Sein Name ist dem österreichischen Vizekanzler bekannt. Und der AfD-Spitze.
In Bad Salzuflen aber, wo er lebt, ist Aras B. ein Niemand. Es ist Ende November, gerade hat der Weihnachtsmarkt geöffnet. B. schiebt sein kleines, lilafarbenes Kettler-Rad, das Fahrrad eines Kindes, eine Straße hinab.
Hier, wo Eltern ihren Kindern gebrannte Mandeln spendieren und gerade die ersten Männer- und Frauengruppen vor den Glühweinständen eintreffen, nimmt kaum jemand Notiz von B..
In der anderen Welt aber, im Internet, vergeht zu dieser Zeit kaum eine Stunde, ohne dass der 20-jährige Jeside angefeindet wird. Er bekommt Morddrohungen. Es ist auch zu dieser Zeit, dass vier ehemalige Klassenkameradinnen ihm vorwerfen, sie sexuell belästigt zu haben. Sie erstatten Anzeige.
An diesem Donnerstagnachmittag im November weiß B. noch nicht, dass das Amtsgericht Lemgo ihn am 12. Dezember wegen sexueller Belästigung in fünf Fällen zu 80 Sozialstunden verurteilen wird. Doch er ahnt, dass es nicht gut für ihn aussieht.
B. ist der wohl meistgehasste Flüchtling Deutschlands
Eigentlich wäre der Fall Aras B. nicht weiter berichtenswert.
Taten, wie sie das Gericht in Lemgo im Fall Aras B. verhandelt hat, passieren jeden Tag in Deutschland. Auch an Schulen. Jedes Jahr gibt es allein in Nordrhein-Westfalen rund 300 Fälle sexueller Belästigung an Schulen, die zur Anzeige kommen. Interesse der überregionalen Medien erregen diese Fälle eher selten.
Bei B. ist das anders. Im Gerichtssaal in Lemgo saß am ersten Verhandlungstag ein Reporter des “Spiegel”. Auch die “Bild”-Zeitung wird dem Urteil im Fall B. einen Artikel widmen.
Der Grund: B. ist zu dieser Zeit der wohl bekannteste – und bei Rechten meistgehasste – Flüchtling Deutschlands.
Auch durch die HuffPost war er in ihren Fokus geraten. Der Jeside, dichte Augenbrauen, schwarze Haare, glatt rasierte Wangen, hat sich in den vergangenen Jahren einen Namen gemacht, indem er in Blogs, Interviews und in den sozialen Medien verbreitete Vorwürfe gegen Migranten aufgriff und zurückwies. Anfangs als Blogger der HuffPost.
Seine Texte brachten ihm im Netz so viel Aufmerksamkeit, dass sogar der Obmann der rechten FPÖ Heinz-Christian Strache B. ihn einst in einem langen Facebook-Post als “rotzfrech” beschimpfte. Was folgte, waren Polemik, Beleidigungen und wilde Verschwörungstheorien – Hass, der sich über B. ergoss.
Und der auch jetzt nicht kleiner zu werden scheint – wo das Gericht ihn verurteilt und B. sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hat. Eine Internet-Recherche nach Aras B. fühlt sich mehr denn je an wie der Abstieg in eine krude rechte Parallelwelt.
Für die Rechten stand mit B. auch die Politik Merkels vor Gericht
Seit im November bekannt wurde, dass B. wegen sexueller Belästigung vor Gericht steht, haben die Drohungen gegen ihn noch zugenommen. Menschen aus dem ganzen Land wüten im Internet über den syrischen Jesiden, der vor zehn Jahren nach Deutschland geflohen ist. Zehntausende Suchanfragen nach seinem Namen verzeichnete Google wohl allein für den November.
Für viele Beobachter in den sozialen Medien ist der Fall klar: B. stilisierte sich selbst als “Vorzeigeflüchtling”. Nun habe er sein wahres Gesicht gezeigt. Das wahre Gesicht einer ganzen Kultur.
Für diejenigen, die das meinen, und das sind nicht wenige, stand in Lemgo auch die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin vor Gericht – und wurde verurteilt. Dass B. lange vor dem Sommer 2015 nach Deutschland kam, interessiert dabei nicht.
Die rechte “Junge Freiheit” triumphiert schadenfroh: ”Der linksgrünen medialen Klasse ist ihre Galionsfigur im Kampf um die öffentliche Meinung beim Thema Asyl um die Ohren geflogen, daß (sic!) es nur so pfeift. ”
Der Fall B. zeigt, wie aufgewühlt auch drei Jahre nach dem Sommer 2015 die Flüchtlingsdebatte ist. Gleichzeitig ist er die Geschichte eines jungen Mannes, dem das Internet eine Aufmerksamkeit ermöglichte, die er sonst nie bekommen hätte – und die ihm am Ende wohl über den Kopf wuchs.
Der Aufstieg zum “Flüchtlingsblogger”
Im Sommer 2016 begann B., seine ersten Artikel zu schreiben.
Der damals 18-Jährige schilderte, wie seine Mutter in Syrien starb, wie sein Vater mit seiner Oma zurückblieb und die restliche Familie nach Deutschland floh. 14 Geschwister hat er, alle leben heute in Deutschland.
Wie rund 7000 andere Blogger nutzte B. auch das offene Blog-System der HuffPost, um seine Beiträge an die Öffentlichkeit zu bringen. Nach einer Anmeldung ermöglichte das System Autoren, ihre Beiträge selbstständig zu veröffentlichen, ganz ähnlich wie das zum Beispiel bei Facebook oder der Blogplattform Tumblr bis heute der Fall ist.
Gepusht durch die Algorithmen von Facebook und Twitter können zu dieser Zeit auch Texte völlig unbekannter Autoren innerhalb weniger Stunden hunderttausende Menschen erreichen. Im September 2016 sorgte B. so das erste Mal mit einem Blog für Aufsehen.
Deutschland diskutierte gerade über einen Bericht der “Welt”, laut dem in die Bundesrepublik geflohene Syrer Urlaub in ihrer Heimat machen würden. B. schreibt eine Replik; die Schlagzeile: ”Natürlich fahren wir nach Syrien in den Urlaub!”
Für viele Kritiker der deutschen Flüchtlingspolitik klang das wie eine dreiste Provokation. B.s Bekanntheit wuchs. Er veröffentlichte Artikel bei Internetmagazinen und Nachrichtenseiten. Er gab erste Interviews, seine Provokationen wurden spitzer.
Der Mythos vom “Vorzeigeflüchtling”
So wurde B. innerhalb einiger Monate zur Hassfigur einer immer besser organisierten rechten Internetszene. Aber: Er bekam auch zunehmend prominenten Zuspruch.
Für viele, die Merkels Flüchtlingspolitik im Internet unterstützten, war er die Stimme derjenigen, die neu nach Deutschland gekommen waren und sich hier ein neues Leben aufbauen wollen. Eine Stimme gegen den Hass, der Flüchtlingen entgegenschlug und schlägt.
Ein Foto zeigt ihn mit ARD-”Monitor”-Chef Georg Restle, bei dem B. einen Praktikumsplatz bekam. Auch WDR-Journalistin Bettina Böttinger traf sich mit B., ließ ihn in der Redaktion des “Kölner Treff” mitarbeiten.
Die in den sozialen Netzwerken immer wieder angefeindete Berliner SPD-Politikerin Sawsan Chebli verteidigte B. während eines seiner vielen verbalen Scharmützel bei Twitter.
Es sind Verbindungen, die den Mythos des von den Medien geschaffenen “Vorzeigeflüchtlings” genährt haben, auf den sich heute viele Rechte stürzen.
Im echten Leben ein Außenseiter
Doch da ist noch eine andere Welt. Fern der großen Bühne von ARD und AfD.
B. besuchte das Lüttfeld-Berufskolleg in Lemgo, machte dort seinen Realschulabschluss, wollte eigentlich noch sein Abitur dranhängen. Seine Leistungen waren gut, wie der Syrer gerne betont. In Deutsch sei er sogar Klassenbester gewesen.
Bei seinen Mitschülern allerdings eckte B. bald an. Das Verhalten, das im November 2018 die Justiz beschäftigt, begann laut Klassenkameraden schon lange vor den ersten öffentlichen Anschuldigungen.
So berichtet ein ehemaliger Mitschüler der HuffPost: “Am Anfang war er der schüchterne Junge, mit dem man gut reden konnte, aber mit der Zeit hat sich das ganz schön gewandelt.”
Immer öfter hätte B. nun seine Klassenkameraden provoziert. “Ich habe keine Erklärung dafür, wie sich ein Mensch so verändern kann”, sagt der junge Mann über den Syrer. Aber, so mutmaßt er, auch B.s “eigene Facebookseite”, die er erstellte, um seine Artikel noch weiter zu verbreiten, hätte ihn eingebildet gemacht.
Eine Ex-Mitschülerin bestätigt, dass B. fortan auch mit sexuellen Anspielungen aufgefallen sei. So hätte er in der Klasse Pornos rumgezeigt, ein Vorwurf, der auch vor Gericht laut wird. Ihr gegenüber habe er Dinge gesagt, “bei denen mir erstmal die Hutschnur gerissen ist”.
Vor einem Jahr, im November 2017, so schilderte ein anderes Mädchen vor Gericht, habe B. begonnen, sie zu bedrängen und anzufassen. Auch von anzüglichen Stöhn-Geräuschen war im Prozess die Rede.
B. streitet das ab, stellt die Situation anders dar: “Sie wollte immer Hausaufgaben von mir abschreiben – aber ich wollte sie ihr nicht geben.”
“Wie ist es, richtig die Fresse poliert zu bekommen?”
Schon bevor der Fall B. vor Gericht landete, entwickelte er sich zu einer bisweilen bizarren persönlichen Fehde.
Am 1. März 2018 bekam der Syrer eine Nachricht bei Facebook – von einem Jungen, den er flüchtig kennt. Der Junge warf B. vor, seine Freundin – ein anderes Mädchen – in einer Sprachnachricht beleidigt und im Unterricht angefasst zu haben.
B. tat ersteres als Spaß ab, bestritt, übergriffig geworden zu sein. Er habe per Sprachnachricht ein Lied gesungen, darin das Mädchen beleidigt, ja. Ein harmloser Spaß? Im Unterricht habe er lediglich Wasser über ihr T-Shirt gegossen, erklärt B. “Und ich habe mich dafür entschuldigt.”
Rund zwei Wochen später, am 19. März, bekam B. wieder eine Facebook-Nachricht. Dieses Mal von einem anderen Jungen. Der gab sich zunächst als Freier Journalist des ZDF aus. Er wolle B. für eine Sendung interviewen.
Dann fiel der junge Mann aus seiner Rolle: “Möchten Sie dazu Stellung nehmen? Wie es ist, Frauen gegen ihren Willen anzufassen? Und wie es ist, danach richtig die Fresse poliert zu bekommen?“
Er war wütend wegen eines Vorfalls, der am selben Tag in der Klasse von B. passiert sein soll – mit der damaligen Freundin des Jungen.
Der Junge war aufgebracht, sandte B. stundenlang Nachrichten: “Fasst du noch ein Mädchen in der Schule an, wirst du Anzeigen kriegen und eventuell noch ein paar aufs Maul, ein oder zwei Mädchen aus deiner Klasse machen gerade einen Selbstverteidigungskurs. Sollte sich der heutige Fall wiederholen, miete ich dir schon mal den Platz an der Kloschüssel. Es reicht.”
Die Klassenkonferenz
Was war vorgefallen? Am Lüttfeld-Berufskolleg gab es dem Vernehmen nach am 19. März einen Übungs-Feueralarm.
Auch die Schülerinnen und Schüler aus B.s Klasse mussten das Gebäude verlassen. Draußen dann soll B. einem Mädchen an den Hintern gefasst haben.
B. habe seine Hand dabei in ihre Hose gesteckt, sagt das Mädchen selbst. Eine Schulkameradin gab vor Gericht an, die Szene beobachtet zu haben. Eine wiederum andere Klassenkameradin sprach später davon, B. habe dem Mädchen an die Brust gefasst.
Die Aussagen weichen voneinander ab. Einig sind sich aber alle: B. hat seine Mitschülerin unsittlich berührt. Davon geht später auch der Richter in Lemgo aus.
B.s Klassenlehrerin schickte nach HuffPost-Informationen noch am Tag der Belästigung ein Kurzprotokoll des Vorfalls an den Schulsozialarbeiter und den Bildungsgangleiter. Daraufhin wurde im Kollegium eine Schulkonferenz für B. einberufen – für den 2. Mai. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde der mutmaßliche Täter vom Unterricht suspendiert.
Auf der Konferenz beschlossen die Lehrer dann, B. in eine reine Jungenklasse zu versetzen. Dass sie untätig zusahen, wie der Syrer Mädchen belästigte, wie es später rechte Medien lancierten, ist falsch.
Zwei Welten prallen aufeinander
Gestreut wurde das Gerücht wohl auch aus politischem Interesse.
Denn im Falle B. kollidieren zwei Welten. Seine Internet-Berühmtheit und sein Verhalten an der Berufsschule scheinen untrennbar. B. ist zur politischen Figur geworden. Manchmal reichen dazu in diesen Tagen ein paar Tweets.
In einer solchen Kurznachricht über die Silvester-Missbrauchsfälle in Köln machte B. im Dezember 2016 die Opfer sexueller Belästigung für ihr eigenes Schicksal verantwortlich. Ein Missverständnis, sagt er heute. Er habe das Gegenteil ausdrücken wollen. Doch die 140-Zeichen-Botschaft spricht für sich: “Daran (sexuelle Belästigung, Anm. d. Red.) sind meistens die Frauen schuld. Nachts alleine zu sein. Andererseits sollten sich Flüchtlinge benehmen.”
Sogar das rechte US-Hetzportal “Breitbart”, unverdächtig besonders bestimmt für Frauenrechte einzutreten, beteiligte sich am Aufschrei.
Viele hatten da längst begonnen, B. für einen linken Provokateur zu halten, einen sogenannten “Troll”. Im Internet entbrannte die Debatte, ob der Flüchtling überhaupt in der wahren Welt existiert oder das Hirngespinst eines linken Scharfmachers sei, um die Rechten mit ihren eigenen Waffen zu schlagen.
Dem Phänomen nahm sich im Sommer 2018 sogar der ARD-”Faktenfinder” an.
Auf der Seite der “Tagesschau” heißt die Schlagzeile: ”Der Jeside, den es angeblich nicht gibt.”
Und weiter: “In Hunderten Kommentaren wird behauptet, Aras B. existiere gar nicht. Ein Unbekannter setzt sogar ein eigenes Blog auf, um zu beweisen, dass der syrische Kolumnenschreiber ein Fake sei. Titel: ‘Aras B. entlarven.’”
Die Abscheu einiger Rechter war so groß geworden, dass sie sich einbildeten, B. müsse eine von den Medien erfundene Figur sein, geschaffen, um sie zu provozieren. Andere vermuteten hinter diesem Plan sogar die Regierung – der fragwürdige Höhepunkt der rechten Fantasie.
Die echte Welt
Ende November: B. lehnt sein Fahrrad an die Außenwand eines Cafés in der Innenstadt. Ein Fahrradschloss hat er nicht. “Bad Salzuflen ist ziemlich langweilig”, sagt er.
B. bestellt einen Kamillentee. Die Verkäuferin, eine ältere Dame mit silbernem Haar lächelt ihn erstaunt an, so überaus höflich klingt B. dabei. Drinnen ist es voll, also steuert B. einen Tisch draußen vor dem Café an. Eigentlich sitzen die Menschen hier in dieser Jahreszeit nur noch, wenn sie eine Zigarette rauchen wollen. B. raucht nicht.
Er trinkt seinen Tee und spricht mit glasigen Augen über die vergangenen Wochen. Über den Anruf der “Jungen Freiheit”: Die rechte Zeitung hatte als erstes von den Vorwürfen gegen den “Flüchtlingsblogger” erfahren – und stellte ihn zur Rede.
Es war der 31. Oktober, als der Artikel der “Jungen Freiheit” online ging.
Die Schlagzeile: “Flüchtlingsblogger Aras B. wegen sexueller Belästigung vor Gericht”. Weiter heißt es: “Dem 1998 geborenen Autor (u. a. HuffPost, Vice) wird vorgeworfen, an seiner ehemaligen Schule in Lemgo, dem Lüttfeld-Berufskolleg, sowie im Schulbus mehrere Frauen und Mädchen begrapscht zu haben.”
B., so erzählt er, litt daraufhin unter Schlafstörungen. “Es war eine schwere Zeit.”
Gibt es ein Komplott?
Doch woher wusste die “Junge Freiheit”, dass es bei dem Prozess um B. geht?
Der Autor des rechten Blogs “Aras B. Entlarven” behauptet, eine Kontaktperson habe ihm die Vorladung einer Zeugin vor Gericht zugespielt. Darauf wurde B. als mutmaßlicher Täter benannt. Er habe das Dokument an die “Junge Freiheit” weitergeleitet.
Die Vorladung kursiert seither auch bei Twitter. Der Name einer der Zeuginnen im Prozess ist notdürftig geschwärzt, ein Buchstabe ist zu erkennen.
B. warf den Zeuginnen vor Gericht auch deshalb vor, ein Komplott gegen ihn geplant zu haben. Doch dass die politisch motivierte Wut auf den “Vorzeigeflüchtling” auch in Bad Salzuflen angekommen wäre, davon spürt man vor Ort wenig.
Das Umfeld des Mädchens, das die Vorladung mutmaßlich weitergegeben hat, ist multikulturell, in der Vergangenheit teilte sie ein Foto des damaligen Schalke-Fußballers Benedikt Höwedes bei Facebook. Der hält darauf ein Pappschild mit dem Artikel 14 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte: “Jeder Mensch hat das Recht auf Asyl.”
Ihr eine politische Absicht zu unterstellen, wäre wohl ein Trugschluss.
Die Familie wendet sich von B. ab
Und dennoch: War B. bislang ein Feindbild einer eingeschworenen Szene, sind es nun wohl Zehntausende, die sein Fall in Aufregung versetzt.
Am zweiten Verhandlungstag, dem 11. Dezember, mussten Polizisten die Verhandlung sichern – zu groß ist die Sorge, dass aggressive Vertreter der rechten Szene erscheinen. Doch es bleibt ruhig.
“Das ist verrückt”, sagt B. vor dem Café. “Ich bin kein Promi. Niemand kennt mich hier.” Nur einmal blickt er von seinem Tee auf, um in der Innenstadt von Bad Salzuflen jemanden zu grüßen. Es ist sein Schwager, der Mann seiner Schwester. Beide werfen sich einige Worte auf Kurdisch zu.
Auch für seine Familie sei es schwer, sagt B. dann. Sein Cousin rede nicht mehr mit ihm, seit die Vorwürfe bekannt wurden. Auch er heißt Aras – auch er hat nun Angst um seine berufliche Zukunft. B. lacht ein wenig verbittert. Dann ist er eine ganze Weile still.
Der Tag der Entscheidung
Am 11. Dezember fällt das Gericht das Urteil: B. wird schuldig gesprochen. 80 Sozialstunden soll er ableisten.
Bei Twitter ätzt ein Nutzer: “Wie geht es eigentlich dem Grapscher Aras B.? Unser aller ‘Muster-Syrer’ ist irgendwie recht kleinlaut geworden.”
Eine Nutzerin schreibt: “Du, als verurteilter Sextäter, fragst dich sicher, warum sich die Mädchen hier überhaupt so anstellen, wenn man sie vergewaltigt.” Weitere fordern B.s sofortige Abschiebung.
Wer sich durch diese Kommentare klickt, dem dämmert: Sozialstunden sind für den Übeltäter nur ein Teil seiner Strafe.
Die Internet-Figur B., über die sich der junge Syrer offenbar zunehmend identifiziert hatte, ist zerstört. Der Zuspruch für B. ist über Nacht verschwunden. Und die Rechten, deren Vorurteile er so leidenschaftlich bekämpfen wollte, hat B. nur bestärkt.
Den Hetzern ging es im Fall B. nie allein um Gerechtigkeit für einen Sexualstraftäter. Ebenso wie es B. wohl nie allein um Gerechtigkeit für Flüchtlinge ging.
Sein Fall zeigt, dass die Welt der aufgeregten Online-Debatten auch drei Jahre nach dem Flüchtlingssommer 2015 noch Egos beflügelt und Hass befeuert. Und wie wenig diese Welt zählt, wenn es um die nüchterne Realität geht.
B. ist verurteilt. Vielleicht ist das seine letzte Schlagzeile.