Regierungsbefragung im Bundestag: 73 Minuten lang muss sich Kanzlerin Angela Merkel am Mittwochmittag den kritischen Fragen der Abgeordneten stellen.
Vor allem die AfD dürfte sich im Vorfeld vorgenommen haben, Merkel im Plenum zu grillen. Doch die Kanzlerin wehrt die Fragen zum Großteil souverän ab – und nutzt dabei auffallend oft eine entlarvende Taktik.
Die Fragen der AfD und die Reaktionen der Bundeskanzlerin – auf den Punkt gebracht.
1. Thema: Brexit
Gleich die allererste von insgesamt 26 Fragen (und 14 Nachfragen) an Merkel darf ein AfD-Abgeordneter stellen. Markus Frohnmaier findet, dass das Brexit-Abkommen zwischen Brüssel und London “darauf angelegt ist, das britische Volk zu bestrafen”.
Seine Begründung: Die Briten müssten sich auch nach dem Ausstieg aus dem Staatenbund im März 2019 EU-Regeln unterwerfen oder weiterhin Mittel an Brüssel überweisen, obwohl sie weder “mitreden dürfen” noch Teil der EU sind.
Das Brexit-Abkommen zerteile das Vereinigte Königreich, gefährde den Frieden in Nordirland und säe Hass im britischen Volk – “Sieht so ein Friedensprojekt aus?”, will Frohnmaier wissen.
► Wie Merkel reagiert: “Ihre Mischung von Fakten und Wertung teile ich nicht”, entgegnete die Kanzlerin trocken. “Ich versuche mich einmal mit den Sachverhalten auseinanderzusetzen”, sagt sie weiter und verweist auf die zweijährige Übergangsphase nach dem britischen EU-Austritt im kommenden Jahr.
In diesem Zeitraum sei es tatsächlich so, dass Großbritannien die Regeln der EU befolgen muss – allerdings nicht nach dem geplanten Ende der Phase im Jahr 2021.
Die Übergangszeit werde auch gebraucht, um die zukünftigen Beziehungen nicht nur politisch sondern auch vertraglich zu vereinbaren, erklärt Merkel. Aus diesem Grund seien die Aussagen Frohnmaiers “sachlich falsch”.
2. Thema: EU-Währungspolitik
Norbert Kleinwächter stellt die zweite Frage für die AfD. Ihm zufolge würden die Menschen vor der “macron-merkelschen EU-Dystopie davonlaufen”.
Viele EU-Mitgliedsstaaten würden aufgrund der Fiskalpolitik Brüssels “an der Wand stehen”. Kleinwächter fragte schließlich: “Und gestehen Sie dann ein, dass es Zeit ist, dass sie weg sind (sic!)?”
► Wie Merkel reagiert: Bevor Merkel antwortet, geht ein Raunen durch die Reihen der Parteien.
Die Bundesregierung habe viel unternommen, “um das Eurosystem stabiler zu machen”, bemerkt Merkel. Sie fügt hinzu: “Ich darf sie darauf hinweisen, dass in den letzten Jahren in Europa massiv Arbeitslosigkeit abgebaut werden konnte – auch wenn nicht ausreichend.”
In Richtung Kleinwächter sagt sie, es sei notwendig, “dass wir trotzdem weiter um unseren Wohlstand kämpfen müssen, gerade in den Bereichen Forschung und Innovation – aber nicht durch so eine Polemik”.
3. Thema: Migrationspakt
Nun widmet sich die AfD ihrem Lieblingsthema: Der Flüchtlingspolitik. Martin Hebner sieht Europa nach der Annahme des UN-Migrationspaktes in Marakesch am Montag “tief gespalten”.
Die ”überwiegende Mehrzahl” der deutschen Nachbarländer hätte den Pakt nicht angenommen, bemerkt Hebner. “Sie haben damit Deutschland mehr oder weniger isoliert.”
Der AfD-Abgeordnete fragt schließlich: Damit der Pakt keine rechtliche Bindung bekomme, habe der Bundestag einen Entschließungsantrag angenommen – “Warum haben Sie diesen in Marokko nicht als Side Letter (das ist eine zusätzliche Vereinbarung in Ergänzung zu einem Hauptvertrag, Anm. d. Red.) abgeben?”
► Wie Merkel reagiert: Der Antrag habe unterstrichen, was die Bundesregierung in der Erarbeitungsphase des Migrationspaktes verhandelt und für wichtig gehalten habe, unterstreicht Merkel.
“Außerdem hat sich der Antrag mit Falschinformationen – die auch sehr stark aus Ihren Reihen kommen – auseinandergesetzt.” Die Zahl der EU-Mitgliedsstaaten, die den Pakt angenommen haben, sei größer als die, die ihn abgelehnt haben, betont die Kanzlerin. Tatsächlich haben nur sieben von derzeit noch 28 EU-Mitgliedsstaaten den Migrationspakt abgelehnt.
Hebner will das trotzdem nicht akzeptieren. Merkel fordert ihn daraufhin mehrmals auf, nachzuzählen: “Als Physikerin geht es mir bei Zahlen wirklich um die Wahrheit!”
4. Thema: Abschiebungen von abgelehnten Asylbewerbern
Die vierte und letzte Frage stellt der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, Bernd Baumann. Er erinnerte daran, dass Merkel 2016 gesagt hatte: “Wir brauchen eine nationale Kraftanstrengung zur Rückführung derer, die abgelehnt wurden”.
Baumann verweist darauf, dass seitdem “nicht mehr, sondern weniger” abgelehnte Asylbewerber abgeschoben worden seien.
“Das ist keine nationale Kraftanstrengung wie versprochen, sondern ein Schwächeanfall. Man kann auch sagen, ein politisches Totalversagen.” Bauman fragt: “Warum wird nicht abgeschoben?”
► Wie Merkel reagiert: Die Bundesregierung habe eine Reihe von Maßnahmen zusammen mit den Herkunftsländern beschlossen, um die Situation zu verbessern, erklärt Merkel. “Wir werden besser, die nationale Kraftanstrengung ist nicht beendet.”
Baumann hakt nach: Wenn die Zahl der Abschiebung nicht steigt, dann sei das doch ein “Totalversagen”.
Abermals entgegnet die Kanzlerin trocken. “Ich teile Ihre Einschätzung nicht. Ich habe jetzt auch bei Ihnen kein Fragezeichen gesehen”, bemerkte sie mit Blick auf die vermeintlich Nachfrage des AfD-Politikers.
(jkl)