aber ihren Job aufgegeben. Ihr Mann war beruflich viel unterwegs, sie fühlte sich allein gelassen.

“Ich konnte nicht mehr schlafen, bekam Panikanfälle”, erinnert sie sich. “Ich begann eine Therapie und war fünf Wochen von meinen Kindern getrennt. Ich fühlte mich wie eine Rabenmutter.”

Die gesellschaftlichen Erwartungen an Frauen und Mütter hätten bei ihrem Zusammenbruch eine große Rolle gespielt, da ist sie sicher.

“Man bekommt häufig gerade von der älteren Generation zu hören ‘Mein Mann hat auch nie was getan, wir mussten unsere Kinder schon um zwölf aus dem Kindergarten holen und haben das doch auch alles geschafft’.”

Die Älteren könnten oft nicht nachvollziehen, wieviel mehr die jüngere Generation zu stemmen habe. “Studium, in einen Beruf hineinfinden, finanzielle Probleme. Heute führen wir ein ganz anderes Leben als damals, wo man wusste: Ich habe nun für 40 Jahre diesen Job, diese Rollenverteilung und damit auch Sicherheit.”

(Mehr zur Geschichte von Tanja Bräutigam könnt ihr hier in ihrem Blogbeitrag lesen, der bei uns erschienen ist.)

Annette Loers (46), Kulturmanagerin, zwei Kinder

annette loers

Credit: Karin Fiedler

Für Annette Loers fühlt sich das Leben an wie ein ständiger Spagat zwischen den Kindern und dem Job. Seit sieben Jahren lebt sie mit ihren Kindern (10 und 12 Jahre) allein und ist als Kulturmanagerin voll berufstätig.

“Meistens kann ich mir einteilen, wann ich arbeite”, sagt sie. “Es ist trotzdem wahnsinnig anstrengend, denn so gut wie alle wichtigen Termine finden dann statt, wenn die Schule aus ist und die Kinder zu Hause sind.”

Ihr ständiges Dilemma: “Allzu oft lasse ich die Kinder allein und ebenso oft lasse ich Arbeit liegen.”

Kinder bräuchten gemeinsam verbrachte Zeit, und zwar mehr als die wertvoll aufgeladenen 15 Minuten am Abend. “Ich soll arbeiten, als ob ich keine Kinder hätte, und umgekehrt für meine Kinder da sein, als ob ich nie arbeiten müßte. Das funktioniert nicht.”

Annette Loers großes Anliegen: “Ich will nicht meine Kinder, meinen Job und mich um die gesellschaftlichen Verhältnisse drumherum drapieren. Ich will, dass Familien ohne weitere Erwähnung mitgedacht werden. Ich will keine Rücksicht und keine Geschenke, ich will einfach keine Behinderung meines wichtigsten ‘Jobs’: intelligente und gut ausgebildete Menschen zu erziehen, die in 20 Jahren für uns arbeiten gehen und diese Gesellschaft weiter tragen.”

Arbeit und Familie zufriedenstellend vereinbaren? Für die meisten nicht möglich

Die Geschichten all dieser Mütter zeigen: Nicht nur sind die Erwartungen an Frauen mit Kindern in unserer Gesellschaft absurd hoch und haben wir ein seltsames Bild davon, wie Mütter sich zu verhalten haben.

Auch die Strukturen sind noch längst nicht so, dass es Müttern gelingen könnte, Arbeit und Familienleben zufriedenstellend zu vereinen: Unternehmen sind nicht flexibel genug, was etwa Arbeitszeitmodelle angeht und der Staat stellt zu wenig Betreuungseinrichtungen zur Verfügung.

Die Folge: junge, ehrgeizige, motivierte Frauen, die sobald sie Mutter werden, in einem Strudel aus eigener Verzweiflung und Verachtung von außen gefangen sind.

Studie: Deutschland schneidet bei Digitalisierung besser ab als gedacht

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► Deutschland steht in Sachen Digitalisierung im internationalen Vergleich laut einer Studie deutlich besser da, als die Menschen hierzulande glauben.

► Nur etwa ein Viertel der mehr als 5000 hierzulande befragten Menschen sehen demnach Deutschland im stabilen Mittelfeld, knapp 40 Prozent im unteren Drittel und fast ein Viertel sogar in der Schlussgruppe.

► Dabei liege Deutschland im Ranking unter 118 Ländern ganz klar in der Spitzengruppe, wie aus einer aktuellen Studie des Netzwerkspezialisten Cisco und des Marktforschungsunternehmens Gartner hervorgeht.

► Nur die USA, die Schweiz, Singapur, die Niederlande und Großbritannien hätten höhere Werte erzielt.

Die Studie im Detail:EU-Parlament stimmt für Abschaffung der Zeitumstellung im Jahr

Für den internationalen Vergleich griff die Studie auf standardisierte Daten etwa von den Vereinten Nationen, der Weltbank oder dem Weltwirtschaftsforum zurück.

Anhand von sieben Kategorien, darunter technologische Infrastruktur, Fachkräfte- und Weiterbildungssituation, Investitionen von Unternehmen und Staat sowie allgemeiner Lebensstandard, wurde die Rangfolge ermittelt.

Besonders gut schneide die Bundesrepublik dabei bei den Lebensstandards und den allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ab, berichtete Cisco am Donnerstag. Bei der Bewertung des Umfelds für Start-ups und der technologischen Infrastruktur liege die Bundesrepublik in der Mitte der Skala.

Welche Bundesländer vorne liegen:EU-Parlament stimmt für Abschaffung der Zeitumstellung im Jahr

Die höchsten Werte erzielten bei der Cisco-Messung dabei Baden-Württemberg, Bayern, Berlin und Hamburg. Überdurchschnittlich schnitten die Länder etwa in der Kategorie Fachkräfte-Weiterentwicklung ab.

Während Bayern und Baden-Württemberg besonders gut bei Lebens- und Wirtschaftsstandard punkten, liegen Hamburg und Berlin durch ihr Ökosystem für Start-ups vorn. Die niedrigsten Werte erhielten das Saarland, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern.

Hier gab es vor allem schlechtere Werte in den Kategorien Investitionen und Start-up-Umgebung.

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Der Traum vom eigenen Zuhause: 9 Ideen, mit denen Wohnen endlich bezahlbar werden soll

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Es gibt kaum ein Thema, das Großstädter so sehr in Rage versetzt wie der teure Wohnraum. Eine eigene Wohnung, geschweige denn ein eigenes Haus, ist für die meisten in unerreichbarer Ferne.

Derweil steigen die Preise für Wohneigentum weiter, sogar noch deutlich stärker als die Mietpreise. Das zeigte erst vor wenigen Tagen eine detaillierte Kaufauswertung mehrerer Onlineportale, die die “Welt” in Auftrag gegeben hatte.

Was also tun? Resignieren und sich damit abfinden, dass man sich niemals eigenen Wohnraum in einer Stadt oder zumindest in der Nähe davon leisten können wird?

Neue nachhaltige Wohnmodelle entstehen auf der ganzen Welt

Oder nach alternativen Ideen suchen? Nach neuen Konzepten, die Wohnen erschwinglich machen und nebenbei auch noch innovativ und nachhaltig sind?

Genau das geschieht derzeit so intensiv wie lange nicht mehr. Auf der ganzen Welt sind Architekten, Ingenieure und Künstler dabei, ihre Ideen zu verwirklichen.

Im Folgenden wollen wir euch einige dieser Projekte vorstellen. Die meisten von ihnen sind schon so weit, dass sie in die Realität umgesetzt werden und ihre Praxistauglichkeit beweisen konnten. Andere wiederum zeigen zumindest, was in Zukunft alles möglich sein könnte.

Vielleicht ist ja auch die ein oder andere Idee dabei, von der ihr euch inspirieren lassen wollt.

1. Big World Homes

big world homesDer australische Architekt Alex Symes hat ein Wohnkonzept entwickelt, das wirklich zu den Ansprüchen junger Städter passen und dabei auch noch bezahlbar sein soll. Das 14-Quadratmeter-Haus funktioniert nach dem Ikea-Prinzip.

Einfach und ohne Vorkenntnisse soll es jeder mit Hammer und Nägeln innerhalb zwei Tagen selbst aufbauen können. Im Internet bestellt werden die Bauteile der Mini-Häuser auf einem Anhänger geliefert.

Kosten: Rund 65.000 australische Dollar (umgerechnet rund 44.000 Euro). Und wer umzieht, kann sein Häuschen wieder zusammenpacken und an einem anderen Ort erneut aufbauen.

2. Das Nexus Haus

hausNexus Haus ist ein sogenanntes Plusenergiehaus. Das heißt, es erzeugt mehr Strom, als seine Bewohner verbrauchen. Es besteht fast vollständig aus nachhaltigen Materialien und kann Wasser effizient aufbereiten.

Entworfen haben das Nexus Haus Studenten der Technischen Universität München und der University at Austin.

Derzeit wird das Haus in der texanischen Stadt Austin getestet. Von da aus soll es eines Tages in die ganze Welt verkauft werden - zu einem Preis, den sich jeder leisten kann.

3. Conceptos Plásticos

Das kolumbianische Startup Conceptos Plásticos bekämpft mit seiner Idee gleich zwei große gesellschaftliche Probleme: die Wohnungsnot und die immer höher wachsenden Plastikberge, die unseren Planeten überschwemmen.

Die Unternehmer verwenden Plastik und produzieren daraus Lego-ähnliche Blöcke, aus denen wiederum Häuser gebaut werden können.

In Lateinamerika, wo inzwischen 80 Prozent der Bevölkerung in Städten wohnt, können die Menschen mit dieser Methode ganz einfach ihre Behausungen selbst errichten. Wenn das Haus steht, haben sie gerade einmal 5200 US-Dollar (knapp 5000 Euro) ausgegeben.

Und die Idee ist nicht nur für Kolumbien oder Südamerika interessant. Auch für Europa kann die alternative Bauweise Vorbild sein.

4. “Crowd building”

haus

Das französische Architekturbüro Périphériques Architectes entwarf die neue Bauweise als Lösungsansatz, um Wohnen in Paris wieder erschwinglich zu machen.

“Crowd building” ist die Idee, eine Ansammlung zu schaffen aus unterschiedlich großen und auch vom Stil her unterschiedlichen Bauwerken. Entstehen soll das Ganze, indem Städter ihr Geld zusammenlegen, um so ihre Vorstellung umzusetzen, wie ein Stadtviertel auszusehen hat.

Obwohl der Entwurf beim Wettbewerb Reinventer Paris nicht als Gewinner hervorging, zeigt er, was möglich sein kann, wenn man die Entwicklung von neuem Wohnraum in die Hände von Städtern selbst gibt.

5. Tiny 100 

tiny100

Dass auch in Berlin Wohnraum nicht unbedingt teuer sein muss, beweist der deutsche Architekt Van Bo Le-Mentzel: In Berlin-Kreuzberg steht schon das erste Haus, das für 100 Euro im Monat gemietet werden kann.

Die 100-Euro-Wohnung, genannt Tiny 100, bietet eine Fläche von 6,4 qm - doch es beherbergt jeglichen Komfort auf kleinstem Raum: Bad, Bett, Schreibtisch und Küche sind eingebaut. Sogar Strom, Internet und Heizung sind im Mietpreis inbegriffen.

Die 100-Euro-Wohnung kann man in Berlin schon besichtigen. “Die meisten Leute denken zuerst: Das ist doch viel zu klein”, sagt Le-Metzel der Huffington Post. “Nach der Besichtigung sind sie aber umgestimmt und sehr enthusiastisch.”

2017 startet schon das erste Pilotprojekt, in dem unter anderem der deutsche Minimalist Joachim Klöckner ein ganzes Jahr in einer der 100-Euro-Wohnungen verbringen wird.

“Dadurch wollen wir zum einen herausfinden, wie sich die Probanden in der Zeit fühlen, und zum anderen wollen wir beweisen, dass der Wohnraum eben nicht zu klein ist, sondern eine echte Alternative darstellt”, erklärt der Architekt.

Solche Minihäuser gibt es inzwischen eine ganze Reihe. Die meisten von ihnen kosten unter 50.000 Euro.

6. Hausboote 

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kahn2

Wenn der Platz auf dem Land zu knapp wird, baut man eben im Wasser. Das dachte sich auch der italienische Designer Marco Monterzino und entwarf mit seinem Hausboot namens Liz eine erschwingliche Wohnmöglichkeit.

Sein Hausboot ist ein umgebauter Kahn, der schon mehr als hundert Jahre alt ist und in London steht.

Auf dem Boot produziert Monterzino selbst Solarstrom und kann so bis zu zwei Wochen unterwegs sein, ohne an eine externe Stromquelle angeschlossen zu sein.

Ähnliche Wasserwohnungen entstehen auch in Amsterdam und anderen europäischen Städten.

7. Das 20.000-Dollar-Haus

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Über ein Jahrzehnt lang haben Architekturstudenten der Auburns University in Alabama daran gearbeitet, ein Haus zu erfinden, das sich auch jemand leisten kann, der unter der Armutsgrenze lebt und das gleichzeitig so aussieht, dass er auch tatsächlich darin wohnen möchte.

Herausgekommen ist ein Haus, dessen Baumaterialien nicht mehr als 20.000 Dollar kosten. 2016 wurden die ersten Prototypen in der Nähe von Atlanta gebaut, nun arbeiten die Studenten daran, das Konzept perfekt auszuarbeiten. Sobald das geschehen ist, werden sie den Bauplan öffentlich machen, sodass sich jeder das Haus nachbauen kann.

Wie realistisch es ist, dass ein solches Haus mitten in der Stadt steht, ist zwar fraglich, aber die Baukosten minimiert es zumindest massiv.

8. Schiffscontainer als Häuser

haus

Auch in Kopenhagen, das immer wieder zu einer der lebenswertesten Städte der Welt gewählt wird, geht der Wohnraum aus. Und wo bietet sich das Wasser als Ausweichraum mehr an als in der dänischen Hauptstadt?

Die Architekten von CPH Shelter bringen erschwingliches Wohnen zurück in die Stadt - in Form von schwimmenden Häuschen. Gefertigt sind diese aus recycelten Schiffscontainern, die nach Belieben zusammengebaut und erweitert werden können.

Dadurch können die schwimmenden Wohnungen praktisch überall auf der Welt aufgestellt werden, wo Städte ans Wasser grenzen.

9. Bogenförmige Hütten aus Stahl für unter 10.000 Euro 

kabinen

 Eine der günstigsten Optionen, wenn man ein Eigenheim möchte, aber nicht viel Geld hat, sind Hütten aus Stahl - Arched Cabins. Durch ihre Bogenform sind sie extrem stabil und können Wind bis zu einer Stärke von über 200 km/h trotzen.

Um die Kosten möglichst gering zu halten, werden sie als Selbstbau-Set verkauft, die innerhalb von drei Tagen zusammengebaut werden können. Die billigsten kosten gerade mal rund 1000 Euro (mit Versandkosten etwas mehr).

10 Gründe, warum wir die Impfgegner nicht gewinnen lassen dürfen

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Impfen oder nicht impfen: Kaum eine Debatte wird so aufgeregt, so emotional geführt wie die zwischen Impfgegnern und -befürwortern. Und das nicht erst seit der erneuten Ausbreitung von Masern in Deutschland.

In Foren werfen sie sich wüste Beschimpfungen an den Kopf, beschuldigen sich gegenseitig, ihre Kinder in den sicheren Tod zu schicken.

Dass Impfungen nicht in allen Fällen die beste Lösung sein müssen, ist unbestritten. Viele Impfgegner jedoch argumentieren mit völlig abstrusen Lügen, die bei Laien Angst schüren und die vielen Vorteile vom Impfen außer Acht lassen.

 

Zeit für ein paar Fakten.

1. Impfungen retten jedes Jahr mehrere Millionen Leben

Laut einer Studie von Schweizer Wissenschaftlern verhindern Impfungen gegen verbreitete Krankheiten wie Windpocken, Kinderlähmung, Masern oder Keuchhusten jedes Jahr schätzungsweise sechs Millionen Todesfälle.

 

2. Tödliche Krankheiten sind ausgerottet - dank Impfungen

Nur eine breite Verfügbarkeit von Impfstoffen hat möglich gemacht, dass es Krankheiten wie beispielsweise die Pocken nicht mehr gibt. Noch bis in die 60er Jahre starben daran jedes Jahr weltweit zwei Millionen Menschen.

Ende der 1940er Jahre, bevor Impfungen verfügbar waren, starben in Deutschland pro Jahr mehrere Tausend Menschen an Kinderkrankheiten wie Diphtherie, Keuchhusten oder Kinderlähmung. Allein in der BRD wurden laut Zahlen des Robert-Koch-Instituts zum Beispiel 1949 insgesamt 1122 Sterbefälle aufgrund einer Diphtherie registriert.

3. Die Wirksamkeit von Impfungen ist wissenschaftlich erwiesen

Eines der häufigsten Argumente von Impfskeptikern lautet, die Wirksamkeit von Impfungen sei nie belegt worden. Das stimmt nicht. In Deutschland kommen Mittel nur dann auf den Markt, wenn sie geprüft wurden. “Nach geltendem Arzneimittelrecht erhält ein Impfstoff nur dann eine Zulassung, wenn nachgewiesen ist, dass er auch wirksam und verträglich ist”, heißt es dazu auf der Homepage des Robert-Koch-Instituts.

4. Impfen führt nicht zu Autismus

Gerüchte über angebliche Nebenwirkungen von Impfungen halten sich hartnäckig im Netz - obwohl meist schon eine kurze Recherche ausreicht, um die Schreckensmeldungen zu entkräften.

So etwa die meist verbreitete Lüge, Impfungen könnten bei Kindern Autismus auslösen. Schuld an dem Gerücht ist der Mediziner Andrew Wakefield. Er veröffentlichte 1998 in dem renommierten Fachmagazin “Lancet” eine Studie, in der er Zusammenhänge zwischen einem Impfstoff gegen Masern, Mumps und Röteln und Autismus herstellte.

Bis heute werden seine Ergebnisse zitiert, obwohl bereits seit 2010 feststeht, dass die Studie auf gefälschten Daten basiert.

5. Impfstoffe überlasten das Immunsystem der Kinder nicht

Oft heißt es, das Immunsystem sei bei Kindern noch nicht stark genug für Impfstoffe. Laut dem RKI gibt es aber keinerlei Hinweise darauf, dass Impfungen die Immunabwehr überlasten. Auch bei Mehrfachimpfungen ist das nicht der Fall.

“Tatsächlich setzt sich das kindliche Immunsystem, das für diese Aufgabe gut gerüstet ist, tagtäglich mit einer vielfach größeren Menge von Antigenen auseinander, als dies bei Impfungen der Fall ist”, schreiben die Experten.

6. Der natürliche Nestschutz durch die Mutter ersetzt keine Impfung

Bereits eine Schwangere überträgt über den Blutkreislauf Antikörper zum Schutz gegen bestimmte Infektionen auf ihr ungeborenes Kind, das ist richtig. Die Muttermilch gibt dem Baby weitere Abwehrstoffe mit.

Dieser sogenannte Nestschutz sei aber nur in den ersten Lebensmonaten eine Stütze für das Kind, warnt das RKI. Danach sei das kindliche Immunsystem auf sich selbst gestellt. Außerdem helfe der Nestschutz nur bei bestimmten Infektionskrankheiten.

Und: “Die Mutter kann Antikörper nur gegen solche Krankheiten weitergeben, die sie selbst durchgemacht hat oder gegen die sie geimpft wurde – und auch nur dann, wenn bei ihr die Konzentration der Antikörper gegen den betreffenden Erreger noch ausreichend hoch ist.”

7. Wenn Kinder die Krankheit durchmachen, ist das nicht besser als eine Impfung

Ebenfalls ein häufiges Argument von Impfgegnern. Einige Eltern berichten von Entwicklungssprüngen, die ihre Kinder gemacht hätten, nachdem sie eine Infektionskrankheit wie Masern überstanden hätten. Sie schließen daraus, dass sich Kinder, die nicht geimpft sind, schneller und gesünder entwickelten als geimpfte Kinder.

Dazu schreibt das RKI: “Auch die Impfung selbst stellt für das Abwehrsystem einen Stimulus dar und trainiert das Immunsystem. Dementsprechend wäre es ausgesprochen überraschend, wenn geimpfte Kinder generell eine schwächere Konstitution besäßen oder über dauerhaft weniger Abwehrkräfte verfügten.”

8. Kinderkrankheit bedeutet nicht, dass die Krankheit harmlos ist

Viele Infektionen verlaufen harmlos und ohne Folgeschäden. Die Fälle, in denen es zu Komplikationen kommt, sind allerdings umso gravierender. Aktuelles Beispiel Masern: Bei ungefähr einem von 1000 Kindern, die an der Infektionskrankheit erkranken, entwickelt sich laut RKI eine Entzündung des Gehirns. Ärzte sprechen dann von einer Masern-Enzephalitis.

Die Folge können bleibende Hirnschäden sein. In manchen Fällen führt die Entzündung sogar zum Tod. Das Masernvirus schwächt außerdem das Immunsystem der Erkrankten, wodurch weitere Infektionen wie Lungen- oder Mittelohrentzündungen auftreten können.

Vor ähnlichen Folgen warnt das RKI bei anderen Infektionen wie Mumps, gegen die schon im Babyalter geimpft werden kann. Eine Mumps­er­krankung bei jungen Männern kann zu einer Hoden­ent­zündung und im schlimmeren Fall zu einer Fruchtbarkeitsstörung führen.

9. Eine Impfung löst nicht die Krankheit aus, gegen die sie schützen soll

Einige wenige Impfstoffe enthalten noch lebende Erreger - allerdings in stark abgeschwächter Form. Sie können nach Angabe von Ärzten tatsächlich Symptome hervorrufen, die einer Krankheit ähneln.

Praktisch nie aber entwickelt sich daraus eine tatsächliche Erkrankung. Beispiel sind die häufig angesprochenen “Impfmasern”. Rund fünf Prozent der Geimpften bekommen nach etwa einer Woche einen Hautausschlag, manchmal auch Fieber.

“Diese Symptome gehen in der Regel mit der Ausbildung einer guten Immunität gegen Masern einher”, erklärt das RKI.

“Eine voll ausgeprägte Masernerkrankung oder bekannte Komplikationen wie Mittelohr- oder Lungenentzündungen treten nicht auf. Auch die gefürchtete Entzündung des Gehirns, die Masern-Enzephalitis, tritt nach einer Masernimpfung nur in Ausnahmefällen auf.”

Zu Zeiten der Schluckimpfung seien zwar immer wieder Fälle von Kinderlähmung aufgetreten, die durch die Impfung selbst verursacht wurden. Die Schluckimpfung mit diesem Lebendimpfstoff werde daher aber nicht mehr durchgeführt.

10. Impfen ist nur dann erfolgreich, wenn viele mitmachen

“Wenn Sie ihr eigenes Kind impfen, impfen Sie nicht nur Ihr Kind. Der Schutz trägt zur Kontrolle der Krankheit in der gesamten Bevölkerung bei”, sagte Elizabeth Edwards, Professorin für Kinderheilkunde und Direktorin des Vanderbilt Vaccine Research Program im US-Bundesstaat Tennessee, vor einiger Zeit dem britischen “Guardian”.

Aus einer Grafik in demselben Artikel geht hervor: Nur wenn ein sehr hoher Prozentsatz der Bevölkerung (mindestens 90 Prozent) geimpft ist, kann eine Krankheit wie Masern wirkungsvoll eingedämmt werden.

Manche Experten gehen sogar von einem noch höheren Prozentsatz aus. “In der Bevölkerung muss eine Immunität von 95 Prozent vorhanden sein, um lange Infektionsketten zu verhindern und einen Herdenschutz aufzubauen”, sagte Dorothea Matysiak-Klose vom Robert Koch-Institut gegenüber “Zeit Online”.

Bis 2015 sollten die Masern in Deutschland eigentlich ausgerottet sein - das war das erklärte Ziel der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Die Unwahrheiten, die Impfgegner verbreiten, sind maßgeblich schuld daran, dass das nicht geglückt ist.

Kindern helfen

Seit Jahren schon warnen Experten, dass allein in Deutschland jedes fünfte Kind in Armut lebt. Viel schwieriger noch die Situation von Kindern in Südeuropa, Afrika oder Südasien. Wie ihr selbst aktiv werden könnt, erfahrt ihr bei unserem Kooperationspartner Betterplace.

 

(ks)

Kinderarzt Remo Largo erklärt: Mit diesem Fehler schaden Eltern ihren Kindern

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Sie wollen nicht mehr in die Schule gehen, können nachts nicht schlafen, fühlen sich traurig und bedrückt: Schon die Kleinsten in unserer Gesellschaft leiden unter psychischem Stress und hohem Erwartungsdruck, warnen Psychologen.

Erziehungsexperten versuchen Antworten darauf zu finden, warum inzwischen schon bei Grundschülern Burnout-Syndrome diagnostiziert werden und was eigentlich aus der Idee einer unbeschwerten Kindheit geworden ist.

 

Kaum jemand im deutschsprachigen Raum hat sich mit dem Thema Kindererziehung wohl so lange und lebensnah beschäftigt wie der Schweizer Kinderarzt Remo Largo.

Auch wenn sein erstes Buch “Babyjahre” schon fast zwei Jahrzehnte alt ist, gehört es noch immer zur Grundausstattung junger Eltern.

 

Viele Eltern wollen ihr Kind maximal fördern - auch über sein Potenzial hinaus

Seit mehr als 30 Jahren befasst sich der “bekannteste Kinderarzt der Schweiz” mit der kindlichen Entwicklung und dem Einfluss, den unsere Gesellschaft darauf hat.

Largo, der selbst Vater von drei Töchtern und auch lange schon Großvater ist, beobachtet ein entscheidendes Problem in der modernen Erziehung: Er ist der Ansicht, dass viele Eltern eine falsche Vorstellung davon haben, wie ihr Kind zu einem glücklichen, erfolgreichen Menschen heranwächst.

“Ein Kind ist darauf ausgelegt, sein Begabungspotenzial auszuschöpfen”, sagte er der HuffPost. “Doch in unserer Gesellschaft ist das für viele unglaublich schwer geworden.”

Schuld sei ein Irrglaube, dem viele Eltern unterliegen. “Viele Eltern versuchen, ihr Kind über sein Begabungspotenzial hinaus zu fördern”, erklärt er. “Das ist aber nicht möglich.”

Die Folge: “Sie überfordern das Kind und verunsichern es.”

Eltern müssen die Grenzen ihrer Kinder akzeptieren

Largo zieht einen simplen Vergleich: “Jedes Kind ist verschieden groß. Wenn ein Kind zu wenig Nahrung bekommt, wird es kleiner. Wird es überfüttert, wird es nicht größer, sondern nur dick. So ist es auch mit den geistigen Fähigkeiten.”

So wie das körperliche Wachstum eines Kindes also limitiert ist, stößt es auch bei seinen Begabungen und Stärken an klare Grenzen.

Eltern müssten erkennen und akzeptieren, dass ihr Kind in manchen Feldern besser sei als in anderen und dass es nichts bringe, die nicht so stark ausgeprägten Fähigkeiten ohne Rücksicht auf seine eigentlichen Bedürfnisse verbessern zu wollen, erklärt Largo.

Dass Eltern ihre Kinder über ihr Potenzial hinaus versuchen zu fördern, lässt sich laut Largo durch den gesellschaftlichen Druck erklären.

Zu viel Förderung führt nicht zu mehr Erfolg

Andere Eltern und Erzieher in der Kita setzten Maßstäbe, wie weit ein Kind in einem bestimmten Alter in seiner Entwicklung sein müsse. Und in der Schule gehe es weiter - mit starren Lehrplänen und oft unflexiblen Lehrern.

“Wenn das eigene Kind dann beispielsweise weniger gut lesen und rechnen kann, als es nach dieser Vorstellung sollte, löst das bei den meisten Eltern Ängste aus.”

Die Reaktion vieler Eltern: stärkere Förderung - auch dort, wo das Potenzial des Kindes bereits voll ausgeschöpft ist. Damit entstehe die Gefahr der Überlastung, warnt Largo.

“Eltern dürfen ihre Kinder nicht überfordern”, sagt er. “Die zunehmende Zahl der Burnout-Fälle selbst bei Kindern zeigt aber, dass viele Eltern genau das tun. Die Kinder wollen dann nicht mehr lernen, können nicht mehr schlafen, fühlen sich niedergeschlagen.”

Largos Rat: “Bemerken Eltern, dass sie ihr Kind überfordern, sollten sie sich selbst hinterfragen und sich ehrlich überlegen, weshalb sie solchen Druck machen.”

Viele Eltern machen sich selbst großen Druck

Die Ursache für ein solches Verhalten der Eltern, so Largos Erfahrung, sei nämlich in vielen Fällen gleich.

“Der Grund ist häufig die eigene existenzielle Verunsicherung der Eltern”, sagt er.

“Sie haben Angst, dass sie ihren Lebensstandard nicht halten können und fürchten, dass die Lebensqualität für ihre Kinder nicht mehr so hoch sein könnte wie bei ihnen. Sie versuchen deshalb, die Kinder extrem zu fördern - in dem Glauben, das mache die Kinder klüger und damit auch erfolgreicher. Doch das ist ein Irrglaube.”

Was sollten Eltern also anders machen? Largos Antwort darauf ist einfach.

Kinder müssten nicht die ganze Zeit beschäftigt und gefördert werden.

Eltern sollten ihre Kinder sinnvolle Erfahrungen machen lassen

“Eltern sollten Vertrauen haben in die Kinder”, sagt er. “Ihre Aufgabe ist nicht, die Kinder mit allen möglichen Dingen zu fördern, sondern ihnen sinnvolle Erfahrungen zu ermöglichen, zum Beispiel mit anderen Kindern.”

Dann, so erklärt er, werde das Kind auch Erfolg haben. “Denn es wählt das aus, was es für seine Entwicklung braucht und was es kann.”

Ohne diese Erfahrungen werde ein Kind verunsichert - und das habe laut Largo wiederum negative Auswirkungen auf sein Lernverhalten. Bei einer übermäßigen Förderung kann sich außerdem der gewünschte Effekt umkehren und das Kind stattdessen Lernschwierigkeiten entwickeln.

“Ein Neunjähriger ist dann beispielsweise beim Lesen auf dem Entwicklungsstand eines Siebenjährigen - obwohl seine Eltern genau das Gegenteil erreichen wollten - nämlich, dass er besser ist als die Anderen.”

Falsche Förderung führt zu einer Überforderung

Diese falsche Förderung führe zwangsläufig zu einer Überforderung in der Schule und diese wiederum zu Misserfolgen, warnt der Mediziner.

Die Folgen seien dramatisch: “Das Gefühl des Versagens zerstört das Selbstwertgefühl immer mehr, bis wir es mit einem zutiefst verunsicherten Erwachsenen zu tun haben, der sich nichts zutraut und Probleme hat, sich in der Berufswelt zurechtzufinden.”

Und damit ist Largo bei einer Botschaft angelangt, die er seit Jahrzehnten predigt - Kinder so nehmen, wie sie sind.

“Es ist deshalb wichtig zu akzeptieren, dass sich jedes Kind auf seine Weise und in seinem Tempo entwickeln will. Dazu gehört also anzuerkennen, dass jedes Kind anders ist.”

Eine Botschaft, die sich alle Eltern noch mehr zu Herzen nehmen sollten - auch wenn sie völlig selbstverständlich klingt.

Das passiert mit Kindern, die früh in die Kita kommen

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Von dem Moment an, in dem ein Kind zum ersten Mal die Augen öffnet und nach oben in die glücklichen Gesichter seiner Eltern blickt, ist es auf ihre Liebe und Aufmerksamkeit angewiesen.

Jede Sekunde, jede Minute entscheidet das Maß an Zuneigung, das Mutter und Vater ihrem Baby entgegenbringen, darüber, wie es sich entwickeln wird.

Auf Mamas Bauch liegen, gemeinsam im Bett kuscheln, Bauklötze stapeln - eine enge Bindung entsteht vor allem im ersten Jahr als junge Familie.

Viele Paare schrecken deswegen davor zurück, ihr Kind schon früh zur Betreuung in eine Kita zu geben - auch wenn das bedeutet, dass die Mutter nicht so schnell wieder in ihren Job zurückkehren kann wie sie gerne würde.

 

Sie haben Angst, dass es der Beziehung schadet, wenn das Kind nicht ausschließlich von seinen Eltern umsorgt wird oder fürchten, dass der Stress in der fremden Umgebung für den Nachwuchs zu groß wird.

Experten sind sich einig: Kinder profitieren von frühem Kitabesuch

Wenngleich jedes Kind verschieden ist und für manche ein früherer Kita-Besuch mehr Sinn macht als für andere, sind sich viele Experten inzwischen einig: Kinder nehmen keinen Schaden, wenn sie früh in die Kita kommen. Im Gegenteil: Sie profitieren sogar in vielerlei Hinsicht davon.

 

So konnte Veit Roessner, Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Uniklinik Dresden, 2016 in einer Untersuchung von 4000 Kindern im Einschulungsalter nachweisen, dass Kinder, die schon in den ersten zwei Lebensjahren fremdbetreut werden, später seltener an psychischen Störungen leiden.

“Bei Jungen und Mädchen hingegen, die erst mit drei oder vier Jahren in eine Kindertagesstätte kamen, war die Wahrscheinlichkeit für psychische Auffälligkeiten wie Hyperaktivität doppelt so hoch”, sagte er dem Magazin “Stern”.

Den positiven Effekt stellten Roessner und sein Team in allen sozialen Schichten fest und er ließ sich sowohl bei Kindern von Alleinerziehenden beobachten als auch bei Familien mit Mutter und Vater.

Die Eltern seien selbstverständlich wichtig für die frühe Entwicklung des Kindes, doch es sei nicht förderlich, wenn sie 24 Stunden pro Tag mit ihm zusammen seien. “Die heutigen Kitas sind der moderne Ersatz für Großfamilien und ein intaktes Dorfleben”, sagte er dem Magazin.

Dass Kinder auch in der Schule davon profitieren, wenn sie früh in die Kita kommen, bestätigt eine Studie der Bertelsmann-Stiftung von 2016 unter Leitung von Regina von Görtz.

Bessere Körperkoordination und weniger Probleme beim Zählen

“Wir haben die Daten von knapp 5000 Schuleingangsuntersuchungen ausgewertet und gesehen, dass Kinder, die vor dem dritten Geburtstag in eine Kita kommen, ­besser abschneiden als Kinder, die spät in die Kita kommen, also erst mit vier oder fünf Jahren”, sagte von Görtz im Gespräch mit der “Apotheken-Umschau”.

Das bessere Abschneiden ist laut der Expertin in allen Bereichen sichtbar. “Sie haben ­eine bessere Sprachkompetenz, Körperkoordination, Hand-Auge-Koordination, weniger Probleme beim Zählen, sind seltener übergewichtig.”

Forscher in anderen europäischen Ländern kommen zu ähnlichen Ergebnissen. 2013 analysierte ein Team um die Erziehungswissenschaftlerin Heather Joshi an der University of London die Lebensläufe von 40.000 Kindern in Großbritannien und konnte ebenfalls keinerlei Hinweise auf eine Beeinträchtigung finden.

Spannend an der Forschung der Briten ist: Ihre Studien zeigen, dass dies nicht immer so war.

Wie “Spiegel Online” berichtet, war es bis weit in die achtziger Jahre stets so, dass die Kinder mit früh arbeitenden Müttern leichte Nachteile beim Spracherwerb und in Mathematik hatten. Zwar habe es sich immer nur um ein paar Prozentpunkte gehandelt, aber so viel, dass der Unterschied signifikant gewesen sei.

Etwa Mitte der 90er Jahre habe es einen Umschwung gegeben. Joshi und ihre Kollegen konnten an den neueren Daten nachweisen, dass der Lernunterschied der Kinder verschwunden ist.

Bessere Sprachkenntnisse und motorische Fähigkeiten

Sie stellten sogar fest: Je mehr Mütter bereits im ersten Lebensjahr ihres Kindes an den Arbeitsplatz zurückkehrten, desto geringer wurde im Verlauf der vergangenen 40 Jahre der Nachteil in der Kindesentwicklung.

Die Erziehungswissenschaftlerin führt das auf die gesellschaftliche Entwicklung zurück. “In diesen Zahlen spiegeln sich zahlreiche Veränderungen der vergangenen vier Jahrzehnte wider”, sagte sie bei Veröffentlichung der Studie.

“Wahrscheinlich ist es ein Ergebnis einer zunehmend familienfreundlichen Umwelt, in der den Eltern unterschiedlichste Möglichkeiten offen stehen, Erwerbsarbeit und Kindererziehung miteinander zu kombinieren.”

Auch eine Studie der London School of Economics und der Oxford Universityzeigte 2016: Kinder, die ganztags von ihren Müttern betreut werden, haben schlechtere Sprachkenntnisse und motorische Fähigkeiten als die Kinder, die eine Kita besuchen.

“Das Ergebnis der Erhebung sollte Eltern zeigen, dass Kitas ihren Kindern nicht schaden werden und ihnen wahrscheinlich sogar gut tun”, sagte Studienautor Laurence Roope vom Health Economics Research Centre in Oxford der britischen Zeitung “Telegraph“.

Die Interaktion mit anderen Kindern hilft bei der Entwicklung

Was die Studie auch für Deutsche interessant macht: Sie beruht auf Daten, die in Deutschland vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung erhoben wurden.

800 Mütter von Zwei-bis Dreijährigen gaben dort bei einer Umfrage an, welchen Entwicklungsstand ihre Kinder haben und machten Angaben zu ihrer finanziellen und persönlichen Situation. Die Mütter der Kinder, die eine Kita besuchten, beantworteten mehr Fragen nach sprachlichen und praktischen Fähigkeiten ihrer Kinder positiv.

Als Grund für das bessere Abschneiden der Kinder nennt Roope die Interaktion mit den anderen Kindern. Dass die Kinder in einer Betreuungsstätte mit anderen Kindern und Erwachsenen zu tun haben, hilft ihnen bei der Entwicklung.

Die Entwicklungspsychologin Lieselotte Ahnert aus Köln beobachtete darüber hinaus, dass Mütter die gemeinsame Zeit mit ihren Kindern intensiver nutzen, wenn die Kleinen fremdbetreut werden – im Gegensatz zu den Müttern, die den ganzen Tag mit ihren Kindern verbringen.

Auch amerikanische Forscher der Universität Minnesota konnten diese These bestätigen. Sie werteten mehrere Einzel-Studien seit 1960 aus und kamen zu dem Ergebnis, dass Kinder, deren Mütter schon lange vor dem dritten Lebensjahr an den Arbeitsplatz zurückkehrten, später nicht häufiger Schul- oder Verhaltensprobleme hatten, als Kinder, deren Mütter zu Hause blieben.

Positiver Einfluss auf Kinder, wenn Mütter früh wieder arbeiten

Laut der Untersuchung beeinflusste es die Entwicklung vieler Kinder sogar positiv, wenn die Mütter früh arbeiten gingen. Sie schnitten in Intelligenztests oft besser ab, konnten sich besser anpassen, zeigten ein kooperativeres Verhalten und waren auch seltener ängstlich als die Kinder von Müttern, die nicht arbeiteten.

Für Elisabeth Nicolai, Professorin an der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg und stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Systematische Therapie, Beratung und Familientherapie, hängt eine gelungene Betreuung vor allem mit den Bedingungen in der Kita zusammen.

“Entscheidend für ein stressfreies Wohlbefinden und eine gesunde, emotionale Entwicklung der Kleinkinder ist, dass sie einen sicheren, zuverlässigen und beständigen Kontakt zu ihren Bezugspersonen haben und so eine intensive Bindung aufbauen können”, sagte sie dem Portal “T-Online”. “Das muss nicht unbedingt immer die leibliche Mutter sein.”

Die bloße Präsenz der Erzieher und Erzieherinnen reiche aber noch nicht aus. “Die Kleinen brauchen viel Ansprache, Zuwendung und Berührungen”, sagte sie dem Portal. “Sie müssen konstant eine anregende, liebevolle und geborgene Umgebung erfahren.”

Um das zu gewährleisten, ist ein angemessener Betreuungsschlüssel nötig. Denn von Görtz und ihre Kollegen stellten in der Studie auch fest: Der positive Effekt einer frühen Kita-Betreuung tritt nicht automatisch ein. Nur wenn das Kind in der Kita ausreichend Aufmerksamkeit bekommt, kann es sich entwickeln und die genannten Kompetenzen lernen.

Aber: Eine gute Betreuung in der Kita ist entscheidend

So stehen Kinder in Westdeutschland in dieser Hinsicht nach wie vor besser da, weil dort der Betreuungsschlüssel laut einer weiteren Bertelsmann-Studie häufig besser ist als im Osten.

Außerdem bemerkenswert: “Positive Effekte für die Entwicklung des Kindes treten ein, wenn die Gruppen sozial gemischt sind”, sagt von Görtz. Kinder aus sozial schwachen Verhältnissen profitierten dann besonders.

Letztlich gilt also: Wie gut Kinder, die in die Kita gehen, später abschneiden, hängt sowohl von der individuellen Entwicklung des Kindes ab als auch von der Qualität der Betreuung.

Kinderarzt Largo erklärt: Diese Entwicklung in Familien ist schuld, dass viele Kinder unglücklich sind

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Was ist das Geheimnis einer unbeschwerten Kindheit? Und warum sind so viele Kinder unglücklich, obwohl ihre Eltern sie lieben und nur das Beste für sie wollen?

Diese Fragen beschäftigen Eltern, Erziehungsexperten und Wissenschaftler auf der ganzen Welt - und fast jeder hat seine ganz eigene Antwort darauf.

Eine ebenso ungewöhnliche wie spannende Erklärung liefert der renommierte Schweizer Kinderarzt Remo Largo, der sich seit über 30 Jahren mit der Entwicklung von Kindern befasst. Sein Ratgeber “Babyjahre” gehört seit langem zur Grundausstattung vieler junger Eltern.

Largo glaubt: Wir müssen unser Lebensmodell komplett überdenken

Nun hat der inzwischen 73-Jährige mit “Das passende Leben” sein letztes Buch geschrieben. Darin warnt er: Um glückliche Kinder zu erziehen, müssten wir unser Lebenskonzept radikal verändern. Weg von der anonymen Massengesellschaft zurück zu stabilen Lebensgemeinschaften - beispielsweise in Form von mehreren Generationen unter einem Dach.

“Damit Kinder sich gut entwickeln können, brauchen sie nicht nur den Einfluss der Eltern, sondern auch Impulse anderer Bezugspersonen”, sagte Largo der HuffPost. Viele Eltern seien einem enormen Druck ausgesetzt, weil sie glauben, sie müssten die Erziehung ihrer Kinder ganz allein stemmen.

“Wir Menschen haben immer in Gemeinschaften gelebt - aus gutem Grund, denn Eltern können nicht alle Bereiche abdecken, die für die Entwicklung von Kindern wichtig sind”, sagt Largo.

“Ein afrikanisches Sprichwort besagt: Um ein Kind aufzuziehen, braucht es ein ganzes Dorf.”

Positiver Einfluss von anderen Verwandten

Wenn die Eltern zum Beispiel ungern Sport treiben, sei es gut, wenn jemand anderes das mit den Kindern mache. Dasselbe gelte fürs Lesen oder Musizieren. “Wenn die Eltern nicht gern lesen oder kein Musikinstrument spielen, gibt es bestimmt andere Bezugspersonen, die das gerne übernehmen würden.”

Den positiven Einfluss von anderen Bezugspersonen wie beispielsweise von Großeltern haben Studien schon vielfach bestätigen können.

Einer der größten Pluspunkte von Großeltern ist laut Experten, dass sie in Erziehungsfragen oft gelassener sind als die Eltern.

“Sie kennen zwar die Alltagsprobleme der Familie, können aber entspannter damit umgehen, weil sie Ähnliches schon einmal durchgemacht haben”, sagte Günter Reich, Diplom-Psychologe und Psychotherapeut, der “Apotheken-Umschau”.

Großeltern können den Kindern andere Dinge mitgeben als die Eltern

An der Universität Göttingen hat er die “Mehrgenerationen-Familientherapie” mitbegründet. Das Prinzip: Bestimmte Konflikte werden dort im großen Familien-Kreis besprochen.

“Großeltern können in verschiedenen Rollen wichtig für die Familie sein”, sagte Reich dem Portal. “Sie begegnen Problemen mit mehr Lebenserfahrung. Und sie bieten Kindern einen stabilen Halt, wenn es zwischen den Eltern kriselt.”

Psychologen empfehlen aber: Bevor mehrere Generationen zusammenziehen, sollten sich alle über ihre Erwartungen aneinander im Klaren sein.

Dazu gehöre auch, dass sich die Älteren in bestimmten Fragen zurückhielten, rät Martina Flath, Psychologin und Seniorenexpertin aus dem sächsischen Annaberg.

“Ungefragte Ratschläge nerven junge Leute”, sagte sie der Zeitung “Der Westen”. Außerdem sollten sich alle darüber im Klaren sein, dass die mangelnde Privatsphäre zum Problem werden könnte.

Auch sie sieht aber klare Vorteile bei diesem Lebensmodell: “Großeltern haben in der Regel mehr Zeit zum Spielen und können den Kleinen Dinge weitergeben, die ihre Eltern nicht mehr können oder für die sie keine Zeit haben”, sagte sie der Zeitung.

“Es gibt fast nur noch Kleinfamilien mit einem oder zwei Kindern”

Mit seinem Rat zu Lebensgemeinschaften steht Largo also nicht alleine da. Anders als andere Experten sieht er hinter dem, was er anspricht, jedoch ein größeres gesellschaftliches Dilemma.

“Das Hauptproblem ist, dass uns die Umwelt, die wir uns selbst geschaffen haben, immer weniger entspricht”, sagt er.

“Während der vergangenen 200.000 Jahre haben die Menschen in Lebensgemeinschaften gelebt. Mit der industriellen Revolution vor 200 Jahren sind aus den Gemeinschaften vertrauter Menschen anonyme Massengesellschaften geworden und es ist eine Arbeitswelt entstanden, mit der wir Menschen uns immer weniger identifizieren konnten.”

Dieser Wandel habe auch ein verändertes Konzept von Familie zur Folge, erklärt Largo. “In unserer heutigen Gesellschaft gibt es fast nur noch Kleinfamilien mit einem oder zwei Kindern.”

Und dieser Wandel, so glaubt der Kinderarzt, sei schuld daran, dass immer mehr Menschen unglücklich seien - auch Kinder.

Eine Rückkehr zu Lebensgemeinschaften als Lösung?

Die Forderung, die Largo deshalb in “Das passende Leben” ausspricht, ist in diesem Kontext so simpel wie provokativ: Die Menschheit müsse lernen, wieder nach ihren Grundbedürfnissen zu leben.

Denn: Wir seien nicht für eine anonyme Massengesellschaft gemacht, sondern würden uns in einer Gemeinschaft von vertrauen Menschen deutlich wohler fühlen. Unsere jetzige soziale Umwelt, so erklärt der Kinderarzt, mache es sehr schwer, dieses Grundbedürfnis nach Vertrautheit zu befriedigen.

Neben der Rückkehr zu Lebensgemeinschaften gibt es nach Ansicht des Kinderarztes einen weiteren wichtigen Punkt, der eine glückliche Kindheit begünstigen kann.

Kinder brauchen Erfahrungen mit Gleichaltrigen

Nicht nur der Einfluss anderer Erwachsener - beispielsweise von Tanten, Onkeln, Großeltern oder Freunden der Eltern - sei wichtig, erklärt er. Viele Eltern unterschätzen auch, wie entscheidend der Umgang mit Gleichaltrigen sei.

“Kinder brauchen für eine gute Entwicklung andere Kinder”, sagt Largo, selbst Vater von drei Töchtern und inzwischen auch schon Großvater. “Deshalb sind Kitas so wichtig geworden.” 

Wie entscheidend der Kita-Besuch für die Entwicklung von Kindern ist, betonen auch viele seiner Kollegen seit Jahren.

Experten sind sich inzwischen auch einig, dass Kinder keinen Schaden nehmen, wenn sie früh, also schon mit einem Jahr, in die Kita kommen.

Kinder profitieren von einem frühen Kita-Besuch

So konnte etwa Veit Roessner, Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Uniklinik Dresden, 2016 in einer Untersuchung von 4000 Kindern im Einschulungsalter nachweisen, dass Kinder, die schon in den ersten zwei Lebensjahren fremdbetreut werden, später seltener an psychischen Störungen leiden.

“Bei Jungen und Mädchen hingegen, die erst mit drei oder vier Jahren in eine Kindertagesstätte kamen, war die Wahrscheinlichkeit für psychische Auffälligkeiten wie Hyperaktivität doppelt so hoch”, sagte er dem Magazin “Stern”.

Die Eltern seien selbstverständlich wichtig für die frühe Entwicklung des Kindes, doch es sei nicht förderlich, wenn sie 24 Stunden pro Tag mit ihm zusammen seien.

Was den gesellschaftlichen Aspekt angeht, hat er also eine sehr ähnliche Ansicht wie Largo. “Die heutigen Kitas sind der moderne Ersatz für Großfamilien und ein intaktes Dorfleben”, sagte er dem Magazin.

In diesem Sinne: mehr Mut zur Gemeinschaft.

"Wir gelten als kriminell": So ticken die Eltern, die ihre Kinder nicht in die Schule schicken wollen

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  • Eine kleine Minderheit von Eltern will die Schulpflicht in Deutschland nicht akzeptieren
  • Das hat verschiedene Gründe - viele von ihnen aber sind Anhänger des sogenannten Freilernens
  • Was treibt diese Eltern an? Warum begehen sie eine Straftat, indem sie ihre Kinder nicht in die Schule schicken?

 Milian ist acht Jahre alt und kann schon im Hunderttausender-Bereich rechnen. Seine 15-jährige Schwester Mia beherrscht Grafikdesign-Programme, von denen die meisten Erwachsenen noch nie gehört haben.

Gelernt haben sie das allerdings nicht in der Schule. Denn die beiden besuchen keine Bildungseinrichtung - ebenso wie die anderen fünf Kinder von Line Fuks.

Fuks bezeichnet sich selbst als “schulverweigernde Mutter”. “Ich leite meine Kinder zum Schule Schwänzen an”, sagt sie.

Schulverweigerer-Eltern nehmen einen mühsamen Kampf mit den Behörden in Kauf

In Deutschland leben nach Schätzung der Kultusministerkonferenz bis zu 1000 Eltern, die ihre Kinder bewusst nicht in die Schule schicken. Andere Schätzungen gehen sogar von einer noch höheren Zahl aus. Sie alle brechen damit das Gesetz. Denn die Schulpflicht in Deutschland gilt für alle Kinder.

 

Den Schulverweigerer-Eltern ist das aber egal - und viele nehmen dafür sogar einen anstrengenden Kampf gegen die Behörden in Kauf. Eine Familie aus Hessen klagt gerade sogar vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte um die Erlaubnis zu erhalten, ihre Kinder zuhause unterrichten zu dürfen.

Ausnahmegenehmigungen gibt es bislang nur für Kinder, die dauerhaft krank sind und deswegen nicht am Unterricht teilnehmen können oder für Eltern, die aus beruflichen Gründen unterwegs sind und ihre Kinder nicht an einem Ort in die Schule schicken können. Dazu zählen zum Beispiel Zirkusfamilien.

Ein Verstoß gegen die Schulpflicht kann abhängig vom Bundesland entweder ein vierstelliges Bußgeld zur Folge haben oder sogar eine Haftstrafe für die Eltern.

Freilerner-Konzept: Kinder sollen nur lernen, was sie interessiert

Was aber bringt Eltern dazu, dieses Risiko einzugehen? Wieso empfinden sie die Schulbildung als nicht ausreichend für ihre Kinder?

Für Fuks ist die Antwort darauf klar: “Kinder sollen lernen, was sie interessiert und nicht, was auf dem Lehrplan steht”, sagt sie. Für sie ist der Lehrplan ein “Leerplan” - weil vieles, was ein Mensch wirklich für sein Leben braucht, darin nicht vorkomme, wie sie sagt.

“Lernen in der Schule ist wie Pappe essen”, heißt es auf Homepage der “Wildnisfamilie”, wie die Mutter sich und ihre Kinder selbst nennt.

Fuks gehört zum Kreis der sogenannten Freilerner-Eltern. Diese Eltern sind der Meinung, die Schule sei nicht der richtige Platz für ihre Kinder. Sie setzen sich für eine aus ihrer Sicht “freie Bildung” ein.

Das bedeutet: Das Kind soll sich nur mit dem beschäftigen, wofür es sich auch interessiert, ohne festes Schema und Prüfungen wie in der Schule.

Unterschied zwischen Freilernen und Homeschooling

Freilernen unterscheidet sich vom sogenannten Homeschooling, bei dem die Eltern ihre Kinder nach einem vorgegebenen Lehrplan zuhause unterrichten.

Fuks hat über das Freilernen ein ganzes Buch geschrieben. Auf der Homepage gibt die gelernte Kinderkrankenschwester Interessierten Buchhinweise und Tipps zu dieser Art des Lernens.

Freilerner-Eltern folgen den Theorien bekannter Lernexperten wie Gerald Hüther. Er kritisiert seit Langem, die Schule nehme den Kindern den Spaß am Lernen und Entdecken und hindere sie daran, ihr Potenzial auszuschöpfen.

Anders als in Deutschland sind in fast allen europäischen Ländern alternative Bildungswege erlaubt und damit auch Homeschooling, der Unterricht zu Hause nach einem festen Lehrplan. Auch in den USA ist Homeschooling sehr viel weiter verbreitet als in Deutschland.

Einige Länder erlauben zudem das von Fuks und ihrer Partnerin praktizierte Freilernen, Portugal zum Beispiel.

Viele dieser Familien gehen ins Ausland

Deswegen sind die beiden mit ihrer Patchworkfamilie dorthin ausgewandert und leben mit ihren Kindern in einem Wald im Zentrum des Landes.

“In Deutschland wurden wir für unsere Entscheidung beschimpft und kriminalisiert”, sagt Fuks. “Andere Eltern warfen uns vor, dass wir unseren Kindern etwas Schreckliches antun, wenn wir sie nicht in die Schule schicken.”

Auch Kati S. und David T. aus Brandenburg haben entschieden, sich dem Schulsystem zu entziehen: Das Paar aus Brandenburg ist mit zwei Töchtern seit fünf Jahren auf Weltreise. Die Mädchen lernen unterwegs.

Um sich Anfeindungen zu ersparen, wollen die beiden ihren ganzen Namen nicht in der Zeitung lesen.

Die Mutter hat vorher selbst als Grundschullehrerin in Deutschland gearbeitet. Dort habe sie die Erfahrung gemacht, dass das Schulsystem nicht zu den Bedürfnissen der Kinder passe: “Man müsste jedem Kind beim Lernen individuell begegnen”, sagte sie dem “Berliner Kurier”. “Das passt aber mit den Lehrplänen nicht zusammen.”

Eltern aus Hessen klagen vor Gericht für eine Aufhebung des Homeschooling-Verbots

Da sie und ihr Mann die Rahmenbedingungen auch in Waldorf-, Montessori und freien Schulen zu eng gesteckt finden, sahen sie keine andere Möglichkeit, als das Land zu verlassen.

Damit hat die Familie zwar ihre Heimat auf unbestimmte Zeit aufgegeben, erspart sich aber das, was ein Paar aus Hessen gerade durchlebt.

Dirk und Petra Wunderlich halten die Schulpflicht für eine “Freiheitsbeschränkung” und haben deswegen im April dieses Jahres Klage beim Europäischen Gerichtshof eingereicht. Das Urteil steht noch aus.

Die Polizei hatte die vier Kinder abgeholt, nachdem Wunderlich und seine Frau die Sprösslinge zu Hause unterrichtet hatten und sich weigerten, sie auf eine öffentliche Schule zu schicken.

Die Abholaktion der Polizei beschreibt Wunderlich als “furchteinflößend”. Die Haustür sei mit einem Rammbock geöffnet, die Wohnung “gestürmt”, die Eltern zur Seite gestoßen und die Kinder “weggezerrt” worden.

Einer der Gründe für die Schulverweigerung: Religion

Dass die Wunderlichs ihre Kinder nicht in die Schule schicken wollen, hat andere Gründe als bei Line Fuks oder dem Paar aus Brandenburg. Sie sind streng religiös und wollen nicht, dass ihre Kinder mit bestimmten Themen - etwa im Sexualkundeunterricht - in Berührung kommen.

Die Familie ist kein Anhänger des Freilernens. Die Eltern wollen durchsetzen, dass sie ihren Nachwuchs per Homeschooling selbst unterrichten dürfen.

Dass das Gericht den Wunerlichs recht gibt und das Homeschooling-Verbot kippt, schätzen Experten aber als eher unwahrscheinlich ein.

Selbst Andreas Thonhauser, dessen Nichtregierungsorganisation Familie Wunderlich in Straßburg vertritt, glaubt nicht, dass die Klage Erfolg haben wird. “Wir hoffen aber, dass eine Diskussion darüber in Gang kommt, ob ein komplettes Verbot noch zeitgemäß ist”, sagte er der Deutschen Presseagentur (dpa), als die Klage eingereicht wurde.

Ein Sprecher der Kultusministerkonferenz hält eine solche Reform allerdings für unrealistisch: “Die Haltung ist klar. Es gibt eine Schulpflicht. Punkt”, sagt er.

Experten raten von der Aufweichung der Schulpflicht ab

Dennoch: Schulpflicht ist ein Reizthema, das zeigt sich an der teils sehr scharf geführten Debatte.

Während einige Eltern und so mancher Lernforscher die Schulpflicht für überholt halten, warnen viele Experten davor, die Regelung aufzuweichen.

“Ich verstehe diese Eltern ja bis zu einem gewissen Punkt”, sagt Ilka Hoffmann von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft der HuffPost. “So wie das Schulsystem derzeit organisiert ist, werden die Kinder tatsächlich in ihrer Entfaltung eingeschränkt.”

Eltern die Verantwortung für die Bildung ihrer Kinder zu überlassen, hält sie trotzdem für den falschen Weg -vor allem aus gesellschaftlichen Gründen.

Gewerkschaftlerin warnt vor sozialer Spaltung

“Schule ist ein sozialer Ort”, betont sie. “Dort lernen Kinder, Konflikte zu lösen und im Team zu arbeiten. Außerdem merken sie, wenn sie auf andere Kinder treffen, wie vielschichtig unsere Gesellschaft ist.”

Hoffmann geht sogar so weit zu sagen: Eine Abschaffung der Schulpflicht würde die soziale Spaltung befördern und den Frieden in Deutschland massiv gefährden.

“Damit würde die Verantwortung beim Thema Bildung komplett auf die Eltern übergehen”, sagt sie - “und der Staat würde dann noch weniger in den Bereich investieren.”

Verlierer wären die ärmeren Familien, die es ohnehin schon schwer haben. “Sozial benachteiligte Eltern würden auf der Strecke bleiben, wenn sich niemand um die Bildung ihrer Kinder kümmert”, sagt Hoffmann.

“Schon jetzt haben Kinder aus ärmeren Familien deutlich schlechtere Chancen als die aus Mittel- und Oberschicht. Diese Ungleichheit würde deutlich zunehmen, wenn Kinder nicht mehr in die Schule gehen müssen.”

Stärken der Kinder werden in der Schule zu wenig gefördert

Die Erziehungsexpertin ist aber der Ansicht, dass sich am Schulsystem dringend etwas ändern müsse. Sie plädiert - wie Lernexperte Hüther - für mehr Freiräume für die Kinder. Und sie sagt auch: “Die Kinder sind heute viel mehr Reizen und Belastungen ausgesetzt als noch vor 20 Jahren. Damit muss die Schule umgehen können.”

Um das zu leisten, brauche es deutlich mehr Lehrer, die wiederum besser psychologisch geschult seien, sagt Hoffmann. “Lehrer müssen besser mit den Eltern umgehen lernen, und für den Notfall auch mit dem Jugendamt. Die sozialen Probleme in Deutschland werden zunehmen, dem muss sich die Schule stellen.”

Für Line Fuks müsste sich das Schulkonzept noch viel grundlegender ändern, damit sie mit ihren Kindern nach Deutschland zurückkehren würde. “Was ich mir wünschen würde, wäre ein Lernort, an den die Kinder freiwillig gehen können”, sagt sie - “ohne Lehrplan, damit die Kinder frei entdecken können, was in ihnen steckt.”

Dass Homeschooling und Freilernen in Deutschland bald offiziell erlaubt wird, ist eher unwahrscheinlich. Keine der größeren Parteien, mit Ausnahme der AfD, sieht vor, die Schulpflicht abzuschaffen. Die Linke will sie sogar von neun auf zehn Jahre verlängern.

Doch so uneinig sich Experten und Eltern in vielen Punkten beim Thema Bildung sind, so sehr stimmen die meisten von ihnen in einer Überzeugung überein: dem Wunsch nach einem veränderten Schulsystem, das viel stärker auf die Stärken und Bedürfnisse jedes einzelnen Kindes eingeht.

Vor einem Jahr beschloss dieser Chef, gezielt Mütter einzustellen - das ist das Ergebnis

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  • Vor elf Monaten wurde Michael Kasper mit einer Stellenanzeige zum Held der Mütter – und bekam seitdem auch Kritik
  • Dabei beweist der Agenturchef, wie leicht sich eines der größten Probleme der deutschen Wirtschaft lösen ließe

Zwei Worte reichten, um Michael Kasper bundesweit in die Medien zu bringen: “Mama gesucht.”

Mit diesen Worten überschrieb der Unternehmer aus Freising bei München vor knapp einem Jahr eine Jobausschreibung für seine Kreativagentur auf Facebook.

Er hatte eine Teilzeitstelle zu vergeben und suchte explizit nach Müttern. “Einstellungsvoraussetzung: ein Kind zur Welt gebracht zu haben.”

Die sympathische Begründung: “Mamas sind stressresistent, gut vernetzt, oft bestens ausgebildet und können mit Kindern sowie Kindsköpfen umgehen.”

Zeitungen von München bis Berlin nannten Michi den “Mama-Held”, große Frauenmagazine teilten seine Stellenanzeige online. In seinem Postfach sammelten sich die Mails von Frauen, die ihn für seine Ausschreibung feierten.

Andere, die das Allgemeine Gleichstellungsgesetz damit verletzt sahen, waren weniger begeistert. Doch das war Michael Kasper egal.

Kasper steht zu seiner ungewöhnlichen Recruiting-Strategie

Der Unternehmer hat mit seiner ungewöhnlichen Anzeige unfreiwillig auch den Finger in eine der größten Wunde der deutschen Wirtschaft gelegt: Der Wirtschaftsboom in Deutschland hat dazu geführt, dass es für Unternehmen immer schwerer wird, neue Mitarbeiter zu finden.

Die Zahl der offenen Stellen war Mitte des Jahres mit über 700.000 auf Rekordniveau. Jede dritte neue Stelle bleibt mangels geeigneter Bewerber unbesetzt.

Ökonomen warnen deshalb schon vor einem Crash-Szenario. Vereinfacht gesagt geht das so: Unternehmen können nicht mehr wachsen, weil sie keine neuen Angestellten finden. Die Produktion stagniert – der deutsche Wirtschaftsaufschwung der vergangenen Jahre käme damit an sein Ende.

Aber dass das nicht so sein muss, zeigt, was Michael Kasper in den Wochen nach seiner Anzeige erlebt hat. Nach kürzester Zeit hatte der junge Unternehmer aus Freising bei München einen ganzen Stapel Bewerbungen auf seinem Schreibtisch liegen.

Kein Wunder, denn laut einer Studie des Meinungsforschungsinstituts Ipsos aus diesem Jahr ist Frauen ihr Beruf längst genauso wichtig wie Männern. 80 Prozent der rund 2000 befragten Frauen gaben an, auf eine sinnvolle Tätigkeit Wert zu legen.

Viele Mütter wollen in den Job zurückkehren, können aber nicht

Wenn sie ein Kind bekommen haben, können aber längst nicht alle Frauen, die das wollen, einem Job nachgehen. Die neuesten Zahlen dazu stammen zwar von 2011, damals jedoch waren laut Statistischem Bundesamt sechs Prozent der 6,7 Millionen Mütter in Deutschland auf Jobsuche.

Ein Viertel aller Mütter war nicht berufstätig und suchte auch nicht nach einer Anstellung. Einer der Hauptgründe: Mehr als die Hälfte (55 Prozent) hinderte die fehlende Kinderbetreuung daran, erwerbstätig zu sein.

Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch das Familienministerium: 55 Prozent der jungen, gut qualifizierten Frauen planen Untersuchungen zufolge für sich eine Elternzeit von etwa einem Jahr. 

Häufig scheitert eine frühere Berufsrückkehr jedoch an den Rahmenbedingungen: Von Müttern, die länger als sechs Monate ausgestiegen sind, wären zwei Drittel gern früher oder in größerem Umfang wieder arbeiten gegangen.

“Unsere Firma ist unsere Familie”, sagt Michael Kasper

Das sind eben jene Frauen, die Michael im Blick hat. Inzwischen hat der Unternehmer gleich mehrere Mütter an seiner Seite – und steht nach wie vor zu seiner unkonventionellen Recruiting-Strategie.

Zwei der neu eingestellten Mütter sind Anna Wittke und Sandra Smolka, die Kasper seine “rechte und linke Gehirnhälfte” nennt. Wer die drei zusammen erlebt, würde nie denken, dass sie noch nicht mal ein Jahr zusammenarbeiten, so vertraut gehen sie miteinander um.

“Unsere Firma ist unsere Familie”, sagt Kasper und rückt zufrieden grinsend seine Baseball-Kappe zurecht.

Dass das keine Selbstverständlichkeit ist, hat Anna selbst erleben müssen. Ihre Kinder sind zwei und vier Jahre alt. Als das zweite ein Jahr alt war, wollte sie in den Job zurückkehren. Aus finanziellen Gründen, aber auch weil sie sich nicht vorstellen konnte, noch länger zu Hause zu sein, wie sie sagt.

Mütter müssen bei der Jobsuche viele Kompromisse machen

Doch ihr Vorhaben war weniger leicht als gedacht. “Ich habe sicher 40 bis 50 Bewerbungen rausgeschickt”, sagt sie und beim Gedanken daran verfinstert sich ihr Gesicht.

“Teilzeitstellen sind ohnehin rar gesät. Und in den Bewerbungsgesprächen machte man mir unmissverständlich klar, dass ich als Mutter von zwei kleinen Kindern nicht die erste Wahl bin.”

Zu groß sei die Angst, dass Mütter ausfallen, wenn ihre Kinder krank werden oder sie sich wegen der familiären Verpflichtungen nicht angemessen auf den Job konzentrieren können.

Ein weiteres Problem: Anna und ihr Mann hatten zu dieser Zeit noch keinen Krippenplatz für ihre Tochter. “‘Warum brauchen sie den denn, wenn Sie keinen Job haben?’, bekam ich in den Einrichtungen zu hören”, erzählt sie. “Einen Job habe ich wiederum nicht bekommen, weil ich keinen Krippenplatz hatte. Ein Teufelskreis.”

Je länger sie keine Anstellung gefunden habe, desto mehr Kompromisse sei sie bereit gewesen einzugehen.

Sieben von neun Angestellten bei Kasper sind Frauen

Als sie auf die Jobausschreibung der Agentur Kasper stieß, stellte sie erleichtert fest: Hier würde sie keine Kompromisse machen müssen.

Von den inzwischen neun Angestellten der Agentur sind sieben Frauen. Vier davon haben Kinder. Kasper selbst ist auch Vater einer einjährigen Tochter. Mariechen nennt er sie.

Alle außer Kasper selbst arbeiten Teilzeit, zwischen 14 und 25 Stunden pro Woche.

Familie gehört hier zum Konzept dazu – im Job und im Privatleben.

Dass die Kleinen auch mal im Büro dabei sind, ist bei Kasper Communications ganz normal. “Wir würden auch gegenseitig unsere Kinder aus der Kita abholen, wenn der andere mal mehr zu tun hat”, sagt Sandra.

Wie ihre Kollegin Anna hat auch sie zwei Kinder. Ihre sind schon älter, vier Jahre die Tochter und sechs Jahre der Sohn. Sandra konnte erst ins Berufsleben zurückkehren, als ihr Sohn fünf Jahre alt wurde. Zuvor wäre ein Job nicht mit der Arbeit ihres Mannes vereinbar gewesen wäre. Er musste in diesen Jahren geschäftlich viel reisen.

“Mütter sind super organisiert und arbeiten wahnsinnig effizient”

Wenn man Kasper fragt, ob er es bereue, so viele Mütter eingestellt zu haben und noch dazu in Teilzeit, schüttelt er vehement den Kopf.

“Nein, überhaupt nicht”, sagt er. “Mütter sind super organisiert und arbeiten wahnsinnig effizient. Sie wissen: ‘Um zwei muss ich mein Kind aus der Kita abholen, bis dahin muss alles fertig sein’.”

Mit dieser Einschätzung steht er nicht alleine da.

Der Karrierecoach Martin Wehrle berät Mitarbeiter großer DAX-Unternehmen und ist ebenfalls der Ansicht, dass Mütter Qualifikationen mitbringen, die anderen Angestellten häufig fehlen. 

“Moderne Firmen haben erkannt: Mutter-Sein ist die beste Management-Schulung”, heißt es in seinem Buch “Herr Müller, Sie sich doch nicht schwanger?! - Warum das Berufsleben einer Frau für jeden Mann ein Skandal wäre”.

“Mütter trainieren in ihrem Alltag, Menschen zu führen, denn Erziehen heißt leiten. Mütter trainieren, ein Budget zu verantworten, denn jeder Haushalt verlangt Wirtschaften. Und Mütter trainieren, Prioritäten zu setzen und zu organisieren, denn nur so lässt sich der kleine Betrieb namens ‘Familie’ leiten.”

Dennoch scheuten die meisten Mütter davor zurück, diese Stärken bei der Jobsuche zu betonen.

“Nur eine von 25 Müttern kommt beim Bewerben auf die Idee, in ihren Unterlagen hervorzuheben, dass ihre Familienrolle sie fürs Management prädestiniert”, beobachtet Wehrle. “Die anderen 24 entschuldigen sich nahezu dafür, dass sie ihr Arbeitsleben unterbrochen und ein Kind zur Welt gebracht haben. Damit gießen sie Wasser auf die Mühle der Vorurteile.”

Viele Chefs scheuen sich noch immer, Mütter einzustellen

Michi Kasper hat bei seiner Strategie, gezielt nach Müttern zu suchen, übrigens seine Schwester inspiriert. “Sie arbeitet 25 Stunden die Woche. Es ist Wahnsinn, was sie alles gleichzeitig macht. Auf mich wirkt es immer so, als hätte sie vier Arme.” 

Er versteht nicht, dass nicht mehr Unternehmen nach derselben Strategie verfahren wie er. 

“Der Markt ist leer”, sagt der Unternehmer. “Wir haben hier in Freising Vollbeschäftigung.” 

Für die Arbeitgeber wird es damit immer schwieriger, gut ausgebildetes Fachpersonal zu finden. Umso paradoxer, dass viele Unternehmen sich dennoch immer noch scheuen, Mütter einzustellen.

Auch Michi Kasper findet das nicht nur diskriminierend, sondern auch kurzsichtig. “Wenn nicht bald ein Umdenken stattfindet, dann werden die Firmen ein großes Personalproblem bekommen”, glaubt er. “Frauen sind für viele Firmen B-Ware. Das muss sich ändern.”

Den Menschen werde Familie immer wichtiger. “Viele legen im Zweifelsfall mehr wert auf die Familie als auf ihre Karriere.”

Mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Job

Studien geben ihm recht. Eine Untersuchung im Auftrag des Familienministeriums von 2015 ergab, dass sich fast die Hälfte der Eltern wünscht, dass Vater und Mutter annähernd gleich viele Stunden im Job sind. 45 Prozent der Befragten beklagten sich, ihr Arbeitgeber habe ihn bei einem Teilzeitmodell für beide allerdings Steine in den Weg gelegt. 

“Arbeitgeber müssen flexibler werden”, sagt Anna. Ihrer Ansicht nach vergessen viele Chefs einen sehr wichtigen Punkt, wenn es um loyale Mitarbeiter geht: “Das, was mein Chef mir als Mitarbeiterin entgegenkommt, stecke ich wieder an Herzblut in die Firma. Es ist ein Geben und Nehmen.”

Das gelte nicht nur für Mütter, sondern auch für Väter. “Für Familien eben”, sagt sie. Väter müssen ebenfalls mehr gefördert werden, findet sie. Mit Elternzeit-Optionen, Home Office, reduzierter Stundenzahl.

Dass auch Väter ungerecht behandelt werden, wenn sie ein Kind bekommen, sieht sie an ihrem Mann. “Er wollte nach der Geburt unserer ersten Tochter Elternzeit nehmen”, erzählt sie. “Seine Vorgesetzten haben ihm unmissverständlich klar gemacht, dass er unter den Umständen nicht wiederkommen brauche. Er hat dann von selbst gekündigt.”

Die bereits erwähnte Studie des Meinungsforschungsinstituts Ipsos zeigt, dass Anna und ihr Mann nicht die Einzigen sind, die sich über mangelnde Vereinbarkeit von Job und Familie ärgern.

28 Prozent der Befragten gaben an, dass es für sie nicht leichter, sondern sogar schwerer geworden sei, Kinder und Arbeit zu koordinieren.

Anna selbst scheint das Glück zu haben, einen Chef mit außergewöhnlichem Familiensinn gefunden zu haben.

 Erfolgreiches Team mit Mitarbeitern in Teilzeit

Die Agentur läuft gut, deswegen sucht Michi derzeit schon wieder nach neuen Mitarbeitern. “Ich bin gerade dabei, ältere Menschen oder sogar Rentner halbtags für nachmittags einzustellen”, sagt er. Auch bei ihnen nämlich sieht er im Gegensatz zu vielen anderen Arbeitgebern das unausgeschöpfte Potenzial.

“Ältere Mitarbeiter haben viel mehr Lebenserfahrung. Ich glaube, sie können ein Team enorm bereichern.”

Die Erste ist auch schon gefunden: Karin, 63 Jahre, ehemalige Vorstandssekretärin bei einer bekannten deutschen Firma. 

Michi beweist, was viele andere Arbeitgeber nicht wahrhaben wollen: Ein Team kann auch dann sehr gut funktionieren und Erfolg haben, wenn viele oder alle Mitarbeiter in Teilzeit arbeiten – und wenn sie Kinder haben.

Außerdem beweist er, dass sich eines der größten Probleme der deutschen Wirtschaft eigentlich sehr einfach lösen ließe. Wenn man dem Personalmangel mit denen entgegenwirkt, die ohnehin bereit stehen: gut ausgebildete Mütter.

(jg)


Kinderarzt Remo Largo kritisiert Erziehungsratgeber: "Es ist viel wichtiger, das Kind zu verstehen"

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Soll ich mein Baby bei mir im Bett schlafen lassen? Darf ich es schreien lassen, wenn es nachts aufwacht? Bis zu welchem Alter soll ich mein Kind stillen? Und soll es lieber Brei bekommen oder gleich feste Nahrung?

Junge Eltern stellen sich viele Fragen. Ihre größte Angst ist es, Fehler zu machen. Fehler, die sich womöglich nie wieder rückgängig machen lassen. Und die Antworten auf ihre Frage finden viele von ihnen in Erziehungsratgebern.

 

Die Regale mit solchen Publikationen für Eltern in den Buchhandlungen sind daher meterlang.

Doch Pädagogen sehen den Ratgeber-Boom mit Skepsis. Wenn Eltern sich zu sehr auf diese Literatur fixieren, warnen die Experten, können sie ihren Kindern schlimmstenfalls sogar schaden.

Largo hält die meisten Erziehungsratgeber für kontraproduktiv

Der wahrscheinlich bekannteste Kritiker von Erziehungsratgebern ist der Schweizer Kinderarzt Remo Largo. Nur wenige Experten im deutschsprachigen Raum haben sich so intensiv mit dem Thema Kindesentwicklung beschäftigt wie er. Sein Buch “Babyjahre” gehört seit fast zwei Jahrzehnten zur Grundausstattung junger Eltern.

Den Großteil der neuen Erziehungsratgeber hält Largo für kontraproduktiv. “Die meisten dieser Bücher behandeln nur ein bestimmtes Thema und sind problemorientiert”, sagte er der HuffPost.

“Was mache ich, wenn mein Baby nicht durchschläft? Was, wenn es den Brei nicht essen will? Ich halte von dieser Art von Ratgeber nicht viel.”

Sie seien sehr direktiv geschrieben und versprächen, dass es auf das eineProblem auch die eine Lösung gebe. “Doch DIE Lösung in dem Sinne gibt es beim Thema Erziehung nicht”, sagt er.

“Diese Form von Erziehungsratgebern macht die Eltern hilflos”

Die Folge, so warnt Largo, seien Ratlosigkeit bei den Eltern und Schaden für die Kinder. “Diese Form von Erziehungsratgebern macht die Eltern hilflos - und die Kinder leiden darunter, dass die Eltern ihr Problem nicht lösen können.”

Der Kinderarzt erläutert das an einem Beispiel: “Nehmen Sie etwa einen Ratgeber zum Thema Schlafstörung. Da wird den Eltern also direktiv gesagt, was sie tun sollen. Doch was ist, wenn diese eine Methode nicht funktioniert? Dann können die Eltern ein weiteres Buch kaufen oder sich irgendwann Hilfe bei einem Experten suchen.”

Dass Ratgeber in vielen Fällen mehr Negatives ausrichten als sie nützen, kritisieren auch andere Experten. “Viele Eltern, die unsere Beratungsstelle aufsuchen, sind durch die vielen unterschiedlichen Ratgeber verunsichert”, sagte Bettina Lamm, Familientherapeutin und Entwicklungspsychologin an der Universität Osnabrück, der “Rhein Main Presse”.

Fehlende praktische Erfahrung verunsichert Eltern

Sie und andere Wissenschaftler beobachten, dass das Phänomen vor allem die gebildete, gut situierte Mittelschicht betrifft. “Die Familiengründung findet meist Ende 20 oder Anfang 30 statt und oft haben Mutter und Vater dann zum ersten Mal in ihrem Leben ein Baby im Arm”, sagte Lamm.

Die fehlende praktische Erfahrung verunsichere die Eltern, der Griff ins Bücherregal sei eine logische Folge. Das Problem, so warnt sie: Diese Eltern suchten oft nach der einen, allgemeingültigen Lösung für eine Erziehungsfrage - die nicht existiere, wie auch Largo betont.

Statt nach Patentrezepten zu suchen, sollten Eltern lieber eines tun, rät der Kinderarzt: versuchen, das Kind zu verstehen.

“Ich habe Hunderten von Kindern dabei zugesehen, wie sie groß geworden sind”, sagt Largo. Er habe immer versucht, kein Ratgeber zu sein und auch keine zu schreiben.

Jedes Kind entwickelt sich unterschiedlich

“Stattdessen ist es mein Ziel, den Eltern zu erklären, wie ihr Kind tickt und welche Bedürfnisse es hat. Denn nur wenn die Eltern ihre Kinder verstehen, können sie auch ihre Probleme lösen.”

Die Paar- und Familienberaterin Ursula Keller ist sehr ähnlicher Ansicht. “Ein guter Erziehungsratgeber berücksichtigt, dass Kinder sich unterschiedlich entwickeln”, sagte sie dem Onlineportal “familienleben.ch”.

“Vorsichtig sollten Eltern immer dann auf einen Erziehungsratgeber reagieren, wenn er versucht, Patentrezepte zu verkaufen. Denn Patentrezepte, die für alle Familien gelten, gibt es nicht.”

Sie nennt außerdem einen weiteren Punkt, der aus Ihrer Sicht gegen die Lektüre vieler Erziehungsratgeber spricht: “Die Ratgeber sind oft sehr unterschiedlich. Auf gleiche Fragen bieten sie unterschiedliche Antworten. Das kann Eltern zusätzlich verwirren.”

“Die eine Lösung für die Probleme aller Kinder gibt es nicht”

Entwicklungspsychologin Lamm rät verunsicherten Eltern, die zu ihr in die Familientherapie kommen: “Packt die Bücher weg und vertraut eurem Bauch” - auch wenn sie wisse, dass das nicht einfach sei und meist erst beim zweiten oder gar dritten Kind gelinge, wie sie selbst sagt.

Auch für Kinderarzt Largo ist die Sache klar: “Jedes Kind ist einmalig”, sagt er. “Die eine Lösung für die Probleme aller Kinder gibt es nicht. Wenn Eltern ihr Kind und seine Entwicklung verstehen, brauchen sie all die Erziehungsratgeber nicht.”

Mein Hund ist die letzte Verbindung zu meinem toten Mann – und nun stirbt auch er

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Rob und Daisy waren unzertrennlich. 

Es ist erst ein paar Tage her, dass ich es erfahren habe: Mein Hund Daisy hat Leberkrebs und liegt im Sterben.

Ich habe damit gehadert, ob ich überhaupt darüber schreiben soll. Es fühlt sich fast albern an. Ich war mir auch nicht sicher, ob ich überhaupt das Recht dazu habe. Ich habe sie seit vier Jahren nicht mehr gesehen – nachdem mein Mann Rob im Jahr 2015 unerwartet starb, musste ich ein neues Zuhause für sie finden. Und dennoch: Mein Herz fühlt sich gerade an, als würde es zerbrechen.

Nach Robs Tod war ich aus vielen Gründen nicht in der Lage, mich um sie zu kümmern. Ich war ja kaum fähig dazu, auf mich selbst aufzupassen. Es war ein echtes Glück, dass ich mithilfe der Wood Green Tierhilfe eine sehr fürsorgliche neue Besitzerin finden konnte. Ich wusste, dass Daisy sich bei ihr sicher und geliebt fühlen würde.

 

Zwischen Daisy und Rob gab es schon immer diese besondere Verbindung. Als sie zu ihrer neuen Familie ging, hatte ich sie verloren. Als mich die Nachricht ereilte, dass sie sterben würde, fühlte es sich an, als würden ich sie erneut verlieren. Aber es war mehr als das – es fühlte sich an, als würde ich den letzten Funken von Rob verlieren.

Fast alle meine Freunde haben eine Geschichte über Daisy parat. Die letzten Tage haben wir damit verbracht, uns daran zu erinnern, was für ein bemerkenswertes Wesen sie war, wie viel Liebe und Wärme sie uns gegeben hat.

Einige haben sogar ihre Angst vor Hunden überwunden, weil sie sahen, was für ein sanftes Wesen Daisy war. Wenn jemand eine Auszeichnung für Güte, Loyalität und Würde verdient, dann ist es Daisy.

Und das ist alles andere als übertrieben, bedenkt man, dass auch ich riesige Angst vor Hunden hatte, bevor ich Daisy kennenlernte. Bevor Rob und ich uns das erste Mal trafen, hatte er mir ein Bild von Daisy geschickt, um mir meine Furcht zu nehmen. Was jedoch nicht gerade hilfreich war. Denn unser Mädchen war eine Kreuzung aus Boxer und Pitbull und nicht irgend eine wandelnde Flauschkugel, die in eine Handtasche passt.

Ja, sie mag einen süßen rosa Stern auf der Nase haben und ihr Fellfarbe erinnert an Karamell – aber ich war mich sicher, dass sie mich anfallen würde.

Daisy war damals eine temperamentvolle Einjährige und nahm es mit jedem auf, der zu viel von Robs Aufmerksamkeit stahl. Schon als ich vor der geschlossenen Eingangstür stand, hörte ich ihr Gebell. Es war so laut, dass ich beinahe zurück in mein Taxi geflohen wäre.

Doch je näher ich Rob kennenlernte, umso mehr lernte ich auch Daisy kennen. Dabei spürte ich, wie unglaublich intensiv und wie stark die Verbindung zwischen einem Hund und einem Menschen sein kann.

Rob verbrachte Stunden damit, seine Arme um Daisy zu legen und ihr leise ins Ohr zu flüstern. Auch heute noch kann ich mir den Klang seiner Stimme ins Gedächtnis rufen, wenn er ihr sagte: “Wer ist denn mein kleines Mädchen?”. Sie legte dann ihre Ohren an, schloss ihre Augen, rollte sich auf den Rücken und streckte unterwürfig ihre Pfoten von sich.

Nach einiger Zeit akzeptierte Daisy mich: Der gemeinsame Hass auf Aubrey, Robs Schildkröte, vereinte uns. Ich kann das nicht beschönigen: Aubrey war eine echte Arschgeige. Er verbrachte seine ganze Zeit damit, Dinge mit seinem Kopf zu rammen und anderer Leute Schuhe kaputt zu vögeln. 

Daisy war in allen Lebenslagen mit dabei.

Ja, Daisy und ich hatten unsere Momente. Ich schwöre: Jedes Mal, wenn ich wischte, wartete Daisy exakt den Moment ab, an dem ich fertig war – nur um dann mit ihren dreckigen Pfoten über den noch nassen Boden zu laufen. Aus irgendeinem mir unbekannten Grund hat sie ihren dreckigen Hintern nur an meiner Seite des Bettes abgewischt (danke, Daisy). Aber schließlich lernte sie, mich zu lieben. 

Manchmal hat Rob sie mitgebracht, wenn er mich abends nach der Arbeit von der Bahnhaltestelle abholte. Und sie freute sich jedes Mal unglaublich, mich zu sehen. Sie lernte, unsere Familie zu lieben und ging sowohl mit Babys als auch Erwachsenen sehr liebevoll um.

Ich wusste nicht, wie sehr ich Daisy liebe, bis zu ihrem Unfall 2013. Sie hatte sich den Schädel gebrochen und dabei ihr Auge verletzt. Sie weinte nicht, winselte nicht einmal. Der Tierarzt sagte, wir sollten sie ins Krankenhaus bringen. 

Ich erinnere mich, wie behutsam Rob sie ins Auto legte. Wie ruhig sie war. Ich erinnere mich, dass ich nicht aufhören konnte zu weinen, dass ich tief beunruhigt war, dass ich nur wollte, dass es ihr bald wieder gut geht. Sie blieb eine Woche lang im Krankenhaus und verlor ein Auge. An dem Abend, an dem sie aus dem Krankenhaus entlassen worden war, saß sie seelenruhig in unserem Garten und blickte hoch zu den Sternen.

Daisy ist mehr als nur ein Hund. Rob war klinisch depressiv und kämpfte mit einer Suchterkrankung. Ich habe gesehen, dass Daisy ihm bei diesen beiden Herausforderungen jeden Tag half. Zunächst einmal hat sie jeden Tag dafür gesorgt, dass Rob vor die Tür ging – schließlich ist sie ein großer Hund und braucht Auslauf. Auch als es Rob besonders schlecht ging, er mit sonst niemanden mehr sprechen wollte, war Daisy für ihn da.

Einmal hat Daisy sogar Robs Leben gerettet, als er einmal versuchte, sich umzubringen. Er war schon bewusstlos, hat es aber schließlich überlebt.

Ich erinnere mich, dass ich sprachlos war, nachdem Rob mir seine Geschichte erzählt hatte. Dann bin ich zu Daisy gegangen, habe sie fest umarmt und mein Gesicht in ihrem Nacken vergraben. 18 Monate bevor Rob starb, waren wir so erschöpft von Robs Anfällen und zwischenzeitlicher Genesung, dass wir uns oft nur zu dritt zu Hause einsperrten.

Als Rob allerdings eine Zeitlang in der Psychiatrie und Daisy deswegen häufig allein zu Hause bleiben musste, hat man gespürt, dass sie extrem unruhig war. Normalerweise hat Rob von zu Hause aus gearbeitet und viel Zeit mit ihr verbracht. Ich musste jeden Tag ins Büro, und obwohl wir einen Hundesitter hatten, erzählten mir die Nachbarn, dass sie Daisy manchmal stundenlang bellen hörten.

Als Rob starb, war ich sehr dankbar, dass Tierschutz-Organisation Wood Green Daisy adoptierte. Aufgrund meiner Trauer und meiner neuen Lebensumstände – der Wohnung, in der ich nun lebte – konnte ich mich nicht mehr um Daisy kümmern.

Ich will sie dafür um Vergebung bitten – und kann es nicht. 

Daisy ist jetzt zwölf. Das ist ziemlich alt für einen Hund ihrer Größe. Sie hat einen Schädelbruch überlebt, ein Auge und ihren Seelenverwandten von einem Tag auf den anderen verloren. 

Ich erinnere mich, dass ich Rob einmal fragte: “Sie wird doch ungefährt 15, oder?” Und er warf mir einen traurigen aber liebevollen Blick zu, der mir sagte: Wahrscheinlich nein. Damals wusste ich noch nicht, dass Rob zuerst sterben und Daisy allein zurücklassen würde. Ich hätte niemals gedacht, dass sie ihn überleben würde, und ich hätte niemals gedacht, dass ich sie beide eines Tages verlieren würde.

Das einprägsamste Bild, dass ich von unserem Sohn im Kopf habe, ist, wie er die Straße entlangläuft – während Daisys vertraute Gestalt neben ihm her trottet. Die wunderbare Frau, die Daisy adoptiert hat, sagt, dass jedes Mal, wenn Daisy einen Mann in der Ferne sieht, sie unbedingt zu ihm hin und ihn beschnüffeln will. “Ich glaube nicht, dass sie jemals aufgehört hat, nach Rob zu suchen”, schrieb sie mir eines Tages. Daisy ist immer noch in unseren Gedanken. Ich glaube, auch Rob hat ihre niemals verlassen. 

Ich glaube zwar nicht an ein Leben nach dem Tod – aber egal zu welchem Ort ein Hund geht, sobald er stirbt: Ich hoffe, Daisy und Rob werden sich wiederfinden. 

Dieser Text erschien ursprünglich in der UK-Ausgabe der HuffPost und wurde aus dem Englischen übersetzt von Agatha Kremplewski und Viktor Weiser. 

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Krieg in Syrien: 3 Gründe, warum Trumps US-Rückzug eine gute Entscheidung ist

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Es sind Nachrichten, über die sich Donald Trump gefreut haben dürfte: Am Wochenende fiel die letzte IS-Bastion in Syrien. Der Islamische Staat ist militärisch nun also besiegt. Zumindest vorerst.

Das bedeutet auch: Trump hat grünes Licht für den Rückzug der US-Truppen aus Syrien. Zwar wird es wohl keinen vollständigen Rückzug geben. Wie viele Soldaten aber am Ende im Land bleiben werden, ist weiter unklar.

Mit seinem Vorstoß US-Truppen aus Syrien abzuziehen, hat Trump in den Medien viel Kritik geerntet. Nachdem Trump seinen Plan im Dezember verkündete, war die Empörung in den Medien groß:

“In einer chaotischen Welt ist Trumps Beitrag, noch mehr Chaos zu stiften”, kommentierte die “Washington Post”.

“Man kann sich den Kopf darüber zerbrechen, was Trump zu seiner Entscheidung bewogen hat”, meinte die “NZZ” aus Zürich.

“Der Schaden geht weit über Syrien hinaus“, lamentierte die “Welt” aus Berlin.

► ”Der US-Abzug ist unverantwortlich”, kritisierte El Mundo aus Madrid.

Aber wir von The Buzzard haben herausgefunden: Während die Leitmedien sich einig sind, streiten die internationale Nahost-Experten.

Unter anderem darüber, ob Trumps Entscheidung nicht doch vielleicht ganz neue Möglichkeiten für Frieden eröffnet. Denn es gibt sie – Beobachter aus Syrien, Afghanistan und den USA, die Trumps Rückzugspläne loben. Unter ihnen sind Trump-Anhänger und Trump-Gegner, Demokraten und Republikaner, Konservative und Linke.

The Buzzard fasst die wichtigsten Argumente der Optimisten für euch zusammen.

1. In Syrien könnte endlich die UN den Frieden sichern

Der renommierte amerikanische Ökonom Jeffrey Sachs ist einer von Trumps schärfsten Kritikern. Aber Trumps Entscheidung, US-Truppen aus Syrien zurückzuziehen, lobt er.

Denn für Sachs war der Syrieneinsatz der USA von Beginn an Heuchelei. Vorgeblich sollte der IS bekämpft werden, doch in Wirklichkeit sei es nur um die Verteidigung der US-Interessen im Nahen Osten gegangen. So wie bei jedem US-Einsatz in der Region, die allesamt zu Unruhen, Kriegen und Chaos geführt haben, meint Sachs.

Er schreibt, der Abzug der amerikanischen Truppen sei nun endlich der erste Schritt, diese Außenpolitik zu ändern. Und mehr noch: Der Rückzug biete erstmals die Möglichkeit für Frieden in Syrien.

Denn erst, wenn die USA sich zurückziehen, entsteht die Chance, dass die UN Friedenstrupps einsetzen kann. Sachs glaubt, dass das die Lage in Syrien stabilisieren wird. Er entwirft folgendes Szenario:

  • Die USA ziehen ihre Trupps vollständig aus Syrien zurück
  • Dann macht die UN einen wichtigen strategischen Schritt: Sie erkennt das Assad-Regime aus als offizielle syrische Regierung an
  • Dadurch könnte Russland sein Veto zurücknehmen, das momentan noch den Einsatz von UN-Friedenstruppen in Syrien verhindert
  • Eben diese Friedenstruppen könnten die Kurden schützen, die nach einem US-Abzug Angriffen der Türkei oder dem IS ausgesetzt sein können.
  • Außerdem, meint Sachs, sollten die USA die Sanktionen gegen den Iran aufheben. Damit könnte sich auch der Iran überzeugen lassen, seine Truppen aus Syrien abzuziehen.
  • Schließlich sind alle fremden Mächte aus Syrien abgezogen und die UN kann Mittel zum Wiederaufbau bereitstellen.

Klingt kompliziert. Aber aus Sachs Sicht ist ein solcher Prozess wesentlich aussichtsreicher, als den Einsatz von US-Truppen in Syrien weiter laufen zu lassen. Trumps Entscheidung, die Truppen abzuziehen, sieht er deshalb nicht als den irrsinnigen Alleingang eines US-Präsidenten, der nicht weiß, was er tut. Sondern, als einen politischen Schachzug, der Raum öffnet für neue außenpolitische Möglichkeiten.

Trumps Entscheidung stelle einen Bruch dar, mit dem “Scheuklappen-Denken” bisheriger amerikanischer Außenpolitik, schreibt der Ökonom. Man müsse den Rückzug als Chance begreifen. Wichtig sei aber auch, dass es nicht nur beim Rückzug bleibe, sondern, dass Trump sich stattdessen für UN-Diplomatie und humanitäre Hilfe einsetze. Ob er das tatsächlich tun wird, weiß natürlich keiner.

Auch interessant: Warum nicht nur Putin sich über den US-Rückzug freuen dürfte

2. In Afghanistan wird endlich ein Neuanfang möglich

Auch aus Afghanistan möchte Trump die US-Truppen so bald wie möglich abziehen und in Afghanistan ist die Lage ähnlich vertrackt wie in Syrien.

Seit 17 Jahren sind die USA dort im Einsatz. Der Krieg dauert länger als der Amerikanische Bürgerkrieg, der Spanisch-Amerikanische Krieg, der Erste und Zweite Weltkrieg und der Koreakrieg zusammen. Bald ist es möglich, dass ein Soldat in den Afghanistankrieg geht, der zu Kriegsbeginn noch nicht geboren war, bemerkt Doug Bandow, ein amerikanischer Politik-Berater und Nahost-Experte.

Jedes Jahr pulvern die USA rund 40 Milliarden Dollar in den Einsatz.

Und das Ergebnis? Chaos, Krieg, Unruhen und Selbstmordanschläge. 

Die Taliban kontrollieren mittlerweile den Großteil des Landes. Bandow rechnet vor, dass sich seit Beginn des US-Einsatzes die Zahl der Taliban-Kämpfer in Afghanistan vervierfacht hat.

Paradoxerweise sind die Taliban also mittlerweile wesentlich stärker als noch zu Beginn des US-Einsatzes.

Und die offizielle afghanische Regierung? Gilt als korrupt, zerstritten und inkompetent. Bandow schreibt: Das gebe SIGAR, die Prüfstelle, die die USA gegründet haben, um den Fortschritt der Afghanistan-Mission zu messen, mittlerweile freimütig zu.   

Auch die Opium-Krise konnten die USA nicht besiegen. Im Gegenteil, Afghanistan ist nach wie vor der größte Opium-Produzent weltweit, schreibt Nahost-Experte Bandow. Kein Land der Welt hat 2018 mehr Opium angebaut und verkauft als Afghanistan.

Kurzum: Was auch immer die USA in Afghanistan bewirken wollten, sie sind gescheitert. Politikberater wie Bandow meinen deshalb: Der Abzug der US-Truppen ist der einzig logische und richtige Schritt. Die USA müssen sich ihr Scheitern endlich eingestehen und raus aus dem Land. Nur so komme auch Afghanistan aus der Abwärtsspirale, schreibt Bandow.

Denn wenn die USA abziehen, eröffnet das die Möglichkeit, dass andere Staaten zwischen Regierung und Taliban verhandeln. Staaten wie Pakistan oder Indien, denen die Taliban weniger feindlich gegenüberstehen.

Mehr zum Thema: Warum die Taliban in Afghanistan wieder so mächtig geworden sind

3. Trumps Rückzug könnte ein positives Signal sein, für eine Wende hin zu einer friedlichen US-Außenpolitik

Wenn es eine Lektion gibt, die die USA aus dem Einsätzen in Afghanistan und Syrien lernen können, dann ist es diese: Heutzutage lassen sich Konflikte nicht mehr mit militärischen Interventionen zu lösen – davon ist der demokratische Kongressabgeordnete Ro Khanna überzeugt.

Die USA haben in den vergangenen 17 Jahren im Nahen Osten vor allem Chaos und Gewalt produziert, betont er in einem Gastbeitrag für die “Washington Post”. Und Milliarden Dollar an Steuergeldern verschwendet.

Es sei Zeit, dass sich das ändere. Khanna ist ein scharfer Kritiker des US-Präsidenten und doch lobt er Trump für seinen Mut: Es sei außergewöhnlich, dass Trump sich gegen die Kriegstreiber in seinen Reihen durchsetze.

Auch interessant: Die Buzzard-Debatte zum Krieg der Türkei gegen die Kurden in Syrien

Der Rückzug der US-Truppen bedeute nun endlich die Abkehr von der Rolle der USA als Weltpolizei. Anstatt Weltpolizei zu spielen, was Khanna scheinheilig findet, können die USA sich nun als diplomatischer Vermittler zwischen den Konfliktparteien beweisen. Und humanitäre Hilfe in Krisenregionen verstärken.

Demokraten wie Khanna werten Trumps Schritt deshalb als ein wichtiges und positives Signal an die Welt: Statt Milliarden in Truppen-Einsätze in Afghanistan und Syrien zu pulvern, wenden sich die USA nun besseren, diplomatischeren Lösungen zu – und sichern den Frieden im Nahen Osten.

Wie genau das mit dem Frieden funktionieren soll, darauf geben Nahost-Experten zwar bisher nur vage Antworten. Aber diese Antworten regen eine neue Debatte an. Sie regen dazu an, darüber nachzudenken, wie eine moderne US-Außenpolitik aussehen könnte. Eine Außenpolitik, die zu weniger Krieg, Gewalt und Chaos führt. Und wer weiß, vielleicht sickert die ein oder andere Idee am Ende dann sogar durch bis ins Weiße Haus.

Zu jeder Debatte gehören zwei Seiten. Auf TheBuzzard.org zeigen wir aktuell die wichtigsten Positionen von Nahost-Experten, amerikanischen Journalisten und Politikwissenschaftlern im Überblick. Nicht alle loben den Rückzug der Truppen. Viele warnen davor, dass jetzt nach Trumps Entscheidung, im Nahen Osten der nächste große Krieg beginnen könnte. Ihr wollt wissen warum? 

Schaut auf TheBuzzard.org

 

Artgerechte Haltung? Ein Tag mit einem Bio- und einem konventionellen Schwein

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Der Eber Robbie (links) lebt auf einem Demeter-Hof in Brandenburg, Sau Flecky (rechts) auf einem konventionellen Mast-Betrieb in Sachsen.

Eine saftig grüne Blumenwiese, Sonnenstrahlen, die ihre zartrosafarbene Haut wärmen, ihre Kinder suhlen sich im Dreck, zufrieden legt sie sich auf das warme Gras – so würden sich die Deutschen wohl wünschen, dass das Leben der Sau verläuft, bevor sie bei ihnen als Schnitzel auf dem Teller landet.

Die Realität sieht nicht ganz so rosig aus – und das ahnen die Verbraucher. Es existieren Horror-Vorstellungen, dass das Schweinefleisch verunreinigt ist mit Antibiotika und Hormonen. Im Internet kursieren Fotos und Videos von Tieren, die auf engstem Raum in einem dunklen, riesigen, stinkigen Stall vor sich hinvegetieren – mit Tausenden Leidensgenossen, die sich gegenseitig durch ohrenbetäubendes Geschrei stressen, beißen und kratzen, während sie möglichst schnell möglichst fett werden sollen. 

Einer Forsa-Umfrage zufolge befürworten zwei Drittel der Deutschen strengere Vorschriften zur artgerechteren Haltung von Nutztieren. 

Doch wie werden Schweine in Deutschland wirklich gehalten? Und was wäre überhaupt eine Haltung, die artgerecht für die Tiere ist? Ist die Biohaltung wirklich so viel besser als die konventionelle Schweinemast?

Um das herauszufinden haben wir uns mit einem Bio-Schwein und einem konventionellen Schwein getroffen – und beide einen Tag lang begleitet.

Früher Morgen

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Frühstück für Robbie

Es ist kurz vor 9 Uhr an einem Mittwochmorgen im Februar. Die Sonne scheint durch die eingestaubten Fensterscheiben – aus dem vorderen Teil des Stalls hört die Besucherin schmatzen und grunzen – die Ferkel und Jung-Schweine bekommen zuerst Futter. Robbie beginnt den Tag gemütlicher. Der Eber liegt entspannt im Stroh, die Schlappohren verdecken seine Augen. Er lässt seinem 200 Kilogramm schweren Körper noch etwas Zeit mit dem Wachwerden. Auch die drei Damen, mit denen er sich sein Stallabteil teilt, lassen sich von der Hektik der Jungtiere nicht aus der Morgenruhe bringen.

Robbie lebt auf einem Demeter-Hof in Kloster Lehnin in Brandenburg. Er ist der Vater der etwa drei bis vier Dutzend Schweine, die auf dem Hof leben. Demeter e.V. ist der älteste Bioverband Deutschlands – die Betriebe folgen Vorgaben, die noch über die Vorgaben der EU-Öko-Verordnung hinausgehen.

Vier Säue werfen ein bis zwei Mal im Jahr Ferkel. Der Hof – auf dem es auch Kühe und Hühner gibt – dient vor allem der Selbstversorgung. Er ist Teil der gemeinnützigen Kinder- und Jugendhilfe am Gohlitzsee. Als Teil der Suchttherapie arbeiten Jugendlich im Alter zwischen 14 und 18 Jahren täglich auf dem Hof mit. Ein Teil des Fleischs geht an ein nahegelegenes Krankenhaus. Kapazitäten, mit dem Verkauf des Bio-Fleischs Geld zu verdienen, gibt es in Kloster Lehnin derzeit nicht. Dafür ist die Mast und der Eigenanbau des Futters zu aufwendig und dauert zu lange, erklärt Nathanael Auermann, der den Hof seit einigen Jahren führt.

Allerdings gibt es Demeter-Betriebe, die auch für den kommerziellen Verkauf produzieren. Ein Kilo des Bio-Schweinefleisch kostet in deutschen Supermärkten dann zwischen 26 und 30 Euro.

“Morgens wenn wir in den Stall kommen und Robbie noch da liegt und wir ihn dann kraulen, legt er sich wie so ein Chihuahua auf die Seite. Er liebt das”, erzählt einer der Jugendlichen. Als Futter in die Tröge kommt, werden auch die Stall-Ältesten langsam munter. Zu fressen gibt es eine Mischung aus geschroteter Gerste, Lupinen, Hafer, Roggen – alles wird auf dem Hof angebaut. Manchmal sind noch Erbsen untergemischt.

So richtig viel Lust zu fressen haben die Herrschaften am frühen Morgen allerdings nicht, dafür läuft Robbie gemächlich umher und grunzt die Säue an. In einer Ecke des Stallbereichs sind Kot und Urin. In einer anderen angehäuftes Stroh.

Artgerechter Stall

“Es gibt verschiedene Funktionsbereiche in der Haltung. Man kann sich das ein bisschen vorstellen wie eine Wohnung. Schweine benötigen einen Bereich, in dem sie liegen können, einen Bereich, wo sie aktiv sein könnten, einen, wo sie Nahrung zu sich nehmen können, und einen Bereich, der als Toilette fungiert. Und – bei der ökologischen Haltung so vorgeschrieben – noch einen Bereich, wo sie nach Nahrung suchen, also wühlen können”, sagt Lars Schrader, Leiter des Friedrich-Loeffler-Instituts für Tierschutz und Tierhaltung.

“Wenn sie nicht fressen wollen, können sie raus”, sagt Angermann an die Jugendlichen gerichtet, die heute Dienst bei den Schweinen haben. Das Gitter geht auf und Robbie läuft gemächlich an dem hölzernen Schiebetor vorbei Richtung Sonne – und Frischluft.

Robbie und die Säue auf dem Weg nach draußen.

Wer stark ist, darf zuerst frühstücken

Es ist 7.43 Uhr an einem Märzmorgen in Mausitz in Sachsen. Erika Galle öffnet sachte die Tür zu dem Stall-Abteil in dem gerade 116 Läufer – so werden Hausschweine genannt, wenn sie zwischen 25 und 50 Kilogramm wiegen - wohnen. Die Tiere schrecken hoch, bleiben wie angewurzelt stehen und starren uns an. “Unsere Schweine sind sehr schreckhaft”, sagt Galle. Sie arbeitet seit 1984 auf dem Hof, seit 16 Jahren gehört er zu den Agrarprodukten Kitzen, einem landwirtschaftlichen Mischbetrieb mit mehreren Höfen in der Region – neben Schweinen hält der Betrieb auch Kühe.

2300 Schweine leben derzeit auf dem Hof, Platz gibt es für 3000 – um alle kümmert sich Tierwirtin Galle. Jedes Jahr werden rund 9000 Schweine geschlachtet. Die Tiere werden in Gruppen von 15 Tieren in einer sogenannten Bucht gehalten – getrennt nach Alter und Größe. Je nach Alter gibt es unterschiedliche Futtermischungen. Galle geht jeden Morgen durch alle Stallbereiche und kontrolliert, ob alles in Ordnung ist.

Gefüttert wird in Mausitz – außer bei den Ferkeln – nicht von Hand. Durch die Automatisierung können die Schweine den ganzen Tag fressen – und trinken. Unter den 15 Schweinen, die um 7.43 Uhr geweckt werden, ist eine Sau mit zwei großen Flecken am Rücken. Ihren Tag werden wir heute begleiten – Namen haben die Tiere nicht. Wir nennen die Sau mal Flecky.

Die Tiere sind erst ein paar Wochen alt. Als sie wach sind und merken, dass es neues Futter gibt, drängen sie alle Richtung Trog. Sie quieken einander an und quetschen sich vor. Wer stark ist, kommt zuerst dran. Auch Flecky hat zu kämpfen.

7.43 Uhr: Frühstückszeit in Sachsen

Wenige Minuten später läuft das junge Schwein in die rechte hintere Ecke des Stalls. Zeit für die Morgen-Toilette. Seit etwa zwei Wochen ist die Läufer-Gruppe in diesem Stallbereich. Seitdem hat sich bereits einiges an Kot und Urin angesammelt. Wenn es zu viel wird, säubert Erika Galle.

8.07 Uhr: Zeit für die Morgen-Toilette.

Doch meistens genüge es, denn Stall zu säubern, wenn die Tiere ins nächste Abteil kommen. “Dann wird restlos gekärchert und desinfiziert – es ist piek sauber vor der Einstallung.” Bis dahin sammelt sich die Gülle unter dem Boden der Ställe, was einen beißenden Ammoniak-Geruch hinterlässt. Für bessere Luft und damit die Tiere gut atmen können, sprüht Galle ein Spray mit Eukalyptus-Duft in die Stallabteile.

Artgerechter Morgen

“Eine artgerechte Haltung erkennt man auch daran, dass die Tiere wirklich beschäftigt sind. Sie sind eigentlich tagaktive Tiere und sehr anpassungsfähig. Mit der Morgendämmerung wachen sie auf und stehen auf, es folgt Sozial- und Komfortverhalten (Anm. d. Red.: Körperpflege), Kot und Harn lassen – möglichst weit weg vom Schlafplatz. Denn Schweine sind eigentlich sehr saubere Tiere”, sagt Lars Schrader.

Morgen

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Wühlen in der Sonne

“Den Sommer über ist Robbie die ganze Zeit draußen. Aber im Winter ist es zu kalt”, sagt Angermann. Draußen ist ein großer eingezäunter Auslauf, der direkt an den Stall anschließt. Es ist inzwischen nach 9 Uhr. Robbie streift umher.

9.32 Uhr: Robbie wühlt gemeinsam mit den Sauen im Freien.

Kurz wagt sich das 12-jährige Sattelschwein mit den Hinterbeinen in das modrig grüne Wasser des Tümpels. Doch so richtig Lust, sich zu suhlen, hat er offenbar nicht. Die Temperaturen liegen auch nicht allzu weit über null Grad. Stattdessen zieht es Robbie ans andere Ende des Geländes – irritierend leichtfüßig und grunzend galoppiert der Koloss mit wackelnden Ohren zu einer seiner Herzensdamen, beschnüffelt sie kurz und beschließt dann, der Lieblingsbeschäftigung aller Schweine nachzugehen: Dem Wühlen.

Wühlen

“Die Nase von Schweinen hat eine ganz bestimmte Form und Funktion – sie ist eigentlich ein Wühlwerkzeug. Ein Großteil der Aktivität von Schweinen am Tag fällt auf die Nahrungssuche. Dazu nutzen sie dieses fantastische Tast- und Riechorgan, das empfindlicher ist als unsere Fingerkuppen und unsere Nase. Mit der Nase im Boden wühlend suchen sie über den Geruch Nahrung”, erklärt Lars Schrader.

Mit Kratzen und Beißen zum Futter

10.30 Uhr. Auch bei den Läufern in Mausitz wäre jetzt Wühl-Zeit. Doch Erde oder Stroh gibt es dafür nicht. Ein paar der Tiere schnüffeln dennoch über den Stall-Boden. Andere kämpfen wieder um den Futtertrog. “Wir haben es mal mit Stroh probiert, aber das hat die ganzen Gülle-Keller verstopft und wir haben sie nicht mehr freibekommen”, erklärt Erika Galle.

Ihr Chef Thomas Druskat pflichtet ihr bei und ergänzt: “Stroh birgt in Schweinebeständen ein hohes Gesundheitsrisiko. Das sieht alles gut aus, aber durch das Stroh kommen auch Mäuse und Vögel – das birgt Gesundheitsgefahren. Auch kann das Stroh belastet sein mit Keimen, die den Organismus der Schweine beeinträchtigen.”

Aus demselben Grund hält der Betrieb seine Tiere nur im Stall und nicht im Freien. Im Freien ist die Gefahr für die Tiere krank zu werden höher, sagt er. Schweine, die unter frischer Luft gehalten werden, müssten zahlreichen Impfungen ausgesetzt werden.

Druskat ist einer der drei Chefs des landwirtschaftlichen Mischbetriebs Agrarprodukte Kitzen. Er will seine Schweine nur dann mit Medikamenten versorgen, wenn es unbedingt notwendig ist. Dem Futter werden alle zwei Tage Vitamin-Präparate beigemischt, zusätzlich natürliche Wirkstoffe, die Durchfall und andere Erkrankungen verhindern sollen.

Eine prophylaktisch Behandlung mit Antibiotika gibt es in Mausitz nicht – und es wäre auch generell nicht erlaubt. “Der Einsatz von Antibiotika wird genau dokumentiert. Wir liegen diesbezüglich immer unter dem bundesweiten Durchschnitt – wäre dem nicht so, müssten wir uns gemeinsam mit dem Veterinäramt hinsetzen, analysieren warum das so ist und Maßnahmen dagegen ergreifen”, erklärt Druskat.

Robbie und die anderen Bio-Schweine dürfen Demeter-Richtlinien zufolge keinerlei Tiermehle oder andere Zusatzstoffe im Futter haben. Auch vorbeugende Medikamente wie Antibiotika oder Hormone sind tabu. Insgesamt dürfen Demeter-Schweine nur zwei Mal in ihrem Leben mit Antibiotika behandelt werden.

Flecky scheint derweil noch Hunger zu haben und versucht an den Trog zu gelangen. Die Tiere vertragen sich grundsätzlich gut, darauf achte sie auch penibel, sagt Erika Galle. Dennoch könne es vorkommen, dass sich die Tiere kratzen und in die – zum Schutz sowieso schon abgeschnittenen – Schwänze beißen.

Überall im Stall sieht man blutverkrustete Stummelschwänze – die Tierwirtin sprüht sie mit blauer Farbe ein. Ein verträglicher Stoff, der dafür sorge, dass das verletzte Schwein von seinen Artgenossen in Ruhe gelassen werde und die Wunde in Ruhe heilen kann. Auch Flecky hat ein paar Schrammen, sein rechtes Ohr ist blutverkrustet.

10.30 Uhr: Essen, Spielen, Schlafen.

Ausgleich zum Wühlen

“Der Drang zu wühlen ist nicht weggezüchtet worden – obwohl wir ihnen Nahrung geben, gibt es trotzdem diese Motivation, die den Schweinen ständig sagt, ‘such Nahrung’. Wenn diese Motivation nicht an Wühlmaterial ausgelebt werden kann, fangen sie eben an, Artgenossen zu bewühlen und zu bebeißen. Das Risiko von Verletzungen und Bisswunden steigt”, sagt Lars Schrader.

Vormittag

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Sonne tanken in Brandenburg

11.29 Uhr in Kloster Lehnin. Robbie genießt das warme Wetter. Während die drei Säue weiter wühlen und buddeln, hat er sich etwas abseits in der Nähe der Stallwand ein ruhiges Plätzchen gesucht. Dort streckt er seine vom Wühlen verdreckte Schnauze in die Sonne und grunzt leise vor sich hin.

Robbie sonnt sich in der Mittagssonne.

Spielen statt Wühlen

In Sachsen geht es derweil weniger gemächlich zu. Es ist 11.14 Uhr und Flecky hat Durst. Einige ihrer Stallgenossen spielen und knabbern an Seilen und einem Holzpflock hinter ihr, während es die junge Sau sichtlich zu genießen scheint, in Ruhe trinken zu können. Es gibt zwar keine Erde zum Wühlen oder Stroh im Stall – dafür aber Spielgeräte, mit denen sich die Tiere beschäftigen können.

11.14 Uhr: Flecky hat Durst.

“Wir achten das Tier als Lebewesen, nicht nur als Produkt. Das Tier hat auch ein Recht, dass es in der Funktion, wo wir das Tier halten, dementsprechend gewürdigt und geachtet wird”, sagt Druskat. Gerne würde er nur 14 statt 15 Tiere in einer Bucht halten – doch momentan ist das nicht drin, dafür müsste erst der Fleischpreis steigen.

“Wir kriegen für ein Schlachtschwein, das rund 175 Tage bei uns ist und gemästet wird, 135 bis 140 Euro”, erklärt er. Für ein Kilogramm Schweinefleisch bekommt er derzeit 1,50 Euro, eine Woche zuvor lag der Preis, der jede Woche neu notiert wird, noch bei 1,43 Euro. Zwischen 4,70 und 8,99 Euro kostet das Fleisch dann im Laden. Die Preise sind – je nach Bundesland und Supermarkt unterschiedlich und entsprechen in diesem Fall den Angeboten von REWE in Berlin. Das Bio-Schweinefleisch kostet dort mehr als das Dreifache.

“Das Fleisch im Laden ist zu billig und es ist auch ein Wahnsinns-Angebot. Muss das alles jeden Tag vorrätig sein? Das viele Obst, das schnell verdirbt, Milchprodukte, Fleischprodukte?” Druskat und Erika Galle sind sich einig, dass die Menschen weniger Fleisch essen und mehr bezahlen sollten. 

Ein Großteil des Schweinefleisch aus Mausitz wird an Großabnehmer in der Region geliefert. Rund 9000 Tiere werden jedes Jahr schlachtreif auf 84 bis 104 Kilogramm gemästet. Sowohl der Zuchtbetrieb als auch der Schlachthof liegen nicht weit entfernt vom Maststall in Mausitz. Dass die kurzen Transportwege den Schweinen einiges an Stress nehmen, ist Druskat wichtig.

Artgerechter Raum

“Der Platz an sich ist von der Größe her nicht unbedingt entscheidend. Es ist einfach wichtig, dass es ausreichend Platz gibt, um die verschiedenen Bereiche einzuhalten. Und zum Schlafen braucht ein Schwein im Grunde genommen nur so viel Platz, wie es Körperfläche hat, denn die Tiere schlafen gerne in engem Körperkontakt. Wenn es allerdings warm ist, bei höheren Temperaturen zum Beispiel im Hochsommer, müssen sich Schweine ausstrecken können. Denn, weil sie nicht schwitzen können, können sie Wärme nur über die Hautoberfläche abgeben.”

Mittag 

EU-Parlament stimmt für Abschaffung der Zeitumstellung im Jahr

Wildes Gewusel in Brandenburg

12.37 Uhr. Schichtwechsel. Robbie und die Säue sind wieder im Stall – jetzt dürfen die Jungtiere raus. Neugierig wuseln sie übers Gelände, fängt einer an einer Stelle an zu wühlen, kommen gleich viele hinterher. Unermüdlich wühlen sie übers ganze Gelände, der ein oder andere springt und rennt umher. Einer der Kleinsten quetscht sich durch die Gitterstäbe, die das Auslaufgelände begrenzen, ein Größerer will es ihm gleich tun – doch er passt nicht durch.

Artgerechter Mittag

“Dann sind sie in natürlicher Umgebung den ganzen Vormittag auf Nahrungssuche, um die Mittagszeit legen sie sich zur Ruhe. Am Nachmittag zeigen sie nochmal etwas Sozialverhalten. Wenn es warm ist, suhlen sie sich gerne, um sich abzukühlen”, sagt Lars Schrader.

Mittags dürfen die Kleinen das sonnige Wetter genießen.

Früher ließ Angermann die Ferkel in den ersten Wochen immer über den Hof laufen – doch das hat ihm das Veterinäramt inzwischen untersagt. “Wegen Keimen und der Gefahr, dass sie sich überall anstecken könnten, weil sie alles fressen – dass es aber eine alte robuste Rasse ist, die dagegen immun ist und es ihr Immunsystem gestärkt hätte, das wollten sie nicht glauben”, ärgert sich Angermann.

Der Fleisch-Konsum der Deutschen

  • Laut dem Bundesamt für Landwirtschaft und Ernährung lag der jährliche Fleischkonsum der Deutschen 2018 pro Kopf bei 60,15 Kilogramm. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt etwa die halbe Menge.
  • Am liebsten essen die Deutschen noch immer Schweinefleisch – 35,7 Kilogramm waren es im Jahr 2018 – knapp 60 Millionen Schweine werden in Deutschland jährlich geschlachtet.
  • Am zweitliebsten essen Deutsche Geflügel – knapp 13 Kilogramm waren es im vergangenen Jahr.
  • Laut dem Bundesernährungsreport 2019 essen 28 Prozent der Deutschen täglich Fleisch – ein Rückgang im Vergleich zu den Vorjahren. 2018 waren es 30, 2017 waren es noch 34 Prozent. 6 Prozent der Deutschen ernähren sich vegetarisch, ein Prozent vegan.

Probleme mit Krankheiten hätten seine Schweine kaum, außer manchmal mit Würmern, vor allem die Kleinen seien betroffen. Deshalb entkalkt er mit Hilfe der Jugendlichen jeden Tag den Stall, kärchert ihn aus und die Tiere bekommen frisches Stroh.

Die Ferkel wachsen deutlich langsamer als in konventioneller Mast. Bis ein Schwein geschlachtet wird, lebt es auf dem Hof in Brandenburg 1,5 bis 2 Jahre – in einem konventionellen Betrieb werden die Tiere nur 180 Tage alt. “Bei uns dürfen die Schweine Geburtstag feiern”, scherzt Angermann.

Doch das weniger mit Proteinen und anderen Fettmachern angereicherte Futter sorgt auch dafür, dass es nicht alle Ferkel schaffen – schwache Tiere versucht Angermann mit Haferflocken und Milch aufzupäppeln. Und dass die Tiere viel Auslauf haben sorgt auch noch zusätzlich dafür, dass sie nicht so schnell an Gewicht zulegen.

Ökologische Landwirtschaft in Deutschland

  • Laut dem Bund für ökologische Lebensmittelwirtschaft gab es in Deutschland im Jahr 2017 29.174 Bio-Höfe. Das entspricht etwa zehn Prozent aller Landwirtschaftsbetriebe.
  • 5,1 Prozent des gesamten Lebensmittelumsatzes machten Bio-Produkte in Deutschland im Jahr 2016 aus.
  • Bei Fleisch ist der Bio-Anteil deutlich geringer: 2016 lag er bei Geflügel bei 1,4 Prozent, bei Rotfleisch (Schwein, Rind, Lamm, Schaf und Kalb) bei 1,8 Prozent und bei Fleisch- und Wurstwaren bei 1,2 Prozent.
  • In absoluten Zahlen ist Deutschland zwar der größte Bio-Markt in Europa, beim pro-Kopf-Umsatz (116 Euro im Jahr 2016) liegen allerdings andere Länder vorne.

Klimaanlage statt Sonnenschein

12.16 Uhr in Sachsen – Spielzeit. Gemeinsam mit zwei anderen Säuen schlabbert Flecky an einem der Seile in der Ecke des Stallabteils.

12.18 Uhr: Play time!

In die Sonne legen so wie Robbie kann sich Flecky nicht. Um den Tieren dennoch angenehme Temperaturen zu ermöglichen, gibt es eine Klimaanlage und Heizvorrichtungen. Die automatische Regulierung des Klimas sorgt durchgängig für frische und temperierte Luft – auch sie ist an das jeweilige Alter der Tiere angepasst.

Die Kleinsten bleiben vier Wochen bei ihrer Muttersau. Danach werden sie in ihren Stallabteilen mit großflächigen Wärmeplatten versorgt, um sich an die neuen Umstände gewöhnen zu können. Auch die Lufttemperatur ist bei den Ferkeln wohlig warm und sie haben noch einen extra Ball zum Spielen.

Ferkel im Mastbetrieb in Mausitz

 Nachmittag

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Sabberndes Warten auf die zweite Runde Futter 

Robbies Tag neigt sich dem Ende zu. Es ist 15.12 Uhr. Während die Jungschweine im Freien unermüdlich weitergewühlt haben, haben sich der Eber und die drei Säue ein Schläfchen im frischen Stroh gegönnt.

Artgerechter Nachmittag

“Nachmittags folgt noch einmal Nahrungssuche und -aufnahme. Vor dem Schlafengehen interagieren sie noch gern mit anderen Schweinen. Und dann wird wieder geschlafen”, erklärt Lars Schrader.

15.12 Uhr: Der Tag neigt sich für Robbie und die Säue dem Ende zu.

Doch plötzlich werden sie wieder munter. Die Jungen werden zurück in den Stall getrieben. Robbie und eine der Säue laufen grunzend im Kreis, der Eber wühlt im frischen Stroh. Als er bemerkt, dass die zweite Runde Futter auf dem Weg ist, drückt er seine feuchte Schnauze an die Stallgitterstäbe und fängt an zu sabbern.

Schlummerzeit in Sachsen

13.57 Uhr in Mausitz. In Fleckys Stall ist Ruhe eingekehrt. Nach dem Trubel und dem Kampf um Futter und Spielgeräte haben sich die jungen Schweine in einer Reihe aneinander gelegt und dösen. Mittendrin schlummert auch Flecky. Nur eine Sau ist noch nicht müde. Sie sitzt auf ihrem Hintern und beschäftigt sich mit den Spielgeräten in der Ecke.

13.57 Uhr: Schlafenszeit – zumindest für die meisten

Ende gut, alles gut?

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Haben Robbie und Flecky denn jetzt ein artgerechtes und zufriedenes Leben?

“Ob Schweine glücklich und zufrieden sind, lässt sich schwer messen. Aber was man erkennen kann, sind Verhaltensstörungen und Verletzungen, wie offene und verschorfte Wunden, ob sie Probleme mit den Klauen haben oder lahm sind. Solche Verletzungen sind zumeist mit Schmerzen verbunden”, sagt Lars Schrader.

Flecky hat Wunden, im Stall gibt es einige Kämpfe. Doch wirklich lahm war keines der Schweine und wer sich nicht mit anderen verträgt, wird umgestallt.

“Bestimmte Verhaltensmerkmale können darauf hindeuten, dass die Tiere entspannt sind. Wenn sie zum Beispiel Spielverhalten zeigen, durch die Gegend tollen oder plötzlich aufspringen. Solches Spielen hat keine unmittelbare Funktion, und man kann daraus schließen, dass sie in dieser Situation zumindest entspannt sind und dann vielleicht auch so etwas wie Zufriedenheit empfinden”, erklärt Lars Schrader.

Demeter-Schweine leben anders als ihre konventionell gehaltenen Artgenossen – das steht fest. Doch artgerecht gehalten können beide sein. Am Ende zählt nicht, ob die Tiere viel im Freien sind oder nicht, sondern vor allem, wie aktiv sie sind und wie friedlich sie miteinander umgehen. Und Flecky geht es dabei wohl noch besser als tausenden Schweinen, die in deutlich größeren Betrieben gemästet werden.

Entscheidend ist vor allem eins: Geld. Wenn der Verkaufspreis höher ist, bedeutet das auch einen besseren Alltag für die Schweine. Der Deutsche Bauernverband fordert schon lange eine drastische Erhöhung der Preise.

“Schweinefleisch müsste für die Verbraucher fast doppelt so teuer werden, damit wir die Tierschutzvorgaben wie die Kastration von Ferkeln unter Narkose oder deutlich mehr Platz für die Sauen erfüllen können – ohne bankrottzugehen”, forderte Werner Schwarz, Vizepräsident des Verbands, im vergangenen August. Menschen würden sich zwar eine bessere Haltung der Schlachttiere wünschen, oft seien sie aber nicht bereit, dafür mehr Geld auszugeben.

Das ergab auch eine Studie der Hochschule Osnabrück vom Januar 2019. Demnach sind nur 16 Prozent der Verbraucher tatsächlich bereit, für mehr Tierwohl auch mehr zu bezahlen.

Wer also will, dass auch das Leben von Flecky so angenehm ist wie das von Robbie sollte also vor allem eins tun: Weniger häufig Fleisch essen und bereit sein, dafür auch mehr Geld auszugeben.

(ben/vw)

Das schwarze Loch: Wie der Brexit die britische Politik zerstört hat

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Am Donnerstag ist das britische Unterhaus einmal mehr eine Lachnummer. 

“No. No. No. No. No. No. No. No”, titelte der “Guardian”. Tags zuvor hatten die Abgeordneten acht Brexit-Optionen zur Auswahl. Sie lehnten sie alle ab

Der Austrittsprozess ist längst zur Farce verkommen. 

Auch mehr als zwei Jahre nach dem Referendum ist nicht klar, wie Großbritannien nun eigentlich die EU verlassen will. Ob es nach dem Austritt eine enge Anbindung an die EU wünscht oder nicht. Keine Option hat eine Mehrheit. Jede Parlamentsdebatte wirft mehr Fragen auf, als sie Antworten liefert. 

Wie konnte es soweit kommen? 

Der Brexit habe das politische System zerstört, sagen die fassungslosen Beobachter in Westminster und im ganzen Land. Was sie damit meinen: Die britische Politik schafft es nicht mehr, den Willen der Bürger angemessen in politische Entscheidungen zu übertragen. 

Der Brexit hat ein Loch in der britischen Politik aufgedeckt. Es ist dabei, das politische Leben langsam zu verschlingen. 

Diese Zahlen zeigen, wie blockiert das politische System ist 

Einige wenige Zahlen reichen, um die Umrisse des Lochs zu skizzieren. 

► 2016 stimmten bekanntlich 52 Prozent der Briten bei der Volksabstimmung für den EU-Austritt, 48 Prozent dagegen. 

Aber im Unterhaus sind 75 Prozent der Abgeordneten für den EU-Verbleib, wie eine Untersuchung der “Financial Times” zeigte. Sie müssen also eine Entscheidung umsetzen, die sie eigentlich nicht unterstützen. 

Hinzu kommt: Der Wille zum EU-Ausstieg oder -Verbleib zieht sich wie ein Riss quer durch alle Parteien. In der sozialdemokratischen Labour-Partei gibt es Politiker, die sogar einen Austritt ohne Abkommen befürworten. Bei den konservativen Tories kämpfen Politiker noch immer für einen Verbleib in der EU. 

Am Mittwoch hatten beide großen Parteien Großbritanniens dann auch mit Abweichlern bei allen acht Abstimmungen zu kämpfen.

Keine Partei schafft es, einen einheitlichen politischen Willen im Brexit-Prozess zu formulieren. Das Referendum 2016 lieferte hierfür auch keinen eindeutigen Auftrag. Mehr als Drinbleiben oder Rausgehen stand nicht auf dem Wahlzettel. 

Dabei ist die Brexit-Frage für Wähler weit wichtiger als die Frage, welcher Partei sie sich eigentlich nahe fühlen. 

In einer Umfrage des britischen Meinungsforschungsinstituts NatCen Social Research gaben 44 Prozent der Befragten an, dass sie sich sehr stark mit einer Seite der Brexit-Debatte identifizierten. Nur neun Prozent sagten das über ihre Parteizugehörigkeit. 

Die Umfrage-Ergebnisse der NatCen-Studie. 

Der Brexit hat das politische System umgewälzt. Er hat aufgezeigt, dass sich die politischen Koordinaten von links und rechts verschoben haben.

Linke Labour-Anhänger ist die Frage der Einwanderung und der kulturellen Identität wichtiger als ihre Parteizugehörigkeit, sie stimmten für den EU-Austritt. Konservative Tory-Wähler sehen die EU positiv, sie stimmten für den Verbleib. 

Und ein Großteil fühlt sich vom politischen System gar nicht mehr repräsentiert und fremdelt mit den Parteien. 

Es sind gerade diese Zahlen zur Identifikation mit den Parteien, die eine Frage nahelegt: Warum gibt es in Großbritannien keine bedeutende politische Kraft, die für eine Seite der Brexit-Debatte, also für den EU-Verbleib oder den -Austritt, kämpft? Warum gibt es keine politische Figur, die jenen fünf Millionen Briten eine Stimme gibt, die kürzlich eine Petition für den EU-Verbleib unterzeichneten? 

Kann es einen britischen Macron geben?

► Großbritannien hat eine Brexit-Partei: Ukip, die UK Independence Party. Im Unterhaus spielte Ukip aber kaum eine Rolle. Nach internen Streitereien nach dem Referendum wählten 2017 gerade einmal 590.000 Briten die Protest-Partei. Zur Erinnerung: Über 17 Millionen hatten für den Austritt gestimmt. 

► Es gibt in der politischen Landschaft des Vereinigten Königreichs auch eine Partei, die für den EU-Verbleib kämpft: die Liberal Democrats. Nach einer Koalition mit den Tories verlor die Partei 2015 allerdings 48 Sitze im Unterhaus – und konnte sich davon nicht mehr erholen. 

Alle Beobachter in Großbritannien sprechen davon, dass die politische Mitte zerbröselt. Hardliner wie der Konservative Jacob Rees-Mogg beherrschen die öffentliche Debatte, Labour ist unter dem Sozialisten Jeremy Corbyn weiter nach links gerückt. 

Und dennoch scheint in diesem System kein Platz für eine neue Partei frei zu werden, die aus dem Brexit-Chaos Kapital schlägt. 

Das liegt auch am politischen System selbst. Georgina Wright arbeitet am Think Tank Institute for Government und berichtet der HuffPost am Telefon von all den Schwierigkeiten, mit denen kleine Parteien in Großbritannien zu kämpfen haben. Aufgrund des Mehrheitswahlrechts schafften es kleine Parteien meist nicht, überhaupt Sitze im Unterhaus zu ergattern. 

Wright spricht auch über die insgesamt elf Abgeordneten, die sich kürzlich von den Tories und von Labour abspalteten und die Independent Group gründeten. “Sie sind keine Partei, sie haben keinen Zugriff auf die Parteifinanzierung”, sagt die Expertin. Außerdem seien viele Fragen offen: Dürften die unabhängigen Abgeordneten Komitees vorsitzen? Wie viel Redezeit im Unterhaus und damit Aufmerksamkeit stehe ihnen zu? 

Seit Monaten spekulieren die Medien über eine neue, zentristische Partei, die sich das Brexit-Chaos zu nutze machen könnte, so wie das Frankreichs Präsident Emmanuel Macron 2016 mit seiner Bewegung En Marche tat. Wright aber sagt: “Ich warne vor der Vorstellung eines britischen En Marche, ich glaube nicht, dass es dafür genug Druck gibt.”

Wie schwer sich neue Parteien in Großbritannien tun, zeigte die Wahl 1983. Vier Labour-Politiker hatten zusammen mit einem liberalen Kollegen eine neue Partei, die SDP–Liberal Alliance, gegründet. Die SDP erreichte 25 Prozent bei den Wahlen, bekam aber nur 23 Sitze. In den meisten Wahlkreisen verloren ihre Kandidaten schlicht gegen die Kandidaten von Labour und den Tories. 

Die blassen Figuren auf dem politischen Parkett

Diese Einschränkungen für neue politische Kräfte dürfte auch der Grund sein, warum keine politische Figur sich in der Brexit-Debatte vorwagt. 

Die Independent Group gibt sich vorsichtig. Auch Wochen nach der Abspaltung ist noch immer nicht klar, ob die Abgeordneten wirklich eine neue Partei gründen wollen. Chuku Umunna, Sprecher der Gruppe und einstiger Labour-Shootingstar, ließ eine Anfrage der HuffPost dazu unbeantwortet. 

Aber auch in der Brexit-Debatte bleibt die Independent Group blass. “Die Politik ist zerstört. Lasst sie uns ändern”, steht auf ihrer Webseite.

Das Wort “Brexit” aber sucht man vergeblich in einer Mitteilung der Independent Group, das ihr Programm vorstellen soll. “Wir glauben an starke Allianzen mit unseren engsten europäischen und internationalen Verbündeten in den Bereichen Handel, Regulierung, Verteidigung, Sicherheit und Terrorismusbekämpfung”, mehr findet sich dazu nicht. 

Auch sonst ist in Großbritannien außer der schottischen SNP, die regionale Interessen vertritt, kein politischer Akteur zu finden, der EU-freundlichen Wählern eine Heimat geben würde. 

Ed Miliband, früher die Hoffnung von Labour, postet lieber witzig gemeinte Fotos von Eisbechern auf Twitter, während seine Partei im Brexit weiterhin einen Eiertanz zwischen Verbleib und Austritt aufführt, um nur ein Beispiel zu nennen. 

Und das obwohl die Folgen des Austrittschaos für das politische Leben in Großbritannien verheerend sein werden. 

Die Briten haben den Brexit satt

Fragt man Bekannte in Großbritannien, wie sie den Brexit verfolgen, hört man oft: Die meisten Menschen würden den Fernsehsender wechseln, um sich die neusten Nachrichten zum Brexit nicht anhören zu müssen. 

“Ich dachte, Donald Trump hat Amerika zur Lachnummer der Welt gemacht. Aber es fühlt sich an, als wären wir jetzt die Lachnummer”, sagte eine Britin kürzlich Channel 4. Es war noch die harmloseste Wortmeldung aus der Bevölkerung, die der britische Sender zum Brexit einfing.  

90 Prozent der Befragten nannten das Verhalten der britischen Regierung im Brexit in einer Umfrage kürzlich eine “nationale Demütigung”. Das Vertrauen in die Politik befindet sich an einem Tiefpunkt. 

Denn: Auch wenn der Brexit alle Aufmerksamkeit aufsaugt, machen sich die Briten um ganz andere Dinge sorgen. 

“Der Brexit ist das Hauptanliegen in Westminster, aber er ist nicht das Wichtigste für viele Menschen”, sagt Tom Clarkson der HuffPost. Er leitet die Umfragen über den Brexit am Institut Britain Thinks. 

Bei Umfragen zu den wichtigsten politischen Themen werde der Brexit meist gar nicht genannt, erklärt Clarkson. Lebenshaltungskosten, Lebensmittelpreise, Mieten, Gesundheitsvorsorge, Kriminalität – all diese Dinge würden die Menschen viel mehr beschäftigen, als der stets abstrakt bleibende Austritt aus der EU. Aber bei diesen Themen gibt es keine Bewegung, die Politik bleibt mit dem EU-Austritt beschäftigt. 

Clarkson jedenfalls hält eine neue Partei für möglich. Es gebe eine Sehnsucht nach neuen politischen Anführern, nach neuen Ideen, nachdem die Tories und Labour bisher so enttäuschten, betont er. “Eine neue Partei bräuchte symbolische Politikvorschläge, um die Massen zu begeistern. Der Brexit reicht hier nicht aus.”

Auch Wright vom Institute for Government sagt: “Es muss mehr geben, als nur Widerstand gegen den Brexit oder gegen das, was die Tories oder Labour tun.”

Wie geht es weiter für Großbritannien? 

Derzeit hält der Brexit das Parteiensystem noch zusammen, auch wenn er es gleichzeitig langsam auflöst. 

Solange der Brexit nicht entschieden ist, wird es wohl keine großen Veränderungen im politischen System geben. Premierministerin Theresa May versprach am Mittwoch ihren Rücktritt, sollten die Abgeordneten ihren mit der EU verhandelten Austrittsvertrag unterstützen. Ihre Tage an der Spitze der britischen Regierung scheinen gezählt, für die Tories bietet das die Chance, sich politisch neu aufzustellen. 

Auch bei Labour könnte es es Veränderungen geben. “Labour ist ein sehr, sehr fragiles Geschöpf”, sagt John Curtice, Autor der NatCen-Studie über die Parteizugehörigkeit, der HuffPost. Weitere prominente Abgänge sind hier denkbar. 

Eines aber werde alle politischen Wechsel zunächst überleben, glaubt Curtice: die Brexit-Debatte. “Angesichts der Schwierigkeiten, die wir schon zu Beginn der Debatte haben, werden wir wahrscheinlich bis Ende des Jahres oder sogar noch länger eine intensive Debatte darüber führen.”

Die Diskussion über das Verlassen der EU gebe es seit Jahrzehnten in Großbritannien. Und so bald wird sie nicht aufhören, sagt Curtice. Sollten sich die Abgeordneten letztlich für ein anderes Brexit-Modell entscheiden, würde der Streit weitergehen. 

Solange Großbritannien es aber nicht schafft, den Wunsch der Menschen in dieser Debatte in einen einheitlichen politischen Willen zu überführen, wird der Brexit wohl weiter wie ein schwarzes Loch in der Mitte des politischen Systems sitzen und alle Kraft aus ihm saugen. 

(vw)

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Lieber Erik ... Ein Brief an meinen Sohn

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Lieber Erik

Während ich diese Zeilen schreibe, liegst Du schon im Bett. Die Sirenen der Münchner Polizei sind verklungen und mit ihnen die knatternden Hubschrauber-Rotoren. Mir scheint fast so, als sei es draußen gerade stiller als sonst.

Gestern Abend erlebte die Stadt, in der Du vor einem Jahr geboren wurdest, einen Schock. Ein psychisch kranker 18-Jähriger erschoss in einem Einkaufszentrum neun Menschen und später sich selbst.

Das passierte nur wenige Tage, nachdem ein junger Mann in einem Regionalzug mit einer Axt auf Mitreisende losgegangen war. Kurz davor tötete ein anderer Irrer in Nizza mit einem Lastwagen mehr als 80 Menschen. Ähnliches ereignete sich auch in Brüssel und Istanbul.

 

In dieser Zeit verabschiedeten sich auch die Briten aus der Europäischen Union, die Türkei erlebt einen Putsch. Und die US-Republikaner machten einen Wahnsinnigen zu ihrem Präsidentschafts-Kandidaten.

Lieber Erik, die Welt da draußen, die Du gerade für Dich entdeckst, ist in Aufruhr.

 

Mein Smartphone, nach dem Du so gerne greifst, vibriert alle paar Stunden mit neuen Breaking News, deren Folgen uns noch Jahre lang beschäftigen werden.

Die meisten dieser Ereignisse haben völlig unterschiedliche Ursachen. Doch all jene Menschen in Deutschland, Frankreich und Amerika, die Märsche auf Straßen organisieren und zornige Parteien gründen, versuchen, diese Ereignisse zusammenzuführen zu einer großen Erzählung von einer Welt, die aus den Fugen geraten ist, die nur mit viel schärferen Regeln zu bändigen sei, mit Grenzen, Zäunen - und Ausschluss alles Fremden.

Lieber Erik, diese Kräfte wollen die Welt abschaffen, durch die Du möglich geworden bist, als Kind einer indischen Britin und eines Deutschen aus Hamburg.

Noch verstehst Du all die Schlagzeilen nicht. Du kannst noch nicht viel mehr sagen als “Hi” und “Dschü”. Was ich sicher sagen kann, ist, dass Du Grenzen nicht magst. Wie alle Kinder bist Du viel zu neugierig.

Grenzen zu überwinden ist Dein Tagesprogramm. Denn nichts ist größer als Dein Wille, diese Welt mit all ihren Schaufeln, Förmchen und Sandkästen zu entdecken. Wenn ich morgens nicht schnell genug bin, stehst Du schon mit Deinen Schuhen an der größten Grenze Deines Lebens: Unserer Wohnungstür.

Doch die Welt auf der anderen Seite der Tür ist plötzlich eine andere als die, in der ich aufgewachsen bin.

Ich bin mir sicher, dass ihr über das Jahr 2016 sprechen werdet, wenn Du in einigen Jahren in der Schule mit dem Geschichtsunterricht beginnst.

Manchmal fühlt es sich so an, als ob sich die Welt gerade so schnell erhitzt wie der Teekessel in unserer Küche, den Du jeden Morgen aufs Neue bewunderst. An manchen Tagen habe ich dann die Sorge, dass dieser Kessel platzen könnte.

Im Internet schreiben Menschen hasserfüllte Texte über andere Menschen und stacheln sich gegenseitig an. Manche zünden sogar Häuser an, weil dort Menschen leben sollen, die eine dunklere Haut haben. So wie Du.

Was mich am meisten bedrückt, ist, dass es in dieser Welt, die sich nun viele wünschen, Dich gar nicht geben würde.

Du bist das Kind einer britisch-indischen Mutter und eines deutschen Vaters. Deine Großeltern kamen in den Achtzigerjahren nach England, weil dort dringend Ärzte gesucht wurden. Eigentlich sollte es für deinen Großvater nur eine vorübergehende Station werden - doch er blieb. Sein Sohn und seine Tochter sind britischer als viele Briten.

Zum Beispiel reisen sie viel. Und so lernte ich Deine Mutter kennen: bei einem Sprachkurs in Ecuador. Jahrelang pendelten wir dann zwischen Deutschland und England. Es war aufregend. Wir lebten an zwei Orten zugleich.

Dann kamst Du, lieber Erik, mit Deinem britischen und deutschen Pass bist Du so etwas wie der Inbegriff der Welt, die gerade in Frage gestellt wird.

Doch in einem Europa mit hermetischen Grenzen, das keine Fremden aufnimmt, hätten Deine Großeltern niemals neu anfangen können. Dann hätte ich Deine Mutter niemals kennengelernt.

Aber genau so eine Welt wünschen sich jetzt viele.

Im Geschichtsunterricht werdet ihr in einigen Jahren diskutieren, warum diese Menschen so eine große Angst hatten. Wie diese Welt dann aussehen wird, das weiß ich nicht, lieber Erik. Ob die Menschen mit ihrer Angst sie dann verändert haben werden.

Was ich aber jetzt schon weiß, wir werden, wenn es nicht gut ausgeht, mitschuld sein. Deine Eltern, Deine Großeltern und die all Deiner Freunde - weil es uns dann nicht gelungen sein wird, die Angst vor den falschen Dingen zu besiegen. Denn viele Menschen haben ja wirklich Angst heute.

Weißt Du, lieber Erik, Deine Mutter und ich, hatten großes Glück in dieser Welt mit offenen Grenzen. Wir haben in verschiedenen Ländern gelebt, haben Freunde in unterschiedlichsten Winkeln dieser Welt und sind viel gereist.

Aber es gibt auch viele Menschen in unserem Land, die glauben, nichts von dieser offenen Welt zu haben. Die Angst haben, dass Menschen in anderen Ländern ihnen die Arbeit wegnehmen oder, dass diese Menschen hierher kommen und ihnen hier etwas nehmen.

Wir, also Menschen wie Deine Mutter und ich, werden in den nächsten Jahren lernen müssen, den Ängstlichen, die wirklich etwas verloren haben, noch mehr abzugeben. Und wir müssen lernen, ihnen zu zeigen, dass die Welt auch für sie viel besser geworden ist.

Viele Menschen haben heute aber auch Ängste, für die es keinen Grund gibt. Ängste vor Menschen wie Deiner Mama und Dir, lieber Erik. Und dagegen müssen wir kämpfen.

Diejenigen, die gegen das Zusammenrücken der Welt sind, die Grenzen und Zäune fordern, die kämpfen nämlich. Sie wollen das abschaffen, was uns glücklich gemacht hat: Die freie Welt, durch die Du möglich geworden bist.

Es ist schwer, diese Menschen zu verstehen, lieber Erik, weil sie in einem reichen Land leben zu einer Zeit, in der es vielen Menschen dort besser geht als jemals zuvor. Aber irgendwie muss es uns, also mir und Deiner Mama und Menschen, die denken wie wir, gelingen. Wenn sie dann nicht mit uns sprechen wollen, werden aber auch wir kämpfen müssen, auch wenn wir das etwas verlernt haben. Ich möchte nämlich, dass die Welt für Dich genauso frei sein wird, wie sie es für Deine Mama und mich war.

Aber, lieber Erik, ich will ehrlich sein. Ich weiß noch nicht, wie das funktionieren soll, weil die Menschen, die diese offene Welt so hassen, niemandem zuhören wollen.

Vielleicht müssen wir etwas finden, auf das sich alle Menschen wieder gemeinsam freuen. Erwachsene würde das vielleicht eine Idee nennen, wie unser Land aussehen soll, eine gemeinsame Vision der Zukunft. Denn aktuell - so scheint es - leben wir im gleichen Land, aber doch in unterschiedlichen Welten.

Ich hoffe nur, dass wir ein paar Antworten gefunden haben, wenn Du diese Zeilen lesen kannst.

Dein Vater.

Dieser Beitrag erschien zuerst am 24.07.2016

"Game of Thrones": Jon kann zum Problem für Daenerys werden

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  • Mit dem siebten Staffelfinale hat die Herkunft von Jon Snow gelüftet
  • Der König des Nordens weiß davon noch nichts
  • Warum Daenerys mit den neuen Umständen ein Problem haben könnte

 Jon Snow ist König des Nordes und der Lord von Winterfell. Für ihn ist klar: Der einstige Lord von Winterfell, Ned Stark, ist sein Vater. Er selbst sein uneheliches Kind, ein Bastard, weshalb er den Namen Snow oder Schnee anstelle von Stark trägt.

Bis zuletzt häuften sich aber die Hinweise, dass Jon nicht der ist, der er selbst meint, zu sein. Zum Ende der siebten Staffel lüften Samwall Tarly und Bran Stark letztlich das Geheimnis um den jungen Mann.

Das Problem ist nur: Der König des Nordens selbst weiß noch nichts – und verliebt sich nach und nach in Daenerys. Für die Mutter der Drachen könnte Jon aber zum Problem werden, wenn seine Herkunft bekannt wird.

Bevor wir zu den Details kommen, seid gewarnt: Jetzt wird gespoilert.

Jon Snow ist zu Teilen ein Stark

Der aufmerksame Fan weiß es schon lange: Jon Snow ist ein Wolf. Aber nicht weil er Ned Starks Sohn ist - sondern das Kind von Lyanna Stark, Neds Schwester.

Diese starb bei der Geburt von Jon in einem Turm in Dorne, wie Bran bereits vergangene Staffel in einer Vision gesehen hat.

Der einstige Lord von Winterfell hat den kleinen Jon aufgenommen und ihn offiziell als seinen Bastard, also seinen unehelichen Sohn, großgezogen. Es passte aber nicht sonderlich zu dem ehrenwerten Eddard seine Frau betrogen zu haben.

Leider hat Catelyn Stark nie erfahren, dass ihr Mann treu war.

Sam und Bran offenbaren nun aber noch mehr.  Erstens den Namen von Jons Vater: Rhaegar Targaryen. 

Jon ist mit Daenerys verwandt

Er ist der älteste Sohn des sogenannten Irren Königs, Aerys II. Targaryen, gewesen und damit Daenerys ältester Bruder.

Seit den Anfängen von “GoT” heißt es: Rhaegar löste die Rebellion gegen den König aus, als er die Verlobte von Robert Baratheon entführte: Lyanna Stark. Robert tötete ihn dafür.

Der Irre König ließ den damaligen Lord Stark und seinen ältesten Sohn Brandon hinrichten, während Eddard seine Schwester fand und Jon aufnahm.

► Jon wäre demnach das Kind einer Vergewaltigung und aus Jon Schnee oder Snow würde Jon Sand werden, jener Name den Bastarden aus Dorne zukommt.

► Daenerys wäre dann seine Tante. Jon und die Mutter der Drachen gehen also eine inzestuöse Beziehung ein, ohne es zu wissen.

So oder so scheint eine solche Liebe in der Welt von “Game of Thrones” weniger ein Problem zu sein. Zwar sorgte die Beziehung zwischen den Zwillingen Cersei und Jaimie Lennister für einen Skandal. Jedoch ist bei den Targaryen durchaus üblich gewesen, dass Geschwister heiraten. Grund: Die Blutlinie sollte rein bleiben.

Doch Sam und Bran wissen noch mehr - und das könnte die Königsbeziehung noch deutlicher in Frage stellen: Denn Jon ist kein Bastard.

Lyanna und Rhaegar haben geheiratet

Bereits seit einigen Folgen gab es dazu Hinweise: Als Sam in der Zitadelle Tagebücher abschreiben muss, stößt Goldy nämlich auf das Wort annullieren. Sie fragt nach der Bedeutung.

Den Grund für Goldys Frage nimmt Sam gar nicht wirklich wahr, aufmerksamen Fans ist er aber nicht entgangen: In einem Bericht steht, dass der Hohe Septon Maynard die Ehe zwischen Rhaegar und seiner Frau Elia Martell annulliert, also aufgehoben, hat und Rhaegar in einer Zeremonie in Dorne eine andere Frau geheiratet hat.

Diese war Lyanna. Sie war kein Opfer, sondern eine verliebte Frau.

Aegon könnte Daenerys größter Konkurrent werden

Sie nennt ihren kleinen Sohn Aegon Targaryen – und nicht wie bisher angenommen Jon. Dieser Junge ist also Rhaegars ehelicher Sohn und damit der rechtmäßige Erbe des Eisernen Throns.

Bisher beansprucht Daenerys diesen Titel für sich. Denn sie ist die jüngste Tochter von Aerys II. Targaryen – jedoch letztlich nur Rhaegars kleine Schwester.

► Dass Daenerys zum Staffelfinale nun mit gerade jenem Mann ins Bett geht, der Anspruch auf den Eisernen Thron hat, bietet Konfliktpotential – von dem beide noch nichts ahnen.

Denn bisher ist sich Daenerys sicher: Sie ist die wahre Königin von den sieben Königslanden. Dass sie sich damit zufrieden geben könnte, die Nummer zwei zu sein, scheint nicht realistisch.

Das Spiel um die Macht könnte jetzt erst richtig begonnen haben. Doch viel wichtiger ist: Der Winter ist da!


Von Thüringen bis in den Jemen: 5 Jahre HuffPost-Reporter unterwegs

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In den vergangenen fünf Jahren sind unsere Reporter quer durch Deutschland, Europa und die Welt gereist, um über die wichtigsten gesellschaftlichen Entwicklungen unserer Zeit zu berichten.

Sie trafen unter anderem auf Reichsbürger in einem Biergarten in Deggendorf, erlebten live in einer russischen Talkshow, wie Putins Propagandamaschine funktioniert, und sprachen mit Menschen in Erdogans autokratisch regierter Türkei, die für die Freiheit in ihrem Land kämpfen.

Hier findet ihr eine Auswahl dieser Geschichten: 

1. Wir haben mit hunderten Flüchtlingen die verminte Grenze zwischen Serbien und Kroatien überquert

September 2015: Die Flüchtlingskrise lässt die Grenzgebiete der Balkanstaaten im Chaos versinken. Zehntausende Menschen versuchen zu dieser Zeit zu Fuß von Griechenland in den Norden zu kommen. Nach und nach schließen die Länder der Balkanroute ihre Grenzen – mitten drin zu dieser Zeit in Serbien: unser Reporter Christoph Asche.

Wie er durch ein Minenfeld mit Flüchtlingen nach Kroatien lief, lest ihr in seinem dramatischen Bericht: 

2. Wir sind eine Woche durch Deutschland gereist, um herauszufinden, wo die Politik die Ärmsten im Stich lässt

Landflucht im thüringischen Greiz, Kinderarmut in Leverkusen, Schuldenberge in Herne: Wer durch die abgehängten Regionen des Landes fährt, merkt schnell, dass vom wachsenden Wohlstand in Deutschland längst nicht alle Menschen profitieren. Davon berichteten unsere Reporter Lennart Pfahler und Josh Groeneveld, die im Sommer 2017 quer durch Deutschland fuhren.

3. Wir haben eine Woche in einem kleinen bayerischen Dorf gewohnt, um zur Landtagswahl über die fundamentalen politischen Veränderungen in Bayern zu berichten

Im Herbst 2018 wählen die Menschen in Bayern einen neuen Landtag, der hitzige Streit zwischen den Geschwisterparteien CDU und CSU liegt nur einige Wochen zurück. Wie ist die Stimmung im flächenmäßig größten Bundesland Deutschlands? Verliert die CSU gar nach Jahrzehnten ihren Status als Volkspartei in Bayern?

Um das herauszufinden, zieht unser Reporter Leonhard Landes für eine Woche zurück in sein Heimatdorf in Niederbayern: 6849 Einwohner, drei Fußballvereine, zwei Brauereien, ein Kloster und vier Abende mit den Parteien. Mehr Bayern, mehr Wahlkampf geht nicht. Alle Berichte aus unserer Reihe “HuffPost Dahoam” findet ihr hier: 

HuffPost Dahoam

4. Wir sind nach Sibirien gereist, um das Eröffnungsspiel der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland zu sehen

Während die Welt auf Moskau schaute, verfolgten wir mit Julia und Anatolii das WM-Eröffnungsspiel 5000 Kilometer entfernt von der russischen Hauptstadt: in Meget, Sibirien.

Das Paar steht in diesem Report für jenen Teil der 142 Millionen Russen, die ein anderes Leben führen, als es der Kreml mit diesem Turnier der Weltöffentlichkeit präsentierte. Unsere Reporter Jürgen Klöckner und Ekaterina Bodyagina haben sechs Zeitzonen überflogen und waren zwei Tage wach, um die beiden zu treffen – nachzulesen hier:

 

Eine andere Welt erlebten wir in der WM-Stadt Samara. Hier haben wir einen Tag mit sechs Menschen aus der Millionen-Metropole verbracht, deren Leben im WM-Monat im Ausnahmezustand ist: 

 

In Samara haben unsere Reporter auch Alena Lazareva getroffen. Zum ersten Mal sprach mit ihr eine frühere Profi-Fußballerin ausführlich und öffentlich über Homosexualität in ihrem Sport: 

5. Wir sind mit dem Greyhound die Ostküste der USA entlang gefahren, um die Spaltung der amerikanischen Gesellschaft zu beschreiben

Greyhound Lines sind die Flixbusse der USA. Nur älter, etwas schäbiger und noch billiger. Hier fahren Menschen mit, die sich keine Flugtickets leisten können. Eine Fahrt in den grauen Fernbussen bietet eine Art Fenster in die Abgründe der US-Gesellschaft.

Unser Reporter Leonhard Landes ist im November 2018 kurz vor den Kongresswahlen mit einem Greyhound die Ostküste hinabgefahren. Es wurde ein siebenstündige Ritt, der wenig mit dem Amerika der Banker, Hollywood-Stars und Tech-Milliardäre zu tun hatte: 

6. Wir haben Flüchtlingslager auf Lesbos besucht, um das Scheitern der EU-Flüchtlingspolitik zu beschreiben

Moria heißt der Ort auf Lesbos, an dem das Scheitern, die Inhumanität der europäischen Flüchtlingspolitik so deutlich wird wie nirgends sonst auf dem Kontinent. Tausende Geflüchtete werden in dem Lager auf der griechischen Insel hinter Stacheldrahtzaun eingepfercht.

Unser Reporter Josh Groeneveld hat sich Anfang 2018 in das streng bewachte Lager geschlichen, um über das Leid der Menschen zu berichten. Außerdem sprach er auf Lesbos mit Flüchtlingshelfern, die irgendwo zwischen Verzweiflung und Trotz versuchen, den Menschen zu helfen, die noch immeraus der Türkei über das Meer auf die griechische Insel fliehen.

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7. Wir waren kurz vor Erdogans historischem Referendum in der Türkei, um Menschen zu besuchen, die für die Freiheit in ihrem Land kämpfen

Erdogan kämpft um seine Macht – und er will noch viel mehr von ihr. Im April 2017 ist unser Reporter Lennart Pfahler in der Türkei, um das Referendum zu begleiten, in dem Erdogan die Gewaltenteilung in der Türkei aufheben und sich zu einem beinahe unumschränkten Herrscher machen will.

Unser Reporter trifft auf Menschen, die das nicht hinnehmen wollen – und für eine freiere und demokratischere Türkei kämpfen. Wie der 25-jährige Journalist Engin Onder, der sich mit einer eigenen, erfolgreichen Nachrichtenseite gegen die Gleichschaltung der Medien stemmt: 

8. Wir haben den Jemen besucht, um zu zeigen, wie Saudi-Arabien seinen Einfluss in der Bürgerkriegsregion stärken will

“Ein Konvoi aus vier weißen Geländewagen biegt in den staubigen Hof einer Schule, davor ein schwarzer Pickup-Truck, drei Männer auf der Ladefläche. Einer von ihnen ist mit einer dunklen Sturmhaube maskiert, zwei haben ein Tuch in Tarnmuster um Mund und Nase gewickelt. In ihren Händen halten sie AK47-Sturmgewehre.”

Die Männer mit dem schwarzen Pickup-Truck sind nicht gekommen, um zu kämpfen, sondern um Schulbücher zu verteilen.

So beginnt der Bericht von HuffPost-Reporter Lennart Pfahler über die Region Mahra im Ostjemen, von wo aus Saudi Arabien das bürgerkriegsversehrte Land wieder aufbauen will – mit Folgen für das Machtgefüge im gesamten Nahen Osten.

9. Wir sind von den Alpen bis ans Wattenmeer gefahren, um zu sehen, welche Auswirkungen der Klimawandel bereits jetzt auf Deutschland hat

Der Klimawandel bedroht die Existenz von Mensch, Tier und Umwelt. Doch was bedeutet das eigentlich konkret? Um das zu verstehen, sind wir eine Woche lang durch Deutschland gereist und haben Menschen getroffen, die tagtäglich erleben, wie sehr sich die Umwelt bereits durch die globale Erwärmung auch bei uns gewandelt hat.

Wir waren an der Nordsee-Küste…

 

… in den Bergen im Allgäu…

 

… in einem Waldgebiet in Bayern…

 

… und in Hamburg. 

10. Wir haben zehn Vorbild-Bürgermeister besucht, die in ihren Gemeinden Lösungen für die größten Probleme Deutschlands entwickeln

Probleme – davon ist oft genug in der Politik und in den Medien die Rede. Doch während in Berlin noch Konflikte ausgetragen werden, versuchen engagierte Menschen in den Städten, Dörfern und Landkreisen längst, die Probleme Deutschlands zu lösen.

Im Frühjahr 2018 haben wir über 9 Städte und Gemeinden berichtet, in denen Menschen die drängendsten Probleme Deutschlands gelöst haben. Wir waren in Nordfriesland, wo in einem kleinen Dorf das Internet schneller ist als in mancher Großstadt. Oder in Wittenberg in Sachsen-Anhalt, wo die vielleicht kleinsten bewohnten Häuser der Welt stehen. Die Texte findet ihr hier auf dieser interaktiven Karte: 

HuffPost Deutschlandkarte
Auf den jeweiligen Ort klicken, um zum dazugehörigen Artikel zu gelangen.

11. Wir sind an die Grenze zwischen der Ukraine und Russland gereist, um über Europas vergessenen Krieg zu berichten

Von Kiew bis in den Krieg sind es zehn Stunden. Dazwischen liegen ein halbes Dutzend Checkpoints und lange Straßen, die stetig schmaler und deren Schlaglöcher immer tiefer werden. Marco Fieber hat die Checkpoints passiert und berichtet über das Kriegsgebiet am Rande Europas und darüber, wie aus Freunden Feinde wurden: 

12. Wir sind nach Deggendorf gefahren, um über den Erfolg der AfD zu berichten – und endeten in einem Biergarten mit Reichsbürgern

Eigentlich wollten wir dem Erfolg der AfD in Bayern auf den Grund gehen und sind dafür nach Deggendorf, eine ihrer Hochburgen im Freistaat, gereist. Aus einer zufälligen Begegnung in einem Biergarten nahe des Bahnhofs wurde dann aber ein Text über Reichsbürger und ihr krudes Weltbild.  

13. Wir haben uns als Gast in eine Talksendung des russischen Staatsfernsehens in Moskau gesetzt

Unser Russlandexperte und prominenter Putin-Kritiker Boris Reitschuster bekam eines Tages überraschend einen Anruf aus Moskau: die Einladung in eine bekannte russische Talkshow. Reitschuster nahm an und machte sich auf die Reise. Und steckte bald mitten in einem Polit-Thriller mit offenem Ausgang: 

14. Wir haben im Bundestagswahlkampf eine Woche lang AfD-Veranstaltungen in ganz Deutschland besucht – und den Grund für den Erfolg der Partei gefunden

2017 war das Jahr, in dem erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg eine in Teilen rechtsradikale Partei in den Bundestag einzog. Ein historischer Bruch. Doch wie kam es dazu?

Um eine Antwort auf diese Frage zu finden, haben wir uns in ganz Deutschland auf Spurensuche begeben: Wir haben radikalen und gemäßigten AfD-Politikern auf ihren Veranstaltungen zugehört. Wir haben mit ihnen und ihren Anhängern gesprochen. Und wir haben mit ihnen im Internet diskutiert. Das haben wir erlebt: 

15. Wir haben eine Woche in Hohenschönhausen verbracht, um über die politische Spaltung Deutschlands zu berichten

Viele arme Kinder, viele Alte – und viele, die sich für Populismus begeistern: Wenn man auf die Zahlen schaut, ist Berlin-Hohenschönhausen ein Stadtteil der Extreme. Unser Reporter hat dort eine Woche verbracht und auch jene Menschen getroffen, die sich mit dem Alltag nicht abfinden wollen.

Menschen, die Jugendlichen Perspektiven geben, Alleinerziehende vernetzen und Wohnungslosen helfen, wieder unterzukommen. Oder, die Neues aufbauen – etwa Gründer von Unternehmen. Eine Übersicht über die Geschichten findet ihr hier: 

Die 9 besten Aufmacher, die wir nie gemacht haben

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Wortspielen konnten wir nie widerstehen. Vor allem nicht bei unseren Aufmachern. 

Doch es gibt einige Wortspiele, die sollte man besser nicht machen. Weil sie schlecht sind. Oder etwas zu spielerisch mit den Namen von Personen umgehen. 

All diese Wortspiele findet ihr hier. Bei Aufmachern, die wir (leider oder zum Glück – entscheidet selbst) nie gemacht haben. 

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55 Aufmacher, die sich deine Zeitung nicht traut

Der HuffPost-Blick auf die wichtigsten Nachrichten der vergangenen 12 Monate

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Es ist die Aufgabe von Journalisten, zu berichten, was in der Welt geschieht. Aufzuschreiben, wer was sagt oder macht. Wo etwas passiert. Und es ist die Aufgabe von Journalisten zu gewichten. 

Es gibt täglich wichtigere und weniger wichtige Nachrichten. Die wichtigsten Nachrichten bekommen auf der HuffPost-Seite einen prominenten Platz: den Aufmacher, auch “die Eins” genannt. 

Bei der HuffPost trägt der Aufmacher traditionell den Namen “Splash”. 

Wer sich durch die Splashes der vergangenen Wochen und Monate klickt, sieht noch einmal die wichtigsten Nachrichten des jeweiligen Tages. 

Oft lieferten die Aufmacher harte Fakten. Unser Ziel war es aber auch immer, über den Splash ein Ereignis zu erklären oder in den Kontext größerer nachrichtlicher Lagen oder den gesellschaftlichen Kontext zu stellen. Deshalb waren die Aufmacherüberschriften häufig nicht rein nachrichtlich, sondern lieferten im besten Fall eine Einordnung gleich mit. 

Wir nehmen euch an dieser Stelle mit auf eine Tour durch die wichtigsten Nachrichten der vergangenen zwölf Monate.

März 2018: Skripal, Italien, GroKo

Am 4. März wählten die Italiener ein neues Parlament. Alle Befürchtungen der Pessimisten wurden wahr: Das Ergebnis lieferte keinen eindeutigen Auftrag an eine Partei oder ein Bündnis, die Regierung zu stellen. 

Klar war nur: Die beiden Protestparteien, die rechtsradikale Lega und die populistische Fünf-Sterne-Bewegung, waren die Gewinner der Wahl. Tatsächlich würden die beiden Parteien, die vor allem ihre Abneigung gegen die etablierten Parteien eint, später die Regierung stellen. 

Am Tag nach der Wahl konntet ihr bei uns eine Analyse lesen, welche Faktoren zu dieser Umwälzung des politischen Systems in Italien führten

Am Tag darauf erklärte ein junger Italiener, der wegen der schlechten wirtschaftlichen Aussichten seine Heimat verließ, seine Sicht auf die Wahlen:  

Ebenfalls am 4. März wurde der ehemalige russische Doppelagent Sergei Skripal zusammen mit seiner Tochter bewusstlos auf einer Parkbank im englischen Salisbury aufgefunden.

Bald stand fest: Die beiden wurden vergiftet. Zum Einsatz kam das Nervengift Nowitschok. Die britische Premierministerin Theresa May machte Russland für den Angriff verantwortlich, es folgte eine schwere diplomatische Krise.

Einige Kritiker aber wandten ein: Würde der russische Geheimdienst wirklich so dreist und öffentlich vorgehen wie im Fall Skripal? In der HuffPost erklärte Russland-Experte Boris Reitschuster: Ja, würde er. Denn: “Mordanschläge auf Kritiker und Überläufer liegen völlig in der Logik dieses Systems.”

Einige Tage später schilderte der britische Botschafter Sebastian Wood in der HuffPost seine Sicht auf den Anschlag: “Was am 4. März in Salisbury passiert ist, war ein dreister Versuch, Zivilpersonen auf britischem Boden zu ermorden.”

Das große innenpolitische Thema des Monats aber war: Nach einer langen Zitterpartie, einem Votum der SPD-Mitglieder eingeschlossen, stand endlich die Neuauflage der großen Koalition. 

Angela Merkel wurde am 14. März als Kanzlerin wiedergewählt. In der HuffPost waren zudem die vielen kleinen Geschichten zu lesen, die an diesem Tag im Bundestag passierten. Zusammengetragen damals von unserem Parlamentskorrespondenten Lennart Pfahler

Würde die neue GroKo mehr leisten können als die alte? Die Regierung jedenfalls startete, ohne sich ein 100-Tages-Ziel zu stecken. Und sie begann auch damit, wichtige Entscheidungen zunächst zu vertagen: 

Das Kabinett Merkel IV bot aber auch neue Gesichter auf, wie die ehemalige Neuköllner Bürgermeisterin Franziska Giffey. Ein “Glücksgriffey” für die SPD, wie Parlamentskorrespondent Jürgen Klöckner in einem Kommentar argumentierte: 

Die GroKo-Minister verloren sich aber erstmal in alten Debatten: Da war die Aussage von Innenminister Horst Seehofer, der Islam gehöre nicht zu Deutschland.

Oder da war die von Jens Spahn losgetretene Debatte, ob Menschen mit Hartz IV wirklich arm seien. HuffPost-Kolumnist Sebastian Christ schrieb über die Strategie, mit der Spahn zu Beginn des Jahres Aufreger wie am Fließband fabrizierte: “Den Shitstorm auf sich zu ziehen, ist zu einem Mittel der politischen Kommunikation geworden.”

April 2018: Trumps Syrien-Angriff und der Korea-Gipfel

Am 4. April 2017 starben bei einem Giftgas-Angriff durch Soldaten des syrischen Machthabers Baschar al-Assad 86 Menschen. 

US-Präsident Donald Trump deutete bald einen militärischen Vergeltungsanschlag an. Und die Welt spekulierte: Würde es amerikanische Bomben hageln – oder nicht?

Bereits im Februar hatte der syrische Filmemacher Humam Husari der HuffPost aus dem belagerten Ghouta am Telefon berichtet, wie die Menschen den Giftgas-Krieg Assads erlebten – während im Hintergrund zu hören war, wie in der Ferne ein Artillerie-Geschoss einschlug. 

Am Morgen des 14. April dann wusste die Welt: Die USA hatten tatsächlich drei Stützpunkte Syrien angegriffen. 

US-Präsident Trump veranlasste das Bombardement ohne Einwilligung der US-Kongresses. Die Luftangriffe auf Syrien seien eine Gefahr für die Demokratie, so kommentierte HuffPost-Redakteur Josh Groeneveld die Ereignisse

Aber im April folgten auch positive Nachrichten. Bei einem historischen Gipfel beendeten Süd- und Nordkorea formell den seit Jahrzehnten geltenden Kriegszustand zwischen beiden Ländern

Auf der koreanischen Halbinsel gibt es seitdem Hoffnung auf eine Annäherung und auf die nukleare Abrüstung des mörderischen Kim-Regimes. 

Mai 2018: Trumps Iran-Entscheidung, Özil, Populisten in Rom und der Bamf-Skandal

Der Mai hielt eine weitere richtungsweisende Entscheidung von Trump parat: Der US-Präsident kündigte das Atomabkommen mit dem Iran auf. Die HuffPost erklärte die Argumente, die für und gegen diese Entscheidung sprachen

Junge Iraner berichteten in der HuffPost zudem, welche Hoffnungen und welche Sorgen sie mit diesem Schritt von Trump verbanden. Die einen jubelten, die anderen fürchteten einen Angriff der USA: 

Der Aufreger wenige Tage später in Deutschland: Die DFB-Stars Mesut Özil und Ilkay Gündogan hatten sich mit dem türkischen Präsidenten in London getroffen und dem zunehmend autokratisch regierenden Recep Tayyip Erdogan Trikots überreicht. 

In Italien nahm unterdessen die Populisten-Regierung von Lega und Fünf Sterne Gestalt an. Unsere italienischen Kollegen lag exklusiv ein erster Entwurf eines Koalitionsvertrags vor, der europaweit Schlagzeilen machte.

Für Aufregung sorgte, dass in dem Dokument von einem massiven Schuldenerlass durch die Europäische Zentralbank als auch von einem möglichen Ausstieg Italiens aus dem Euro die Rede war. 

Beide Forderungen schafften es nicht in den endgültigen Vertrag. Neun junge Italiener erklärten in der HuffPost schließlich, was sie von dieser neuen, ungewöhnlichen Regierung hielten.

Das große Thema unterdessen in Deutschland: der vermeintliche Skandal in der Bremer Bamf-Behörde. 1.200 Asylbescheide waren angeblich falsch ausgestellt worden, von Bestechung und Betrug war die Rede. 

“Es steht ein Verdacht im Raum: Nämlich der, dass wichtige Entscheidungen in diesem Staat ein Preisschild haben”, kommentierte HuffPost-Autor Sebastian Christ

Erst Wochen später würde sich herausstellen: Der “Skandal” war sehr viel kleiner, als zunächst angenommen. 

Juni 2018: G7, Trump-Kim-Gipfel, Asylstreit, Russland-WM, Türkei-Wahl

Jetzt bitte anschnallen. Denn der Juni war ein irrer Nachrichtenmonat.

Als der G7-Gipfel schon vorbei ist, machte US-Präsident Trump seine Zustimmung zur Abschlussbestimmung per Tweet rückgängig. Ein historischer Affront

Einige Tage später folgte der nächste große Auftritt von Trump: In Singapur traf er Nordkoreas Diktatur Kim Jong-un – und rang ihm einige vage Zusagen ab. “Win for Kim”, titelte die HuffPost. 

Tags zuvor hatte Wan Heo, Redakteur bei der südkoreanischen Ausgabe der HuffPost, erklärt, warum sich Kim mit dem US-Präsidenten treffen wollte. Eine zentrale Rolle spielten dabei die “Jangmadang”, die traditionellen Märkte Nordkoreas, und die vom Kim-Regime gewollte wirtschaftliche Öffnung.

In Deutschland eskalierte unterdessen der Streit zwischen Innenminister Seehofer und Bundeskanzlerin Merkel um Zurückweisungen an der Grenze. 

Wir sprachen mit Experten

… spielten verschiedene Szenarien in einer undurchsichtigen Situation durch…

… und fassten die Geschehnisse von hektischen Tagen in Protokollen zusammen

Während Deutschland stritt, ertranken im Mittelmeer weiter Migranten. Seenotretter fanden keine Häfen zum Anlaufen, weil Italien sich abschottete. In der HuffPost kamen die Flüchtlingshelfer zu Wort

Der Streit in der Regierung ging weiter, doch zum Weltflüchtlingstag nahmen wir uns einen Tag Pause und berichteten nicht über den Asyl-Streit, sondern über 69 Menschen, die als Flüchtlinge oder Einwanderer in die Bundesrepublik kamen. “Zuwanderung gab es immer. Sie ist keine Ausnahme, sondern Normalität”, schrieben wir in unserem Aufmacher

Unterdessen hatte in Russland die Fußball-Weltmeisterschaft begonnen. HuffPost-Reporter Jürgen Klöckner verfolgte das Eröffnungsspiel am Fernseher – zusammen mit Anatolii und Julia in Sibirien

Als Deutschland schon in der Vorrunde ausschied, saß HuffPost-Reporter Josh Groeneveld im bayerischen Mühldorf am Inn neben einem AfD-Politiker. Und hörte dessen rassistische Attacken gegen Mesut Özil

Am Ende des Monats wählten dann die Menschen in der Türkei ein neues Parlament. Ein junger Politikwissenschaftler erklärte HuffPost-Reporter Lennart Pfahler in Istanbul, was die Deutschen dringend über die Politik in seinem Land verstehen müssten: 

In Europa tobte auch weiterhin ein Streit um die Grenzen. In der HuffPost sagten 28 junge Europäer: “Liebe Staats- und Regierungschefs, halten Sie Europa offen, frei und vor allem ohne Mauern und Zäune!”

Juli 2018: Immer noch Asylstreit und eine Debatte über Rassismus

Im Juli ging es weiter mit einem streitlustigen Seehofer… 

… mit einem noch streitlustigeren Seehofer

… und, nach einer Einigung im Asyl-Streit, mit einem frustrierten Seehofer

CDU und CSU einigten sich auf sogenannte Transitzentren an der Grenze. In der HuffPost berichtete der Iraner Behrouz Boochani von seinem Leben in einem australischen Flüchtlingslager auf der Insel Manus

Wir selbst besuchten ein Flüchtlingslager in Bamberg, das als eine Art Labor der CSU für die verschärfte Asylpolitik der Partei diente

Union und SPD legten schließlich den Asylstreit bei, die Transitzentren wurden gestrichen. 

Aber auf Deutschland wartete die nächste hitzig geführte Debatte: Mesut Özil trat als Nationalspieler zurück und nannte rassistische Anfeindungen als einen der Gründe für seine Entscheidung. 

″Über das Islam-Problem in den Köpfen der Deutschen müssen wir reden”, kommentierte Sebastian Christ für die HuffPost.

Zehn Deutschtürken berichteten in der HuffPost, dass sie Özils Gedanken und Gefühle nachempfinden könnten. 

Mit dem Hashtag #MeTwo löste schließlich Ali Can in den sozialen Medien eine gigantische Debatte über Alltagsrassismus aus. In der HuffPost erklärte er seine Beweggründe

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August 2018: Aufstehen, Pegizei und Chemnitz

Im August, nach Wochen voller Spekulationen, warb Sahra Wagenknecht für ihre linke Sammlungsbewegung “Aufstehen”. Eine solche Bewegung gebe es längst in Deutschland, kommentierte Parlamentskorrespondent Jürgen Klöckner – und nahm das Umfragehoch der Grünen vorweg: 

Ende August starb ein Mann in Chemnitz nach einem Streit, zwei Asylbewerber wurden als Tatverdächtige verhaftet. Danach versank die Stadt in Chaos, rechte Demonstranten bedrohten Passanten, die ausländisch aussehen. 

Am Tag darauf waren wir vor Ort, als eine Demonstration von Rechtsradikalen außer Kontrolle zu drohen geriet

Zusammen mit unseren Kollegen von FOCUS Online ließen wir 20 Chemnitzer zu Wort kommen, die sich gegen rechte Hetze und Gewalt wandten:  

September 2018: Chemnitz, Maaßen, Brinkhaus

Das erste Wochenende im September begann mit einem Charity-Konzert gegen Rechts. “Denkt an Sachsen, wenn die Bühne nicht mehr steht”, appellierte Dennis Heldt an die deutsche Politik. 

Während die Bands auf der Bühne im Chemnitzer Stadtzentrum noch spielten, besuchte HuffPost-Reporter Josh Groeneveld eine AfD-Veranstaltung. Und erlebte, wie sich eine Frau allein gegen den Hass der Rechten stellte

Der damalige Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen bezweifelte schließlich, dass es in Chemnitz zu “Hetzjagden” auf Migranten gekommen sei. Beweise blieb er zunächst schuldigt. “Hans-Georg Maaßen wird zu Deutschlands oberstem Verschwörungstheoretiker”, kommentierte die HuffPost. 

Der Fall wuchs sich umgehend zu einer Regierungskrise aus. Die Kanzlerin forderte Maaßens Abgang, die SPD ebenfalls, Seehofer aber hielt an ihm fest

Nachdem SPD-Chefin Nahles zunächst einer Absetzung und gleichzeitigen Beförderung Maaßens zugestimmt hatte, bekam sie den Zorn ihrer Parteimitglieder zu spüren – und vollzog eine Wende. Maaßen wurde in den einstweiligen Ruhestand versetzt. 

Das zweite große Thema im September: der Protest im Hambacher Forst. In der HuffPost berichtete ein Aktivist, mit welcher Vehemenz die Polizei gegen die Demonstranten vorgehe.

Wenige Tage später kam es zu einem Unglück: Ein Journalist stürzte bei einem Großeinsatz aus den Bäumen fünfzehn Meter in die Tiefe und starb. 

Ende September spielte sich ein waschechter Polit-Krimi ab: Merkel verlor einen ihrer wichtigsten Verbündeten, Volker Kauder, bis dahin Unionsfraktionschef. Der Neue: Ralph Brinkhaus. Unsere Korrespondenten Lennart Pfahler und Jürgen Klöckner lieferten ein Protokoll eines ungewöhnlichen Tages

Oktober 2018: Bayern-Wahl, Hessen-Wahl, Merkel-Dämmerung, Khashoggi

Im Oktober standen zwei Landtagswahlen an. In Bayern musste die CSU nicht nur das einstige Ziel der absoluten Mehrheit aufgeben, sondern gar eine komplette Blamage befürchten. 

Wir erklärten den Absturz der Konservativen mit einer Reportage aus einem kleinen Dorf in Niederbayern

Am Tag nach der Wahl besuchten wir einen Grünen-Kandidaten am Chiemsee, wo die CSU einbrach und die Grünen jubelten:  

Nach der Hessen-Wahl – und einem weiteren dramatischen Einbruch von Union und SPD – prophezeiten wir das Ende der GroKo. Und sollten schon von den Entwicklungen am nächsten Tag überrascht werden…

… denn Angela Merkel verkündete ihren Rückzug von der Parteispitze. Wir stellten die aussichtsreichsten Kandidaten für ihre Nachfolge vor

Das große außenpolitische Thema war der Mord an dem saudischen Journalisten Dschamal Khashoggi. Die diplomatischen Spannungen zwischen der Türkei und Saudi-Arabien hatten das Potenzial, das Machtgefüge im Nahen Osten gehörig umzuwälzen, wie wir erklärten

November: Midterms, Migrationspakt, Ukraine-Konflikt

Die USA wählten einen neuen Kongress. Es war der erste Stimmungstest für US-Präsident Trump seit Amtsbeginn. 

Wir berichteten aus einem kleinen Vorort im US-Bundesstaat Virginia, wo vor allem unter Frauen die Wut über Trump groß war

Deutschland diskutierte unterdessen über den UN-Migrationspakt, dabei war das Dokument monatelang größtenteils ignoriert worden. Doch eine Kampagne von Rechtsextremen kanalisierte zunächst die Ablehnung gegen den Pakt – und machte ihn zum Gesprächsthema in ganz Europa, wie HuffPost-Redakteur Marco Fieber damals rekonstruierte

Ende des Monats schaute Europa besorgt auf den Osten Europas: In der Meerenge zwischen der Schwarzmeerhalbinsel Krim und dem russischen Festland blockierte die russische Küstenwache den Weg von ukrainischen Schiffen, drei ukrainische Schiffe wurden beschossen. 

In der HuffPost erklärten fünf junge Ukrainer, wie sie die Eskalation vor der Krim erlebten

Dezember: Gelbwesten und CDU-Parteitag

Bereits seit Ende Oktober gingen Franzosen in gelben Westen auf die Straße, blockierten Kreisverkehre und riefen ihre Parolen. Der Protest hatte sich an der Umweltpolitik der Macron-Regierung entzündet, richtete sich aber auch gegen die hohen Lebenshaltungskosten und die liberale Politik der französischen Regierung. 

In der französischen Ausgabe der HuffPost erklärte einen Grünen-Politikerin, von welchen Sorgen ihr Teilnehmer einer Gelbwesten-Demo berichtet hatten

Anfang Dezember wählte die CDU in Hamburg Annegret Kramp-Karrenbauer zur neuen Vorsitzenden. Für uns die Chance, mal schlechte und mal bessere Wortspiele zu machen. Hier eine Auswahl einiger Aufmacher von unserer Berichterstattung vor Ort: 

Kurz vor Weihnachten führte der Streit in den USA um Trumps gewünschte Grenzmauer zu Mexiko zu einem teilweisen Regierungsstillstand. HuffPost-Redakteur Josh Groeneveld erklärte den US-Präsidenten zum “Grinch”: 

Januar 2019: Daten-Klau im Bundestag und Brexit

Das neue Jahr begann mit einem massiven Daten-Diebstahl bei Bundestagsabgeordneten.

Seit Ende November beschäftigte der Brexit Woche um Woche Europa. Damals hatten sich Großbritannien und die EU auf den Austrittsvertrag geeinigt, Premierministerin Theresa May aber scheiterte daran, im Unterhaus eine Mehrheit für den Deal zu organisieren. 

Bereits im Dezember berichteten wir über Steve Bray, den wohl bekanntesten Anti-Brexit-Demonstranten Großbritanniens. 

Wir erklärten vor der ersten Abstimmung von Mays Deal, die scheitern sollte, die Einzelheiten: 

Februar 2019: Brexit, Brexit, Brexit und der Kaschmir-Konflikt

Im Februar ging es weiter mit dem Brexit – und unseren Erklärstücken, um im britischen Chaos den Überblick zu behalten: 

Ende des Monats eskalierte der seit langem schwelende Kaschmir-Konflikt. Nach dem schwersten Anschlag auf indische Sicherheitskräfte in der Region seit Jahren griff Indien ein angebliches Terror-Camp der mutmaßlichen Drahtzieher nahe der pakistanischen Stadt Balakot an. Pakistan schoss daraufhin zwei indische Kampfflugzeuge ab.

Die indische Schriftstellerin Arundhati Roy erklärte in der HuffPost, warum der Streit zwischen Indien und Pakistan um die Provinz Kaschmir zu den gefährlichsten Konflikten der Welt gehört

März 2019: Witze über Minderheiten, Europa, Brexitshambles, Christchurch und Klimastreiks 

Der März begann mit der Empörung über Annegret Kramp-Karrenbauer, die im Karneval über Intersexuelle gespottet hatte

Frankreichs Präsident schrieb einen offenen Brief an alle Europäer – und erhielt zunächst ausweichende Antworten

Noch immer beschäftigte der Brexit Europa. Wir riefen einen Labour-Abgeordneten an und befragten ihn zu seinem Kompromiss-Vorschlag, der das Unterhaus aus der Brexit-Sackgasse befreien soll

Mitte März betrat ein Mann im neuseeländischen Christchurch eine Moschee und begann, auf die Betenden zu schießen. Später griff er noch eine weitere Moschee an, 50 Menschen starben. Internetnutzer aus aller Welt konnten dem Täter zusehen – er streamte die Attacke live über Facebook.

Wir beschäftigten uns daher mit der Rolle, die soziale Medien bei terroristischen Anschlägen spielen

Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern bekam viel Lob für ihren einfühlsamen Politikstil nach dem Anschlag. HuffPost-Redakteurin Uschi Jonas schrieb: “Neuseelands Premierministerin ist der Beweis, dass die Welt mehr Frauen an der Macht braucht!

Der letzte Eintrag in dieser nun wirklich langen Liste an Aufmachern soll jenen Menschen gehören, die unsere Zukunft sind. Zehntausende Kinder und Jugendliche gehen derzeit jeden Freitag auf die Straße, um für den Klimaschutz zu demonstrieren. Dafür müssen sie sich von Politikern teils abfällige Kommentare anhören. 

Wir fragte einige junge Demonstranten, was sie über die Kritik der Erwachsenen denken

9 HuffPost-Stories, die Deutschland bewegt haben

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1. Schwarz-Rot-Bunt: 69 Menschen erzählen ihre ganz persönliche Einwanderungsgeschichte

Im Sommer 2018 drohte die Bundesregierung, an der Flüchtlingskrise zu zerbrechen. Wer allerdings bis zur Gründung der Bundesrepublik zurückschaut, sieht: Zuwanderung gab es immer. Sie ist keine Ausnahme, sondern Normalität.

Und die Zuwanderung hat viele Gesichter. Diesen Menschen gaben wir am Weltflüchtlingstag 2018 eine Stimme. Es sind bewegende Geschichten, die wiederum viele Menschen bewegten. Insgesamt haben wir mit der Aktion mehr als eine halbe Millionen Menschen erreicht. 

2. Theater-Intendanten, die vor Angriffen von Rechtspopulisten auf ihre Häuser warnen

“So hat jede Diktatur angefangen” – mit drastischen Worten haben in der HuffPost Intendanten der größten deutschen Theater von den Angriffen rechter Aktivisten auf ihre Häuser berichtet.

In die Berichterstattung stiegen nicht nur andere Medien ein (wie der Deutschlandfunk) – das Echo der Geschichte zeigte schnell: Der rechte Hass trifft längst nicht nur Theatermacher, sondern auch Autoren, Filmemacher und Künstler. Auch sie berichteten in der Folge in der HuffPost von zunehmenden Angriffen von rechten Aktivisten: 

3. Wie junge Frauen durch sexuelle Übergriffe aus der Politik gedrängt werden

Die HuffPost befragte im Januar 2018 Jungpolitikerinnen von Jusos, Junger Union, Linksjugend, Jungen Liberalen und Grüner Jugend zu ihren Erfahrungen mit Sexismus und sexualisierter Gewalt. In einer anonymen Umfrage – und in dutzenden Interviews.

Das erschreckende Ergebnis: Fast jede Zweite wurde im Rahmen ihrer politischen Arbeit bereits Zeugin sexueller Belästigung. Jede Dritte wurde selbst belästigt. Mehrfach geht es sogar um Vergewaltigungen. Die Recherche fand deutschlandweit Aufmerksamkeit. Ihr könnt sie hier nachlesen: 

4. Die AfD-Aussteigerin, die nicht länger darüber schweigen wollte, was hinter den Kulissen der Partei passierte

Es ist ein Gastbeitrag, der auch nach zwei Jahren nachhallt: Jenny Günther war stellvertretende Vorsitzende der AfD-Jugend in Brandenburg, bis sie in der HuffPost ihren Austritt aus der Partei erklärte. “Was hinter den Kulissen passierte, darf nicht länger geheim bleiben”, schrieb sie – ihr Bericht wurde von vielen Medien aufgegriffen.

“Eigentlich hätte mir schon nach wenigen Monaten in der AfD klar sein müssen, wo ich gelandet war”, schrieb sie. “Ich war umgeben von Machos, Verschwörungstheoretikern und Menschen, die über den Umsturz in Deutschland fantasieren.” Nachzulesen hier: 

5. Zwischenfall bei der Pressekonferenz mit Erdogan und Merkel 

Es gibt diese Momente, in denen eine durchprotokollierte Pressekonferenz für einen Augenblick ins Chaos abgleitet– und dann alles so weiterläuft, als wäre nichts gewesen. Diesen Moment erlebte HuffPost-Reporter Jürgen Klöckner beim Treffen von Kanzlerin Angela Merkel und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan im Kanzleramt Ende September 2018.

Der Journalist Ertugrul Yigit, der ein T-Shirt mit der Aufschrift “Gazetecilere Özgürlük – Freiheit für Journalisten in der Türkei” trug, wurde dabei von Sicherheitsleuten abgeführt. Klöckner filmte und veröffentlichte das Material, das alleine auf Twitter über 140.000 Menschen sahen.

Die sahen nicht nur die Pressefreiheit in Gefahr, weil hier ein Journalist, der für ein Grundrecht warb, abgeführt wurde. Sie empörten sich auch über das Verhalten der anderen Journalisten, die nicht einschritten. Die Folge war eine Diskussion darüber, wie neutral sich Journalisten verhalten können.

Unser Reporter antwortete in einem Blogbeitrag: “Meine Aufgabe ist es, vor Ort zu bleiben, vor allem in solchen Situationen – und darüber zu berichten und die richtigen Fragen zu stellen.“ 

6. 200 Menschen aus Deutschland sagen in der HuffPost: “Willkommen, liebe Flüchtlinge, gut, dass ihr hier seid”

Im Sommer 2015 diskutierte ganz Deutschland über die Flüchtlingskrise, tausende Menschen erreichten täglich die Grenzen der Bundesrepublik.

Menschen hießen die Geflüchteten an Bahnhöfen willkommen, reichten Wasserflaschen und Essen. Aber Deutschland erlebte auch eine Welle des Fremdenhasses. Asylunterkünfte standen in Flammen, Menschen zogen wütend durch die Straßen. 

Diese hässliche Seite der Bundesrepublik bekommt viel Aufmerksamkeit, dabei ist in diesem Sommer auch ein anderes Deutschland zu sehen. Ein weltoffenes, freundliches Deutschland. Diesem Deutschland gaben wir damals eine Stimme: “Willkommen, liebe Flüchtlinge, gut, dass ihr hier seid!”

Kurz nach dieser Aktion fragten viele in den deutschen Medien: Dürfen die das? Denn wir hatten als Nachklapp auf unsere Flüchtlingsaktion fremdenfeindliche Einträge aus den Kommentarspalten veröffentlicht – mit Namen und Profilfoto. 

Der Fall landete auch beim Deutschen Presserat. Der urteilte: Die Aktion verstieß nicht gegen den Pressekodex. 

Unsere Aktionen gefielen offenbar auch den Kollegen der “Bild”-Zeitung: Mit #refugeeswelcome überraschte das Boulevardblatt Ende August 2015 ihre Leser, im “Pranger der Schande” berichteten die Kollegen in Berlin im Oktober 2015 über Hasskommentatoren im Netz. 

7. Live-Bericht von der G20-Schlacht in Hamburg

Als in Chaos in Hamburgs Straßen beim G20-Gipfel herrschte, waren unsere Reporter Max Marquardt und Jürgen Klöckner vor Ort.

Mit Helm, Gasmaske und Kamera ging Max in die Schanzenstraße, als dort Linksextremisten mit brennenden Barrikaden die Straße blockierten. Er streamte die unfassbaren Szenen live über Facebook – und erreichte damit über eine Millionen Menschen:  

Auch ein anderer Vorfall sorgte für Aufmerksamkeit. Der Kameramann Flo Smith schilderte Jürgen, wie er von Polizisten mit Pfefferspray angegriffen wurde. Der Deutsche Journalistenverband Hamburg forderte daraufhin – auch mit Blick auf vergleichbare Vorfälle – Aufklärung.

8. Während alle großen Medien den Dokumentarfilm “Elternschule” bejubelten, haben wir uns klar auf die Seite der Kinder gestellt

Schon bevor der Film “Elternschule” im Oktober 2018 in die deutschen Kinos kam, sorgte er für eine regelrechte Welle der Empörung. Während die meisten Journalisten begeisterte Kritiken über den Dokumentarfilm veröffentlichten, waren viele Eltern schon aufgrund des Trailers entsetzt.

Dieser zeigt verhaltensauffällige Kinder, ihre verzweifelten Eltern, die sich an die Kinder- und Jugendklinik Gelsenkirchen wenden und den Psychologen Dietmar Langer, der Kinder und Eltern dort durch sein selbstentwickeltes Therapieprogramm führt.

Drei Wochen lang lernen Eltern dort, was angeblich “gute Erziehung” ist. Zu den radikalen Maßnahmen gehören Schlaftraining, Esstraining, Trennungs-Training. Die Eltern sollen lernen, sich durchzusetzen gegen ihre kleinen “Tyrannen” und “Prinzessinnen”.

Wie auch einige renommierte Kinderärzte, Bindungsforscher und Erziehungsexperten ist die HuffPost der Meinung, dass hier Gewalt an Kindern gezeigt wird. Wir veröffentlichten eine Reihe von Artikeln, die belegen, dass das Therapiekonzept aus Gelsenkirchen als höchst gefährlich einzustufen ist. Der Text fand hunderttausende Leserinnen und Leser und lösten eine Diskussion über moderne Erziehungsmethoden aus. 

9. Wir waren dabei, als Matussek auf eine Bierkiste sprang und zum “Widerstand” aufrief

Früher schrieb er Bestseller, jetzt ruft er “Lügenpresse”: Der ehemalige “Spiegel”- und “Welt”-Autor Matthias Matussek driftete ideologisch von links nach rechts. 

Wie weit nach rechts – das wurde im März 2018 deutlich. Matussek trat in Hamburg auf einer “Merkel muss weg”-Demonstration. Unser Reporter Jürgen Klöckner war vor Ort und hielt fest, wie Matussek auf eine Bierkiste stieg und zum Widerstand gegen die Bundesregierung aufrief. 

Es war ein Bild, das Matussek nicht mehr loswerden sollte und symbolisch dafür steht, wie weit gefährliches rechtes Gedankengut in die bürgerliche Mitte vorgedrungen ist. Wäre unser Reporter nicht vor Ort gewesen – Matussek würde bei vielen heute noch als linke Edelfeder gelten ;).

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Danke liebe Royals: Ihr werdet uns ganz besonders fehlen

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Sie waren eines unserer liebsten Themen: die Royals. Sogenannte royale Experten und Insider, ein mysteriöser Ring an Prinz Harrys Finger oder ein zu kurzes Kleid von Meghan erregten jeden Tag aufs Neue die Aufmerksamkeit unserer Leser.

Warum?

Nun ja, die Queen, Prinz Charles, Lady Diana, Prinz William, Prinz Harry, Herzogin Meghan und Herzogin Kate – sie alle lieferten Daily-Soap-reife Dramen und Geschichten. Kaum ein Tag verging ohne eine gute Story rund um das britische Königshaus

Eines hat die Familie in den vergangenen Jahren besonders verändert: Die Royals haben Zuwachs bekommen. Und nein, es ist nicht die Rede von Herzogin Kates jüngstem Sohn Prinz Louis.

Seit Mai 2018 ist die ehemalige “Suits”-Darstellerin Meghan Markle Teil der Familie und mischt seitdem die Monarchie auf. Ob sie ihr Bein falsch um das andere schlug, ein Preisschild am Kleid vergaß oder den falschen BH trug: Jede Geschichte war es wert, erzählt und gelesen zu werden.

Hier nochmal für euch – weil es so schön war – ein Best of Royals.  

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Der große Streit zwischen Herzogin Meghan und Herzogin Kate

Seitdem Meghan Markle und Prinz Harry sich verlobt haben und ein wahres Märchen begann, hängt der Haussegen bei den britischen Royals offenbar schief. 

Denn Meghan ist anders. Ihre Mutter ist Afroamerikanerin, sie kommt aus den USA, ist eigentlich Schauspielerin und war schon einmal verheiratet. Letzteres machte sie laut den vermeintlichen Experten im Königshaus besonders verdächtig.

Doch Harry stand zu ihr, sie feierten eine außergewöhnliche Hochzeit und zeigen nun täglich, was sie alles anders machen als die “gewöhnlichen” Royals Kate und William. 

Wohl deshalb ging man häufig davon aus, dass es besonders zwischen den Damen kriseln muss. 

Kate ist schwanger: Wieder und wieder...

Gefühlt nur Augenblicke nach der Geburt ihres ersten Kindes George spekulierten “Experten”, dass Herzogin Kate erneut schwanger ist. Offensichtlich können Insider und Freunde der Royals es nach jedem Kind kaum erwarten, wann sie den nächsten Nachwuchs in die Familie bringt.

Ganze vier Mal war Kate in der Geschichte der HuffPost Deutschland schwanger, zeigte Anzeichen oder war kurz davor. Jedes Mal war es ein Schuss in den Ofen.  

Meghan ohne Kinder bereits drei Mal schwanger? 

Ein Paar ist frisch verheiratet. Nachdem das von der Checkliste gestrichen ist, bleibt eine Frage anscheinend offen: Wann kommt das erste Kind? Ist man eine Person oder ein Paar des öffentlichen Lebens, wie Meghan und Harry, kreisen die wildesten Gerüchte um eine mögliche Schwangerschaft.

Rebellen: Die Royals brachen ein Protokoll nach dem anderen

Es ist mittlerweile allseits bekannt, dass die britischen Royals mehr als nur eine Regel haben, die möglichst alle einhalten sollten. Von strengen Verhaltensprotokollen über wichtige und jahrhundertealte Traditionen, bis hin zu Regeln, die nur dazu da sind, um gebrochen zu werden. 

Bereits der Onkel von Queen Elizabeth II., King Edward VIII., hat sich nicht an alle Regeln des Königshauses gehalten. Er verliebte sich in eine geschiedene Amerikanerin (damals ein Skandal) und dankte als König ab, um mit ihr zu leben.

Die Queen hält seit jeher das Bild der perfekten Monarchin hoch. Kaum eine Regel hat sie missachtet. Umso mehr ihre Schwester Margaret, ihr ältester Sohn Charles und Prinz Harry. Mit einer Uniform samt Hakenkreuz machte er vor elf Jahren Schlagzeilen.

Doch das britische Königshaus hat seit Mai 2018 eine neue, erste Regelbrecherin: Herzogin Meghan.

► Und dann ist das passiert...

Meghan, eigentlich Amerikanerin, weiß einige Traditionen zu schätzen. So war lange klar, dass sie wie ihre amerikanischen Freunde eine sogenannte Babyshower veranstaltet.

Eine Party, bei der es sich nur um die Schwangere und das ungeborene Baby dreht, die Gäste bringen Geschenke wie Kleidung, Windeln oder Ähnliches mit. 

Experten hatten es jedoch offenbar schon in Stein gemeißelt: Das britische Königshaus würde solch eine Veranstaltung nicht erlauben. 

Die Royals sollten nicht den Eindruck erwecken, Geschenke zu benötigen, da sie sehr wohlhabend sind, hieß es in dem Artikel. Nun gut. Als Meghan und Harry die Schwangerschaft der Herzogin verkündeten und der Geburtstermin ungefähr festgelegt war, wurde klar:

► Es wird keine Babyparty geben – aus denselben Gründen, wie bereits genannt. 

Anfang des Jahres wurde die Herzogin in New York gesichtet. Paparazzi-Fotos bewiesen: Sie kam gerade von ihrer eigenen Babyparty und machte nicht einmal ein Geheimnis daraus.

Berühmte Gäste wie Tennisstar Serene Williams oder George Clooneys Frau Amal brachten der Herzogin teure Geschenke. Eine Schauspielkollegin schenkte ihr sogar etwas in blauem Geschenkpapier eingewickelt und alle fragten sich: Wird es ein Junge?  

Ob Meghan als geborene Rebellin einfach keine Lust hat, sich den kuriosen Regeln der Royals zu unterwerfen oder die Experten mit ihren Theorien einfach falsch lagen: Meghan feierte jedenfalls eine Babyshower.

Die angeblichen Geheimnisse der Lady Di

Nicht nur einmal war Lady Diana die Protagonistin einer unserer Artikel. Das hat natürlich auch einen Grund: Die Zahl der Leserinnen und Leser der Artikel über Lady Di zeigt, wie sehr sie auch nach ihrem 21. Todestag die Welt bewegt. 

Glaubt man unseren Artikel über Lady Di schien die Prinzessin einige Geheimnisse gehabt zu haben, die (alle) offenbar erst jetzt an die Öffentlichkeit gelangen. 

Die vermeintlich böse Queen Elizabeth 

Wer noch fehlt in unserer Aufzählung: Queen Elizabeth II. 

Vor der beliebten Netflix-Serie “The Crown” wusste man nicht sehr viel über das royale Oberhaupt. Klar war: Sie ist streng, greift durch und ist Vorbild für die ganze Nation. Gerade deshalb müssen alle royalen Mitglieder sich nach ihr richten.

Oft wird sie deshalb als Spaßbremse angesehen. Was jedoch wohl immer noch an ihr haftet, ist, dass Millionen von Lady Di-Fans ihr die Schuld daran geben, dass Diana sich so unwohl im Königshaus gefühlt hat. 

Deshalb trug die Queen lange Zeit das Image der bösen Großmutter, das sie immer wieder versucht, zu überwinden – und es funktioniert. Die Queen ist cool. Deswegen gehören folgende Schlagzeilen vielleicht bald der Vergangenheit an. 

Die Queen ist, wie auch die anderen Mitglieder der royalen Familie, nunmal besonders. Genau deswegen muss sie sich auch nicht an Gesetze halten, die für normale Menschen gelten. Sie fährt beispielsweise Auto, obwohl sie keinen Führerschein besitzt. Sie ist eben cool.

Und weil es so unvergesslich und gleichzeitig amüsant ist: Hier ein Bild von Queen Elizabeth II. hinterm Steuer.

An dieser Stelle wollen wir noch einmal Danke sagen, an Meghan und Kate, an die angeblichen Insider, die täglich neue Geheimnisse aus dem Leben der Mitglieder des britischen Königshauses ausplaudern. Danke an Lady Dis Ex-Butler, der nicht aufhört, über sie zu reden und jedes Mal Neues über die Prinzessin erzählt, das angeblich noch niemand wusste. 

Danke an den royalen Rebel Harry und danke William, dass du irgendwann als Thronfolger König von England wirst. 

Denn damit ist auch eines klar: Die Geschichten über die Royals werden nie aufhören. Wenn wir könnten, würden wir dranbleiben. 

(ak)

 

 

 

Die HuffPost Deutschland schließt: Abschiedsbrief an die Leserinnen und Leser

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Die HuffPost ist heute anders.

Mit diesem Satz haben wir in der HuffPost-Redaktion in den vergangenen fünfeinhalb Jahren unsere Aktionen angekündigt: Wenn Wirtschaftsgrößen wie der Post-CEO Frank Appel, Prominente wie der Sänger Peter Maffay oder Youtube-Stars wie die “Die Lochis” einen Tag die Redaktion als Gast-Chefredakteure leiteten. Oder wenn wir einen ganzen Tag einem Thema widmeten: Wie den bewegenden Geschichten von 69 Einwanderern, die in den vergangenen 69 Jahren nach Deutschland gekommen sind.

Auch heute ist die HuffPost wieder anders – zum letzten Mal.

Denn zum 31. März ist Schluss. Die deutsche Ausgabe der Huffpost geht offline. 1996 Tage nachdem wir am 10. Oktober 2013 in Deutschland an den Start gegangen sind.

Wir wollen das nicht zum Anlass nehmen, um groß zu trauern und zu jammern – Shit happens, könnte man sagen –, sondern noch einmal mit Euch, liebe Leserinnen und Leser, zurückblicken: Auf Geschichten, die Ihr gerne gelesen habt, auf die wir stolz sind und über die Deutschland gesprochen hat.

All diese Geschichten mit vielen Hintergründen findet ihr bis Sonntagnacht auf unserer Abschiedsseite.

Wir wollen die Gelegenheit auch nutzen, um Euch, liebe Leserinnen und Leser, Danke zu sagen – für euer Feedback, eure Anregung für Artikel, euer Lob und auch die Offenheit für unsere Experimente, Nachrichten anders zu machen: Zum Beispiel Journalismus konstruktiver und positiver zu denken, politische Nachrichten in übersichtlichen Bullet-Points optimiert für User auf dem Smartphone zu erzählen und eine Newsseite für die sehr persönlichen Beiträge tausender Blogger zu öffnen.

Was uns dabei hoffentlich in all den Jahren häufiger gelungen als misslungen ist:

Euch zu informieren und zu unterhalten. Zum Beispiel, wenn wir unsere Reporter in die hintersten Winkel Deutschlands und an abgelegene Ecken der Welt wie den Jemen geschickt haben; wir in der Redaktion gleichzeitig aber auch über die neuesten Gerüchte bei den Royals berichteten.

Euch in eurem Alltag abzuholen. Zum Beispiel, wenn wir zusammen mit unseren Bloggern sehr persönliche Geschichten aus ihrem Leben erzählt haben; darüber, wie sie Eltern geworden sind, ein Unternehmen aufgebaut oder sich aus Hartz IV herausgekämpft haben.

Euch dort zu informieren, wo Ihr gerade seid: Zum Beispiel mit unserer Facebook-Live-Berichterstattung zur Bundestags- und US-Wahl mit vielen renommierten Gästen oder mit unserem Whatsapp-Newsletter.

Euch auch einen europäischen Blick auf aktuelle Entwicklungen zu geben: Wie zum Beispiel mit unserem EU-Townhall mit EU-Kommissarin Margrethe Vestager, bei dem Bürger aus ganz Europa Fragen an die Wettbewerbshüterin einreichen konnten.

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Was man als Leserin und Leser weniger mitbekommt: Eine Redaktion – und besonders so eine kleine wie wir mit rund 20 Kollegen – ist auch ein sozialer Kosmos. Und der hat sich über all die Jahre angefühlt wie eine Familie (die, die dabei waren, wissen was gemeint ist).

Das ist wohl auch kein Wunder, wenn man als Team eine rund um die Uhr aktuelle Nachrichtenseite macht und bei großen Nachrichtenlagen wie Terroranschlägen oder Wahlen, sei es am Sonntag, zu Silvester oder sonstwann mitten in der Nacht, in voller Mannschaftsstärke die Leserinnen und Leser mit Nachrichten versorgt.

Diese Familie, inzwischen ist es eine Großfamilie mit rund 60 aktuellen und ehemaligen HuffPostern, wird am Freitag in München noch einmal eine große Party feiern.

Was wir dabei auch feiern: Im Dezember 2018, dem letzten Monat, in dem wir in der offiziellen Zählung der Agof auftauchen, haben 8,2 Millionen Menschen unsere Artikel gelesen. Für uns ein riesiger Erfolg, den das Team sich über Jahre erarbeitet hat.

Sicher, nicht alle haben uns gerne gelesen. Und manche haben sogar eine regelrechte Abneigung gegen uns entwickelt. Und sich gefreut, dass nun Schluss ist bei der HuffPost.

Diejenigen haben sich leider zu früh gefreut. Denn all die wunderbaren Kollegen werden in Redaktionen in ganz Deutschland weiterarbeiten – und so den HuffPost-Spirit lebendig halten. 

Ihr lest von uns, eure HuffPost-Redaktion


Das HuffPost-Entertainment-Team packt aus: "Diese TV-Qualen mussten wir für Euch erleiden"

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Nur ein kleiner Ausschnitt dessen, was wir für euch angesehen haben: Katja Krasavice bei

Wenn man sich beruflich mit Fernsehen sowie Stars und denen, die es gerne sein würden, auseinandersetzt, wird man ja gerne einmal von dem ein oder anderen belächelt. Immerhin ist für viele das, was im Entertainment-Ressort so betrieben wird, “kein richtiger Journalismus”.

Doch was dabei viele unterschätzen, ist, dass auch wir unsere Recherche betreiben müssen. Und während eben der Kollege sich nochmal mit dem Rechtssystem in Großbritannien auseinandersetzt, machen wir unsere Hausaufgaben, indem wir die ein oder andere Realityshow ansehen.

Mir ist bewusst, dass sich an dieser Stelle das Mitleid der Leser für diesen Vergleich noch in Grenzen halten wird. 

► Doch wer über TV-Shows berichtet, der muss sich auch einiges ansehen, was er gerne ganz schnell wieder verdrängen möchte. 

An “Dschungelcamp” und Co. gewöhnt man sich irgendwann

Der hundertste Zickenkrieg beim “Bachelor” oder bei “Germany’s Next Topmodel” ist nichts im Vergleich zu dem, was sich in anderen Shows in den letzten Monaten abgespielt hat. Wir als Entertainment-Journalisten mussten für die HuffPost manchmal einfach die Zähne zusammenbeißen und leiden. 

Und nein, ich rede hier nicht vom 50. Madenmahl im “Dschungelcamp” oder dem ein oder anderen verstörenden Kandidaten im “DSDS”-Casting, der sich von Dieter Bohlen Beleidigungen um die Ohren hauen lässt. An die hat man sich mittlerweile gewöhnt. 

Bei

Ich rede hier vom Trash-TV für die Hartgesottenen unter uns. Denn an die Genitalien-Beschauung von “Naked Attraction” zum Beispiel gewöhnt man sich eben nicht mit der Zeit – und um ehrlich zu sein, möchte man das auch einfach nicht. 

Wenn es wirklich Menschen gibt, die sich ihren Partner aufgrund der Form, Größe und des Aussehens seiner Genitalien aussuchen möchten, dann sei es ihnen von mir aus gestattet.

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Aber können sie das dann nicht privat in den eigenen vier Wänden veranstalten? Muss das wirklich im Abendprogramm ausgestrahlt werden, wo hunderttausende ihnen dabei zusehen? 

Aber damit nicht genug. RTL2 legte vor wenigen Monaten dann noch eine Schippe drauf.

“Game of Clones” und “Promi Big Brother” sorgten für verstörende Bilder

Bei “Game of Clones” sperrte der Sender einen Kandidaten mit exakt gleich gekleideten und gestylten “Klonen” in ein Haus. Dann sollte entschieden werden, wessen Charakter ihn überzeugt.

Dass sich der Auswähler meist für den “Klon” entschieden hat, mit dem er oder sie zuvor  – natürlich vor laufender Kamera – geschlafen hatte, war wahrscheinlich reiner Zufall. Das war Fernsehen an der Grenze der Würde des Menschen und manchmal auch jenseits davon. 

Aber nicht nur RTL2 hat uns gequält.

Nur mit viel Überwindung berichteten wir im vergangenen Jahr über das, was Sat1 mit “Promi Big Brother” und Katja Krasavice Fernsehdeutschland angetan hat. Die Softpornos, die die “Erotik-Youtuberin” mit einem Duschkopf erzeugt hat, lassen sich bis heute nicht aus unseren Kopfkinos löschen. 

Nein, kein Screenshot einer Pornoseite, sondern tatsächlich einer der RTL-Sendung

Auch (leider) einfach nicht zu vergessen: Die nackten Massagespiele bei “Adam sucht Eva”, die RTL in eindeutig zweideutiger Pose dem Zuschauer servierte. Nicht nur Gina-Lisa sagte bei dem Anblick verzweifelt: “Ich kann da schon gar nicht zugucken.”

Und wenn dann im “Sommerhaus der Stars” oder bei “Love Island” noch Zungenakrobatik-Spiele mit dementsprechend sexueller Musik unterlegt ausgestrahlt werden, dann mussten auch wir uns schon mal die Hand vor die Augen halten oder die ein oder andere Atemübung absolvieren, um das zu ertragen.

Aber wir haben es ja für die Leserinnen und Leser getan, damit sie es nicht tun mussten.

Und insgeheim hat es uns natürlich auch immer ein bisschen Spaß gemacht, unserem Team und euch am Morgen danach zu berichten, welches Grauen wir am Vorabend im TV verfolgt haben. Der Stoff dazu ist uns zumindest dank dem ein oder anderem Privatsender nie ausgegangen.

(nr) 

Der Bildblog und die HuffPost – die Geschichte einer wahren Liebe

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Die Kollegen vom Bildblog gehörten zu den treuesten Lesern der HuffPost. An dieser Stelle noch einmal vielen Dank, liebes Bildblog-Team für die vielen anerkennenden Texte, die Ihr eine zeitlang über uns geschrieben habt!

Viele Leser haben die HuffPost erst über Euch kennengelernt und wurden dann bei uns zu Stammlesern, wie wir aus Leserbefragungen wissen. Damit habt Ihr uns unterstützt, wie wenige andere. Dafür nochmal vielen, lieben Dank!

Besonders hat uns immer gefreut, dass Ihr in regelmäßigen Abständen unsere besten Überschriften gesammelt und darunter eine kurze Zusammenfassung des Textes gebracht habt. 

Wir sind mal so frei - es ist ja unser letzter Tag - an dieser Stelle ein paar der besten Zusammenfassungen zu würdigen: 

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HuffPost-Redakteurin suchte Millionär zum Heiraten – das ist ihre Botschaft an junge Frauen

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Mein klassisches Outfit während meiner Millionärssuche: Der Fake fiel (fast) niemandem auf. 

Ich bin fast in einen Yachtclub eingebrochen, habe bei Trüffel-Pizza mit vermeintlichen Porno-Produzenten geflirtet und mich im Golfclub gelangweilt. Und das alles nur, weil ich eine Woche einen Millionär gesucht habe. Natürlich nicht für ein Interview, sondern zum Heiraten. Von halben Sachen halte ich nichts.

An dieser Stelle würde ich nun gerne verkünden, dass die deutsche HuffPost doch nicht eingestellt wird, weil mein Millionärsgatte sie gekauft hat. Zu Ostern würde Schatz sie mir schenken, statt der Louis-Vuitton-Yogamatte, die ich mir eigentlich gewünscht hatte.

Leider ist das nicht wahr. Ich habe keinen Millionär gefunden, zumindest keinen, den ich heiraten möchte. Was schon allein daran zu sehen ist, dass ich noch immer für die HuffPost schreibe, anstatt meiner Bestimmung zu folgen: eine gut gekleidete Ehefrau zu sein. Einige der etwa 60-jährigen Herren hatten zwar durchaus Interesse, mich näher kennenzulernen, doch so ehrenhaft und unterschätzt der Beruf der Altenpflegerin auch ist ­– noch kann ich ihn mir nicht vorstellen.

“Geh arbeiten, Schlampe” 

Was mich bei meiner Millionärssuche vor allem überraschte, war aber nicht das Alter meiner Verehrer, sondern die Reaktion der Leserinnen auf meine Texte. Ich hatte eigentlich mit Kritik gerechnet. Zumindest von denen, die vielleicht nicht ganz so viel Spaß verstehen, wie ich ihn bei meiner Suche hatte – oder nicht ganz so erfolgreich zwischen den Zeilen lesen können. Doch es kam ganz anders als ich dachte.

Natürlich hatte ich mir auch ausgemalt, wie die männlichen Leser auf meine Texte reagieren würden. Im Geiste hatte ich bereits schriftliche Heiratsanträge samt juwelenbesetzter Ringe in die Redaktion fliegen sehen (ja, fliegen, denn Millionäre schicken in meiner Vorstellung ganz sicher keine DHL-Boten, sondern Hubschrauber auf die Dachterrasse oder wenigstens dressierte weiße Tauben.) Doch gerade die Männer waren es, die meiner Suche nichts abgewinnen konnten.

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Viele bezeichneten mein Vorhaben in den Kommentaren als peinlich, einige nannten mich eine Schlampe. Die üblichen Beleidigungen. Immer wieder kam auch die Bitte, ich solle “endlich arbeiten gehen und selber Geld verdienen.“ Tut mir leid, euch enttäuschen zu müssen, aber: Die HuffPost hat mich tatsächlich dafür bezahlt, dass ich einen Millionär gesucht habe. Mein privates und finanzielles Glück lag meinen Chefs einfach sehr am Herzen. Klar, sie wissen ja auch, was ich verdiene. Daher haben sie sofort eingewilligt, mich bei der Suche nach einem Ernährer so gut es geht zu unterstützen.

Ich bin nicht die Einzige auf der Suche 

Begeistert davon war nicht nur ich, sondern auch meine neue weibliche Fangemeinde. Einige suchten mich in den sozialen Netzwerken auf, um mir Nachrichten zu schreiben. Ich würde mir gerne einreden, dass der Grund dafür einzig und allein auf mein überragendes, literarisches Ich zurückgeht, aber die meisten wollten vor allem eines wissen: Wie würden sie selbst einen Millionär finden?

Die Anzahl junger Frauen, die sich aktuell nach einem Ernährer sehnt, überraschte mich. Klicks auf die Instagram-Profile dieser Frauen überraschten mich noch mehr. Es sind nicht nur menschliche Barbies mit gefakten Designer-Handtaschen, die nach einem Millionär suchen.

Unter ihnen sind ganz normal aussehende junge Frauen, die studieren oder Jobs haben. Frauen, die aussehen, als würden sie ein gutes und halbwegs erfülltes Leben führen – soweit ich das aus ihrer gefilterten Instagram-Welt schließen kann. Warum suchen gerade diese Frauen ernsthaft nach einem Millionär, habe ich mich gefragt? Die meisten antworteten gar nicht erst auf meine Frage. Die Antwort schien ihnen peinlich, vielleicht auch zu offensichtlich zu sein.

“Ich möchte einfach finanziell unabhängig sein”, erläuterte mir schließlich eine junge Frau. Auf den Gedanken, dass sie sich gerade damit finanziell abhängig macht, indem sie nicht ihr eigenes Geld verdient, ist sie anscheinend noch nicht gekommen.

Eine Leserin berichtete mir sogar, dass sie bereits 4500 Euro bei einer speziellen Partneragentur ausgegeben habe, um einen Millionär zu finden. Bisher erfolglos.

Was alte weiße Männer schaffen, können wir auch 

Was mir nun niemand mehr zu erklären braucht: Dass nur alte weiße Männer daran schuld seien, dass Frauen in Deutschland noch immer nicht in allen Bereichen gleichberechtigt sind. Aktuellen Debatten zufolge sind es vor allem diese Männer, die die Macht an sich reißen und nicht hergeben wollen.

Zum Teil stimmt das natürlich, aber zu der Debatte gehört noch etwas anderes: sich einzugestehen, dass viele Frauen das Machtgefüge gar nicht durchbrechen wollen. Vielleicht sind sie glücklich in ihrer Rolle. Vielleicht finden sie ihr Glück eben genau darin, nicht zu arbeiten und das Geld ihres Mannes auszugeben. Nicht, weil sie auf die Kinder aufpassen müssen – viele haben gar keine Kinder – sondern vor allem, weil sie es so wollen. Auch noch im Jahr 2019, auch in Zukunft noch.

Aber: Glücklicherweise kann jede Frau in Deutschland selbst bestimmen, was sie aus ihrem Leben macht. Ob sie sich einen Millionär suchen will, oder einfach selber Millionärin wird. Denn was alte weiße Männer schaffen, die auf eine 25-jährige Journalistin mit Fake-Burberry-Outfit hereinfallen, das können junge Frauen auch erreichen.

Und wenn nicht, dann können sie immer noch versuchen, sich einen Millionär zu angeln. Ob meine Suche weitergeht: Abwarten und Champagner trinken. 

 

...Oder alle Teile der Millionärssuche lesen, falls ihr sie noch nicht kennt: 

Teil 1:Ich bin 25 und suche einen reichen Mann – diese Tipps hat mir eine Millionärsgattin gegeben 

Teil 2: Ich wollte nach Büroschluss einen Millionär aufreißen – so lange hat es gedauert

Teil 3:“Stell dich nicht an” sagt er und packt mich – was passierte, als ich einen Millionär getroffen habe

Teil 4:“In München sind doch alle verschleiert” – was ich als junge Frau im bayerischen Yachtclub erlebte

Teil 5: Champagner, Pelz und Verachtung – was ich bei einer Benefizveranstaltung im Golfclub erlebte

Teil 6: Ich habe eine Woche einen Millionär gesucht – und fand ihn dort, wo ich ihn nie erwartet hätte

Teil 7:Ich bin 25 und habe eine Woche lang versucht, einen Millionär aufzureißen – das habe ich dabei über Männer gelernt

Warum die HuffPost und ihre Elternberichterstattung in der Medienlandschaft fehlen werden

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Als ich erfuhr, dass die HuffPost Deutschland mit Ende März 2019 Ihren Betrieb einstellt, war ich gleich aus mehreren Gründen betroffen.

Zum einem verliert der deutschsprachige Raum eine auch sehr mutige Medieninstitution, die stets bemüht war, zu sagen, berichten und sichtbar zu machen, was politisch und/oder mehrheitlich-gesellschaftlich als nicht gewollt, verdrängt, nicht verständlich, oder schlicht auch nur als nicht nachvollziehbar gesehen wurde. Eine wahrhaft demokratische Gesellschaft hört vor allem auch den Minderheiten zu.

Als Historiker muss ich zudem konstatieren, dass – heute mehr denn je – die “breite Masse” sich stets irrte. Das ist im Wesentlichen seit Jahrtausenden so, seitdem es Arm und Reich, “Unten” und “Oben” gibt. Dringend sollten wir uns auch wieder in Erinnerung rufen, dass ausnahmslos alle großen gesellschaftlichen Veränderungen für eine wieder humanere und gerechtere Welt stets und ausschließlich von “Unten” herbeigeführt und erkämpft wurden.

HuffPost gab dem “Unten” eine Stimme

Diesem “Unten” gab die HuffPost stets eine Stimme, eine gelungene Reportage, einen lesenswerten Artikel.

Hier etwas verkürzt mit der Stimme der großen deutschen Historikerin, Philosophin und Journalistin Hannah Arendt: Alles Politische, das nicht gesellschaftlich ist, ist nicht politisch. Und alles Gesellschaftliche ist per se politisch. Die HuffPost bemühte sich stets und vorrangig in diesem Sinne um einen gesellschaftlichen Journalismus. Wie viele “Leitmedien” können das gegenwärtig noch von sich behaupten?

Als Historiker und Kindheitsforscher bedauere ich vor allem das Verschwinden der Eltern-Seite. Die stellte beinahe schon eine Rarität in der gesamten Medienlandschaft dar. Kaum ein Portal berichtete so vielfältig zum Thema Familie, Kindheit, Erziehung und Bildung. Kaum ein Portal stellte sich so konsequent auf die Seite von Eltern, Pädagogen und allen Menschen, die täglich – zumeist unter geringer oder gar keiner Bezahlung – die wichtigste Arbeit jeder Gesellschaft vollbringen: Kinder und Eltern zu stützen und zu begleiten.

Eine Gesellschaft, die das nicht mehr als vorrangiges, höchstes gemeinsames Bestreben an- und erkennt, steht vor dem Abgrund. Wie groß bereits die Chance ist, dass hier eine Gesellschaft wieder “in den Abgrund stürzt”, zeigten jüngst die vor allem auch medialen “Ereignisse” um den Dokumentarfilm “Elternschule”. Ich will hier nicht noch einmal auf die erschütternden Reaktionen und Lobeshymnen vieler staatlicher(!) und sogenannter Leitmedien eingehen. Dazu habe ich einen Kommentar für die HuffPost geschrieben. 

Die HuffPost war eine der ganz wenigen Medieninstitutionen, die sich sofort und konsequent gegen diesen zutiefst Kindes- und Menschen verachtenden, und mit Verlaub, entbehrlichen Film stellte. 

Wir brauchen Beziehung statt Erziehung 

Es ist ein großer Verlust für die deutsche Medienlandschaft, dass es die HuffPost alsbald nicht mehr gibt.

Es ist ein großer Verlust, dass es diese Eltern-Seite mit all ihren Journalistinnen und Journalisten, Redakteurinnen und Redakteuren nicht mehr gibt, die allesamt offenbar verstanden haben: Als gesamte Gesellschaft brauchen wir dringend (wieder) mehr echte Beziehung statt (gewaltvoller) “Erziehung”.

Mein ganz persönlicher Dank gilt der Redakteurin Gina Louisa Metzler, die sich immer und immer wieder mit mutigen, empathischen und hervorragend recherchierten Artikeln ausschließlich auf die Seite der “Machtlosen” stellte, auf die der Kinder. – Unser aller Zukunft! Den Zustand einer Gesellschaft erkennt man – heute mehr denn je – am Umgang mit ihren Kindern.

Ich möchte meinen “Abschiedskommentar” für die Eltern-Seite der HuffPost mit einem Zitat des begnadetsten Cellisten des 20. Jahrhunderts und Friedensaktivisten Pablo Casals abschließen, das auch mein aktuelles Buch Kindheit 6.7 beendet:

“Das Kind muss wissen, dass es selbst ein Wunder ist, dass es seit Anbeginn der Welt noch nie ein anderes Kind gegeben hat, das genauso war wie es, und dass es auch in der Zukunft kein solches Kind geben wird.”

Mit großem Dank für die jahrelange engagierte Berichterstattung und besten Grüßen

Michael Hüter
Verleger, Autor, Historiker und Kindheitsforscher

Flüchtlingsblogger Sherwan: "Danke, dass ich zu Wort kommen durfte!"

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Amed Sherwan ist als 15-Jähriger aus dem Irak nach Deutschland geflohen. In seiner Heimat wurde er inhaftiert und gefoltert, weil er nicht an Gott glaubt. Sein Vater hatte ihn angezeigt. Für die HuffPost bloggte er über Oriental Diversity, Meinungsfreiheit und kulturelle Unterschiede. In seinem letzten Blog schreibt er darüber, warum es für Geflüchtete besonders wichtig ist, in öffentlichen Debatten gehört zu werden. 

“Wenn ich so jung nach Deutschland gekommen wäre wie du, wäre ich jetzt an der Uni”, sagte mir kürzlich ein Freund, der als Erwachsener vor dem Krieg in Syrien geflüchtet ist. Sein Kumpel pflichtet ihm bei und ich fühlte mich wie ein totaler Versager, weil ich mich eher schlecht als recht durch die Schule quäle und keine Ahnung habe, wie meine berufliche Zukunft aussehen wird.

Auch meine Geschwister im Irak verstehen nicht, warum ich mich so schwer tue. Mein großer Bruder ist Ingenieur, meine Schwester hat Biologie studiert und mein kleiner Bruder macht gerade sein Abitur. Sie haben ihre Schulbildung auf ihrer kurdischen Muttersprache absolviert und keine Ahnung davon, wie schwer es ist, sich ganz allein in einem fremden Land durchzuschlagen.

Mehr zum Thema: Flüchtling: “Ich bin nicht geflohen, um mir in Deutschland den Mund verbieten zu lassen”

Natürlich gibt es immer wieder die Vorzeigeflüchtlinge, die schon nach einem Jahr Klassebeste sind, später Medizin studieren und als Bereicherung für Deutschland gefeiert werden. Und dann gibt es die handwerklich Begabten, die darüber ein Weg ins Berufsleben finden. Doch die meisten in meinem Freundeskreis müssen sich, genau wie ich, auf ein Leben im Niedriglohnsektor einstellen.

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Aber auch das ist in Ordnung und gehört leider für viele zu einem Leben nach der Flucht dazu. Denn wir sind schließlich nicht hier her gekommen, um reich zu werden, sondern um zu überleben. Aber ein Zuckerschlecken ist es eben nicht. Daher ist es anstrengend, wenn Leute immer wieder damit argumentieren, dass “wir ja nur ihren” Wohlstand wollen.

Und als würde es nicht reichen, sich mit den Vorurteilen einiger Deutscher, den Erwartungen meiner Geschwister und der Verzweiflung meiner Lehrerinnen und Lehrer beschäftigen zu müssen, muss ich mir nun auch noch von meinen Freunden anhören, dass ich es einfach nicht drauf habe. Obwohl sie selber auch nicht gerade Karriere machen.

Viele Sprachen, keine perfekt

Hätte ich reich werden wollen, hätte ich eher versuchen müssen, in einen der einflussreichen Clans in meinem Heimatort einzuheiraten, statt schon mit 14 Jahren gegen Religion, Familie und Regierung zu rebellieren, um danach nur noch den Ausweg der Flucht zu haben und mich plötzlich in einer völlig neuen Welt zurecht finden zu müssen.

Ich erinnere mich noch sehr gut daran, dass ich anfangs kein einziges Wort verstand und mich nur mit den kleinen Brocken Englisch verständigen konnte, die ich mir selbst beigebracht hatte. Glücklicherweise verfügte ich über einen arabischen Grundwortschatz und konnte mich so zumindest mit vielen der anderen Geflüchteten unterhalten.

Inzwischen verstehe ich sehr gut Deutsch und spreche es auch recht fließend. Mein mündliches Arabisch ist auch richtig gut geworden und klingt lustigerweise eher syrisch als irakisch. Meine Muttersprache spreche ich aber so selten, dass ich mir darauf manchmal unbeholfen vorkomme. Und schreiben kann ich auf keiner meiner vielen Sprachen wirklich vernünftig.

Ich mag Geschichten und liebe es, mich auszudrücken

“Was bitte, soll das Wort hier bedeuten?”, fragt mich meine Freundin und buchstabiert laut: „P-T-R-O-Y-A“ Sie arbeitet sich gerade durch einen meiner Textentwürfe. Ich lese es vor: “Da steht ‘Betreuer’. Wie schreibt man das denn? Meine Autokorrektur hat keinen Vorschlag angegeben, als ich ‚Ptr‘ getippt habe.” Meine Freundin kriegt sich gar nicht mehr ein vor Lachen.

Aber ich liebe es trotzdem, mich auszudrücken. Ich mag Geschichten, höre anderen gerne zu und versuche meine Erlebnisse in Worte zu fassen. Aus meinen Skizzen entstehen durch die Hilfe meiner Freundin kleine Beiträge, in denen ich aus der Perspektive derer erzähle, die nicht ganz so oft zu Wort kommen, weil ihnen die Wörter fehlen.

Meine Beiträge sind erst in der Jungle World und danach auch in der HuffPost Deutschland erschienen und haben dadurch viele Menschen erreicht. Ich werde wahrscheinlich nie eine Uni besuchen und vermutlich nie Menschenleben retten. Aber ich gucke nicht mehr nur zu, sondern leiste mit meinen Texten zumindest einen kleinen Beitrag zu Verständigung.

Shitstorms und Dankes-Mails

Einige sehen das anders und wünschten, ich würde einfach meine Klappe halten. Schlimm genug, den Anblick der ganzen Flüchtlingsgesichter ertragen zu müssen, müssen sie auch noch eine Meinung haben und diese öffentlich kundtun. Ich kann gar nicht mehr zählen, wie viele Hass- und Wutmails mich schon erreicht haben.

Aber viel mehr Menschen mögen meine Beiträge und schicken mir wunderbare aufmunternde Nachrichten. Und am allerbesten sind die Nachrichten von Leuten, die sich mit meinen Geschichten identifizieren können und mir sagen, dass ich ihren Gefühlen Worte verleihe. Immer, wenn mir das gelingt, fühle ich mich ein kleines bisschen weniger nutzlos.

Deswegen möchte ich HuffPost Deutschland hiermit ein großes Dankeschön aussprechen. HuffPost Deutschland wird leider Ende März eingestellt. Und daher ist dies mein letzter Beitrag auf dieser Plattform. Ich danke dem Team für das Interesse an meinen Geschichten und den immer respektvollen und freundlichen Kontakt. Danke, dass ich zu Wort kommen durfte!

(ak)

Die wahren Helden der Redaktion – unsere Bürohunde

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In einer Online-Redaktion kann es an manchen Tagen schon sehr anstrengend werden. Bei Überstunden, Stress, massivem Kaffee-Konsum und teils auch Meinungsverschiedenheiten zeigt sich, wer der die Redaktion wirklich zusammenhält: Die Redaktionshunde.

In den vergangenen Jahren sind einige Vierbeiner in der HuffPost-Redaktion ein und aus gegangen – und waren immer für uns da, sobald wir sie gebraucht haben.

Selbst an den stressigsten Tagen behielten sie stets die Fassung und wollten – zu unserer Begeisterung – eigentlich nichts anderes auf dem Rücken liegen und den Bauch gekrault bekommen.

Während der heftigsten Diskussionen gaben sie uns die bedingungslose Liebe, die wir brauchten, und an den traurigsten Tagen sorgten sie für gute Laune im Büro.

An dieser Stelle daher vielen Dank an die Mitarbeiter der HuffPost, die in keinem Impressum auftauchen, die ihren Namen über keinem Beitrag finden und die nur in Kuscheleinheiten bezahlt wurden.

Alba mit Frauchen Sabrina

Spirou

Lulu mit Frauchen Sophia

Bolle

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(ak)

111 HuffPost-Geschichten, die zeigen, dass die Welt besser ist als ihre schlechten Nachrichten

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Die Aufgaben von Medien ist es, auf Dinge hinzuweisen, die schieflaufen, Missstände in der Gesellschaft aufzudecken, Ereignisse kritisch zu hinterfragen. – die Welt ist voll von schlechten Nachrichten.

Doch es passieren auch viele gute Dinge. Im Großen wie im Kleinen entwickeln Menschen Lösungen für Probleme, helfen sich gegenseitig und ermutigen andere, Gutes zu tun und mutig zu sein.

Deshalb haben wir euch auch diese Geschichten erzählt.

Hier sind unser 100 besten:

1. Schwarz-Rot-Bunt: 69 Jahre Bundesrepublik. 69 Jahre Einwanderung. 69 Gesichter.

2. Los Angeles könnte bald ein riesiges Tunnelsystem bekommen, das den Verkehr in den Städten revolutioniert

3. Eine Familie droht im Meer zu ertrinken – da hat ein Mann die rettende Idee 

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Die österreichische Zeitung, die auf eine HuffPost-Satire hereinfiel

Armutsforscher Butterwegge: Wie die Medien Hartz-IV-Empfängern schaden

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Christoph Butterwegge 

Die meisten von uns sind einem Hartz-IV-Empfänger – so nennen wir die Bezieher von Arbeitslosengeld II umgangssprachlich – wohl niemals in ihrem Leben begegnet. Zumindest werden wir sie nicht bewusst als solche wahrgenommen haben. Schließlich haben viele von uns ein recht genaues Bild von dem, wie ein arbeitsloser Mensch auszusehen und sich zu verhalten hat:

► Hartz-IV-Empfänger sind faul und unselbstständig.

► Sie sind ungebildet und haben möglicherweise nicht einmal einen Schulabschluss, geschweige denn eine berufliche Qualifikation.

► Sie sind ungepflegt und rüpelhaft.

► Vor allem aber: Sie sind an ihrem Schicksal selbst Schuld – wer wirklich arbeiten will, findet schließlich einen Job.

Vorurteile über Hartz-IV-Empfänger werden von den Medien gerne befeuert

Solche Stammtischparolen werden gerne von den Medien befeuert: Zu einfach lässt sich mithilfe dieser Eigenschaften und Verhaltensweisen das trennscharfe Bild des “Sozialschmarotzers” kreieren, über den wir uns im allabendlichen Fernsehprogramm oder beim Zeitungslesen aufregen können. 

► So haben wir in der HuffPost beispielsweise häufig über diffamierende Sendungen wie “Armes Deutschland” oder “Zahltag” berichtet und mithilfe von Medienpsychologen, ehemaligen Jobcenter-Mitarbeiterin oder Betroffenen versucht, die Mechanismen aufzudecken, die hinter der negativen medialen Darstellung von Langzeitarbeitslosen stecken. Dabei wir nur allzu deutlich, wie stark die deutsche Medienlandschaft unsere Wahrnehmen von Hartz-IV-Empfängern mitbestimmt.

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Auch Christoph Butterwegge betont die Schlüsselrolle, die Medien bei der Stigmatisierung von Arbeitslosen oftmals spielen. So sagt der Politikwissenschaftler im Gespräch mit der HuffPost, dass in der Bevölkerung wohl nicht so viele Ressentiments gegen Hartz-IV-Empfänger vorherrschen würden, gäbe es eine andere Art der Berichterstattung: “Wenn die ‘Bild’-Zeitung zum Beispiel einen Sommer lang negativ über den ‘Florida-Rolf’ berichtet (Fall eines Sozialbetrügers, der 2003 bekannt wurde, Anm. d. Red.), schürt das Vorurteile gegenüber Arbeitslosen als ‘Sozialschmarotzer’.”

Wer negativ dargestellt wird, hat weniger Chancen auf dem Arbeitsmarkt

Die Stigmatisierung einer sozialen Gruppe wie Langzeitarbeitslosen bewirkt, dass sie sich umso stärker isoliert: Wer von der Gesellschaft verurteilt wird, dem wird der Weg zurück in den Arbeitsmarkt deutlich erschwert. Butterwegge plädiert deswegen für eine ausgewogenere Berichterstattung – wirft allerdings auch ein, dass die Verantwortung, ein realistischeres Bild von Hartz-IV-Empfängern zu schaffen, nicht allein bei den Medien liegen kann:

“Um einer Stigmatisierung von Hartz-IV-Empfängern entgegenzuwirken, müssen deswegen verschiedene Ebenen ineinandergreifen: Sowohl staatliche Institutionen und Behörden als auch Medien und Bildungseinrichtungen können in sich ergänzender Kooperation die soziale Sensibilität der Bevölkerung erhöhen und das Verhältnis der Bürger zu Langzeitarbeitslosen positiv verändern.”

Laut Butterwegge bestehe eine Wechselwirkung zwischen Politik und Medien: Wenn eine Bevölkerungsgruppe in der Öffentlichkeit gut dastehe und gut dargestellt werde, gehe der Staat auch besser mit ihr um. Andersherum seien Politiker natürlich auch beeinflusst von den Massenmedien.  

Im nachfolgenden Beitrag geht Butterwegge verstärkt auf die Mechanismen ein, die zur Stigmatisierung von Hartz-IV-Empfängern beigetragen haben. Bei dem Text handelt es sich um einen bearbeiteten Auszug aus Butterwegges Buch: “Hartz IV und die Folgen. Auf dem Weg in eine andere Republik?”.

Hartz IV verdankt sich das Unwort von der “neuen Unterschicht“, die sich im Transferleistungsbezug eingerichtet habe, dem Staat ohne Not “auf der Tasche” liege und von diesem “aktiviert” werden müsse, wenn sie überhaupt jemals in eine normale (bürgerliche) Existenz zurückfinden solle.

Nicht zufällig wurde der nicht etwa sozialstrukturell-analytisch begründete, sondern diffamierend gemeinte Begriff “neue Unterschicht” während des Hartz-IV-Gesetzgebungsverfahrens kreiert und am Vorabend des Inkrafttretens dieser Arbeitsmarktreform durch Medien salonfähig gemacht. Statt eines Paradigmen- beziehungsweise Politikwechsels löste die Debatte über “neue Unterschichten”, “abgehängtes Prekariat” und Armut ideologisch motivierte Abwehrreflexe aus: In den Medien wurde der einzelne Alg-II-Bezieher für seine finanzielle Misere verantwortlich gemacht und/oder der Sozialstaat zum Sündenbock erklärt.

Ohne mediale Diskurse über die “Trägheit” der Erwerbslosen und den vermeintlich massenhaften Missbrauch von Sozialtransfers wären die Hartz-Gesetze schwerer durchzusetzen gewesen, gäbe es heute aber auch nicht so viele Ressentiments gegenüber den Hartz-IV-Bezieher(inne)n.

Langzeitarbeitslose werden als “Drückeberger”, “Faulenzer” und “Sozialschmarotzer” dargestellt

Sowohl die Arbeit der Hartz-Kommission wie auch die anschließende Tätigkeit des Parlaments, das die Arbeitsmarktreformen in Gesetzesform gießen musste, wurde von einer Medienberichterstattung flankiert, die für den rot-grünen Reformkurs warb und die Bevölkerung für das vermeintlich zu lösende Problem sensibilisierte, indem sie Langzeiterwerbslose als “Drückeberger”, “Faulenzer” und “Sozialschmarotzer” darstellte.

Besonders in der Boulevardpresse wurden Personen, die sie als solche entlarvt zu haben glaubte, mit einprägsamen Spitznahmen wie “Florida-Rolf” oder “Viagra-Kalle” belegt, manchmal regelrecht vorgeführt und gleichzeitig zu “guten Bekannten” der Leser/innen gemacht. So berichtete Bild im Sommer 2003 nicht weniger als 19-mal über Rolf F., einen 64-jährigen Deutschen, der als suizidgefährdeter Ex-Banker in Miami (Florida) von Sozialhilfe lebte.

Die den öffentlichen Armutsdiskurs seit Langem durchziehende Unterscheidung zwischen “würdigen” und “unwürdigen” oder sogar “nur scheinbar” Armen hat sich durch Hartz IV stärker ausgeprägt, was angesichts der permanenten Stimmungsmache in den Massenmedien nicht verwundert. Maßgeblich dazu beigetragen hat die Berichterstattung über Leistungsmissbrauch beim Arbeitslosengeld II, den es zweifellos gibt, weil alle – folglich auch soziale – Rechte, die man Menschen einräumt, zum Teil missbräuchlich, das heißt von Unbefugten in Anspruch genommen werden, aber eben nicht massenhaft, wie gemeinhin suggeriert wird.

Sozialbetrüger werden in der Öffentlichkeit selten toleriert

Die unrechtmäßige Inanspruchnahme sozialer Leistungen wird selten toleriert, hart sanktioniert und in der (Medien-)Öffentlichkeit häufig dramatisiert. An die Stelle der traditionsreichen Sozialreportage, welche Partei für die Armen und gegen Ämterwillkür ergriff, waren eine systematische Missbrauchssuche und eine öffentliche Betroffenenschelte getreten. Kamerateams der Privatsender filmten die Bedarfsprüfer/innen der Behörden bei ihrer Arbeit, um sensationslüstern möglichst hemmungslose “Sozialbetrüger” aufzuspüren, und natürlich wollte der Boulevard nicht dahinter zurückstehen.

Am 13. März 2006 machte “Bild” mit der Schlagzeile “Luxus-Leben auf Mallorca, aber Arbeitslosengeld in Deutschland. Erwischt! Frechste Sozial-Abzockerin” auf. Auf Seite 16 wurde Karin K. (“Malloca-Karin”) in der Überschrift für “noch schlimmer” erklärt als Florida-Rolf, weil sie, wie es in dem Artikel hieß, als Arbeitslosengeld-II-Bezieherin in viereinhalb Jahren 40.756 Euro kassiert habe, obwohl sie zwei Eigentumswohnungen in Spanien vermiete und dort auch als Maklerin arbeite.

Statt auch im Hauptprogramm noch Hintergrundberichte zu bringen, die das Fernsehpublikum früher über strukturelle Zusammenhänge aufgeklärt hatten, konzentrierten sich fast alle Sender auf Talkshows, wo Diskussionsthemen wie “Hungern muss hier keiner – Ein Land redet sich arm”, das am 25. Mai 2008 bei “Anne Will” erörtert wurde, hohe Einschaltquoten verzeichneten.

Wenn die Langzeiterwerbslosen nur ein Haufen skrupelloser Betrüger/innen oder Faulpelze wären, die in einer “sozialen Hängematte” lägen, hätte jener Wohlfahrtsstaat, der ihnen auf Kosten fleißiger Arbeitnehmer/innen ein solches “Leben im Luxus” finanziert, seine Existenzberechtigung verloren. Dagegen wird die vermutlich viel höhere Dunkelziffer jener Fälle, in denen eigentlich Anspruchsberechtigte kein Arbeitslosengeld II beziehungsweise keine Sozialhilfe erhalten, weil sie aus Unkenntnis über Zuständigkeiten und Rechtsnormen, Furcht vor dem Unterhaltsrückgriff auf Verwandte, Stolz oder falscher Scham (zum Beispiel Angst vor einer Bloßstellung im Freundeskreis) keinen Antrag stellen, in den Medien so gut wie nie behandelt.

“Normale” Hartz-IV-Empfänger stehen selten im Mittelpunkt der Berichterstattung

Vergleichsweise selten stehen auch die “normalen” Arbeitslosengeld-II-Bezieher/innen von nebenan mit ihren Ängsten, (Geld-)Sorgen und Nöten im Fokus der Medienberichterstattung. Exemplarisch angeführt seien Überschriften wie “Tausende Empfänger von Hartz IV sitzen im Dunkeln” (taz v. 5.8.2010) oder ”‘Traurig dasitzen macht alles noch schlimmer’. Hartz-IV-Empfängern, die sich nichts dazu verdienen können, fällt im teuren München der Alltag besonders schwer” (SZ v. 18./19.12.2010).

Bisweilen wird den typischen Klischees über Arbeitslosengeld-II-Bezieher/innen durch eine positive Medienberichterstattung entgegengewirkt. So informierte die Süddeutsche Zeitung am 27. Juli 2010 unter der Überschrift “Problemschüler mit Begabung” über ein Modellprojekt von Bundesagentur für Arbeit und Deutscher Telekom, welches zeige, dass junge Hartz-IV-Empfänger/innen motivierter seien, als man ihnen oft unterstelle.

Manchmal ergreifen Boulevardzeitungen auch offen Partei für Alg-II-Bezieher/innen, etwa wenn eine alleinerziehende Mutter, deren Miethöhe den lokalen Richtwert knapp übersteigt, ein im Behördendeutsch verfasstes Schreiben des zuständigen Jobcenters mit der Aufforderung erhält, entweder (durch Untervermietung, Verhandlungen mit dem Vermieter oder Ähnliches) die Kosten zu senken oder sich eine preiswertere Wohnung zu suchen.

Politik und Medien müssen mit Vorurteilen aufräumen

Dass die Medien Partei ergreifen für Langzeitarbeitslose, wie Butterwegge am Ende seines Beitrags erwähnt, ist leider nach wie vor viel zu selten der Fall. Nach über 13 Jahren Hartz IV lässt sich auch schwer beurteilen: Was war zuerst da – ein Gesetz, das bis heute kontrovers diskutiert wird und das, wie manche meinen, Millionen von Menschen in der Armut festhält? Oder die negative Berichterstattung über dieses System, die auf diese Weise nicht konstruktiv zur Verbesserung der Gesetze beiträgt?

Diese Henne-oder-Ei-Frage wird sich wohl auf die Schnelle nicht mehr beantworten lassen. Fakt ist jedoch: Einer muss den ersten Schritt machen, um den Teufelskreis der Stigmatisierung aufzubrechen. Sollte die Politik dem nicht bald nachkommen, müssen diese Aufgabe eben die Medien übernehmen. 

Prof. Dr. Christoph Butterwegge lehrte bis 2016 Politikwissenschaft an der Universität zu Köln. Zuletzt hat er die Bücher “Armut”, “Hartz IV und die Folgen. Auf dem Weg in eine andere Republik?” sowie “Grundeinkommen kontrovers. Plädoyers für und gegen ein neues Sozialmodell” veröffentlicht.

Dieser Beitrag ist entstanden unter der Mitarbeit von Agatha Kremplewski.

Von Betroffenen und Jobcenter-Mitarbeitern: Die 10 bewegendsten Beiträge zu Hartz IV

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Über vier Millionen Menschen beziehen Hartz IV – ein paar von ihnen haben ihre Geschichten bei uns veröffentlicht. 

Das Arbeitslosengeld II, umgangssprachlich aus Hartz IV genannt, sorgte seit seiner Einführung 2005 für Kontroversen: Während die einen in dem System eine große Hoffnung für die deutsche Wirtschaft sahen, verurteilen andere es als staatlich verwaltete Armut, die soziale Leistungsempfänger vom Arbeitsmarkt isoliert und unmündig macht.

Nahezu 4,2 Millionen erwerbsfähige Menschen leben aktuell von Hartz IV – und obwohl das Thema seit Jahren für rege Diskussionen in Politik und Medien sorgt, kommen die Betroffenen selbst kaum zu Wort. 

Das zu ändern – dazu wollte die HuffPost beitragen: In den letzten Jahren haben wir immer wieder versucht, Langzeitarbeitslose in unseren Artikeln zu Wort kommen zu lassen, um den Debatten um Hartz IV ein Gesicht zu verleihen und mit Vorurteilen gegenüber Betroffenen aufzuräumen: Denn entgegen der häufig negativen Darstellung in den Medien verbergen sich auch hinter dem System Hartz IV echte Menschen mit echten Geschichten, die es verdienen, erzählt zu werden.

Deswegen haben wir an dieser Stelle noch einmal die zehn bewegendsten Beiträge zum Thema Hartz IV zusammengetragen – geschrieben von Betroffenen und Jobcenter-Mitarbeitern.

1. “Ungefähr bei Bewerbung 1600 hab ich aufgehört zu zählen”

Hauke M. (Name von der Redaktion geändert) hat fast 30 Jahre lang gearbeitet und lebt seit Jahren von Hartz IV. Erlebt hat er in seiner Arbeitslosigkeit vor allem, wie wenig sich der Staat seiner Meinung engagiert, um wertvolle Arbeitskräfte zu vermitteln. Er selbst bewarb sich weit über tausend Mal – erfolglos. Trotzdem gibt Hauke nicht auf:

Was mit einem geplanten Jobwechsel und einem Fahrradunfall anfing, endete für mich in Hartz IV: Mittlerweile bin ich 62 Jahre alt und seit etwa zehn Jahren arbeitslos – und das trotz drei Berufsabschlüssen und fast 30 Jahren Arbeitserfahrung.

Nachdem ich innerhalb weniger Jahre etwa 1600 Bewerbungen abgeschickt hatte, habe ich aufgehört, zu zählen. Mittlerweile müssen es weit mehr sein. Mir kann also niemand sagen, ich hätte es nicht versucht.

So wie mir erging er auch vielen anderen Menschen, die ich im Laufe meiner Arbeitslosigkeit oder bei Weiterbildungen getroffen habe: Da waren so viele talentierte, gut ausgebildete und erfahrene Menschen dabei, die aus irgendeinem Grund nicht weitervermittelt werden konnten oder keine Stelle mehr fanden. Menschen, die zum Beispiel zwei Gesellenbriefe hatten oder drei Sprachen und mehr beherrschten. Von der Krankenschwester bis zum Flugzeugingenieur war alles dabei, jedes Alter, jede gesundheitliche Verfassung.”

Hier geht’s zum gesamten Beitrag.

 2. “Ich muss mir Klopapier borgen – wie mir das Arbeitsamt Weihnachten versaut hat

 Henning Frei (Name von der Redaktion geändert) lebt von Hartz IV. Zur Weihnachtszeit hat er einen bewegenden Beitrag verfasst, in dem er zum Ausdruck bringt, wie schwer es ist, die Feiertage in Armut zu erleben. Zusätzlich wurde er ausgerechnet kurz vor Weihnachten sanktioniert.

“Während alle Leute die Geschäfte nach Geschenken abklappern und sich überlegen, welches Menü sie an Heiligabend essen wollen, bin ich froh, wenn ich zum Monatsende überhaupt noch ein paar Euro für etwas zu Essen und Klopapier zusammenkratzen kann.

Denn pünktlich zur Weihnachtszeit hat mich das Jobcenter sanktioniert und mir 30 Prozent der Bezüge gestrichen. Was das für mich und meine Familie wirklich bedeutet, ahnen nur wenige.

Hier geht’s zum gesamten Beitrag.

3. “Das Arbeitsamt hat mich bestraft, weil ich einen Schlaganfall hatte”

Der alleinerziehende Vater Aron musste gleich mehrere Schicksalsschläge verarbeiten: Seine Tochter ist geistig behindert, er ist selbst krank und lebt von Hartz IV. Aufgrund eines Schlaganfalls konnte er eine Maßnahme des Jobcenters nicht wahrnehmen – und wurde prompt sanktioniert.     

“Es passierte vor einigen Wochen, als ich gerade das Haus verlassen wollte. Ich war auf dem Sprung zu einer Weiterbildungsmaßnahme, die mir vom Jobcenter auferlegt wurde. Mehr weiß ich von diesem Tag nicht mehr.

Erst mehrere Stunden nach dem Anfall hat mich mein Nachbar zuhause gefunden und ins Krankenhaus gebracht. Doch es war schon zu spät, um bleibende Schäden zu verhindern.

Nachdem ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde, habe ich mir natürlich um Vieles Sorgen gemacht. Ich habe mit dem Schlimmsten gerechnet. Allerdings nicht damit, dass mich das Jobcenter bestrafen würde, weil ich am Tag meines Schlaganfalls meinen Weiterbildungstermin nicht wahrgenommen hatte.

Doch genau das ist passiert.”

Hier geht’s zum gesamten Beitrag.

4. “Ich kam nach Deutschland, um mein Glück zu finden – und bekam Hartz IV”

Elżbieta Kremplewski kam vor über 30 Jahren aus Polen nach Deutschland: Hier hat sie geheiratet, eine Tochter großgezogen, gearbeitet – und hat schließlich ihren Job verloren. Mittlerweile lebt sie seit Jahren von Hartz IV – und wehrt sich gegen das Vorurteil, sie ja nur hier wegen der Sozialleistungen.  

“Es wäre leicht, mir zu sagen: ‘Du lebst von Sozialhilfe, geh doch zurück in dein Heimatland’ – oder mir gar vorzuwerfen, ich lege mich in die soziale Hängematte. Aber Hartz IV war nicht der Grund, in diesem Land zu bleiben.

Die Tatsachen, dass ich hier gelebt, gearbeitet, Steuern gezahlt und eine Familie gegründet habe hingegen schon. Hier lebt und arbeitet meine Tochter, hier liegt mein Mann begraben. Ich bin hier verwurzelt.

Mein Leben hier ist teilweise hart, vieles ist nicht so verlaufen, wie ich es mir gewünscht habe. Aber bei wem tut es das schon? Meine Situation unterscheidet sich nicht von der vieler hier Geborener: Ich bin keine Polin, die Hartz IV empfängt – sondern teile mein Schicksal mit vielen anderen Deutschen. Ich bin nun eine von ihnen.”

Hier geht’s zum gesamten Beitrag.

 

Einige sind sogar regelrecht neidisch auf die Arbeitslosen. Ich habe schon ehemalige Kollegen auf den Gängen sagen hören: 'Man lebt doch nicht schlecht von Hartz IV. Die können sich davon einen faulen Lenz machen, während wir hier unsere Zeit absitzen müssen.'aus: "Es geht selten darum, Hartz-IV-Empfängern zu helfen"

5. Ex-Jobcenter-Mitarbeiterin: “Es geht selten darum, Hartz-IV-Empfängern zu helfen”

Inge Hannemann hat acht Jahre lang in fünf verschiedenen Jobcentern gearbeitet – mittlerweile setzt sie sich aktiv gegen Hartz IV ein und prangert das System an. In einem Beitrag für die HuffPost kritisiert sie vor allem den harschen Umgang der Jobcenter-Mitarbeiter mit Sozialleistungsempfängern. 

“Die einzelnen Jobcenter-Mitarbeiter haben eine enorme Macht über das Schicksal von Erwerbslosen und ich habe Kollegen kennengelernt, die regelrecht Freude haben, Leistungsberechtigte zu sanktionieren.

So grotesk das klingt: Einige sind sogar regelrecht neidisch auf die Arbeitslosen. Ich habe schon ehemalige Kollegen auf den Gängen sagen hören: ‘Man lebt doch nicht schlecht von Hartz IV. Die können sich davon einen faulen Lenz machen, während wir hier unsere Zeit absitzen müssen.’

Andere wiederum haben selbst Ärger im Privatleben und übertragen ihren Frust auf die Erwerbslosen. Dort haben sie Macht und können ihrem Unmut Luft machen.”

Hier geht’s zum gesamten Beitrag.

6. “Das war mein schlimmstes Gespräch auf dem Amt”

Arnold Schnittger ist Vater von Nico, der schwerbehindert ist. Als Nicos Mutter erkrankte, musste Schnittger seinen Beruf aufgeben, um sich in Vollzeit um seinen Sohn kümmern zu können.

Damals war er zum ersten Mal auf staatliche finanzielle Leistungen angewiesen. Besonders bemängelt Schnittger den unmenschlichen Umgang mit den Leistungsbeziehern im Jobcenter – sowie die mangelnde Empathie für pflegende Familienangehörige.

“Im Sozialamt stieß ich auf wenig Verständnis. Ich erinnere mich an eine Situation mit einem Sachbearbeiter, die ich während eines Beratungsgesprächs erlebte: 

‘Wie lange pflegen Sie ihren Sohn denn im Schnitt?’

Ich antwortete: ‘Am Wochenende rund um die Uhr. In der Woche 16 Stunden am Tag.’

Darauf fragte der Beamte, warum ich Nico lediglich 16 Stunden pro Tag pflege.

‘Acht Stunden am Tag ist Nico in der Tagesförderung’, antwortete ich.

‘Na dann können sie doch in der Zeit arbeiten.’

Ich würde aber auch gern mal schlafen – nachts ist das nicht möglich. Außerdem würde ich dann insgesamt 24 Stunden arbeiten.’

Die Antwort des Beamten ließ mich augenblicklich verstummen: ‘Also wissen Sie, ich habe auch drei Kinder großgezogen!’”

Hier geht’s zum gesamten Beitrag.

7. “Ich arbeite im Jobcenter: Das ist der Fall, der mich nicht mehr loslässt”

Bernd Steinheimer ist Teamleiter in einem Jobcenter. Hartz-IV-Empfänger dabei zu unterstützen, wieder einen festen Job zu finden, liegt nicht nur ihm, sondern auch seinen Mitarbeitern besonders am Herzen. Deswegen kritisiert er die meist negativ gezeichnete Berichterstattung der Medien über Jobcenter.

Natürlich passieren auch in dieser Behörde Fehler – die bedeutet allerdings nicht, dass die einzelnen menschlichen Schicksale Steinheimer kalt lassen.

Vor vielen Jahren betreute ich einen arbeitslosen Familienvater, der an einem Fortbildungskurs teilnahm, um leichter einen neuen Job zu finden.

Im dritten Monat seiner Arbeitslosigkeit, während der Fortbildung, führte ich ein langes Gespräch mit ihm. Er gestand: ‘Ich habe es meiner Familie noch nicht erzählt.

Er erzählte mir, wie er die ersten vier Wochen nach seinem Jobverlust – die Fortbildung hatte erst später begonnen – jeden Morgen mit der Aktentasche in den Schlosspark ging. Dort verbrachte er den Tag und kam erst abends nach Hause, damit seine Familie nichts merkte.

Ich war schockiert. Die Arbeitslosigkeit hat ihn extrem belastet und beschämt.

Er hat gelitten wie ein Hund.”

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 8. “Die meisten sind an ihren Problemen selbst schuld”

Martin Junker (Name von der Redaktion geändert) lebt seit 2009 von Hartz IV. Er sagt, viele Menschen in seiner Situation würden auf hohem Niveau jammern. Er selbst habe nie ernsthafte Probleme mit dem Jobcenter gehabt, Junker wünsche sich jedoch für die Zukunft ein bedingungsloses Grundeinkommen, denn das hätte positive Auswirkungen – nicht nur für Hartz-IV-Empfänger. 

 “Ich bin gelernter Buchbinder und lebe seit 2009 vom Arbeitslosengeld II, auch bekannt als Hartz IV. Damals musste ich meine Selbständigkeit aufgeben. Nun bin über 60 und bekomme mittlerweile auch keine Jobangebote mehr.

Dennoch kann ich die Leute nicht verstehen, die sich immer nur beklagen und an allem herummäkeln. Im Vergleich zu vielen anderen Ländern geht es Arbeitslosen in Deutschland nicht so schlecht.”

Hier geht’s zum gesamten Beitrag.

 9. Essen, schlafen, sterben: So sieht der Alltag eines Hartz-IV-Empfängers aus

HuffPost-Redakteurin Agatha Kremplewski wuchs als Kind von Sozialhilfe- und Hartz-IV-Empfängern auf. Die letzten Lebensjahre ihres kranken und arbeitslosen Vaters machten ihr deutlich, wie stark psychisches und physisches Wohlbefinden zusammenhängen. 

“Vor der Arbeitslosigkeit war mein Vater gerne unterwegs, oft verbrachten wir die Wochenenden zusammen. Als ich noch klein war, sind wir zumindest gemeinsam mit meiner Mutter spazieren gegangen, vielleicht sogar mal in die Berge zum Zelten gefahren, wenn genügend Geld da war.

Um sich für die langen Wanderungen vorzubereiten, schnallte sich mein Vater schon Wochen im Voraus einen schweren Rucksack auf den Rücken und lief die Treppen im Treppenhaus auf und ab. Am Ende war es schon viel, wenn er seine Hose um den dicken Bauch knöpfte, um überhaupt vor die Tür zu gehen.

Lange hat er es nicht gemacht. Mit 52 Jahren starb mein Vater an den Folgen von Diabetes und Arteriosklerose. Und Armut.

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10. “Was ich täglich als Sachbearbeiterin im Jobcenter erlebe, lässt mich am Verstand der Menschheit zweifeln” 

Lisa Knurz (Name von der Redaktion geändert) ist Sachbearbeiterin im Jobcenter. Bei ihrer Arbeit hat sie regelmäßig mit schwierigen Fällen zu tun – alleinerziehende Mütter, die keinen Job finden, frustrierte Väter, die sanktioniert wurden oder Familien, die seit Generationen arbeitslos sind. Gerecht geht es nicht immer zu, meint Knurz – deswegen sollte der Staat eingreifen und das Hartz-IV-System reformieren. 

“Ich habe Menschen kennengelernt, die nicht einmal einfachste Jobs wie Putzen annehmen können, denen man bei allem unter die Arme greifen muss. Einfach, weil sie es nicht gelernt haben, ihr Leben alleine zu managen und zu strukturieren. Die fallen dann einfach aus dem Arbeitsmarkt heraus.

Viele meiner Kollegen sind genervt mit der Zeit und fangen an, das System in Frage zu stellen.

Aber eigentlich macht es mich einfach nur traurig.”

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 Dieser Beitrag wurde erstellt von Agatha Kremplewski, Tobias Böhnke und Veit Lindner.

Das letzte Mal: Zum Abschied die besten Sex-Stellungen der HuffPost

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Künstlerische Ergüsse aus der Redaktion zum Thema Sex.

Lieben, leiden – und dann das plötzliche Aus: Wir alle kennen den beißenden Trennungsschmerz, der auf das Ende einer langjährigen Beziehung folgt.

So sehr es allerdings auch weh tun kann, wenn ein Lebensabschnitt zu Ende geht: Warum sollte man es kurz vor Schluss nicht noch einmal richtig krachen lassen? Mal ganz ehrlich: Wer hatte, kurz bevor man seinen Partner verlassen hatte, nicht noch ein aller-, allerletztes Mal ausgiebig Sex mit ihm – oder hat zumindest mal daran gedacht?

Diesem letztem Mal Sex mit dem fast schon Ex-Partner liegt eine ganz besondere Magie inne: die letzten gemeinsamen Berührungen und Küsse austauschen, das letzte Mal nach dem Akt aneinander geschmiegt im Bett liegen – um sich dann von diesem gemeinsamen Kapitel zu verabschieden.

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Auch wenn unser Abschied in der Redaktion nicht ganz so intim ist: Ein letztes Mal wollen wir den Liebesakt an sich feiern, dem wir doch so viele Texte gewidmet haben. Deswegen haben wir unsere besten, aufregendsten und skurrilsten Sexstellungen zusammengetragen – teils liebevoll illustriert von unseren Redakteuren (deren Künste, zugegeben, mehr an das erste als das letzte Mal erinnern).

Zum Abschied, ein letztes Mal: Unsere besten Sexstellungen der letzten Jahre.

1. “Das horny Einhorn”: Diese Sex-Position ist magisch

Weil das obere Bein der Frau nach oben ausgestreckt ist, ähnelt die Position einem Einhorn.

Die Stellung verspricht ein tiefes Eindringen in die Vagina, während sich Mann und Frau sehr nahe kommen.

► Wer es besonders intensiv mag, kann die Einhorn-Stellung noch mit Handarbeit ergänzen: Mit der freien Hand oder einem Vibrator kann der Mann die Klitoris seiner Partnerin stimulieren.

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2. Im Bett naschen: Die Apfelstrudel-Sex-Stellung sorgt für zuckersüßes Vergnügen

Eine Sex-Stellung so verführerisch wie ein Dessert: Bei der Apfelstrudel-Position sind beide Partner eng miteinander verschlungen – ähnlich eines Teigblatts, das sich um den süßen Apfel schmiegt. 

Diese Stellung bietet nicht nur besonders liebevollen und intimen Sex, weil sich die Partner körperlich sehr nahe kommen. Sie ist auch noch so bequem, dass man sie sogar frühmorgens und schlaftrunken genießen kann – wie ein süßes Frühstück im Bett.

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3. Sex-Stellung “Eiffelturm”: Doppelte Penetration für die Frau

Bei der Eiffelturm-Stellung vergnügen sich Mann, Mann und Frau zu dritt.

Der Legende nach erfanden alliierte Soldaten 1944 in der frisch befreiten Stadt der Liebe diese Stellung. Bei ausgelassenen Siegesfeiern sollen sich die Soldaten Frauen ‘geteilt’ haben und auf eine besonders heiße Variante des Sex zu Dritt gekommen sein.

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4. Dreibeiniger Hund: Diese Sex-Stellung hält euch an kalten Wintertagen warm

Der dreibeinige Hund, im Kamasutra auch “Indian Style” genannt, bietet einige Vorteile:

► Das angewinkelte Bein ermöglicht es dem Mann, besonders tief einzudringen.

► Die Stellung sorgt für einen speziellen Winkel, bei dem der Penis nicht nur die Klitoris zusätzlich stimuliert, sondern auch den G-Punkt besser treffen kann. 

► Die Position erlaubt es euch, das Schlafzimmer zu verlassen und neuen Schwung in euer Liebesleben zu bringen.

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5. Schnecken-Sex: Nach dieser Stellung könnten faule Paare süchtig werden

Besonders für Frauen kann die Stellung sehr erregend sein: Da der G-Punkt in der Schneckenstellung besonders stimuliert wird, ist die Schnecke ideal, wenn ihr Probleme habt, zum Orgasmus zu kommen. 

Bei der Schnecke hat der passive Partner die Hände frei, beispielsweise, um den aktiven Partner zu berühren.

Die Schnecke lässt sich auch perfekt mit langsamen, tiefen Stößen verbinden. 

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6. Sex-Position: Hoch die Flossen – die “Meerjungfrau” müsst ihr unbedingt ausprobieren

Bei der Meerjungfrauen-Position presst die Frau die Beine fest aneinander.

Bei dieser Position liegt die Frau auf einer erhöhten Fläche auf dem Rücken, zum Beispiel auf dem Bett oder auf einem Tisch. Gerne kann sie auch ein Kissen unter ihren Po legen, um die Hüften ein wenig mehr anzuheben.

Dann streckt sie ihre Beine möglichst gerade nach oben (okay, ein bisschen gelenkig sollte man schon sein) und presst sie möglichst eng aneinander – als wären die Beine, ähnlich einem Meerjungfrauen-Schwanz, zusammengewachsen.

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7. Hier “kommt” Flipper: Die Delfin-Sex-Stellung sorgt für Liebesvergnügen 

Erkennt ihr den Delfin in der Position?

Die Frau stellt sich vor den Mann und wendet ihm ihre Rückseite zu. Dann hebt sie ein Bein, streckt dieses nach hinten aus und schlingt es um seine Hüfte. 

Spätestens jetzt sollte sich ein maritimes Feeling einstellen – wer schon einmal auf hoher See auf einem schwankenden Boot versucht hat, die Balance zu halten, weiß, wie es sich anfühlt, auf einem Bein stehend Sex zu haben.

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8. Schlitten-Sexstellung: So bringt ihr Fahrt in euer Sexleben

Für die sportlicheren unter euch, könnt ihr eure Beine auch gerade ausstrecken und hoch halten. Dadurch kann euer Partner die sonst nur schwer zugänglichen Stellen besser treffen.

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9. Kleopatra-Stellung: Bei dieser Position vergnügen sich Frauen königlich

Der Mann liegt seiner Königin quasi zu Füßen.

Das Tolle an dieser Stellung ist: Die Frau hat die volle Kontrolle. Sie kann ihre Hüften frei bewegen, sich auf- oder absetzen, sie leicht kreisen lassen und dem Mann so nahe kommen, wie sie es sich gerade wünscht, während sie ihren wachsamen Blick auf ihn richtet. 

Ob die Ägypter es wohl auch schon so gemacht haben? Es bleibt ein ewiges Geheimnis.

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10. Der Zauberberg: Diese Sexstellung bringt euch auf neue Höhen

Handgemalt sieht die Stellung ein wenig traurig aus – Spaß machen soll sie trotzdem.

Nach einem langen, anstrengenden Arbeitstag gilt für viele Paare: Ab aufs Sofa, Fernseher an und entspannenWer dennoch ein wenig Lust auf Sex hat, seinen inneren Schweinehund aber nicht überwinden kann, der sollte den “Zauberberg” ausprobieren. 

Die Position eignet sich für alle Paare, die lieber auf dem Sofa liegen bleiben und nebenbei vielleicht auch Netflix laufen lassen wollen.”

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Die Quantität von Klicks ersetzt nicht die Qualität des Arguments

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Soziale Medien sind direkt, sie sind interaktiv und vor allem eines: gnadenlos schnell. Wir entscheiden im Bruchteil einer Sekunde, ob uns das, was wir sehen oder lesen, gefällt. Scrollen, Swipen, Kommentieren, Likes oder Herzchen Verteilen. Von einem Thema zum nächsten Springen.

Das gehört zum Alltag.

► Die Folge:Die Art, wie wir kommunizieren und denken, ändert sich. Und damit auch unsere Debattenkultur.

Die Verlockung, sich schnell eine Meinung zu bilden oder sich einem Lager anzuschließen, ist groß. Ich sehe es an den Reaktionen auf meine Posts: Schwarz-Weiß-Denken ist leider keine Seltenheit.

► Mein Eindruck ist:Für das Befassen mit unterschiedlichen Argumenten, wie es hier bei der HuffPost geschätzt wird, nehmen sich nur die wenigsten Zeit.

Was ich mir wünsche? Dass wir wieder mehr und ehrlicher diskutieren. Dass nicht die Angst vor dem nächsten Shitstorm die Debatte bestimmt, sondern der Spaß an der Diskussion. Die Quantität von Klicks oder Überschriften ersetzt nicht die Qualität des Arguments.

Ich frage mich: Was ist aus dem Verlangen geworden, das Gegenüber mit Argumenten zu überzeugen? Was aus der Haltung, der andere könnte auch mal Recht haben? Was aus dem Ehrgeiz, in einer verfahrenen Situation einen Kompromiss zu erringen? Der Ausgleich scheint aus der Mode gekommen zu sein.

Ehrlich heißt, reflektiert zu diskutieren

Als Ministerin bin ich mit meinen Entscheidungen dem Allgemeinwohl verpflichtet – und nicht etwa einzelnen Interessengruppen. Kompromisse zu schließen, ist elementarer Teil meiner Arbeit. Das ist Ausdruck von Demokratie.

Es gilt, die Ansprüche der Bürgerinnen und Bürger mit den Begebenheiten der Land- und Ernährungswirtschaft in Einklang zu bringen. Das ist keine leichte Aufgabe.

► Es wird mehr Tierwohl gefordert, aber die wenigsten sind bereit, dafür auch mehr zu zahlen.

► Wir wollen sichere Ernten und makelloses Obst und Gemüse, aber nicht, dass Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden.

► Viele wünschen sich regionale Produkte, aber gleichzeitig gibt es immer mehr Anforderungen an kleine Betriebe.

Ohne ehrliche, offene Diskussionen, ohne einen Austausch sachlicher Argumente, ließen sich diese Aufgaben nicht bewältigen.

Ehrlich heißt für mich übrigens nicht, Äußerungen im Sinne eines “das wird man ja wohl noch mal sagen dürfen”. Ehrlich heißt, reflektiert zu diskutieren. Es heißt, zu denken, bevor wir reden oder schreiben. In Ehrlichkeit steckt auch das Wort “Ehre”. Ehrlichkeit heißt richtig, korrekt, aber auch verlässlich und anständig.

Bei allem Tempo, das die sozialen Medien mit sich bringen, sollte das immer der Maßstab bleiben.

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Die eigene Echokammer verlassen

Der vielleicht schwierigste Schritt auf dem Weg hin zu einer besseren Debattenkultur besteht darin, sich selbst zu hinterfragen. Eine Diskussion setzt den Austausch mit Andersdenkenden voraus.

Das heißt auch, die eigene Echokammer zu verlassen.

Vor allem in den sozialen Medien besteht die Gefahr, die Realität aus den Augen zu verlieren. Jeder Klick und jedes Like verkleinert die Auswahl der Inhalte, die Userinnen und Usern überhaupt angezeigt werden.

Anders bei der HuffPost: Sie lässt Autoren und Blogger, Experten und Leser zu Wort kommen, um ihre persönliche Sichtweise zu schildern. Der HuffPost ist es dadurch gelungen, ein Meinungsspektrum abzubilden – und gezielt Diskussionen über aktuelle Themen anzustoßen.

So sieht für mich gelebte Debattenkultur aus.

Auch wir als Ministerium scheuen keine Diskussionen. Wir hinterfragen uns und unsere Arbeit. Gerade bei so emotional aufgeladenen Themen wie Ernährung, Pflanzenschutzmitteln oder der Tierhaltung fragen wir uns, wie wir dazu beitragen können, die Debatten zu versachlichen. Zum Beispiel mit unserem Forschungsprojekt “Social Lab”, das gerade fertig geworden ist.

Hier haben Forscher in unserem Auftrag intensive Dialoge geführt, um herauszufinden, wovon die Akzeptanz der Nutztierhaltung eigentlich abhängt.

► Erkenntnis Nummer eins des Forschungsprojekts lautet:Verbraucher und Landwirte wissen nur wenig über die Erwartungen des jeweils anderen.

Verständnis wird eben nur erzeugt, wenn man statt übereinander, miteinander redet. Und Wertschätzung setzt Wissen voraus.

Ziel muss es sein, dem Schwarz-Weiß-Denken, dem Alles-oder-Nichts, zu widerstehen, sich Zeit für intensive Gespräche zu nehmen und sich auf ein hartes Ringen um Kompromisse einzulassen.

Es gilt, die Echokammer zu verlassen und faktenbasiert zu argumentieren. Damit sachlich geführte Debatten wieder möglich werden und endlich der Spaß an der Diskussion zurückkehrt.

Schade, dass die HuffPost dazu nicht weiter beitragen kann!

Wohnungsnot: 3 Ideen, wie die Wohnungsnot in deutschen Städten gelöst werden könnte

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Dass es so nicht weitergehen kann, da sind sich alle einig. Seit Jahren steigen in deutschen Städten die Mieten. In Berlin beispielsweise haben sich die Preise seit 2008 mehr als verdoppelt, Familien müssen im Schnitt nun über 40 Prozent ihres Nettoeinkommens aufbringen, um eine Drei-Zimmer-Wohnung zu mieten.

In München kostet der Quadratmeter bei einer neu gebauten Wohnung mittlerweile zwischen 17 und 25 Euro. Seit 1995 sind die Mieten um etwa 80 Prozent gestiegen.

Und es sind nicht nur die ganz großen Metropolen. In 79 von 80 deutschen Großstädten sind die Mieten seit 2013 gestiegen – und sie steigen weiter. Einzige Ausnahme ist Rostock.

Seit Jahren verspricht die Bundesregierung Lösungen. Die Mietpreisbremse wurde ins Leben gerufen, der Immobilienwirtschaftliche Dialog, das Bündnis für bezahlbares Wohnen. Doch das Problem hat sich damit nicht gelöst. Die Mieten steigen weiter.

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Vertreter der Immobilienwirtschaft fordern deshalb: Neubauten sollen schneller genehmigt werden, mehr Bauflächen sollen freigegeben werden, damit in Städten wie München und Berlin, wo es an Wohnungen fehlt, endlich mehr gebaut werde.

Allein durch Neubauten wird sich das Problem der Wohnungsnot aber nicht lösen lassen. Denn gebaut wird ja auch jetzt schon. Allerdings meist nur, womit sich gut Geld verdienen lässt: Büros, Shopping-Malls und Luxus-Apartments.

Wir von The Buzzard haben deshalb im Netz nach anderen Lösungsideen gesucht. Und dabei drei Ideen entdeckt, die helfen könnten die Wohnungsnot in den Griff zu bekommen – ganz ohne Bagger.

1. Wer umzieht, verdient Geld  

Ein Fakt, der überrascht: In Deutschland gibt es heutzutage mehr Wohnraum als je zuvor. Im Schnitt hat jeder Bewohner des Landes gut 46 Quadratmeter zur Verfügung. Das ist der höchste Stand in der Menschheitsgeschichte, 10 Quadratmeter höher als noch vor 30 Jahren. Auf diese Zahlen macht der Fachjournalist Bernward Janzing in der taz aufmerksam.

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Janzing betont: Das Problem ist nicht, dass es zu wenig Wohnungen gibt. Das Problem sei viel mehr, dass die Wohnungen, die da sind, nicht richtig verteilt werden. Viel zu oft wohnten Singles in 100-Quadratmeter-Wohnungen, während ganze Familien sich in kleine Drei-Zimmer-Wohnungen quetschen müssten oder gar nicht mehr in den Städten wohnen können. Aber wie soll man das verändern? Man kann Singles schließlich nicht zwingen umzuziehen?

Janzing hat darauf drei Antworten:

Möglichkeit 1: Prämien zahlen, wenn Menschen in eine kleinere Wohnung ziehen

Das macht beispielsweise die Gemeinde Denzlingen in Südbaden schon. Dort bekommen Einzelpersonen bis zu 2500 Euro, wenn sie sich entscheiden, in eine kleinere Wohnung zu ziehen.

Möglichkeit 2: Grundsteuer neu berechnen

Janzing schlägt vor: Man könnte die Grundsteuer an der Wohnfläche pro Kopf ausrichten. Eine einzelne Person müsste für eine Wohnung mit 100 Quadratmetern mehr Steuern bezahlen, als drei Personen für die gleiche Wohnung zahlen würden. So werde vor allem Leerstand für die Besitzer teuer.

Möglichkeit 3: Den ländlichen Raum stärken

Die meisten Wohnungen stehen in Deutschland auf dem Land leer, in den Dörfern und Kleinstädten. Janzing betont, dass das nur bedingt mit fehlenden Arbeitsplätzen zu tun habe. Weltmarktführer aus der deutschen Provinz säßen oft genug in abgelegenen Tälern und seien auf Pendler aus den Städten angewiesen. Wenn die Dörfer wieder als Lebensraum attraktiver würden (zum Beispiel weil die Anbindung mit Bus und Bahn sich verbessert), dann werde auch der Wohnraum, der leer steht, wieder mehr genutzt.

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2. Wer spekuliert, verliert

Eine zweite Idee, auf die wir von The Buzzard gestoßen sind, richtet sich an alle Bauherrn und zeigt: Das Problem ist nicht, dass Neubauten nicht schnell genug genehmigt werden. Das Problem ist, dass mit Genehmigungen spekuliert wird.

Wer durch Berlin spaziert, der stößt oft auf brache Flächen. Bauland, auf dem seit Jahren nichts passiert, inmitten von Wohnblocks, in denen die Mieten immer weiter steigen, weil es so viel Andrang gibt. Eine Studie des Immobilien-Analysehauses Bulwiengesa hat herausgefunden: Jahr für Jahr wird rund die Hälfte der genehmigten Wohnungen in Berlin gar nicht gebaut. Die Hälfte des Baulands bleibt Brachland. Und das ist nicht nur in Berlin so. 2017 wurden in ganz Deutschland rund 63 000 neue Wohnungen genehmigt, die nicht gebaut wurden.

Warum ist das so? Eine Antwortet lautet: Spekulationsgeschäfte. Wenn ein Bauherr auf seinem Grundstück ein Neubau genehmigt bekommt, dann steigt der Grundstückspreis. Statt zu bauen, holen die Besitzer sich also lieber eine Genehmigung, warten dann einige Jahre und verkaufen das unbebaute Grundstück mit hohem Gewinn an den nächsten Spekulanten.

Der Immobilienökonom Michael Voigtländer möchte, dass das aufhört. Und er hat auch eine Idee wie: Spekulationsgeschäfte beenden, indem die Baugenehmigung auf ein bis zwei Jahre verkürzt wird. Wer dann mit seinem Land zu lange spekuliert, der verliert seine Genehmigung.

Dass es noch radikaler geht, zeigt eine Bürgerinitiative in Berlin. Dort möchten Aktivisten Immobilienunternehmen enteignen, die Wohnungen als reine Spekulationsobjekte nutzen. Wohnungen von großen Immobiliengesellschaften, in denen niemand wohnt, die nur Anlagenobjekte sind, würden dann per Volksentscheid zu staatlichem Eigentum gemacht. Ob eine solche Enteignung allerdings juristisch durchsetzbar ist, bleibt offen.  

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3.  Was sozial ist, bleibt sozial

Die dritte Idee, die wir entdeckt haben, dreht sich um Sozialwohnungen. In Deutschland werden nämlich jedes Jahr viele neue Sozialwohnungen gebaut. Und trotzdem gibt es in Deutschland jedes Jahr weniger Sozialwohnungen. Der Rückgang der Sozialwohnungen ist gewaltig: 1990 gab es noch rund 3 Millionen Sozialwohnungen in Deutschland, mittlerweile sind es nur noch 1,2 Millionen. In den 1980er Jahren waren rund 20 Prozent aller Wohnungen Sozialwohnungen. Heute sind es nur noch rund 3 Prozent.

Wie kann das sein? Der Rückgang liegt an einer Regel, über die sich Caren Lay maßlos aufregt. Lay ist Linken-Politikerin und seit 2016 Sprecherin für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik. Sie erläutert: Nach 15 bis 20 Jahren fallen Sozialwohnungen in Deutschland aus der Preisbindung. Das bedeutet, die Wohnungen, die ursprünglich Sozialwohnungen waren, dürfen dann zu normalen Marktpreisen vermietet werden. In kurzer Zeit steigen daher die Mieten in den ehemaligen Sozialwohnungen rasant an. Die Mieter werden aus den Sozialwohnungen gedrängt, während Besserverdiener einziehen können.  

Mehr zum Thema: Alle Zahlen und Fakten zur Wohnungspolitik in Deutschland im Überblick

Caren Lay wundert es deshalb nicht, dass das in Deutschland mit der Wohnungsnot nicht besser wird. Wenn wir das Problem in den Griff bekommen wollen, sagt sie, muss durchgesetzt werden, dass Sozialwohnungen immer Sozialwohnungen bleiben. Was sozial ist, bleibt sozial. Alles andere sei absurd, meint Lay.

Wir sollten uns an Wien orientieren, fordert sie: Dort sind 40 Prozent aller Wohnungen im Sozialbausegment. 62 Prozent aller Wiener wohnen in Wohnungen mit gedeckelten Mieten, was dazu führt, dass die Mieten in Wien seit Jahren nur moderat ansteigen.

Damit das mit der Wohnungsnot in deutschen Städten aber ähnlich gut funktioniert wie in Wien, müsste die Bundesregierung deutlich mehr Geld in die Hand nehmen. Wien investiert rund 680 Millionen Euro pro Jahr nur in den sozialen Wohnungsbau. Rund die Hälfte des Budgets, das ganz Deutschland zur Verfügung steht. Wenn wir hier mehr Geld investieren, dann würde sich das lohnen, findet Lay.

Zu jeder Debatte gehören immer zwei Seiten. Wenn ihr euch wissen möchtet, was gegen sozialen Wohnungsbau spricht, warum Wohngeld eine bessere Alternative sein könnte und wie in deutschen Städten wesentlich schneller mehr gebaut werden könnte, dann schaut auf unsere aktuelle Debatte zur Wohnungsnot. Auf TheBuzzard.org zeigen wir aktuell die Stimmen von Immobilienexperten, Ökonomen und Aktivisten im Überblick.

Link zur Debatte: hier

Von Peter Maffay bis Peer Steinbrück: Prominenter Besuch bei der HuffPost






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